2.Kapitel
Brad war nicht darauf gefasst, dass sie mit dem Feuerzeug nicht die Kerzen sondern ihn anzünden würde. Er schrie auf, als sie ihn verbrannte, doch sie krallte sich so lange an ihm fest und ließ sich nicht abschütteln bis auch seine Kleidung Feuer gefangen hatte. In ihrem Kampf landeten sie plötzlich am Boden. Ein stechender Schmerz durchzog ihren Schädel, doch sie rappelte sich sofort auf, verpasste ihrem Vater ein paar Tritte, als er sie versuchte festzuhalten und schrie den Kleinen zu, dass sie in den Wagen steigen sollten. Benommen blieb Brad schließlich liegen, sodass sie sich ihre Tasche schnappen und in den Wagen hechten konnte. Mit zittrigen Fingern drehte sie den Schlüssel, den ihr Vater immer stecken ließ, um erreichte aber nur, dass der Wagen stotterte und nicht ansprang. Das leise Weinen der beiden, ihr rasender Herzschlag und die Schmerzen in ihrem Kopf machten sie wahnsinnig, als sie den Wagen einfach nicht zum Anspringen brachte. Erst als Brad schon im Türrahmen stand konnte sie ihn endlich starten und raste davon.
„Du elendiges Miststück! Ich werde dich finden!", schrie er ihr nach und sie konnte im Rückspiegel sehen, dass er ziemlich mitgenommen aussah. „Egal wo du bist, du wirst nicht sicher sein!"
Tief ein und ausatmend versuchte sie sich zu beruhigen und den Kleinen ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Sie war eigentlich zu klein, um den Wagen zu fahren, denn sie hatte Mühe an die Pedale zu kommen und die Straße richtig zu sehen. So konnte sie nur beten, dass sie irgendwo heil ankamen.
Eine halbe Ewigkeit schienen sie einfach irgendwo hin zu fahren. Die ganze Zeit ging es nur gerade aus, es gab keine Abzweigungen, nur eine schmale kurvenreiche Straße. Mittlerweile machten sie auch andere Verletzungen bemerkbar. Sie hatte sich an einer Hand auch ziemlich verbrannt. Mittlerweile zierten sie dicke Brandblasen und die Haut war rot. Ihr Knöchel tat ebenfalls weh, obwohl sie nicht wusste, wann sie sich da verletzt haben sollte und Abschürfungen an Armen und Beinen begannen zu brennen, von ihrer Kopfwunde gar nicht zu sprechen. Sie blutete immer noch und das Blut rann ihr teilweise in die Augen, doch sie hatte keine Zeit, um die Blutung zu stoppen, zudem wusste sie, dass selbst kleine Kopfverletzungen stark bluteten, also musste sie nicht zwingend schwer verletzt sein.
Erleichtert atmete sie schließlich aus, als ein kleines Diner in Sicht kam.
„Kommt, jetzt wird alles gut!" Marie half den zweien aus dem Auto und schwang sich den Rucksack über die Schultern.
„Bitte helft uns!", rief sie, kaum als sie bei der Tür herein waren. All die Anspannung war plötzlich viel zu viel und sie hatte eine solche Angst, dass Brad gleich hier auftauchen würde. Tränen rannen ihr über die Wangen und sie klammerte sich an Marie und Martin fest, genauso wie die beiden an ihr auch.
Die Gäste sahen sie erstaunt an, Stühle wurden gerückt und ein überraschter Ausruf ging durch die kleine Schar. „Das sind sie!"
Also war die Entführung schon aufgefallen und die Medien hatten die Menschen informiert. Zum Glück! Dann musste sie nicht mehr allzu viel machen.
„Ruft die Polizei!" rief einer und Marie konnte nicht zählen, wie viele zum Telefon griffen. Trotz, dass ihr klar wurde, dass ihnen endlich geholfen wurde drückte sie sich verängstigt in die Ecke neben der Tür. Sie wusste nicht was sie jetzt tun sollte und noch weniger was als nächstes passieren würde.
„Habt keine Angst ihr drei. Wir passen auf euch auf, bis die Polizei da ist." Eine etwas ältere Dame, die hier zu arbeiten schien kam schließlich auf sie zu und schob sie behutsam vor sich her in einen kleinen Nebenraum, der für die Arbeiter bestimmt zu sein schien. „Ich gebe euch einmal was zum Trinken und Essen und etwas Eis für deine Verletzungen, ok?"
