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Regenbogensöckchen
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"Mama? Ich hab's gefunden. Es war das letzte im untersten Regal", ließ ich sie wissen und legte das Glas mit dem Gewürz in den Einkaufswagen. "Danke Boo", lächelte sie und schob den Wagen weiter, bis sie plötzlich stehenblieb.
Ich wollte fragen was los war, da entdeckte ich bereits den Grund. Die beste Freundin meiner Mutter war ebenfalls einkaufen und bog gerade mit ihrem Einkaufswagen um die Ecke. "Jay", rief sie erfreut, ließ den Wagen stehen und kam zu uns. Ich seufzte leise und machte mich darauf gefasst, dass es jetzt noch länger als ohne hin schon dauern könnte.
Ich nahm meiner Mutter den Einkaufszettel aus der Hand, schnappte mir den Wagen und nachdem ich Anne begrüßt hatte, ging ich die Gänge entlang und erledigte den Einkauf allein. Gerade suchte ich bei der Babynahrung den einen Fruchtsaft, welchen meine kleinen Geschwister gerne tranken als ich neben mir eine Bewegung wahrnahm.
Ohne Weiteres drehte ich mir zur Seite und blickte zu Harry, welcher mit verschränkten Armen vor mir stand und mich grimmig ansah. "Sagst du deiner Mutter mal, dass sie das Gespräch beenden soll?" Perplex blinzelte ich ihn an. "H-Hallo erstmal", murmelte ich unsicher und griff nach der Flasche.
Harry rollte nur mit den Augen und an seiner Kieferpartie konnte ich sehen wie sehr er sich anspannte. Ich versuchte nicht allzu sehr zu starren und wandte meinen Blick von ihm ab. "Sprich doch selbst mit deiner Mutter, du weißt doch wie die beiden sind...", sprach ich mit zittriger Stimme und legte drei der Flaschen in den Einkaufswagen.
Ich sah nicht zu ihm auf, da ich mir vorstellen konnte wie er mich mit seinen grünen Augen starrend ansah und schob den Wagen weiter. Schon an den schweren Klängen seiner Boots auf dem Boden konnte ich hören, wie er mir hinterherlief.
Harry nahm mir nach einem Augenblick den Zettel aus der linken Hand und begann die Einkäufe zu suchen und mir in den Wagen zu legen. Ich hatte aufgehört sein komisches Verhalten zu verstehen, da es eh nichts brachte.
"Will deine Mutter lieber das Bio-Gemüse, oder das andere?", frage er mich plötzlich und hielt mir den Zettel vor die Nase. Überrascht sah ich auf, hielt an und musterte erst den Zettel und blickte dann zu Harry, welcher mich mit hochgezogenen Augenbrauen erwartungsvoll anschaute. Sobald ich seinen Blick erwiderte vergaß ich die Frage, welche er mir gerade noch gestellt hatte und schluckte.
Ich versuchte etwas zu sagen, biss mir auf die Lippe und atmete flach ein. Harry wollte etwas sagen, da sprach uns eine ältere Dame an und wollte an das Regal, welches wir gerade blockierten. Mit heißen Wangen entschuldigte ich mich verlegen und ging etwas beiseite. "Louis, ich hatte dich etwas gefragt", grummelte der Lockenkopf neben mir.
"E-Entschuldige, ehm... Ich- Ich kann das auch machen", erwiderte ich stattdessen, nahm den Zettel wieder an mich und lief zu dem Gemüse. Harry folgte mir wie ein brummender Schatten, sah mir die ganze Zeit über die Schulter und presste sich an meine Seite als er sich etwas über die Kisten beugte und einen großen Kürbis rausholte.
"Den, oder lieber den anderen?" Ich erwidere seine Frage nur mit einem Nicken, suchte das was wir brauchten zusammen und seufzte leise als ich meine Mutter erblickte und sie immer noch an der gleichen Stelle stand. Nur Jay hatte sich bewegt und war ein wenig zur Seite gegangen.
"Louis... Ich hatte dich wieder etwas gefragt. Hörst du mir nicht-"
"D-Du machst mich nervös, pack den Kürbis einfach ein und fertig. Hör auf mich irgendwas zu fragen, ich-", ich merkte, was ich da eigentlich von mir gab, verstummte und spürte die Hitze erneut in meinen Wangen aufstieg. Räuspernd wandte ich mich von Harry ab und legte den fehlenden Rest in den Einkaufswagen. Ich schaute ein letztes Mal, ob alles da war und stopfte den Zettel dann in meine Jackentasche.
