Erste Schritte im Chaos

Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich vorsichtig durch Lilys Vorhänge, als zögen sie in Erwägung, ob es sicher war, diesen Raum mit Licht zu fluten. Lily blinzelte, fühlte sich ausgelaugt. Die Nacht war lang, unruhig und voller Missverständnisse gewesen. Nun musste sie sich dem neuen Tag stellen, ohne ein einziges Problem gelöst zu haben. In ihrer Wohnung befanden sich noch immer sieben fremde Männer, von denen keiner Deutsch sprach, und deren Herkunft oder Absichten ihr vollkommen schleierhaft waren.

Namjoon wirkte wie der Wortführer, doch auch er schien im Moment ratlos. Die anderen – Jin, Suga, J-Hope, Jimin, V und Jungkook – sahen müde aus. Kein Wunder, niemand hatte wirklich geschlafen. Jeder stand unter Strom, die Atmosphäre war angespannt. Lily hatte gehofft, dass der Morgen etwas Klarheit bringen würde, doch bevor sie auch nur daran denken konnten, wie es weitergehen sollte, tauchte ein banales, aber drängendes Problem auf: Alle wollten ins Badezimmer.

Zuerst war Jimin aufgestanden, vermutlich um sich etwas frisch zu machen. Er ging zielstrebig zur Badezimmertür. Doch kaum hatte er die Klinke berührt, schoss V von der Seite heran und versuchte, ihn zu überholen. Ihre Stimmen erhoben sich sofort, aufgeregt und unverständlich für Lily. Sie hörte nur einen Schwall fremder Worte, laut, empört, durcheinander:

„Ich war zuerst da!"
„Nein, du! Ich hab's eilig!"
„Beruhigt euch, wir finden eine Lösung!"

Jin, der Älteste, hob beschwichtigend die Hände, als wollte er vermitteln, doch das schien das Durcheinander nicht zu stoppen. Suga verschränkte die Arme und beobachtete die Szene mit einem genervten Stirnrunzeln, während J-Hope versuchte, ein tröstendes Lächeln aufzusetzen und mit „Wir sollten doch vernünftig sein!" gestenhaft Ruhe reinzubringen. Jungkook stand unschlüssig daneben, sah aus, als überlege er, ob es sinnvoll wäre, sich einzumischen, oder ob er dadurch nur weiteres Chaos stiftete.

Lily verstand kein Wort, aber sie brauchte auch keine Worte, um zu kapieren, worum es ging: Das Badezimmer war zum umkämpften Territorium geworden. Jeder wollte als Erster rein, jeder glaubte, ein größeres Anrecht zu haben. Die Männer redeten durcheinander, mal lauter, mal leiser, zeigte mit Fingern auf sich selbst oder auf den anderen, als versuchten sie, einen stummen Deal auszuhandeln.

Jimin und V gerieten sich beinahe in die Quere, der eine schob sanft, aber bestimmt, der andere versuchte, mit empörten Blicken und hektischen Handbewegungen deutlich zu machen, dass er es nötiger habe. Jin machte einen Schritt vorwärts, hob wieder beschwichtigend die Hand, als wollte er „Beruhigt euch doch, wir sind doch zivilisiert!" sagen. Aber keiner schien ihm zuzuhören, weil J-Hope nun auch aufspringt, offenbar um eine diplomatische Lösung zu finden. Er deutete abwechselnd auf Jimin, dann auf V, dann auf das Bad, dann auf sich selbst – ein wildes Gestikulieren, das Lily eher an ein pantomimisches Ratespiel erinnerte. Suga seufzte theatralisch, als könnte er kaum glauben, dass sie tatsächlich über so etwas Banales stritten, und Jungkook blickte ratlos zwischen ihnen hin und her.

Lily war hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und belustigter Fassungslosigkeit. Sie hatte Angst, Nervosität, Unsicherheit in dieser ganzen Situation – doch nun musste sie mitansehen, wie gestandene Männer um ein Badezimmer kämpften, als wäre es ein Diamantschatz. Einen Moment lang konnte sie nicht anders, als ein leises, fast unhörbares Kichern zu unterdrücken. Was für eine absurde Lage!