Die Kleinen schienen sich mittlerweile halbwegs beruhigt zu haben und horchten bei ihren Worten erfreut auf. Marie konnte sich denken, dass sie heute noch nicht viel gegessen hatten, wenn überhaupt. Sie hatte ja keine Ahnung, wo Brad sie aufgegabelt hatte.
„Danke." Ihre Stimme zitterte immer noch als die nette Dame ihr Eis auf ihre Verletzung am Arm legte und etwas gegen ihre Wunde an der Stirn.
„Schon gut, Kindchen", erwiderte diese und lächelte sie freundlich an. „Die beiden Kleinen kenne ich aus den Nachrichten, doch wer bist du?"
„Ich heiße ebenfalls Marie", antwortete sie und bemerkte, dass die Frau gerne noch mehr wissen wollte, es aber ihr überließ, ob sie es ihr verraten wollte. „Der Rest ist eine lange Geschichte."
Verständnisvoll nickte die etwas ältere, in ein gestreiftes Hemd gekleidete Dame und sie schwiegen bis das Klingeln kleiner Glöckchen andeutete, dass jemand den Diner betreten hatte. Sie zuckte erschrocken zusammen. Was war wenn Brad ihnen gefolgt war?
„Ihr seid hier sicher, Kindchen", versuchte die Fremde sie zu beruhigen. „Es sind viele nette Menschen aus dieser Gegend hier. Die meisten kenne ich persönlich und niemand wird jemanden zu euch lassen außer der Polizei, ok? Wir halten hier zusammen!"
Ein trauriges Lächeln trat auf ihre Lippen, als sie den relativ schweren Rucksack von ihren Schultern gleiten ließ und es sich ganz vorsichtig auf der Bank bequem machte. Die beiden Kinder hatten fertig gegessen und sahen ziemlich fröhlich aus. Sie kuschelten sich schließlich zu ihr und schienen einen Narren an ihr gefressen zu haben.
„Danke", murmelte der Junge und sah sie lächelnd an.
„Ich bin so froh, dass ich euch retten konnte." Sie war sich des Blickes der Dame bewusst, als sie das sagte, doch sie sah nicht auf, sie strich Martin durchs Haar, der langsam einzudösen schien. Es hätte nicht besser laufen können. Jetzt war sie frei. Sechzehn Kindern hatte sie nicht helfen können, das nagte schmerzhaft an ihr, doch sie war so glücklich, dass sie diesen beiden helfen konnte und sie hoffte, dass sie alles bald wieder vergessen hatten und normal weiterleben konnten. Sie hoffte, dass sie das selbst vergessen und ihren Plan in die Tat umsetzen konnte.
Eines nach dem Anderen, beschwor sie sich selbst und lehnte den Kopf zurück an die Wand. Marie war selbst dazu zumute sofort einzuschlafen, doch sie hatte Angst, dass sie hier doch nicht so sicher waren und das ihre Kopfwunde vielleicht doch schlimmer war als sie dachte.
„Ich heiße übrigens Margret", stellte sich die Dame etwas verspätet vor. Sie hatte die ganze Zeit ihr gegenüber auf einem Stuhl gesessen, doch jetzt setzte sie sich neben sie, als spüre sie, dass sie Angst hatte einzuschlafen.
„Das war wohl ein aufregender Tag, was?" Die Vierzehnjährige glaubte nicht, dass sie nachbohren und unbedingt erfahren wollte was geschehen war. Es kam ihr eher so vor als wolle sie sie bloß irgendwie in ein Gespräch verwickeln. Marie lächelte schwach, was leider ihre Augen nicht erreichte, doch mehr brachte sie nicht zusammen.
„Eher aufregende neun Jahre", murmelte sie und Margret sah sie erschrocken an.
Es dauerte nicht mehr lange und die Polizisten samt Sanitäter waren da. Marie weigerte sich so lange sich untersuchen zu lassen, bis ihr alle bestätigen konnten, dass es den beiden gut ging. Als sie sich endlich versorgen ließ, hatte sie sich von den Kleinen schon verabschiedet und sie saßen bereits im Auto, um zu ihren Familien gebracht zu werden. Jetzt konnte sie endlich beruhigt sein. Seufzend schloss sie die Augen und blieb einfach mit dem Hinterkopf an die Wand gelehnt sitzen.
Ein brennender Schmerz ließ sie hochzucken und in die Augen der Notärztin sehen. „Alles in Ordnung. Ich säubere nur deine Wunde."
