22. Dezember
Adriana Loucit liebte Weihnachten.
Sie war fünfzehn Jahre alt und lebte in einem Internat. Jedes Jahr freute sie sich aufs das Fest, auch wenn sie nicht religiös war. Für Adriana war es einfach das Fest der Liebe. Und dieses Jahr war es mehr als Familienliebe.
Sie hatte sich in einen Jungen ihres Internates verliebt, er war in ihrem Jahrgang, hatte blonde Haare und ging an Weihnachten, wie sie, nach Hause zu seinen Eltern.
Sein Name war Elias.
Heute war der letzte Tag, den Adriana vor den Weihnachtsferien im Internat verbrachte und an diesem Tag fand immer die große Feier in der Aula statt, an der alle teilnahmen, auch diejenigen, die dann an Heiligabend nach Hause fuhren.
Als Adriana am Morgen aufwachte, war sie zwar noch müde, raffte sich aber auf, da sie noch etwas sehr wichtiges zu tun hatte. Ihre Zimmergenossin und beste Freundin Lili schlief noch tief und fest, als sie leise aufstand, einen Füller aus ihrem Mäppchen holte, eine Karte aus ihrer Schultasche zog und sich an den Schreibtisch setzte.
Es war komisch, eine Weihnachtskarte an den Schwarm zu schreiben... Viele in ihrem Alter hatten das schon oft getan, doch sie war nur ein paar Mal verliebt gewesen, und einen Freund hatte sie noch nie gehabt
Ein paar Minuten starrte Adriana noch an die Decke, dann begann sie zu schreiben. Nichts war zu hören, außer das leise und gleichmäßige Atmen ihrer schlafenden Freundin und das Kratzen ihres Füllers, der die Worte auf das Papier brachte:
Lieber Elias,
Ich wünsche dir Frohe Weihnachten und einen erfolgreichen Rutsch ins neue Jahr. Ich weiß, dass es seltsam klingt, aber...
Sie stoppte. Ratlos starrte sie auf die wenigen, schon gechriebenen Worte. Das Mädchen hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie weiter schreiben könnte. Seufzend stand sie auf und ging im Zimmer auf und ab. Dann irgendwann setzte sie sich wieder und fuhr fort.
Also ich wollte dir sagen, dass ich dich echt gerne mag... vielleicht... können wir ja mal was miteinander machen? Wenn das irgendwie aufdringlich klingt
Sie stoppte wieder. Und entfernte dann die letzten fünf Worte mit Tintenkiller.
Jedenfalls Schöne restliche Feiertage und Ferien!
Deine Adriana
Sie rieb sich die Augen. Dann steckte sie die Karte in einen Umschlag und wieder in ihre Tasche.
Adriana ging zum Bett ihrer Zimmergenossin und rüttelte sie vorsichtig wach. "Hey Lili!"
"Was'n los, Adri?" murmelte diese verschlafen.
"Komm, steh auf!"
"Wieso denn?" Lili öffnete ihre Augen ein Stück.
"Gleich, okay?" Sie schloss sie wieder.
"Okay" erwiderte Adriana lächelnd und suchte ihre Kleidung zusammen, die im ganzen Zimmer verteilt lag.
Dann zog sie sich an und machte sich auf den Weg ins Bad.
Sie band ihre roten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und ging dann erneut zu Lilis Bett, die sich inzwischen mit verstruppelten, blonden Haaren aufgerichtet hatte. "Schon fertig?" "Ja, beeil dich mal" Die Rothaarige grinste uns schnappte sich ihre Tasche. "Chill" lachte die Blonde und gähnte herzhaft.
Als beide fertig waren und aus der Türe traten, kam ihnen der Geruch von Zimt, Kerzen und Mandarinen entgegen.
Sie schlenderten die Treppe hinunter und öffneten die Tür zur Aula. Ein Weihnachtsbaum stand wie jedes Jahr in der Mitte des Raumes. Die beiden Mädchen setzten sich auf zwei Stühle, während immer mehr Schüler eintrafen. Auch Elias betrat die Aula und ließ sich ein paar Plätze neben ihnen auf einen Stuhl fallen.
Lili grinste Adriana unauffällig an. Sie war die einzige, die von ihren Gefühlen wusste. Doch jetzt war keine Zeit, darüber zu reden, denn die Feier begann.
Der Schulleiter hielt, wie jedes Jahr, eine umfangreiche, zum Sterben langweilige Rede, in der die Hälfte der Schüler eindöste... Und irgendwann von den lauten Blasinstrumenten der Musiklehrer wieder wachgerüttelt wurden. So wie immer.
Es gab Plätzchen, Punsch und Glühwein, die Schüler lachten miteinander und die Schulchöre traten auf.
Und am Ende der Feier verabschiedeten sich alle und wünschten Schöne Ferien.
Doch Adriana hatte noch etwas zu erledigen. Sie zog die Karte aus ihrer Tasche und sah Lili noch einmal unsicher an, die ihr darauf zuzwinkerte.
Also fasste sie sich ein Herz und ging auf Elias zu. Er stand mit ein paar seiner Freunde lachend neben dem Weihnachtsbaum. "Hey..." sagte Adriana mit etwas unsicherer Stimme. "Ich wollte dir das geben..." Sie lächelte schüchtern und gab ihm die Karte. Neugierig starrten Elias' Freunde sie an. Und er... lächelte ebenfalls. "Danke, aber..." "Lies sie Zuhause" meinte die Rothaarige und verschwand wieder, immer noch lächelnd, zwischen den anderen Schülern. Lili empfing sie grinsend. "Und?"
Doch Adriana grinste nur zurück.
"Ich liebe Weihnachten!"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top