Wie immer, wenn es um Harry ging, waren seine Bewegungen plötzlich, nicht ein einziges Mal konnte ich mich auf das, was er tat vorbeireiten. Er legte seine Hand auf meine Schulter, drückte leicht zu und gab mir so schnell einen flüchtigen einen Kuss auf die Schläfe, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob er das gerade getan hatte. Dann verschwand hinter den Regalen und tauchte ab.
Starr blieb ich stehen, zog die Ärmel meiner Jacke über die Hände und krallte mich daran fest. Hatte er das jetzt gerade wirklich getan? Letzte Woche hatte er mich noch ausgelacht, da ich etwas Ähnliches gesagt hatte und jetzt gab er mir ohne einen Ton ein kleines Küsschen?
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"Boo, was ist denn los? Möchtest du mir nicht beim Kochen helfen?", fragte meine Mutter, legte das Messer zur Seite und sah mich nachdenklich an. "Du hast nicht eine Kartoffel geschnitten und ich bin schon fast fertig mit meinem Teil der Aufgaben."
"Entschuldige", wisperte ich, räusperte mich und wollte gerade anfangen, da nahm mir Mama die Sachen aus der Hand und legte sie auf die Arbeitsplatte. "Denkst du über heute morgen nach?", wollte sie wissen und sah mich mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen an.
"N-Nein", versuchte ich mein Glück und erwiderte ihren Blick, welcher auf mir lag, nicht. "Aha", erwiderte sie mit einem Grinsen in der Stimme und stupste mich mit ihrer Schulter an. "Du konntest noch nie lügen, mein Schatz. Du kannst mir aber auch einfach sagen, dass du nicht über deine Gefühle, welche du für Harry hegst, reden möchtest."
"Mama!", sprach ich aufgebracht und sah sie fassungslos an. "Ah, es stimmt also", kicherte sie, legte ihren Arm um meine Taille und knuffte mir in die Seite. "Mein kleiner Junge ist also verliebt", hauchte sie zufrieden und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
"L-Lass das", murrte ich und wollte sie von mir drücken, doch sie stemmte sich dagegen und schüttelte grinsend ihren Kopf. "Nö, das kannst du vergessen. Seit wann ist das denn so?", fragte sie neugierig und sah mich gespannt an. "Mama, ich-", murmelte ich leise und verstummte. Ich konnte ihr doch nicht sagen, dass es seit dem Weihnachtsessen vor zwei Jahren so war... Schließlich würde mir das auch nicht helfen.
"Schon so lange?"
Mit roten Wangen sah ich sie an und blickte auf die Arbeitsplatte. "Möglich?", wisperte ich verlegen, strich mir mit dem Handrücken über die Nase und holte tief Luft. "Hast du mal versucht mit Harry zu sprechen?" - "Ich glaube er weiß es ohne, dass ich es ihm gesagt habe."
"Das ist aber nicht richtig. So habe ich dir das nicht beigebracht."
"Mama, lass doch deine doofen Sätze aus diesen dämlichen Elternratgeber. Sowas sagst du echt immer. Ich bin doch wohl alt genug, um zu wissen, wann ich mit ihm spreche und wann nicht. Vor allem, wenn es um sowas geht..."
Meine Mutter lachte nur, wuschelte mir durch die Haare und sah mich kopfschüttelnd an. "Trotzdem sollte man seine Gefühle nie alleine in seinem Herzen tragen. Wenn du andere Menschen daran teilhaben lässt können sie mit dir weinen, mit dir lachen, sich freuen oder dich auch einfach nur unterstützen. Darf ich dich unterstützen?"
Nach ihren Worten standen mir die Tränen in den Augen und mir war danach sie zu umarmen, also tat ich es. Fest legte ich die Arme um die Taille meiner Mama, zog sie fest an mich und genoss den Duft ihres Parfüms, welcher mich umgab. Den Tränen ließ ich freien Lauf, schluchzte leise als sie die Umarmung erwiderte und mir mit den Händen über den Rücken strich.
Eine Weile lang sagte niemand von uns beiden nur ein einziges Wort, bis ich mich von ihr löste und mit meinem Ärmel über meine Augen wischte. "Darf ich dir was sagen? Etwas, was Harry betrifft?"
