✭ 20. Dezember ✭

Weihnachten für jeden

Ich nahm den Geruch von frischem Lebkuchen war. Langsam ging ich die Treppe runter und lief in die Küche.
Meine Adoptivmutter, die für mich wie eine Mutter war, lächelte mir zu und schob mir den Teller mit den selbstgemachten Lebkuchen vor mein Gesicht.

Weihnachten war die beste Zeit im Jahr. Draußen schneite es schon den ganzen Tag und meine Mutter war die ganze Zeit in Weihnachtsstimmung.

,,Kommen Ally und Valentin heute?", fragte mich meine Mutter.

,,Ja, sie sollten jeden Moment kommen."
Ally und Valentin waren meine besten Freunde seit dem ich auf die neue Schule gekommen war. Seit dem ich einen Neubeginn gestartet hatte.

,,Seid ihr euch sicher so eine große Verantwortung übernehmen zu wollen?", fragte sie nach einer Stille in der wir die Lebkuchen aßen.

,,Das sind wir. Besonders bin ich mir sicher. Die Kinder haben es verdient. Alle", versicherte ich ihr.
Wie drei wollen ein Projekt starten. Ein Projekt, das aus meinem Herzen bestand. Ein Projekt, das Kindern ermöglichen soll, Kind zu sein.

,,Wenn du meinst", seufzte sie.
,,Aber schmückt bitte davor noch den Weihnachtsbaum. Wir haben bald Weihnachten und der Tannenbaum steht immer noch kahl im Wohnzimmer."

Ich nickte. Und sah meine Mutter fröhlich an. Kaum hatte die Weihnachtszeit begonnen, stieg meine Laune. Weihnachten, die Zeit, die niemand vermissen will. Aber doch tun es so viele Menschen und vor allem Kinder.

,,Die Sachen dazu stehen im Keller", informierte sie mich noch. Danach stand sie auf und räumte das Geschirr weg.

***

,,All I-!", sang Valentin laut, bis ich ihn unterbrach.
,,Hör auf. Du singst schrecklich", lachend schüttelte ich den Kopf, während Valentin sich eingeschnappt von mir wendete.

,,Du singst auch nicht besser, Victoria!", hörte ich von unten. Das musste Ally sein. Ich hörte schnelle Schritte auf der Treppe und in wenigen Sekunden stand Ally in meinem Zimmer.

,,Wo fangen wir an?", fragte Valentin.

,,Hier." Ally zeigte auf den Teller voller Lebkuchen. Schnell griff sie nach einem Lebkuchen und ließ sie zwischen ihren Lippen verschwinden.
,,Schind die selbsch gemascht?", nuschelte sie.

Ich nickte und Valentin lachte. Weihnachten. Weihnachten war wirklich die schönste Zeit.

***

,,Das ist es." Ich zeigte auf ein großes Gebäude. Es war in gelb gestrichen und schon von weitem konnte man die Fröhlichkeit, die das Gebäude ausstrahlte, erkennen. Drinnen lief es nicht immer so ab. Das wusste ich. Man war einem so nah und doch so weit.

Das Gebäude war das Kinderheim unserer Stadt. Dort verbrachte ich viele Jahre.
Viele Jahre der Verzweiflung, ob ich eines Tages irgendwas erreichen könnte. Besonders waren die Weihnachtstage anstregend. Auf der Straße sah man viele glückliche Gesichter, aber man selber konnte das Glück nicht fühlen.

Bevor ich auch nur einen weiteren Gedanken an meine schwere Kindheit verschwenden konnte, hatten wir schon die Treppenstufen erreicht. Jahrelang ging ich hier auf und ab.

,,Da seid ihr ja!", rief eine mir bekannte Stimme. Kurz darauf erblickte ich Claire, eine Heimerzieherin. Alle waren hier sehr nett, aber bei ihr habe ich mich immer am wohlsten gefühlt. Sie hatte noch nicht angefangen, als ich ins Heim kam.
Aber wir hatten uns vom ersten Augenblick verstanden. Vielleicht lag es daran, dass sie eine ähnliche Vergangenheit hatte wie ich.

,,Du bist groß geworden, Victoria!", sprach sie weiter und zeigte dann mit einem fragenden Blick auf meine zwei Begleiter.

,,Achso, das sind Ally und Valentin", klärte ich sie auf. Sie nickte lächelnd und zeigte auf einen Tisch.
Wir saßen uns hin und da fing sie schon an zu sprechen: ,,Du hast mir geschrieben, dass ihr kommet, aber nicht warum."

,,Wir haben etwas vor", fing Ally an zu sprechen. Claire hörte aufmerksam zu und als sie von unserem Projekt erfuhr, strahlte sie über beide Ohren.

,,Das ist ja eine klasse Idee! Da werden sich alle Kinder freuen. Weihnachten für alle!", lachte sie.

Ja, Weihnachten für alle.

***

,,Warum?", fragte Anna. Sie war mit 17 das älteste Kind hier im Heim.

,,Was meinst du damit?", verwirrt schaute ich sie an. Irgendwie wusste ich, was sie meinte.

,,Warum machst du das hier alles? Die meisten die aus dem Heim gegangen sind, habe ich nie wiedergesehen. Und wenn, dann haben sie sich nicht mehr für uns interessiert. Dabei waren sie selber Mal ein Teil von uns", seufzte Anna und strich ihre blonden Haare hinter die Ohren.