Marie sog scharf die Luft ein und ballte die Hände zu Fäusten, weil sie keinen Ton von sich geben wollte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass das jemals so wehgetan hatte. Vielleicht war sie damals auch noch zu benommen vom Schock gewesen, sie wusste es nicht.
„Es ist gleich vorbei." Eine junge schwarzhaarige Frau setzte sich zu ihr und lächelte sie an, als sie sie nur misstrauisch musterte.
„Alles ist gut. Ich bin vom FBI wir werden uns um dich kümmern. Mein Name ist Emily Prentiss", sagte die Frau auf ihrem Blick hin und sie atmete erleichtert auf.
„Ich heiße Marie Connor, bin 14 Jahre alt und habe in einer kleinen Hütte in Talladega National Forest gewohnt. Mein Vater ist Brad Connor, er hat die Kinder entführt und ermordet." Sie hatte sich nicht wirklich überlegt, was sie sagen würde wenn es so weit war, doch jetzt waren ihre Gedanken vernebelt und sie sagte einfach das was ihr hilfreich vorkam.
„Ich weiß, dass ist jetzt sehr viel auf einmal für dich aber kannst du mir sagen wo die Hütte genau steht? Der National Park ist sehr groß." Miss Prentiss sah sie besorgt an, weil ihr immer wieder die Augen zufielen. Sie war einfach zu erschöpft.
„Ich weiß es nicht", gab sie leise zur Antwort. „Ich war neun Jahre lang dort eingesperrt, ich hab einfach seinen Wagen genommen und bin losgefahren. Wohin ich fahre darauf habe ich nicht wirklich geachtet."
Wie blöd konnte sie nur sein! Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt dafür, dass sie nicht auf den Weg geachtet hatte. Hatte sie jetzt versagt?
Auf einmal fühlte es sich an als würde sie keine Luft bekommen. Sie atmete viel zu schnell das war ihr bewusst, sie war dabei sich zu sehr aufzuregen und zu hyperventilieren, doch sie konnte sich nicht beruhigen. Brad hatte mittlerweile genug Zeit gehabt zu fliehen. Was wenn er sie aufsuchte? Dann würde der Horror erst richtig losgehen.
„Beruhig dich es ist alles gut", Emily hatte sanft eine Hand auf ihre Schulter gelegt und sie zuckte leicht zusammen. Eine solche Berührung hatte nicht immer etwas Gutes bedeutet. Erinnerungen blitzen vor ihrem inneren Auge auf und Tränen rannen ihr wieder die Wangen hinab.
„Ich hab Angst", schluchzte sie und sah die FBI Agentin verzweifelt an. Diese zog sie kurzerhand in eine behutsame Umarmung und sie ließ es zu, sie wollte ihr vertrauen. Sie war eine Frau, was würde schon geschehen?
„Ich hab Angst, dass er mich findet, ich bin ja zu blöd Ihnen zu sagen, wo Sie ihn finden!", rief sie verzweifelt aus und vergrub ihr Gesicht an der Schulter der Frau.
„Du bist alles andere, als blöd. Du hast schon so viel getan, jetzt sind wir dran." Emily strich ihr sanft übers Haar, doch sie konnte nicht verhindern, dass sie anfing zu zittern. „Wir werden auf dich aufpassen, er wird dir nichts mehr tun, dafür werden wir sorgen."
„Wir würden sie jetzt ins Krankenhaus bringen, dort können wir sie besser versorgen", mischte sich die Ärztin ein und sie klammerte sich unwillkürlich an der Agentin fest.
„Bitte lassen Sie mich nicht allein!" Sie hatte sich das alles anders vorgestellt, sie hatte gedacht, dass sie stärker wäre, doch sie fürchtete sich zu sehr, sie würde nicht einfach so weitermachen können. Vielleicht sollte sie ihren Plan auch aufgeben, wenn sie so schwach war, wie könnte sie jemals einen solchen Job wie Prentiss machen?
„Ich bleib bei dir und bitte duze mich doch." Die Agentin half ihr auf und stütze sie, als sie zum Krankenwagen gingen. Sie war so schwach und fühlte sich elend, dass sie froh war, dass sie im Krankenwagen fast sofort eindöste und nicht mehr viel mitbekam.
Marie hatte sich ihre Flucht anders vorgestellt. Jetzt fürchtete sie sich bloß davor, was die Zukunft bringen würde und konnte kaum glauben, dass sie je ein eigenständiges Leben führen könnte, so wie sie es sich erträumt hatte.
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