Überrascht sah ich sie an, schniefte leise und nickte nach kurzem Überlegen. "Denke schon...", murmelte ich und strich mir erneut über die Augen. Ich mochte nicht, wie sich der nasse Ärmel auf meiner Haut anfühlte, weswegen ich den Ärmel umschlug.
"Rede mit ihm über deine Gefühle, ja? Versprichst du mir das?"
Ich senkte meinen Blick, sah auf den Boden und musste schmunzeln als ich bemerkte, dass wir die gleichen Kuschelsocken trugen. Ich hatte sie ihr diesen Monat zu Nikolaus geschenkt, da sie mir sonst weiterhin meine Regenbogensöckchen klauen würde.
"Ich... Ich weiß nicht, ob ich mich traue", erwiderte ich auf ihre Bitte und schnaufte leise. "Ich denke seine Reaktion würde dir gefallen", sprach sie nach einem langen Moment der Stille und brachte mich damit zum Aufsehen.
"Woher willst du das wissen?", fragte ich unsicher und verschränkte meine Arme schützend vor meiner Brust. "Du vergisst wer ich bin", grinste sie und tippte mir auf die Nase. "Ich bin deine Mutter mein Schatz, ich weiß vieles." Ich sah sie einen Moment nachdenklich an und riss meine Augen auf.
"Anne hat was gesagt, oder?"
"Womöglich?", kicherte sie und widmete sich wieder dem Kochen. "Sprich doch mit ihm, wenn er nachher mit seiner Mutter zum Essen kommt." - "Warte, ich dachte wir machen Essen für die Mädchen?", fragte ich aufgebracht und wurde plötzlich nervös.
"Nein, Mark holt die Mädchen gleich ab und verbringt mit ihnen den Tag. Wir beide haben heute ein Date mit Anne und Harry", grinste sie und zwinkerte mir zu. "Hast du etwa noch nicht auf's Datum geschaut? Heute steht unser jährliches Weihnachtsessen zu viert an."
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Nervös saß ich gegenüber von Harry, versuchte irgendwie Luft zu holen und nicht gleich völlig hemmungslos anfangen zu weinen. Mir war so komisch, dass ich nicht mal wusste ob mein Herz schlug, oder ob es schon aufgegeben hatte. Unsere Mütter waren gerade in der Küche, quatschen und wollten sich gemeinsam um den Nachtisch kümmern.
"K-Können wir reden?", schaffte ich es nach einer weiteren Weile unangenehmer Stille zu sagen und atmete erleichtert aus als Harry mich ansah und zustimmte. "Hier?"
Doch ich schüttelte meinen Kopf, erhob mich von meinem Platz und bot ihm meine zittrige Hand an als ich neben ihm stand. Harry sah mich für einen kurzen Moment mit hochgezogenen Augenbrauen an, stand auf und betrachtete meine Hand.
Zögerlich griff ich nach seiner Hand, musste mir ein Lächeln verkneifen als er sie drückte und mir tatsächlich aus dem Wohnzimmer in das Lesezimmer meiner Mutter folgte. Hier konnte ich die Tür schließen und uns beide vor den Ohren unserer Mütter schützen.
"Was gibt's denn?", fragte Harry mit dem typischen grummeligen Unterton in seiner Stimme und sah sich in dem kleinen Zimmer, welches schon immer eine kinderfreie Zone war, um.
Ich brauchte noch einen Moment bis ich die passenden Worte zurechtgelegt hatte, doch Harry gab mir nicht die Zeit, welche ich brauche, da er seinen Blick auf meine Füße gerichtet hatte. "Du hast einen Regenbogen an deinen Füßen", sprach er und sein Blick verdunkelte sich plötzlich.
"Ja... Eh, schon den ganzen Tag", murmelte ich unbeholfen und wusste nicht, wie ich auf seine Feststellung reagieren sollte.
"Warum fällt dir das leicht?", fragte Harry auf einmal und machte den Eindruck als würde er über was ganz anderes reden wollten. "Was fällt mir leicht?", wollte ich von ihm wissen und versuchte herauszufinden was er meinte. "Das, was in dir ist nach außen zu zeigen... warum kannst du das so gut? Du ... Du hast gestern so ein rosanes Schlafdings getragen. Gemma hat auch so eins und-"
Er verstummte und hielt sich die Hand vor den Mund.