Aber sie durfte nicht zulassen, dass dieser Streit aus dem Ruder lief. Wer weiß, vielleicht wurde die Stimmung sonst noch aggressiver, vielleicht stießen sie aus Versehen etwas um, erzeugten Lärm, der Nachbarn auf den Plan rufen könnte. Lily hob entschlossen die Hände, um Aufmerksamkeit zu erregen: „Stop! One moment, please!" rief sie auf Englisch, langsam und deutlich.

Die Männer drehten sich zu ihr um, als hätte sie eine rote Karte gezückt, um das Spiel zu unterbrechen. Ihre Blicke ruhten gespannt auf ihr. Sie sahen angespannt aus, aber offenbar bereit, ihr zumindest zuzuhören. Lily ging zum Haken neben der Badezimmertür und nahm den einzigen Schlüssel, den sie hatte. Dann hielt sie ihn in die Höhe, als würde sie einen Preis verleihen.

„I... key," sagte sie abgehackt, und zeigte dann auf Jin, der ältere Herr unter ihnen. Er wirkte am besonnensten. „You first," erklärte sie mit mühsam zusammengesetztem Englisch, und machte eine einladende Geste Richtung Bad.

Jin schien kurz überrascht, dann sah er aus, als könne er sein Glück kaum fassen. Er warf den anderen einen fast entschuldigenden Blick zu, nahm den Schlüssel entgegen und verschwand im Badezimmer. V und Jimin seufzten fast gleichzeitig. Die anderen murmelten etwas, wahrscheinlich sowas wie „Na gut, wenn es anders nicht geht...".

Lily atmete auf. Einen kleinen Sieg hatte sie errungen. Indem sie einen Schlüssel als Trophäe vergab, konnte sie die Männer der Reihe nach ins Bad lassen. Als Jin herauskam, übergab er Lily artig den Schlüssel zurück, so als sei er jetzt einverstanden mit diesem System. Lily nickte, zeigte als Nächstes auf Jimin, der erleichtert schmunzelte und ins Bad verschwand. Die anderen rollten zwar die Augen, aber es schien, als akzeptierten sie diese improvisierte Rangordnung.

J-Hope hob fragend eine Augenbraue, als wolle er sagen: „Ich danach?", Lily zuckte schmunzelnd die Schultern, deutete mit einer Handbewegung an, dass jeder dran käme. Suga senkte ergeben den Kopf, als füge er sich ins Unvermeidliche. V trat schmollend einen Schritt zurück, doch nicht aggressiv. Jungkook blätterte auf seinem Handy herum, dann wandte er sich an Namjoon und machte eine „Sollen wir den Manager anrufen?"-Geste. Namjoon schüttelte sofort den Kopf, „Nein, keine Anrufe jetzt.", und Jungkook senkte wieder den Blick.

Lily erkannte, dass diese Gruppe offenbar darauf bedacht war, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Anruf hätte vielleicht mehr Leute auf ihre Spur geführt, was sie dringend vermeiden wollten. Sie wusste nicht, warum, aber es war auch nicht ihr Problem. Ihr Problem war, diese Männer so ruhig wie möglich zu halten, bis sie eine Lösung fand.

Nach und nach durften alle ins Bad, einer nach dem anderen. Jeder nahm den Schlüssel, gab ihn zurück, kein erneuter Streit entfachte. Die Männer schienen Lilys Idee anzuerkennen, wenn auch widerwillig. Es war nur ein kleiner Schritt im großen Chaos, aber es brachte etwas Ordnung in den Tag.

Als schließlich alle fertig waren, herrschte eine erträgliche Stille. Namjoon nickte Lily kurz zu, als wollte er stumm sagen: „Gut gemacht. Danke." Lily nickte zurück, erleichtert, aber noch immer unsicher, was sie als Nächstes tun sollten. Doch wenigstens hatte sie gezeigt, dass sie fähig war, einen Konflikt zu schlichten, auch wenn sie die Sprache der Männer nicht verstand.

Dieser kleine Sieg im Kampf um das Badezimmer war vielleicht nichts Großes, aber inmitten dieser verrückten Lage war jeder Schritt, der Unordnung in Ordnung verwandelte, wertvoll. Lily hoffte, dass diese kurze, absurde Szene sie alle ein kleines bisschen näher an ein friedliches Miteinander brachte, bis sie endlich wussten, wie sie aus diesem Schlamassel herauskamen.

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