16.


245 Tage

"Ich kann es nicht glauben, dass wir tatsächlich im Zeitplan sind – wenn nicht sogar schneller!", staunte ich über die fertig-gebaute Dekoration. "Und unser Ticketverkauf läuft auch wie geschmiert!", sah ich nun lächelnd zu Yuna.

"Wenn Alles weiterhin so gut läuft, wird der diesjährige Ball ein voller Erfolg!", verschränkte sie triumphierend ihre Hände vor der Brust und lächelte mich ebenfalls an. "Ach bevor ich es vergesse-", meinte sie nun. "-könntest du mir morgen zwei Karten mitnehmen? Wenn es so weiter läuft mit dem Verkauf, werden sie bis Ende nächster Woche ausverkauft sein!"

Sofort erinnerte ich mich an die zwei Karten, die ich schon am gestrigen Abend für Yuna auf die Seite lag. Ich griff nach meinem Rucksack und zückte die zwei Karten hervor. "Hier – ich habe gestern bereits daran gedacht", lächelte ich sie an. "Hast du denn schon eine Begleitung?", fragte ich sie schließlich. Yuna und ich waren nicht sehr gute Freunde, dennoch kannten wir uns gut genug, dass ich solche Fragen stellen konnte.

"Mein Freund begleitet mich", lächelte sie mich an.

"Oh, ich wusste nicht, dass du einen Freund hast", lächelte ich sie an und versuchte mich daran zu erinnern ob sie ihn jemals erwähnte. "Geht er auf unsere Schule?", stellte ich die nächste Frage. Noch nie sah ich sie mit einem Jungen.

Sie schüttelte den Kopf und verstaute die Karten in ihrer Tasche. "Er studiert bereits – ich kenne ihn seit klein auf." Ein anderes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, sie dachte wohl an ihn. Irgendetwas brachte sie zurück in die Realität. "Hast du denn schon einem Footballspieler zugesagt?", hob sie ihre rechte Augenbraue.

Ich fing an zu lachen und schüttelte meinen Kopf. Natürlich bekam Yuna in den letzten Tagen mit, dass einige von unseren Mitschülern auf mich zu kam. "Ich gehe alleine zum Ball", lächelte ich sie schließlich an.

"Das ist doch irgendwie deprimierend", antwortete sie direkt. "Du kannst doch nicht alleine hin. Was ist mit Harry? Ihr versteht euch doch hervorragend?", sah Yuna mich mit einer gerunzelten Stirn an.

Ich packte meine Sachen zusammen und zuckte mit meinen Schultern. "Harry hat mich nie direkt gefragt und ich weiß auch nicht ob er schon eine Begleitung hat. Und außerdem, er ist der beste Freund von meinem Bruder, ich kann nicht mit ihm zu unserem Abschlussball."

"Ach das hört sich nach lahmen Ausreden an", grinste sie und schnappte nun auch nach ihrer Tasche. Zusammen gingen wir aus dem Schulgebäude und bevor sich unsere Wege trennten, meinte Yuna noch: "Wir haben das 21. Jahrhundert Ave, frag du ihn doch! Jedenfalls sind wir ihm Etwas schuldig!"

...

Die letzten Tage sprach ich nicht besonders viel mit meinen Mitmenschen. Ich ging zur Schule und dann arbeitete ich in John's Café, gab Nachhilfe oder verbrachte Zeit mit Gray und meiner Mom.

Harry versuchte in den ersten Tagen mit mir zu reden, doch er sah, dass ich mich nicht besonders gut fühlte und ließ mich dann in Ruhe. Ich schätzte es sehr – denn aus irgendeinem Grund konnte ich nicht mit ihm reden. Meine Gedanken hielten mich davon ab. Seit ich Alex mit diesem einem Mädchen sah, fühlte ich mich wie vor dem Sommer. Ich redete mir jegliche Beziehung und Freundschaft schlecht – ich fing Alles an mir zu bemängeln. Während den letzten zehn Tagen hasste ich mich dafür, dass Alex noch immer so eine Macht über meine Gefühle und Gedanken hatte. Um ehrlich zu sein hasste ich mich selber noch mehr, dass ich so Etwas zu ließ.