"D-Du...", stotterte ich unbeholfen und spüre, wie nicht nur meine Wangen, sondern mein ganzer Körper erhitzte. "Du...-" Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte, ich wusste es einfach nicht. Mit aufgerissenen Augen musterte ich Harry und versuchte Luft zu holen.
Manchmal vergaß ich, dass unsere Häuser so standen, dass er von seinem Zimmer aus in meins blicken konnte. Hatte er mich gestern beobachtet als ich gerade zu Bett gehen wollte?
"T-Tut mir leid, ich... ich kann es einfach nicht lassen, wenn ich dich durch sein Zimmer huschen sehe, dann kann ich einfach nicht anders und sehe dich an, weil du so hübsch bist und so stark und...", Harry wurde immer leiser und blickte zur Seite. Ich konnte Tränen ins einen Augen erkennen, atmete tief durch und ging auf Harry zu.
Vorsichtig legte ich meine Hand an seinen Oberarm, strich sanft über seinen Arm und bat ihn mich anzusehen. Er schien eine solche Angst vor meiner Reaktion zu haben, dass ich meine Nervosität herunterschluckte.
Harry tat es tatsächlich, sah mich an und erwiderte meinen Blick. "Entschuldige dich nicht", lächelte ich. "Du bist nicht wütend?", fragte er, sah mich weiterhin an und verzauberte mich mit seinen grünen Augen wieder ein wenig mehr. Ich wollte noch etwas sagen, doch Harry unterbrach mich. "Worüber wolltest du mit mir eigentlich sprechen?", wollte er dann auf einmal wissen und auf einmal kam die Nervosität auf einen Schlag zurück.
Noch etwas überfordert von dem schnellen Themenwechsel atmete ich zittrig aus und wandte den Blick ab, sah auf meine Regenbogensocken und schmunzelte leicht. "Ich... Ich hatte meiner Mutter versprochen dir zu sagen, dass ich dich gernhabe", sprach ich mit stark klopfendem Herzen in der Brust.
"S-Sogar sehr gern", ergänzte ich und wartete auf eine Antwort oder auf irgendein Zeichen, welches Harry von sich geben würde, jedoch sah er mich einfach nur an.
"H-Harry?"
Harry blinzelte mehrmals, sagte weiterhin nichts und begann langsam seinen Kopf zu schütteln. "Warum? Hat meine Mutter dich dazu angestiftet? Hat sie dir verraten, dass ich etwas für dich empfinde und deswegen hast du deiner Mama versprochen so etwas zu sagen?"
Ich schüttelte meinen Kopf nachdem ich begriffen hatte, was er da zu mir gesagt hatte. "Nein, niemand hat mich dazu angestiftet, meine Mama wollte nur sichergehen, dass ich die Gefühle, welche ich seit zwei Jahren für dich hege dir mitteile", erklärte ich mein Geständnis.
Mein Mund wurde ganz trocken als Harry wieder nichts sagte und verunsicherte mich dadurch noch mehr. "Ich- Ich schaue mal, was unsere Mütter treiben", ließ ich ihn wissen, verließ das Lesezimmer und schloss die Tür hinter mir. Ich ging in die Küche, sah wie Anne und meine Mama sich noch unterhielten und beide mit einer Kaffeetasse an der Arbeitsplatte lehnten.
"Alles gut mein Schatz?", fragte meine Mutter, stellte ihre Tasse ab und blickte wieder zu mir. Ich zuckte mit den Schultern, machte für Harry einen Tee und ging hoch in mein Zimmer um ein zweites Paar kuschelige Regenbogensocken zu holen. Es dauerte keine fünf Minuten, da stand ich mit dem Tee in der einen und mit den Socken in der anderen Hand vor der Tür des Lesezimmers, drückte die Klinke hinunter und blickte zu Harry, welcher sich in den Sessel gesetzt hatte und sein Gesicht in den Händen versteckte.
"Harry?", fragte ich vorsichtig und kam ins Zimmer hinein. Er blickte nicht auf, weshalb ich den Tee auf das Tischchen neben ihn stellte und mich vor ihm auf den Boden setzte. Ohne zu fragen zog ich ihm die Socken aus und tauschte sie durch die Regenbogensocken. Harry blickte mich an als ich über sein rechtes Schienbein strich und riss seine Augen auf als ich mich leicht aufsetzte und meine Hände auf seine Oberschenkel legte.
"Du kannst auch das, was in dir steckt nach außen zeigen. Wollen wir das gemeinsam machen?"
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