Kapitel 97

Kapitel 97

~ Mays Sicht ~

Marco und ich packten gerade die Sachen für unseren Trip nach Schottland. Ja, wir hatten vor zwei Wochen, nachdem die „Post" das „Paket" abgegeben hat, sofort einen Flug nach Schottland gebucht. Es waren eh Sommerferien und eine Woche Schottland würde Mina schon aushalten. Für Aleyna stand auch ihr erster Flug an. Hoffentlich machte sie da nicht so ein Terz, wie Mina damals, als wir das erst Mal geflogen sind. Die hatte das ganze Flugzeug zusammengeschrien, bis ich der Kleinen, Tomatensaft zum Trinken gegeben hatte. Dann war sie ruhig.

Und bevor die Frage anstand, wie wir mit einer Urne in ein Flugzeug kommen. Wir reden hier von einem Privatflugzeug mit Hubert, der uns nach Glasgow hochfliegen wird, beziehungsweise Inchinnan. Mein Onkel würde uns vom Flughafen abholen.

„Yvonne kommt auch gleich und dann bringt sie uns hoch", sagte Marco, nachdem er auf sein Handy geschaut hatte. „Sie kann es kaum erwarten, dass sie das Auto bekommt."

„Du lässt sie aber nur mit dem Geländewagen fahren, oder?", fragte ich ihn.

„Ja, an deinem AMG kommt sie ganz sicherlich nicht dran. Dafür werde ich schon Sorgen", versicherte Marco mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Willst du noch mal durchgehen, ob wir alles haben, hä, wieso keine Windeln?"

„Onkel Norman hat genügend Windeln und Babyzeugs gekauft."

„Ist sein Sohnemann auch da?"

„Mingus? Nee, der ist bei seiner Mutter Helena in Dänemark und macht dort Urlaub."

„Mingus. Wie kommt man auf so einen Namen?"

„Wir reden hier von Norman Reedus. Was willst du anderes erwarten."

„Krass, dass der dein Onkel ist."

„Das wusstest du schon, seitdem wir uns kennengelernt haben. Du musstest ja meine Familie stalken", lachte ich.

„Ich wollte nur wissen, mit wem ich es zu tun habe. Und als ob du mich nicht gestalkt hättest. Du warst in dem Laden meiner Schwester, um sie auszuspionieren, bevor wir zusammengekommen sind."

„Wie dem auch sei. Ich mochte Yvonne sofort. Ich guck mal nach Mina. Ich hoffe mal, dass die wenigstens Klamotten eingepackt hat und nicht wie Kane damals seine Fische in den Koffer gekippt hat."

„Seitdem haben wir kein Haustier mehr. Wieso hatten wir nur Fische gehabt?"

„Wir haben die aus der Sucht von Kevin geschenkt bekommen. Drei Monate haben die Großkreutz's gelebt, bis wir diese im Disneyland im Koffer von Kane gefunden hatten."

„Er war sechs", meinte Marco. Dann fing er lauthals an zu lachen. „Ich habe die Fische vorm ertrinken retten wollen."

„Nur der Tritt in die Eier von Captain Hook konnte ihn wieder aufheitern."

„Was glaubst du, wie Prinzessin Furzbacke werden wird. Wie unsere Kinder, oder ein ganz anderes Kaliber?"

„Ich hoffe, dass wir es mit einem neuen Kaliber zu tun haben. Ich stehe auf Herausforderungen. Und unterschiedliche Charaktere in der Entwicklung, sind immer wieder genial. Ich habe es damals während eines Bundesfreiwilligendienstes in einer Krippe mitbekommen. Ein Jahr und die haben sich so verändert. Die ersten Schritte, die ersten Worte, das erste Mal ohne Windeln 'nen Mittagsschlaf gehalten. Das ging so schnell. Schade für die Eltern, dass ausgerechnet wir das miterleben dürfen und diese nicht. Glaubst du, ich wollte ehrlich mal Erzieherin werden."

„Mach es doch jetzt?"

„Ich hab meine 40 erreicht und werde 41. Da brauch ich jetzt keine vierjährige Ausbildung als Erzieherin machen. Ich hab hier meine Kinder."

„Mich inbegriffen?"

„Natürlich", nickte ich und verließ das Zimmer, um nach meiner Tochter zu schauen.

„Bist du fertig?", fragte ich sie.

„Ja, ich hab alles eingepackt", nickte sie und stellte ihren Koffer neben ihr Bett. „Wer passt eigentlich auf das Haus auf?"

„Emely und Noah, bleiben die Woche hier."

„Aber der geht nicht in mein Zimmer, oder?"

„Nee, wir haben zwei Gästezimmer, du Blitzbirne."

Ich blickte auf meine Armbanduhr, als es an der Tür klingelte. „Okay, entweder ist da Emely zu früh, oder Yvonne. Ich gehe mal kurz", sagte ich und verließ das Zimmer. Ich lief die Treppen nach unten und öffnete die Tür. Verblüfft blickte ich in das Gesicht von Soso.
„Hi, was machst du denn hier?", fragte ich erstaunt.

„Ich wollte nur mal gucken, wie es euch geht."

„Kane hat dich geschickt, oder?", wollte ich wissen.

„Kann man so sagen", nickte diese.

„Wir sind gerade auf den Sprung", sagte ich. „Wir fliegen nämlich nach Schottland. Familie besuchen. Ich würde dich ja gerne reinlassen und dir was zu trinken anbieten, aber die Zeit rennt."

„Nee, nee", winkte Solin sofort ab. „Ich wollte eigentlich nur mit dir reden. Ich habe da etwas mitbekommen, was ich nicht mitbekommen hätte sollen."

Ich legte meine Stirn in Falten und machte Platz, damit Solin reinkommen konnte.