Am meisten hasste ich mich dafür, dass ich Harry so behandelte. Während der Arbeit und noch am späten Nachmittag dachte ich immer und immer wieder an Yuna's Worte nach. Vielleicht sollte ich doch den Schritt wagen?

"Ave", riss mich Grayson plötzlich aus meinen Gedanken. "Du hast absolut gar nicht zugehört, oder?", schnipste Gray vor meinem Gesicht.

Meinen Stift ließ ich fallen und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. "Tut mir leid, ich bin irgendwie total müde. Was hast du gesagt?", entschuldigte ich mich sofort.

"Erstens, wartet Tisch 3 auf dich um ihre Bestellung abzugeben und zweitens habe ich gesagt, dass ich es mir anders überlegt habe und doch mit dir zum Ball gehen werde", meinte mein Freund völlig gelassen und starrte wieder zurück in unser Mathebuch.

Sofort setzte ich mich wieder gerade hin und runzelte meine Stirn. "Was hast du gesagt?"

"Tisch 3 warte-"

"War nicht ernst gemeint, Gray", schlug ich ihn auf die Schulter, worauf er mir in die Augen sah. Sofort bemerkte er meinen schockierten Gesichtsausdruck. "Wolltest du nicht mit Jane hin?"

"Ich wollte, als wir noch zusammen waren", meinte mein bester Freund erneut in diesem lockeren Ton. Gray sagte diese Sätze so gelassen, als hätte er mir nicht vor weniger als zwei Wochen die Ohren vollgeheult, weil Jane und er sich ein ganzes Wochenende nicht sahen.

"Wann ist das passiert?", fragte ich noch immer schockiert. "Wieso ist es passiert? Was hat sie getan?", stellte ich eine Frage nach der anderen.

Grayson warf mir einen bösen Blick zu und meinte: "Wieso muss sie die Schuld haben? Vielleicht war ich ja das Arschloch?"

"Ach rede keinen Quatsch, Gray", sprang ich auf meine Beine, als ich bemerkte, dass die Gäste bereits ungeduldig wurden. "Wie kam es dazu?", hackte ich nach.

Erneut zuckte er mit den Schultern und antwortete dann: "Ich habe echt keine Lust gerade darüber zu reden. Ich gehe mit dir zum Ball. So hast du eine Begleitung und ich muss nicht für die Karten zahlen", schenkte er mir sein freches Lächeln. Auch, als ich dann lachend meine Augen rollte, nahm ich ihm diese Facette nicht ab. Dennoch ließ ich es darauf beruhen. Denn ich kannte ihn und wusste somit, dass er seine Zeit brauchte.

Auch nach der Arbeit verlor Grayson über seine plötzliche Trennung kein Wort. Mein bester Freund machte wie gewohnt weiter – eine halbe Stunde vor meinem Dienstende, verabschiedete er sich und versprach mir schon bald mir eine Erklärung zu geben.

Nach der Arbeit fuhr ich nachhause und nahm eine schnelle Dusche. Ich unterhielt mich noch einige Minuten mit meinem Bruder und meine Mutter bevor ich erneut aus der Tür verschwand. "Wohin gehst du denn schon wieder?", schrie Dean mir hinterher.

"Ich habe Etwas bei Grayson vergessen", log ich und rannte auf das Auto zu. Mein Gespräch mit Yuna verschwand auch Stunden danach nicht aus meinem Kopf. Natürlich wusste ich, dass ich nun doch eine Begleitung besaß, dennoch sprach nichts dagegen Harry zu sehen. Bevor ich zu ihm fuhr, versuchte ich ihn vergeblich anzurufen. Vor seinem Haus versuchte ich es erneut, doch er ging, wie auch beim ersten Mal, nicht ran. Was, wenn er mich, aufgrund meines Verhaltens, ignorierte?

