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Sonnenstrahlen
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"Lou? Holst du noch Kekse aus der Küche? Die haben wir ja noch gar nicht verteilt", sprach Perrie mich besorgt an und sah sich hektisch in der Kindergartengruppe um. "Hey, ganz ruhig. Atme mal tief durch", grinste ich und stupste sie mit meiner Schulter an.

"Das ist doch nicht der erste Weihnachtstag, den du mitmachst. Es ist doch alles gut. Die Kinder sind glücklich und die Eltern auch", erklärte ich ihr und nickte mit meinem Kopf in die entsprechende Richtung.

Ein Großteil der Kinder war mit ihren Eltern draußen im Hof, bauten Schneemänner oder andere Dinge mit Schnee und verausgabten sich, bevor es Plätzchen und heiße Schokolade gab.

Nur wenige Kinder waren noch in der Gruppe und bastelten lieber kleine weihnachtliche Papiermotive, welche man ans Fenster hängen konnte.

Dabei fiel mein Blick auf Charlie, welcher seelenruhig an dem Tisch saß. Für ein vierjähriges Kind war der Junge unglaublich geduldig und vor allem sehr still. Sein Vater war ebenfalls hier, doch dieser war kaum geistig anwesend. Er saß auf einem der Sofas, schien als würde er jeden Moment einschlafen und beobachtete seinen Sohn aus der Entfernung.

"Du hast ja recht", sprach Perrie und holte mich damit aus meinen Gedanken zurück. "Ich muss wirklich mal tief durchatmen. Ich möchte nur das alles perfekt läuft und-"

"So ein Vorsatz zu erfüllen ist schwer... Vielleicht versuchst du es nicht perfekt zu machen, sondern den Kindern ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern? Das ist meist einfacher", schmunzelte ich und sah wieder nach draußen. Einer der Schneemänner überragte alle Kinder.

"Selbst ein Haufen Schnee macht die Kleinen glücklich. Bleib einfach hier und genieße das Kinderlachen. Ich gehe die Plätzchen holen und bereite noch etwas Kakao zu, wenn du soweit bist kannst du mir ja helfen alles zu verteilen", schlug ich vor und atmete erleichtert aus als meine Arbeitskollegin lächelte.

Ich ging aus dem großen Raum raus, konnte es aber nicht verhindern und sah noch mal zu Charlie, welcher immer noch so unglaublich still am Tischchen saß und vor sich hin bastelte. Und sein Vater war tatsächlich am Einschlafen.

Kopfschüttelnd riss ich mich von diesem Anblick los und ging in die kleine Küche des Kindergartens. Dort suchte ich die Schälchen, welche auf den Tischen verteilt werden sollten und befüllte diese mit den Plätzchen, welche die Kinder in den vergangenen zwei Tagen mit uns gebacken hatten. Erst gestern Abend hatten meine Kollegen und ich es geschafft diese zu verzieren, sonst hätten die Plätzchen heute unheimlich traurig und nackig ausgesehen.

Eigentlich war es immer etwas Schönes, wenn die Kinder diese verzierten, aber letztes Jahr hatte es in einer so großen und klebrigen Katastrophe geendet, dass wir es dieses Mal selbst übernehmen wollten.

"Hey Lou... Ist alles okay?", fragte mein bester Freund als er sah wie ich, nachdem alle Schälchen gefüllt waren, viel zu aggressiv eine der leeren Dosen verschließen wollte. "Die Dose kann nichts dafür das du schlechte Laune hast", grinste er und half mir. Mit wenigen Bewegungen hatte er sie geschlossen und auf die breite Fensterbank gestellt.

"Was ist los?", wollte Liam wissen und sah mich auffordernd an. Ich seufzte leise, wischte meine Hände an dem Lappen ab und fuhr mir mit dem Handrücken übers Gesicht.

"Es geht um einen der Väter aus meiner Gruppe...", murrte ich und schüttelte direkt meinen Kopf als ich an ihn dachte.

