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Umculos Sicht:

Die Männer die uns angriffen waren bleich. Ich machte mir sorgen, dass sie krank sind. Doch bevor ich irgendetwas machen konnte sackte mein Bruder neben mir zusammen. Er wurde von einem Pfeil getroffen, welcher anscheinend vergiftet war.

Nach und nach sackten alle zusammen. Ich hörte meine Mutter vor angst schreien. Noch stand sie, aber dieses Mal klang der Schuss anders, als sie getroffen wurde. Es war kein vergifteter Pfeil, sondern eine tödliche Kugel. Es war wie in einem Albtraum.

Meine Geschwister waren bewegungsunfähig und meine Eltern am sterben und das innerhalb von wenigen Minuten. Was waren das für Teufel?

Ich war der einzige der noch von meiner Familie stand, doch nun zielte das Rohr auf mich. Wie in Zeitlupe sehe ich den Pfeil auf mich zu fliegen.

Ich war selbst erstaunt, dass ich nichts spürte, doch irgendwie hatte mich der Pfeil verfehlt. Erst kostbare Sekunden später kapierte ich, dass ich dem Geschoss ausgewichen war.

Kostbare Sekunden zu spät. Der zweite traf mich und ich sank zwischen meine Geschwister zusammen. Ich spürte das vertrocknete Gras und den rissigen harten Boden unter meinem Körper, schmeckte Staub auf der Zunge. Die Luft roch vertraut, Stille unterbrochen von Tierrufen drang an mein Ohr und ich schaute in den hellen, blauen Himmel. Dann verschwanden die ganzen  Sinneseindrücke.

Das helle Licht wurde schwarz und der Warme Boden kalt. Ich wachte auf und alles war anders, als vor meinem wegdämmern. Der Boden unter meinen Füßen vibrierte und er war aus Metall. Es war dämmrig und die Luft stickig von der ausgeatmeten Luft vieler Menschen. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnten, sah ich, dass mein Bruder neben mir auch schon wach war, aber meine restlichen Geschwister noch schliefen.

Seine Körperhaltung war mutlos und ohne Hoffnung. Wie alle anderen saß er zusammengekauert mit starren Blick. Er merkte, dass ich wach war und drehte den Kopf zu mir und lächelte mich erschöpft an. „Wo sind wir“, fragte ich doch er schüttelte nur den Kopf. Beim Klang meiner Stimme guckten ein paar zu mir, blieben aber stumm.

„Sawubona“, grüßte ich, bekam aber keine Antwort. „Besonders gesprächig seid ihr aber nicht“, meinte ich zu niemanden und doch zu allen.

Mein Bruder sah mich durchdringend an und schüttelte den Kopf. „Tust du nur so naiv, oder bist du es?“, flüsterte Isigubhu, „Unsere Eltern sind tot.Wir wurden gefangen genommen und wer weiß was mit uns passiert.“ Einige nickten zustimmend, andere hatten sich schon wieder niedergeschlagen weggedreht.

Ich schaute sie mir genauer an. Sie waren ausnahmslos so alt wie ich und meine Geschwister, auch wenn ich zu den jüngeren gehörte. Ich beschloss, dass es Zeit für ein bisschen fröhliche Stimmung war. „Und was könnt ihr dagegen tun? Nichts! Was bringt euch eure Trauer, wenn sie uns doch nicht hilft?“, sagte ich und packte meine Flöte aus.

Sie war aus einem Knochen und mit Schnitzereien verziert. Ich setzte das Instrument an und spielte ein heiteres Kinderlied, das so gut wie jeder in Afrika kennt. „Umculo!“, wollte mich Isigubhu rügen. Auch andere sahen missbilligend zu mir. Sie wollten keine Musik, aber ich ließ mich nicht beirren und spielte weiter. Nach ein paar Minuten fingen die ersten an sich im Rhythmus zu wiegen und die Ersten sangen mit. Nach einer weiteren Weile war die Blockade gebrochen und die meisten sangen mit, ein paar tanzten sogar. Immer mehr schlossen sich dazu an und auch meine restlichen Geschwister waren inzwischen wach und sangen mit.