Ohne zu überlegen ging ich auf das große Haus zu und läutete selbstbewusst an. Einige Sekunden später verfluchte ich mein Vorhaben. "Hallo?", begrüßte mich plötzlich eine weibliche Stimme, als ich ihr in die Augen sah, bemerkte ich den fragenden Blick.

Nervös zappelte ich von einem Fuß auf den anderen. Harrys Mutter. "Hallo, ich bin .. uhm Naveen. Sie kennen vielleicht Dean, Harrys Freund. Ich bin seine Schwester. Und .. uhm eine Freundin von Harry", sprach ich so schnell wie Wasserfall. Tief atmete ich aus und fragte dann: "Ist Harry vielleicht zuhause?"

Seine Mutter lächelte mich an und erkannte meine Nervosität – wie peinlich. Sonst war ich doch auch nicht so. "Er hat seinen Vater zum Arzt begleitet. Aber beide sollten in wenigen Minuten zurück sein. Möchtest du vielleicht im Haus warten?"

Ohne zu überlegen antwortete ich: "Gerne." Ich folgte Harrys Mutter durch den großen, offenen Flur in die Küche – sie kochte gerade.

"Setz dich, bitte", zeigte sie auf die Sessel die neben einem großen Holz-Esstisch platziert waren. "Kann ich dir etwas anbieten? Möchtest du Etwas trinken?", lächelte sie mich aus der Küche an und griff nach ihrem Rotwein.

"Wasser wäre sehr nett", lächelte ich sie an und zupfte nervös an meinen Fingern. Aus irgendeinem Grund dachte ich nicht darüber nach, dass seine Eltern wohlmöglich zuhause sein würden. "Ein sehr schönes Haus haben Sie", fügte ich nach einer Weile hinzu um die peinliche Stille zu brechen.

Mit einem Lächeln, und den zwei Gläsern in ihrer Hand, kam sie auf mich zu. "Ich danke dir Naveen", setzte sie sich gegenüber von mir hin. "Wie geht es deinem Bruder? Er war schon eine Ewigkeit nicht mehr hier!", fing Harry's Mutter glücklicherweise ein Thema an.

"Ihm geht es prima", umfasste ich nun mein Glas mit beiden Händen. "Dean hat sehr viel zu tun – oft sehen wir ihn leider auch nicht!"

"Verständlich", nickte sie und nahm nun einen weiteren Schluck aus ihrem Weinglas. "Harry hat mir ebenfalls einige Dinge von dir erzählt."

Aus irgendeinem Grund fing mein Herz schneller an zu schlagen. Harry erzählte seiner Mutter von mir? "Ich hoffe nur Gutes", lächelte ich sie an. Ich war mir sicher, dass ich meine Neugier in meinen Augen nicht verstecken konnte. Was er ihr wohl von mir erzählte? Meiner Mum gegenüber erwähnte ich noch nie die neu gewonnene Freundschaft.

Seine Mutter schien wohl meine Gedanken gelesen zu haben, denn sie antwortete "Er kam die letzten Tage meistens später nachhause aus der Schule und ich habe mich bloß sehr gewundert. Dann erwähnte er, dass eine Freundin aus dem Ball-Komitee seine Hilfe brauchte – ein sehr tolles Thema!", fügte sie noch hinzu. "Danach erwähnte er noch, dass ihr denselben Musikgeschmack teilt", nahm sie lächelnd einen Schluck aus ihrem Glas.