,,Ich habe in der letzten Zeit viel nachgedacht. Als ich zehn war, bin ich geflohen. Geflohen vor dem Krieg in meinem Heimatland. Ich bin hier angekommen, hier in Deutschland und mitten in der Weihnachtszeit. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was Weihnachten war. Aber ich hörte nur gutes und bekam so ein Schuhkarton. 'Weihnachten im Schuhkarton' hieß es. In diesem Karton waren kleine Geschenke."
Ich machte eine kleine Redepause und schaute zu Anna rüber.

Sie lächelte und hörte mir interessiert zu. Niemand hatte sich damals für meine Vergangenheit interessiert. Deswegen sprach ich auch so selten darüber. Die Angst vor Abweisung war zu groß.

,,Jeder war dankbar für die Geschenke auch ich. Zumindest zu dieser Zeit. Zwei Jahre später kam ich ins Kinderheim und ich fing an mich mit Klassenkameraden anzufreunden. Manchmal war ich bei ihnen zu Hause. Manchmal erzählten sie mir von ihrem Weihnachtsfest. Da merkte ich, dass die Geschenke auch dazu gehörten, aber Weihnachten nicht ausmachten. Es war die Verbundenheit, die Liebe und der Zusammenhalt wo für Weihnachten stand. Klar, Jesus Christus ist geboren, aber man musste kein Christ sein um Weihnachten zu feiern.
Da ist mir klar geworden, wie wichtig das Weihnachtsfest für die Gesellschaft war."

Anna schaute mich an ohne etwas zu sagen. Sie verstand.

***

,,Das hat mir Claire gekauft!", hörte ich von der einen Seite. Wir standen einen Tag vor Heiligabend auf dem Weihnachtsmarkt. Das war wohl die erste Etappe des ganzen Projektes.

Voller Freude erhielt ich immer wieder Umarmungen der Heimkinder, die ich erwiderte.

Vom Himmel fielen wenige Schneeflocken und der Boden war vier Zentimeter mit Schnee bedeckt. Es machte alles festlich. So wie man es in den Kinderbüchern las.
Man roch den Glühwein und den Duft eines leicht verbrannten Craps. Weihnachtsmänner aus Schokolade, Souvenire, Kekse und Schmalzkuchen fand man in jeder Ecke.
Der hektische Blick der Verkäufer und die fröhlichen Blicke der Besucher machten mir klar, dass ich tatsächlich auf dem Weihnachtsmarkt stand. Nicht alleine, sondern mit viele Personen, dessen Schicksal ähnlich wie meins war.

,,Weihnachten ohne Familie? Das geht nicht!", rief mir Claire zu und lachte. Damit holte sie mich aus meinen Gedanken.

Ich nickte ihr zu und verkroch mein Gesicht bis zur Nase im Schal. Das machte Weihnachten auch aus. Obwohl Minusgrade herrschten, ging man auf den Weihnachtsmarkt um die gute Laune anderer Menschen auf einen selbst übertragen zu lassen.

***

,,Hier ist das Mikro."
Mit leicht zitternden Händen nahm ich einem jungen Herren das Mirko aus der Hand.

,,Danke", erwiderte ich. Die drei Stufen, die auf die Bühne führten, überwind ich mit wackeligen Beinen.
Langsame Schritte führten mich in das Sichtfeld des Publikums.

,,Liebe Damen und Herren,
ich weiß, dass sie eher ein Weihnachtsgedichte von mir erwarten, aber darum soll es nicht gehen."

So fing ich meine Rede an. Ich wusste nicht, ob es richtig war. Ich wusste nicht, ob ich damit etwas erreichen würde. Aber ich wusste, dass es besser war, als nichts zu tun.

,,Es geht mir um ein sehr wichtiges Thema. Da draußen leben Kinder, die das hier nicht kennen. Sie kennen das Wort Weihnachten, aber nicht die Bedeutung.
Ich bin im Krieg aufgewachsen, kam dann eines Tages ins Kinderheim. Dort erfuhr ich von Freunden die Bedeutung von Weihnachten oder eher, was sie empfanden an Weihnachten. Auch wenn ich Weihnachten mittlerweile liebe, habe ich es damals gehasst. Ehrlich gesagt war ich neidisch. Ich war nicht neidisch auf die Geschenken, sondern auf die Harmonie."

Ich schnappte leise nach Luft, während viele Augenpaare auf mich gerichtet waren.

,,Immer wenn ich Menschen erzählte, dass es mir zu Weihnachten mental schlecht ging, dann versprachen sie mir die Hilfe. Sie versprachen mir Zuversicht.
Und als Weihnachten vor der Tür stand, hatten sie schon wieder alles vergessen. Ich bin ihnen alle nicht böse, aber ich hätte mir damals gewünscht, dass man uns nicht vergisst. Ich bitte Sie jedoch, uns auch Gehör zu schenken, wenn sie nicht gerade damit konfrontiert werden. Dafür haben ich und meine Freunde mithilfe des Kinderheims hier in der Nähe ein Projekt gestartet. Ein Projekt zur Ermöglichung von Weihnachten für alle."

Dann ertönte ein Beifall und die Hoffnung, das mein größter Wunsch war wird.

© Cam-ThangThang-Vi

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