6. Dezember

„Ich bin wieder zuhause", ruft Felix durchs Haus und Sekunden später platzt er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht in mein Zimmer, wirft sich neben mich auf mein Bett.

Vor einer knappen Stunde bin ich selbst von der Uni nach Hause gekommen und seitdem liege ich hier, eingekuschelt in meiner Decke und einer ordentlichen Portion Selbstmitleid. Mein Tag war ein einziger Reinfall. Ich habe die ganze Nacht fast kein Auge zubekommen und habe die Zeit damit verbracht, mich von einer Seite auf die andere zu drehen. Als ich es dann irgendwann doch endlich geschafft habe einzuschlafen, hat mein Wecker geklingelt, um mich für meine erste Vorlesung zu wecken. Die habe ich dann fast verpasst, weil ich direkt wieder eingeschlafen bin.
Zum Glück hat Seungmin mich geweckt und ich habe es - mit Verzicht auf Frühstück - gerade noch rechtzeitig in die Uni geschafft. Und das nur, um mich zurück in mein Bett zu wünschen, sobald ich im Hörsaal angekommen bin. Changbin war heute nicht da und der Vormittag war schrecklich langweilig ohne ihn. Keinerlei Anlass, der mich von meinen Gedanken ablenken könnte. Und mir ist wieder einmal bewusst geworden, dass ich keine Freunde habe außer ihn.

Es hat sich scheiße angefühlt, in einer Masse von Menschen zu sitzen, die sich fröhlich miteinander unterhalten und lachen, während ich mit jeder Sekunde mehr realisiert habe, dass ich nicht reinpasse. Nicht dazu gehöre zu der einzigen, großen Gemeinschaft, die sich um mich versammelt hat.
Ich habe versucht, die anderen Menschen auszublenden, was leider nur sehr mäßig funktioniert hat.
Am liebsten wäre ich aus dem Saal gerannt und der Gedanke, dass niemand mich aufgehalten und vermutlich noch nicht einmal sonderlich auf mich geachtet hätte, hat diesen Wunsch nicht kleiner werden lassen.

Das einzige, was mich motiviert hat, war der Gedanke an Felix, der mich bei meine Heimkehr mit einer warmen Umarmung begrüßen würde, und so habe ich es irgendwie durch den Tag geschafft. Nur um Zuhause feststellen zu müssen, dass mein liebster Mitbewohner noch unterwegs und auch Seungmin und Hyunjin noch nicht zuhause waren.

Aber genug davon, ich bin jetzt einfach nur froh, dass Felix wieder da ist und ich endlich meine Umarmung von ihm bekomme. Ich kann es selbst  kaum glauben, aber in der vergangenen Stunde hätte ich sogar den endlose Strom an Weihnachtsliedern von meinen Mitbewohnern der Stille um mich herum vorgezogen. Ich habe sogar selbst eine Weihnachtsplaylist auf meinem Handy rausgesucht, aber nach fünf geskippten Songs wieder ausgeschaltet. Es ist nicht dasselbe, wie wenn meine Mitbewohner mitsingen und zum selbst mitsingen hat mir die Motivation gefehlt. Aber jetzt bin ich nicht mehr alleine.

„Wie war dein Wochenende?", erkundige ich mich schwach und sofort beginnt Felix begeistert von den letzten Tagen zu erzählen, die er bei Channie verbracht hat.

Ich achte nicht wirklich darauf, was er genau sagt, bin innerhalb kürzester Zeit wieder in meinen eigenen Gedanken versunken.
Über - wer hätte es gedacht - Lee Minho.
Fast den ganzen Sonntag habe ich damit verbracht, das Internet nach ihm zu durchforschen und habe dabei sämtliche Univorbereitung ausgeblendet.  Ich habe einen Insta-Account gefunden, der verdächtig nach dem mysteriösen Jungen einen Straße weiter aussah, zumindest bin ich mir sicher, eine der drei Katzen auf dem Profilbild als Dori erkannt zu haben.
Ein paar Menschen aus der Uni folgen ihm, aber sein Account ist privat und ich habe mich nicht getraut, ihn anzufragen. Er muss nicht wissen, dass ich ihm online gestalkt habe.

Just in diesem Moment beendet Felix seine Erzählung und starrt verträumt an die Zimmerdecke. Jetzt bin ich an der Reihe, etwas zu sagen und obwohl ich genau weiß, dass Felix gar keine Reaktion von mir erwartet, fühle ich mich unter Druck gesetzt.