Ich lächelte vor mich hin und sah auf meine Finger – aus irgendeinem Grund berührte mich die Tatsache, dass Harry seiner Mutter von mir erzählte, sehr. "Die Musik-Leidenschaft ist ein sehr großer Bestandteil unserer Freundschaft", nickte ich lächelnd. "Ich konnte es gar nicht glauben, als er mir seine Sammlung in der Garage-"

"Du warst schon einmal hier?", unterbrach sie mich überrascht. Sofort warf ich ihr einen fragenden Blick zu – durfte Harry keine weiblichen Freunde mit nachhause bringen? Seine las sofort meine Gedanken und schüttelte lachend den Kopf: "Tut mir leid, dass ich so überrascht klinge. Harry hat noch nie jemanden nachhause gebracht. Deswegen war ich nur sehr erstaunt. Er muss-"

"Hi Mom – riecht sehr gut!", hörte ich plötzlich Harrys Stimme aus dem Flur. Seine Mutter sprang sofort lächelnd auf ihre Beine, als Harry und sein Vater in die Küche kamen. Zuerst schien Harry mich nicht bemerkt zu haben, denn er umarmte seine Mutter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Als ich ihn wieder vor mir stehen sah, passierte etwas in mir. Erneut spürte ich dieses eine Gefühl – ich war sehrglücklich ihn wieder zu sehen.

Als nächstes kam sein Vater in den Raum. Ebenfalls ging er zuerst auf seine Frau zu und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Sein Vater sah sehr ... erschöpft aus. Seine Bewegungen waren vorsichtig und langsam. Erst jetzt fiel mir ein, dass seine Mutter einen Arzt erwähnte. War sein Vater krank?

"Naveen?", riss mich plötzlich Harrys Stimme aus meinen Gedanken. In diesem Moment realisierte ich erst, dass ich tatsächlich hier bei ihm zuhause war. "Was machst du hier?" Ich seine Augen trafen, das erste Mal seit einer langen Zeit, meine. Er war nicht erfreut mich zu sehen.

"Habe ich dir so beigebracht eine Dame zu begrüßen?", antwortete sein Vater in einem sehr strengem Ton. Nun flogen auch seine Augen auf mich. Ohne zu zögern stand ich auf und ging auf seinen Vater zu. "Möchtest du uns nicht einander vorstellen?", warf er nun seinem Sohn einen weiteren strengen Blick zu.

"Tut mir leid Sir", schluckte Harry. In diesem Moment sah Harry überall hin, nur nicht in meine Augen. War ihm dieses Verhalten peinlich? "Das ist Naveen", legte er seine Hand auf meinen Rücken. "Sie ist eine Freundin aus der Schule. Vielleicht kennst du Dean noch – Naveen ist seine kleine Schwester."

Sofort streckte ich meine Hand aus und lächelte nervös seinen Vater an. "Es ist sehr schön Sie kennenzulernen. Harry hat mir schon sehr viel von Ihnen erzählt" log ich. Doch in diesem Moment fiel mir einfach nichts Besseres ein. Die Präsenz seines Vaters schüchterte mich ein.

Sein Vater streckte mir seine Hand aus, worauf ich leichte Flecken auf seinem Unterarm bemerkte. Ich spürte Harry's Blick auf mir ruhen. "Naveen, ein sehr schöner Name", schüttelte er mit einem Lächeln locker meine Hand. Die Worte kamen jedoch sehr kühl aus seinem Mund. "Dean meinst du?", ließ er gleich im nächsten Moment meine Hand los und sah zu seinem Sohn. "Den Burschen habe ich schon eine Ewigkeit nicht gesehen! Wie geht es ihm?", stellte er Harry die Frage, als wäre ich nicht präsent.

Als sein Vater langsam auf den Tisch zuging, schenkte mir Harry kurz einen Blick – einen den ich nicht interpretieren konnte. War er sauer, dass ich hier war? Oder entschuldigte er sich für das Verhalten seines Vaters? Ich wusste es nicht. "Ihm geht es sehr gut. Alex und er studieren auf derselben Universität." Harry beantwortete noch einige Fragen über meinen Bruder, während ich unbeholfen neben ihm stand. Ich sammelte jeglichen Mut, um mich dem Gespräch zu beteiligen – doch aus irgendeinem Grund fand ich diesen in der Gegenwart seines Vaters nicht.

