Zweites Kapitel
Gegenwart, Bob
"Ich muss Peter und Justus mal suchen, die warten sicher schon in der Cafeteria", sagte Bob, in der Hoffnung, Elizabeth und Kiara damit loszuwerden. Es war nicht fair den beiden gegenüber, aber in letzter Zeit hingen sie ständig zu Dritt rum und langsam ging ihm die ständige Begleitung der beiden Mädchen auf die Nerven.
Elizabeth war seine Freundin und er liebte sie, aber sie beanspruchte seine gesamte zeit für sich und wollte dauernd etwas gemeinsam unternehmen. In der Schule hatte sie bisher immer etwas Abstand zu ihm gehalten und ihm nur hin und wieder zugenickt, ihn umarmt oder ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt. Sie verbrachte die Pausen normalerweise mit ihren Freundinnen und meldete sich nachmittags bei Bob. Und für Bob war das völlig in Ordnung gewesen.
Aber über die Zeit hatte Elizabeth es sich angewöhnt, ihn auf den Pausengängen zu belagern und mit ihm zu reden, bis es klingelte. Bob wusste, dass Justus davon schon genervt war. Peter schien es nicht wirklich zu stören, auch wenn er Bob gegenüber schon erwähnt hatte, dass Kellys besitzergreifendes Verhalten wohl schon auf ihre Freundinnen (also auch auf Elizabeth) abfärbte.
Kelly hatte früher die Schulzeit auch nur mit ihren Freundinnen verbracht, mittlerweile zog sie ihren Freund aber immer öfter auch in der Schule von Bob und Justus weg. Zwar aß sie mit ihren Freundinnen in der Cafeteria, aber sie wollte fast jede Pause mit Peter reden, wenn auch nur für ein paar Minuten.
Bob glaubte, dass sie den anderen Mädchen auf der Schule, die sie mit Peter zusammen sahen, klarmachen, dass er vergeben war und sie keine Chance hatten. Und Elizabeth schien jetzt dasselbe zu tun.
Kiara war eine andere Geschichte.
Sie war mitten im Schuljahr an die Rocky Beach Highschool gewechselt, nachdem ihre Eltern sich getrennt hatten und ihre Mutter nach Rocky Beach umgezogen war und Kiara mitgenommen hatte.
Wenn Bob sich richtig entsannt, hatte sie einen älteren Bruder, der eine Klasse über ihnen war, aber über ihn wusste Bob nichts.
Kiara hatte schnell viele Freunde gefunden, unter anderem Bob, und er konnte es nachvollziehen. Sie war hübsch und intelligent und sie passte perfekt in die High School Szene. Als wäre sie einem stereotypischen, amerikanischen High School Film entsprungen.
Bob mochte Kiara sehr gerne. Sie hatten sich im Chemiekurs angefreundet, als Kiara neben ihn gesetzt worden war.
Jedoch störte es ihn, wie sehr Kiara sich in seine Beziehung mit Elizabeth einmischte. Seit Kiara erfahren hatte, dass er mit dem Mädchen zusammen war, kam sie ständig mit neuen Ideen für Dates an und präsentierte sie den beiden.
Elizabeth schien das nicht zu stören und Bob war einfach zu höflich, um sie zurechtzuweisen, aber er wollte seine Beziehung selbst in die Hand nehmen und sich nicht von jemand anderem beeinflussen lassen.
Elizabeth warf ihm einen irritierten Blick zu. "Können Justus und Peter nicht mal alleine essen? Dazu brauchen sie sich doch nicht."
Da war es wieder. Bob hielt ein Augenrollen zurück, da das das Mädchen noch mehr nerven würde.
Er verstand einfach nicht, wieso es Elizabeth so wichtig war, dass er mit ihr zusammen aß und nicht mit seinen Freunden. Falls sie überhaupt vorhatte, mit ihm in die Cafeteria zu gehen.
"Natürlich können sie alleine essen, aber das heißt ja nicht, dass sie es müssen", gab Bob zurück. Er versuchte, nicht gereizt zu klingen, wusste aber, dass das eher so semi-gut funktionierte, als er sah, wie Elizabeths Augen dunkler und zorniger wurden.
"Du kannst mich doch nicht immer für die zwei sitzen lassen, Bob", schimpfte sie.
"Was heißt hier bitte immer?", fauchte er. Er warf einen Blick auf Kiara, die mit gesenktem Kopf neben den Beiden stand. Toll, danke für die Unterstützung, dachte er griesgrämig.