"Es kann doch nicht sein, dass der Kerl sich so danebenbenimmt. Er spricht nicht mal wirklich mit seinem Sohn, lässt ihn alleine basteln obwohl man das gemeinsam machen sollte und schläft beinahe ein. Der Typ hätte doch echt Zuhause bleiben sollen. Warum ist den nicht seine Frau hier?", meckerte ich und schüttelte meinen Kopf.

"Das sollte ein gemeinsamer Eltern-Kind-Tag werden..."

Mein bester Freund sah mich entsetzt an, hatte seine Augen weit aufgerissen und begann langsam seinen Kopf zu schütteln. "L-Louis... er..." Liam räusperte sich und sah noch immer so aus als hätte ich eine Todsünde begangen.

Sonst regte er sich doch auch über Eltern oder sogar die Kinder auf.

Bevor er den Mund erneut aufmachte und mir sagte was los war, nahm er einen Schluck von seinem Tee. "Er ist Witwer. Harry Styles ist alleinerziehender Vater. Er ist vor wenigen Wochen aufgrund eines Tapetenwechsels umgezogen. Er ist gesundheitlich komplett am Ende, weil er nicht weiß wie er das alles schaffen soll. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass er heute hier ist und nicht allein Zuhause."

Schlagartig wurde mir schwindelig und mein Mund ganz trocken. Ich bekam nicht mal mehr ein Wort über die Lippen und als wären meine Sätze nicht schon schlimm genug gewesen stand Charlies Papa mit einem leeren Glas und groß aufgerissenen Augen im Türrahmen der Küche.

"E-Entschuldigen Sie, mir... mir wurde gesagt, dass ich mir hier etwas zu trinken nehmen kann. Ich wollte Sie nicht... stören...", sprach er und richtete seine Mütze, welche er schon den ganzen Vormittag trug.

"Alles gut Herr Styles", lächelte Liam den jungen Papa an und nahm ihm das Glas ab. Mir warf mein bester Freund einen vorwurfsvollen Blick zu und reichte das volle Glas Harry, welcher sich dafür höflich bedankte und dann wieder zu mir sah.

Mir war es plötzlich unglaublich unangenehm so über ihn gesprochen zu haben. Ich wollte mich bei ihm entschuldigen, doch da wandte Harry sich schon ab und verschwand.

"Dein scheiß ernst Louis? Geh ihm gefälligst hinterher und entschuldige dich für dein loses Mundwerk. Kinder empfängst du mit offenen Armen, mach das verdammt nochmal auch bei den Eltern. Du weißt nie, wie es in ihrem Leben aussieht. Ehrlich, ich bin gerade so maßlos enttäuscht und hätte echt Lust dir eine reinzuhauen", motze Liam mich wütend an.

"Du bist echt...", murmelte er und vervollständigte den Satz nicht. Ich konnte mir schon denken, was er mir sagen wollte. Ich war gerade auch mehr als nur enttäuscht von mir selbst.

Ich schluckte, nickte mit geschlossenen Augen und atmete tief durch. "Es tut mir wirklich leid", wisperte ich gequält und wollte die Zeit am liebsten zurückdrehen. "Ich weiß das, Harry jedoch nicht", erwiderte der Mann neben mir und strich mir dann über den Rücken. Als hätte er selbst seinen Schatten übersprungen und wollte mir trotz meiner verletzenden Worte beistehen.

"Na komm, geh zurück in die Gruppe und kläre das. Es ist ein besonderer Tag für die Kinder, da möchte ich auch die Eltern mit einem breiten Lächeln auf den Lippen sehen."

Ich versuchte mir passende Worte zurechtzulegen, doch ich wusste nicht, wie ich mein Verhalten entschuldigen sollte, weshalb ich meinen Kopf seufzend schüttelte und kurz danach Harry folgte.

Hoffentlich konnte ich das wieder geradebiegen. Ich wusste nicht, was mich dazu getrieben hatte solche Worte in den Mund zu nehmen. Vielleicht war es der Stress, welcher mich momentan so unglaublich reizte? Doch all das wäre nicht mal eine Entschuldigung für das, was ich getan hatte.