"Naveen?", holte mich erneut Harry's Stimme aus meinen Gedanken. Meinen Kopf schüttelte ich leicht und sah ihm in die Augen – er daraufhin deutete auf seinen Vater.

Meine Augen wanderte zum anderen Ende des Raumes. "Wir würden uns sehr freuen, wenn du zum Abendessen bleibst", meinte sein Vater lächelnd. Erneut hörte sich der Satz anders an. Eher wie ein Befehl und nicht wie eine Einladung an.

Meine Augen wanderte zu Harry's Mutter, die während der ganzen Konversation beim Herd stand – sie schenkte mir ein warmes Lächeln. "Ich möchte Ihnen keine Umstände be-"

"Ach was", unterbrach mich sein Vater sofort. "Ich akzeptiere kein Nein", sah er mir tief in die Augen. In diesem Moment glaubte ich ihm die Worte.

"Okay", schenkte ich ihm ein leichtes Lächeln bevor Harry mich aus dem Raum zog. Wir gingen aus der Haustür und standen auf der Veranda. "Es tut mir leid, dass ich hier bin", entschuldigte ich mich aus irgendeinem Grund.

Harry war sehr angespannt. "Wieso bist du hier, Naveen? Konntest du mich nicht anrufen?" Noch nie erlebte ich Harry so. Irgendwie war er ganz anders als an anderen Tagen.

"Ich habe dich angerufen", meinte ich leise und zupfte an den Ärmeln meines Pullovers. "Ich wollte nur kurz mit dir reden – ich wusste nicht, dass du nicht zuhause bist und offensichtlich ein Problem damit haben wirst, dass ich hier bin."

"Wieso bist du hier, Naveen?", fragte Harry mich nun ein drittes Mal.

Etwas in mir wollte sich über sein Verhalten aufregen. Aus irgendeinem Grund wollte ich in diesem Moment einfach nur weglaufen und nie wieder mit ihm reden. Doch ich wusste, dass ich ihm eine Entschuldigung schuldete. Und um ehrlich zu sein, wollte ich nicht, dass die Freundschaft ein Ende nimmt. "Die letzten Tage war ich nicht besonders ... ich selber", runzelte ich meine Stirn und sah auf meine Hände. "Ich wollte mich dafür entschuldigen und dir sagen, dass die letzten Tage absolut Nichts mit dir zu tun hatten", schluckte ich stark und sah nun in seine Augen. "Es tut mir wirklich leid für mein Verhalten, Harry." Im nächsten Moment bemerkte ich wie seine Gesichtszüge immer sanfter wurden. "Ich bin hierhergefahren um dir das zu sagen, dass es ein absolut kein guter Zeitpunkt ist, wusste ich nicht. Es tut mir leid. Ich hätte dir eine Nachricht schreiben und nicht einfach Auftauchen sollen."

Einige Sekunden sah er mir in die Augen. Harry dachte über seine nächsten Worte gründlich nach. Wird er mir verzeihen? Wird er Fragen für den Grund meines Verhaltens stellen? Was, wenn ich ihm von Alex erzählen muss? "Ich bin ich sauer auf dich, Naveen. Mein Vater ist nur etwas speziell, weißt du? Ich wollte nicht, dass du ihn so kennenlernst", antwortete Harry und strich mir leicht über meinen rechten Oberarm. In Binnensekunden verschwand meine Nervosität und Unsicherheit. "Mein Vater ist eigentlich ein sehr guter und liebenswerter Mann – er hatte bloß einen sehr langen Tag."

Ich faszinierte Harry für seine Art sehr. Sein Vater ließ Harry nicht über seine eigene Zukunft entscheiden – verdammt, er ließ ihn nicht einmal seiner Leidenschaft nachgehen und dennoch sprach er so gut über seinen Vater. "Das ist okay", lächelte ich ihn an. Ich wusste nicht, ob ich log oder tatsächlich die Wahrheit sagte. Denn aus irgendeinem Grund war es okay. Es war okay, solang ich Zeit mit Harry verbringen konnte.