„Klingt schön", kommt aus mir heraus. Ich könnte Felix stundenlang zuhören, ohne wirklich zu zu hören. Seine Stimme fühlt sich an wie eine warme Umarmung und sein Lächeln während er redet erhellt mein düsteres Herz.

„Wie geht es Changbin?", erkundige ich mich abwesend und sofort spüre ich Felix' überraschten Blick auf mir.
„Er war heute nicht in der Uni, deshalb...", erkläre ich sofort, aber mein Gegenüber grinst wissend.
„Er hat sich auch nach dir erkundigt, also raus mit der Sprache. Ich dachte, du magst ihn nicht sonderlich? Und das, obwohl ich dir seit Jahren sage, dass Changbin einer der nettesten Menschen ist, die ich kenne."

Auffordernd schaut Felix mich an und ich senke verlegen den Blick.
„Ich dachte immer, er mag mich nicht sonderlich...", verteidige ich mich und Felix wirft entsetzt die Hände in die Luft.
„Ja klar, deswegen hängt er in der Uni immer bei dir rum. Weil er dich nicht mag."

Jetzt, wo Felix es so klar ausspricht, komme ich mir auf einmal ziemlich dumm vor und ich kratze mich verlegen im Nacken. Wie konnte ich all die Jahre so oberflächlich ihm gegenüber sein? Und wie ist mir das nicht früher schon aufgefallen.

„Mensch Sungie, du kannst froh sein, dass Changbin so ein Schatz ist."

Das ist mir mittlerweile auch bewusst.
Bevor ich aber genauer darüber nachdenken kann, unterbricht Felix mich: „Du weißt, dass du mit uns allen reden kannst, Sungie? Wir machen uns alle ziemliche Sorgen um dich. Du hast dich in den letzten Monaten ziemlich abgekapselt und lässt uns fast gar nicht mehr an dich dran. Wir sind nicht böse auf dich und du musst nicht jetzt sofort alles erzählen, nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Versprich mir nur, dass du auf dich aufpasst."

Liebevoll schaut mein bester Freund mich an und eine einzelne Träne gewinnt den Kampf gegen meinen Willen, sich zusammen zu reißen und nicht zu weinen.
Gleichzeitig löst sich einer der vielen Knoten in meiner Brust und eine Kette weniger zerrt mich in Richtung Grund des Sees.

Felix Worte bringen all die Gedanken an die Oberfläche, die ich seit Wochen versteckt habe unter dem Unistress, den Beschwerdebriefen und dem Schlafmangel. Denn es ist einfacher, sich auf weniger furchteinflößende Dinge zu konzentrieren und den Rest auszublenden. Nicht, dass es die Probleme löst, aber es hat mein Leben zumindest eine Weile erleichtert. Aber in den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass ich immer mehr daran ersticke.

Die Bänder, die zunächst nur meinen Brustkorb angegriffen und mich daran in die Tiefe ziehen wollten, haben sich langsam aber sicher um meinen Hals gelegt und ich drohe mittlerweile unterzugehen.
Dabei will ich das doch alles gar nicht.
Ich muss die Fesseln loswerden, die ich mir selbst umgelegt habe.

„Backen wir was Lixie?", erkundige ich mich leise und wieder leuchtet Überraschung in seinen Augen auf.
Ich kann es ihm nicht verübeln, der Vorschlag kommt auch für mich sehr überraschend.

„Klar, sehr gerne. Was willst du backen?", erwidert er und zieht mich dabei wieder näher an sich.

„Vanillekipferl?"

Minuten später stehen wir nebeneinander in der Küche, Pentatonix schallt durch die ganze Wohnung und Felix packt gerade den fertigen Teig in den Kühlschrank.

„Was ich noch fragen wollte, gibt es was neues von Herrn Lee? Hast du ihm die Kekse gegeben?", fällt meinem Mitbewohner ein, als wir aneinander gekuschelt im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen.

„Hab ich", antworte ich langsam und erzähle Felix von den Ereignissen von vergangenem Samstag. Es fällt mir wieder um ein vielfaches leichter, mit ihm zu reden und tatsächlich löst die Erinnerung an Lee Minho nicht mehr ganz so viel Stress in mir aus.

Während ich rede, löst sich eine der Schlingen von meinem Hals und ich kann noch einfacher atmen, schwebe fast wie von selbst auf der Wasseroberfläche.
Es ist, als würden die schweren Ketten für eine Weile Pause machen.

i'm so sorry people, meine klausuren haben mich basically gekillt and that's why i didn't upload any chapters during the last days
but hOPEfully i'll be able to update regularly from now on, at least i have only one exam left now so it's getting a little less stressful

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