Man sollte nicht über jemanden urteilen, wenn man seine Umstände nicht einmal ansatzweise kannte. Und selbst dann sollte man seine Meinung für sich behalten, um denjenigen nicht zu verletzen.

Was war nur los mit mir?

Sauer auf mich selbst holte ich nochmal tief Luft und als ich um die Ecke bog sah ich Harry mit dem Rücken zu mir seitlich an der Wand lehnen. Das Wasserglas hatte er auf einen der kleinen Schränke gestellt. Besorgt musterte ich ihn, ging die letzten Schritte schneller um die Distanz zwischen uns zu verringern und legte vorsichtig meine Hand auf seine Schulter.

"Herr Styles?", fragte ich zögerlich und hielt die Luft an als er mich über seine Schulter hinweg ansah. Er sah plötzlich so unglaublich fertig aus. "Ich wollte mich...", fing ich an, sammelte meine Gedanken und begann mich zu entschuldigen.

Doch zu meiner Überraschung schüttelte er relativ schnell mit seinem Kopf, drehte sich so, dass er mit dem Rücken zur Wand stand und nach meinen Händen griff. Er war so unglaublich blass um die Nase und seine Unterlippe wurde bereits von seinen Zähnen malträtiert.

"Harry?", fragte ich besorgt nach, verwarf das mit dem Siezen und legte meinen Handrücken an seine Stirn. Erschrocken atmete ich ein als ich merke wie kalt er war. "Geht es dir nicht gut?", fragte ich und schnappte nach Luft als er sich mehr an mir festkrallte.

"Mir ist etwas schwindelig", wisperte er benommen und schloss seine Augen. "Möchtest du dich hinsetzen?" Harry biss sich erneut auf die Lippe, nickte langsam und stieß sich von der Wand ab. Nach dem ich um Erlaubnis gefragt hatte, legte ich meinen Arm um seine Taille und führte ihn zu den Sitzbänken der Kleinen, wo sie immer ihre Schühchen anzogen.

Als er auf der kleinen Bank saß lehnte er seinen Kopf wieder an die Wand und schloss seine Augen erneut. "Du kannst ruhig zu den Kindern. Ich komme schon alleine klar", wisperte er, machte jedoch einen ganz anderen Eindruck.

"Schon gut, ich bleibe. Meine Kollegen können sich um die Plätzchen und die heißen Getränke kümmern." Harry brummte mit einem schmerzverzerrten Gesicht und blinzelte mich an. "Warte kurz, ich hole dir das Glas Wasser." Kurz sah ich Harry einen Moment prüfend an bis ich mir sicher war, dass er nicht von der Bank kippte und holte sein Glas von dem Schrank.

Mit dem Wasser in der Hand hockte ich mich vor ihm hin und setzte ihm das Glas vorsichtig an die Lippen. Harry trank in langsamen Schlucken und als er noch zwei weitere Gläser getrunken hatte, schien er auch wieder etwas fitter zu sein.

"Dankeschön", murmelte er leise und sah mich mit seinen grünen Augen dankbar an. "Tut mir wirklich-" Doch ich unterbrach ihn, schüttelte meinen Kopf und strich ihm eine Locke, welcher unter der Mütze hervorlugte zur Seite. "Ich muss mich entschuldigen. Ich war unglaublich respektlos zu dir. Es tut mir wirklich leid Harry. Ich hatte keine Ahnung von deiner Situation und habe einfach geurteilt."

Der junge Mann vor mir lächelte leicht und nahm meine Entschuldigung an.

Erleichtert atmete ich aus und obwohl Harry mir anscheinend verzieh, fühlte ich mich immer noch schlecht. Nachlassen würde das vermutlich fürs erste nicht. Aber das hatte ich auch verdient.

"Möchtest du dich ein wenig hinlegen? Ich kann auf Charlie achten, wenn das für dich in Ordnung ist." Harry lehnte es ab, wollte keine Umstände bereiten, doch ich ließ keine Widerrede zu. Ich erhob mich mit knackenden Knien, hielt dem Lockenkopf meine Hand hin und schmunzelte als er sie ergriff.