Harry fragte nicht über den Grund meines Verhaltens nach und aus diesem Grund stellte ich ihm auch keine Fragen über den Gesundheitszustandes seines Vaters. Denn ich wusste, Harry würde mir davon erzählen, wenn er sich bereit dafür fühlte.

Nach einigen Minuten kehrten wir wieder zurück in das Haus. Harry nahm meine Hand und führte mich in die Küche zu seinen Eltern. Zwar war seine Mutter in einem Gespräch mit seinem Vater verwickelt, und dennoch bemerkte sie, dass ihr Sohn meine Hand hielt. Harry rückte den Stuhl für mich zurecht und setzte sich dann neben mich hin. Ich spürte meine Wangen wortwörtlich glühen, während mein Herz schneller schlug.

Während den ersten Minuten, erzählte Harrys Vater über einen Zeitungsbericht, den er heute Morgen sehr interessant fand. Worüber dieser handelte, wusste ich nicht. Denn ich versuchte die Röte in meinem Gesicht unter Kontrolle zu bringen.

"Naveen, hast du schon irgendwelche Pläne für nach deinem Abschluss?", stellte mir nun seine Mutter eine Frage und versuchte mich in eine Konversation zu involvieren.

Mit einer Serviette wischte ich mir über den Mund und antwortete dann: "Mein größter Traum wäre die Brown Universität in New Jersey."

"Oh wow", meinte sie sehr fasziniert. "Meine alte Studienkollegin hat bis vor Kurzem die Bewerbungsgespräche geführt! Lass mir deine E-Mail da bevor du gehst – sie wird dir bestimmt tolle Tipps für dein Gespräch geben können."

"Was? Wirklich? Ich wäre Ihnen so dankbar!", konnte ich meinen Ohren nicht glauben. "Sie haben keine Ahnung wieviel mir das bedeutet." Träumte ich? Sofort sah ich zu Harry, der mich mit einem breiten Lächeln ansah.

"Brown ist aber dennoch eine sehr schwere Schule", ruinierte plötzlich sein Vater den Moment. "Die Konkurrenz ist enorm", fügte er noch die Information hinzu – als wäre mir diese nicht bereits bewusst.

"Jonatha-"

"Ich sag doch nur Liebling", unterbrach er seine Frau sofort. "Naveen soll sich dessen bewusst sein, dass das Leben auf der Braun kein leichtes sein wird", sprach sein Vater die ganze Zeit und sah mir dabei nicht in die Augen.

"Naveen ist sich dessen bewusst, Dad", fügte nun Harry hinzu. "Aber ich bin mir sicher, dass sie das meistern wird. Sie ist eine hervorragende und zielstrebige Schülerin", sah er seinem Vater tief in die Augen.

"Wenn du das sagst, mein Sohn", schenkte er ihm ein Lächeln. Eines welches jedoch nicht wahrhaftig war. Im nächsten Moment fing er an über eine Aktie zu reden, in der er vor Kurzem investierte. Einige Male versuchte seine Mutter noch Gespräche mit mir aufzubauen, doch sein Vater unterbrach diese Öfters. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Harry's Dad mich nicht besonders mochte.

Harry und ich halfen seiner Mutter beim Abräumen, während sein Vater für einen Anruf in sein Büro verschwand. "Ich glaube du wirst sehr gut in Brown reinpassen", sprach seine Mutter plötzlich.

"Sie möchte Anwältin werden, Mom", meinte Harry im nächsten Moment sehr stolz.

"Oh, ist das so?", lächelte sie mich an und hob ihre rechte Augenbraue.

Ich schenkte ihr ein Lächeln zurück, während ich eine Pfanne abtrocknete. "Harry hat mir bereits erzählt, dass Sie Anwältin sind. Ich wollte schon immer diesen Beruf ausüben. Aus diesem Grund arbeite ich schon mein ganzes Leben lang daraufhin."