Die Traurigkeit war verdrängt wie der Schatten von Licht. Plötzlich hörten wir Schritte. Ich setzte meine Flöte ab und versteckte sie, alle anderen setzten sich wieder mutlos hin, wo sie gerade standen. Einer der weißen Männer bog mit einer Lampe um die Ecke. Das Licht blendete und ich blinzelte angestrengt zu ihm hoch. Er grunzte etwas, was ich nicht verstand, spuckte vor uns aus und ging wieder. Meine kleinere Schwester fragte in die Stille herein: „Ist der krank? Er sah so bleich aus“.

Das gleiche was ich gedacht hatte. Einer der älteren lachte und erklärte: „die sind so bleich, dass ist deren natürliche Hautfarbe. Bisher haben sie nur Leid über Afrika gebracht.“ Wir warteten noch eine Weile und draußen hörte man einen Sturm und Wellen.

Wir war in einem Schiffsbauch gefangen hinter Gittern. Als wir sicher waren, dass uns der weiße-grunze Mann nicht hört, begann einer uns eine Geschichte zu erzählen und nach ihm fing ein anderer an. Es waren nur lustige Geschichten und wir alle flüchteten uns darin vor der ungewissen Zukunft. So ging es einige Tage lang es war ein Gemisch aus Geschichten und Musik. Einmal hörte ich wie einer zu seinem Nachbarn flüsterte: „Ich weiß nicht wie der Junge es macht, aber bei ihm kann man nicht unglücklich sein. Er hat was aufheiterndes, unbeschwertes an sich“. Dabei schaute er zu mir und ich lächelte. Sein Nachbar gab ihm recht. Einmal am Tag bekamen wir ein bisschen Brot zu geworfen, welches wir uns in Freundschaft Teilten. Wir waren alle Hunger gewöhnt und jeder wusste, dass ein Streit nur die Finsternis wieder zurück holen würde.

Ich schlief nicht immer gut auf dem schaukelnden Untergrund, aber auch, weil wenn man sein Ohr auf das Metall legt, man den Motor noch lauter hört. Irgendwann war das Ziel erreicht und mehrere weiße Männer zerrten uns raus nach oben und runter vom Schiff.

Ich war erstaunt von dem was ich sah. So viele weiße Menschen und gigantische Gebäude aus Metall und Glas die sich in den Himmel dicht an dicht reckten. Jedoch konnte ich nicht lange staunen. Alles wurde dunkel, als mir von hinten eine Augenbinde umgelegt wurde. Mir blieben aber noch die Geräusche. Es war ein Lärm aus Stimmen und Motoren. Gerne hätte ich mir die Ohren zugehalten, aber meine Hände wurden gefesselt. Die Luft stank, aber wenigstens wärmte die Sonne. Blind stolperten wir vorwärts, geführt von einem Seil, an dem wir befestigt waren. Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, bis uns das Tuch wieder von den Augen genommen wurde. Weit vom Hafen konnten wir nicht sein. Ich roch noch das Meer, außerdem waren wir nicht schnell unterwegs gewesen. Wir waren auf einem Markt, wo sich viele unfreundlich aussehende Weiße herumtrieben. Sie unterhielten sich in einer fremden Sprache.

Manchmal redete der ein oder andere mit unseren Kidnappern und wenn sie sich anscheinend einig waren, wurde einer von uns Dunkelhäutigen losgebunden und dem Käufer übergeben. Als letztes blieb ich übrig, meine Geschwister wurden größtenteils zusammen verkauft. Ein Mann kam auf uns zu und redete mit dem Peiniger. Erst schien die beiden nicht einig zu sein, doch nach einem kurzen Streit wurde auch ich los gemacht und der Käufer nahm mich entgegen. Mir lag eine längere Reise bevor.

Mit Gefährten die ich noch nie gesehen hatte und zwischen tausenden von Menschen. Der Mann achtete darauf, dass ich bei ihm blieb, ließ mich aber ab und zu staunend stehen bleiben. Er wollte anscheinend nicht, dass die anderen wussten, das er mich gekauft hat. Wenn ich alles richtig verstand, fuhren wir nach Tokyo, aber das könnte auch sein Name sein und irgendetwas war mit Militär, falls ich es richtig verstanden habe.

Ich verstand seine Sprache nicht oder er meine. Auch schien er mich eher als Tier anstatt eines Menschen zu sehen. Deshalb schwiegen wir und ich staunte und bekam Kopfschmerzen.

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