"Wir haben eine ganz kleine Gruppe, da liegen nahezu nur Matratzen im Raum. Da kannst du dich hinlegen", ließ ich ihn wissen und zog ihn mit mir mit. "Sonnenstrahlen?", fragte er als wir vor der Gruppe standen und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.

"So nennen wir die ganz Kleinen. Sie sind zwischen 6 und 12 Monaten alt. Von ihnen besuchen nur 4 den Kindergarten, deswegen ist der Raum auch nicht allzu groß", erklärte ich und öffnete die Tür. Hier war noch alles dunkel, weshalb ich das Licht anschaltete und Harry in den Raum zog.

"Mach es dir gemütlich, ich sehe später nach dir, okay?"

Harry erwiderte meine Worte mit einem einfachen Lächeln, löste seine Hand aus meiner und ließ sich auf einer der Matratzen nieder. Ich brachte ihm noch ein weiteres Glas Wasser, bevor ich in meine Gruppe zurückkehrte und meinen Kollegen bei den letzten Schritten der Vorbereitung half.

"Was hast du mit Harry gemacht?", fragte Liam und sah mich mit großen Augen an. "Du hast ihn doch nicht vor die Tür gesetzt, oder?", witzelte er.

"Ich hab' ihn in der Sonnenstrahlen-Gruppe ins Bett gebracht", erwiderte ich und suchte Charlie, welcher anscheinend versuchte seinen Papa zu finden. "Charlie?", rief ich den kleinen Jungen und lächelte als er auf mich zukam.

"Ins Bett gebracht?", fragte Liam skeptisch. "Ihm geht es nicht gut. Da habe ich angeboten, dass er sich oben hinlegen kann. Ich werde auch später aufräumen und alles für die kleinen Würmchen desinfizieren. Ich weiß, dass da eigentlich niemand rein soll, aber was hätte ich machen sollen? Woanders ist doch kaum Ruhe..."

Liam nickte. "Ich bin froh, das du ihn jetzt endlich so behandelst wie er es von Anfang an verdient hat. Du solltest echt deine Vorurteile im Zaum halten, Louis. Sowas kann dir das Genick brechen. Nicht alle sind so nachsichtig wie Harry es ist."

Ich seufzte leise und stimmte ihm zu.

"Loueh", kicherte Charlie ungeduldig, lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich und nahm die Hand, welche ich ihm reichte, an. "Suchst du deinen Papa?", wollte ich wissen und sah zu ihm hinab. Charlie nickte und sah sich wieder um. "Er ruht sich ein bisschen aus, wollen wir im gleich ein paar Kekse und einen Kakao bringen?"

"Darf ich Papa die Kekse aussuchen?" Ich nickte lächelnd und war beeindruckt wie viel Mühe er sich gab als er ein paar Gebäckstücke zusammensuchte und schenkte in der Zeit eine Tasse Kakao ein.

"Ich bin gleich wieder da, bringe nur Charlie zu seinem Vater", ließ ich Liam wissen und ging mit Harrys Sohn die Treppe hinauf. "Jetzt müssen wir ganz leise sein", warnte ich Charlie und schmunzelte als dieser seinen Zeigefinger an die Lippen drückte. "Shhhh", wispere er und öffnete mit mir zusammen die Tür.

Der Blick der sich mir bot brachte mich zum Lächeln. Harry lag mit dem Gesicht zu uns, hatte seine Arme fest um einen Teddy geschlungen und war tief und fest am Schlafen.

"Papa liebt es zu Kuscheln, magst du das auch? Vielleicht kannst du dich zu ihm legen?"

"Ein anderes Mal", sprach ich leise und schloss die Tür hinter mir als Charlie sich zu seinem Vater gekuschelt hatte. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich an die Tür und konnte über diesen kindlichen Leichtsinn nur Schmunzeln.

Wenn ich das meiner Eleanor später erzähle...

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