Leicht schubste sie mich und zwinkerte mir zu: "Gib mir Bescheid, wenn du ein Praktikum für das Studium brauchst."

Ich genoss die Zeit mit Harry und seiner Mutter. Je mehr Zeit ich mit ihr verbrachte, desto mehr bemerkte ich woher Harry seine außergewöhnlichen Charakter hatte. Seine Mutter erzählte mir noch von einigen Geschichten aus ihrem Studium und ebenfalls von ihrer Arbeit. Irgendwann half Harry seinem Vater hoch in das Schlafzimmer und kehrte dann einige Minuten später wieder zurück. Seine Mutter und ich waren noch immer in einem tiefen Gespräch verwickelt, als er in die Küche kam. "Ich unterbreche euch Frauen sehr ungern, aber wenn es dir Nichts ausmacht Mom, würde ich gerne mit Naveen eine Runde spazieren gehen."

Seine Mutter lächelte ihn breit an und sah dann zu mir: "Es war sehr schön dich hier zu haben, Naveen. Ich hoffe, dass ich dich in nächster Zeit öfter sehen werde."

"Vielen lieben Dank für das Abendessen und ihre Hilfe. Ich bin Ihnen unendlich dankbar", lächelte ich sie an und streckte ihr meine Hand aus. Als Antwort darauf, fing sie an zu lachen und zog mich in eine kurze Umarmung.

Wir verabschiedeten uns von seiner Mutter und gingen hinaus in die kühle Herbstnacht. Zusammen gingen wir nebeneinander eine Runde in seiner Nachbarschaft. Die Minuten mit ihm fühlten sich so vertraut an – als wären wir nie getrennt gewesen. Als hätte es die 10 Tage nie gegeben. Die Gespräche mit ihm fühlten sich nicht verkrampft an – sie waren einfach so locker und natürlich. Sogar sein Arm um meiner Schulter fühlte sich ganz normal an.

Als wir vor meinem Auto standen, fielen mir die Karten ein. "Ach, bevor ich es vergesse", lächelte ich ihn an und stellte mich ihm gegenüber hin. "Da du uns sehr mit dem Ball geholfen hast, kriegst du die hier als Dankeschön", zog ich die Tickets aus meiner Hosentasche. "Ich weiß nicht ob du schon eine Begleitung hast oder nicht. Aber ich dachte mir, ich gebe dir am besten zwei" meine Hände steckte ich in meine Hosentaschen und lächelte ihn an. "Gray und ich gehen gemeinsam hin. Falls du niemanden hast, was ich sehr bezweifle, kannst du gern mit uns hin. Aber ist auch nur ein Vorschlag. Wenn du jemanden hast, dann-"

"Danke", lachte Harry und unterbrach mich – zum Glück. "Aber ich brauche die zweite Karte nicht", gab er mir eine zurück.

Meine Stirn runzelte ich und fragte: "Oh, hat sie schon eine Karte? Falls ja – ich kann ihr das Geld für ihr Ticket zurückgeben. Du musst mir nur-"

"Ja, sie hat schon eine Karte, weil sie im Komitee ist", unterbrach er mich lächelnd und sah mir dabei tief in die Augen. Im nächsten Moment, ging ich jedes einzelne Mädchen aus dem Komitee durch. Keine von denen erwähnte Harry. "Doch leider geht sie mit ihrem besten Freund hin und nicht mit mir." Mein Herz stoppte für eine Sekunde – um dann wie verrückt zu gegen meine Brust zu schlagen. Ich konnte mich nicht erinnern jemals so bei Alex gefühlt zu haben. "Obwohl ich echt gern mit ihr hingehen würde."

Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen. Doch es kam absolut nichts aus mir. Nervös leckte ich leicht über meine Lippen und atmete tief durch. "Harry", schaffte ich es irgendwie seinen Namen zu sagen.

Er sah mich mit seinem wunderschönem Lächeln an und schenkte mir einen Kuss auf die Wange. "Bis Morgen, Naveen und schreib mir, wenn du zuhause bist." 

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