"Was schaust du jetzt sie an?" Super, Elizabeth hatte seinen hilflosen Blick zu Kiara gesehen. "Sie wird dir da nicht raushelfen, sie ist auf meiner Seite, Bob."
"Deine Seite? Ist das dein Ernst? Wieso machst du jetzt so ein Drama, Elizabeth? ich verstehe nicht, was das auf einmal soll!" Er wusste, dass er dabei war, sich in Rage zu reden, aber er musste das jetzt sagen, sonst würde er sich niemals trauen, sich gegen sie auszusprechen.
"Und jetzt tust du so, als wüsstest du nicht, was los ist?" rief Elizabeth entrüstet aus. "Du weißt ganz genau, worum es hier geht. Du versetzt mich ständig für Justus und Peter und immer wenn ich dich darauf anspreche, kommst du mit irgendwelchen lahmen Ausreden an. Ich hatte gedacht, dass du dich vielleicht einmal für mich entscheidest und dich zu mir setzt anstatt zu deinen zwei ach so tollen besten Freunden." Mit diesen Worten drehte sie sich um und stapfte davon.
Bob seufzte genervt. Hätte er sich ja denken können, dass der Tag heute nicht gut enden würde.
Er wusste, dass Elizabeth Justus und Peter mochte und gut mir ihnen klarkam, ihr Ärger richtete sich nur gegen Bob, aber dennoch zog sie die beiden irgendwie mit rein und es machte ihn wütend. Sie sprach über die beiden, als wären sie nicht wichtig genug.
"Hey, sie regt sich bestimmt bald wieder ab." Er zuckte zusammen und fuhr zu Kiara herum. Er hatte ganz vergessen, dass sie noch da stand. Er hatte gedacht, dass sie mit Elizabeth verschwunden war.
Sie sah ihn aufmunternd an und klopfte ihm auf die Schulter. "Wird schon wieder."
"Äh... ja, danke", murmelte Bob, es war ihm peinlich, dass sie die kurze Auseinandersetzung gesehen hatte.
"Ich muss dann auch mal gehen, ich muss meinem Bruder etwas geben, bevor der Unterricht wieder anfängt." Sie lächelte und zog ihn in eine unvermittelte Umarmung, ehe sie davonstürmte.
Gegenwart, Justus
"Elizabeth und ich haben Streit. Schon wieder."
Justus sah auf und blickte seinem besten Freund entgegen, der sich soeben auf die Bank auf der anderen Seite des Tisches fallen gelassen hatte.
Er zog eine Augenbraue hoch. "Schon wieder?" Gelangweilt verspeiste er den Schokoriegel, den er in der Hand gehalten hatte.
"Danke für die Empathie", schnaubte Bob. "Genau deswegen bin ich zu euch gekommen."
"Hey, ich hab nichts gesagt", warf Peter ein.
Justus fuhr sich mit einer Serviette über den Mund. "Was ist es diesmal wieder? Ihr habt in letzter Zeit ja dauernd Streit."
"Das Übliche", murmelte Bob betrübt. Er nahm dankend den Apfel entgegen, den Peter ihm reichte. Irgendwie liebte der Junge Äpfel und Justus konnte es nicht nachvollziehen. "Sie wollte, dass ich mit ihr in die Cafeteria sitze und mich zu ihr setze, weil ich zu viel Zeit mit euch verbringe."
Justus und Peter zogen die Augenbrauen hoch und sahen einander an.
"Sie verbringt zu viel Zeit mit Kelly", entschied Justus.
Bob seufze und biss in den Apfel. "Wenn ich mich zu ihr und ihren Freundinnen setze, kann ich mir bis zum Ende der Pause anhören, wie toll Tylers Haare wieder aussehen oder aus welchem Billiggeschäft Mary ihr heutiges Outfit hat."
"Das wird schon wieder", sagte Peter halbwegs aufmunternd, aber Bob ging darauf nicht ein. Es war klar, dass keiner Justus' Beziehungsanweisungen entgegen nehmen würde, also blieb er still und beobachtete Bob dabei, wie er trübselig seinen Apfel aß.
Als es zum Unterricht klingelte, sprangen die Drei auf und hasteten in verschiedene Richtungen davon. Peter und Bob hatten jetzt beide Englisch (in verschiedenen Kursen) und Justus Geschichte.
Er kam pünktlich in dem Raum an und betrat ihn mit den anderen Schülern zusammen. Sein Sitznachbar Steve wirkte wenig begeistert, ihn wiederzusehen. Er hatte eine Abneigung gegenüber Justus, weil der sich bei jeder Frage, die Mrs. Heathcote stellte, meldete und damit dauerhaft die Aufmerksamkeit auf sich und damit auch auf Steve lenkte. Und Steve schlief fast die ganze Zeit auf seinem Tisch.
Justus unterdrückte einen Seufzer und ließ sich auf seinen Platz fallen. Er hatte keine Angst vor Steve, auch wenn dieser ihm regelmäßig grundlos drohte, und das zeigte er dem großen Jungen auch.
"Hast du deine Hausaufgaben gemacht?", fragte er so gleich. Steve funkelte ihn an, gab aber keine Antwort. Das war zu erwarten, dachte Justus.
Der Unterricht zog sich heute unglaublich in die Länge. Mrs. Heathcote stellte kaum Fragen und er konnte sich nicht beteiligen. Sie erzählte irgendwas, das von seinem Gehirn kaum registriert wurde. Er wusste eh schon alles, was sie sagte.
Lieber beobachtete er die Menschen in seinem Klassenraum.
Ihm fiel auf, dass zwei Schüler fehlten.
Katy, die wohl krank war, und Matt, den Justus heute schon in der Cafeteria gesehen hatte. Er legte die Stirn in Falten. Matt war kein fleißiger Schüler, aber auch kein Schwänzer, soweit Justus wusste.
Eine halbe Stunde war vergangen, seit der Unterricht angefangen hatte, als der Alarm losging. Es war ein tieferer Ton als der Feueralarm und die Ansage, die miteinherging, bereitete Justus Gänsehaut.
"Achtung! In der Schule befindet sich momentan mindestens ein Schüler mit einer Waffe. Er wurde zuletzt in dem Gang zum Jungsklo gesehen. Verriegeln Sie alle Klassenräume und verstecken Sie sich unter den Tischen. Hören Sie auf die Anweisungen der Lehrkräfte. Bitte verhalten Sie sich ruhig und brechen Sie nicht in Panik aus." Leichter gesagt als getan. Sogar durch die Wände hindurch war das panische Geschrei der Schüler zu hören. Tische und Stühle wurden umgeworfen, als die Schüler sich zu verstecken begannen.
Gegenwart, Peter
Peter war Angst gewöhnt, sogar Panik war er gewöhnt. Er war schon oft in gefährlichen Situationen gewesen, war sogar mehrmals fast ums Leben gekommen.
Aber nie in seinem Leben hatte er so eine Angst gehabt wie in dem Moment, in dem die Lautsprecher knisterten und der Amoklauf-Alarm aufheulte.
Sein Herz drohte aus der Brust zu springen, so heftig hämmerte es dagegen.
Um ihn herum brachen alle in Panik aus, die einen verharrten in Schockstarre, so wie er, die anderen begannen, zu kreischen und sich aus Angst zu umarmen.
Gegenwart, Bob
Als der erste Schuss fiel, konnte Bob nicht anders, als erleichtert aufzuatmen. Es klang relativ weit weg.
Andererseits wurde er innerlich immer panischer. Verdammt.
Er hatte schon einen schlechten Tag gehabt und jetzt das.
Die Angst lag wie ein schwerer Stein in seinem Magen, als er sich unter seinen Tisch duckte, die Knie an die Brust zog und die Ohren mit den Händen verdeckte. Er versuchte, seine Atmung wieder in den Griff zu bekommen und hob den Blick. Er starrte in Jeffreys Gesicht. Peters Kumpel war im selben Englischkurs wie er. Jeffrey sah aus, als stünde er kurz vor den Tränen und Bob konnte ihn verstehen. Es war zum Heulen.
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Danke fürs Lesen! Jetzt geht es erst so richtig in die Handlung rein. Es war mir nur wichtig, dass wir erstmal ein bisschen was über die wichtigsten Charaktere lernen (wenn auch nicht sehr viel, ich weiß.). Ich hoffe, die Reaktionen auf das Geschehen (jetzt und in späteren Kapiteln) wirken authentisch. Es sind schließlich Teenager, die mit solchen Situationen wohl nicht sehr "erwachsen" umgehen.
Außerdem möchte ich anmerken, dass ich das Schulsystem in den USA ein bisschen verändern musste, damit es besser in die Story passt.
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