„Und was hast du mitbekommen, was du nicht hättest mitbekommen sollen?", fragte ich, nachdem ich die Haustür geschlossen hatte und mit ihr in die Küche ging. Sie blieb am Kühlschrank stehen und blickte zu mir. Ich merkte, dass sie nervös war und dass ihr etwas ziemlich unter den Fingernägeln brannte.

„Als ihr uns aus Disneyland Paris abgeholt habt, da hast du dich mit deinem Mann über etwas unterhalten. Ich hab das mitbekommen."

„Wenn das irgendwas Verstörendes im Bezug von dreckigen Dingen war, tut es mir leid."

„Nein, May. Das hat damit nichts zu tun. Ich will einfach nur wissen, wieso ihr eure Kinder anlügt und sagt, dass ihr Onkel eine Weltreise macht, wenn er doch gestorben ist?"

Erschrocken blickte ich sie an. „Da hast du dich verhört."

„Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht verhört habe. Du hast Schuldgefühle, da du deine Kinder anlügen musst, dass Marcel nicht mehr da ist. Das er tot ist und nicht auf Weltreise und du das nicht kannst. Und Marco hat selber gesagt, dass ihm das auch schwerfällt zu lügen, da sein bester Freund tot ist und er... Ihr könnt die beiden nicht anlügen. Vor allen Dingen Kane nicht. Der wird 18, er wird das schon verstehen. Ich finde das, ehrlich gesagt, ziemlich unfair, dass ihr eure Kinder anlügt."

„Das hat schon so seine Richtigkeit", sagte Marco, als er in die Küche kam.

„Kinder anzulügen, dass ihr Onkel tot ist? Das soll richtig sein?", fragte Soso und wurde ein wenig patzig. „Ihr spinnt doch. Ich laufe damit jetzt schon mehr als einen Monat herum und würde es Kane gerne sagen, aber ich will hier nichts kaputt machen. Entweder sagt ihr ihm es, oder eure Familie wird kaputt gehen. Meinetwegen lügt ihn damit an, wie er gestorben ist. Meinetwegen sagt, dass er beim Wandern in Chile gestürzt und gestorben ist. Aber bitte lügt eure Kinder und Familie nicht an. Das macht die ganze Familie kaputt. Was ist mit Marcels Familie. Seine Mutter und seinem Vater? Die haben ein Recht, es zu wissen, ob sein Sohn tot ist, oder nicht. Ich sage nichts. Ich sage auch nichts zu Kane. Ich bitte euch nur ehrlich zu sein. Ich will nicht, dass er seine Eltern hasst und das eure Familie kaputt geht. Irgendwie gehöre ich da auch dazu. Und ich will wenigstens, dass mein Freund eine heile Familie hat. Nicht so wie ich."

Soso blickte uns noch mal an und verließ dann das Haus. Ich blickte zu Marco, der ziemlich am nachdenken war.

„Was machen wir jetzt?", fragte er mich.

„Ich wünschte, ich wüsste auf deine Frage eine Antwort." Ich fuhr mir durchs Haar und verließ die Küche, da Mina nach mir rief.

Nachdem wir das Haus an Emely und den zickigen Noah übergeben hatten – Emely freute sich sau dolle über den Pool. Yvonne brachte uns nach Herne zum Privatflughafen. Während ich hinten mit Mina und Aleyna auf der Rückbank saß, redete Yvonne hinterm Steuer über ihre aktuellen Probleme mit Nico.

„Eine nach der anderen nimmt der Junge mit nach Hause", meckerte Yvonne herum. „So wollte ich den nicht erziehen und in ein paar Monaten stehen zig Tussen vor unserer Tür, die Unterhalt einfordern. Nee, danke."

„Ach, der macht doch nur Erfahrungen. Er ist dem Alter."

„Kann er sich nicht ein Beispiel an deinen Sohn nehmen. Er hat wenigstens eine feste Freundin und wedelt nur da mit dem Lörres herum."

„Es gibt immer einen in der Familie, der ausflippt, was das Sexualverhalten angeht. Du weißt doch noch Cousin Philipp. Zig Weiber gehabt und am Ende eine Geschlechtsumwandlung."

„Wow, das soll Tante Yvonne beruhigen?", fragte Mina und blickte von ihrem Handy auf.

„Ja, da stimme ich zu. Das beruhigt mich kein bisschen", nickte Yvonne. „Glaubt du, dass es passieren kann, wenn man so viele Frauen hatte, dass man irgendwann die Schnauze voll von denen hat?"

„Kann sein, muss aber nicht. Und ich glaube auch nur, dass Nico einfach verschiedene Frauen ausprobieren will. Nicht jede Frau ist im Bett gleich."

Mina steckte sich Brummend und Genervt die Kopfhörer in die Ohren und keine Sekunden später ertönten laut die Töne von 5 Seconds Of Summer's „She looks so perfect". Ja, ich kannte das Lied. Und ja, ich hatte es damals gefeiert. Das Erste Album fand ich okay, aber dann irgendwie nicht mehr. Dasselbe mit Linkin Park. Was hatten die 2017 für Probleme gehabt. Wo war meine Lieblingsband Linkin Park hin. Und dann kam „Heavy", das Lied war okay, aber um Gottes Willen, Lester, wieso schreist du nicht!?

„Wieso? Wie viele Frauen hattest du denn?", fragte Yvonne ihren Bruder.

„Drei und das reicht. Erst meine erste Freundin mit 16, hielt nur ein Jahr, dann Caro und dann May."

„Und wie sind die alle so drauf gewesen?"

„Nummer Eins, fand Penise ekelhaft, ist jetzt übrigens lesbisch. Nummer Zwei, lag immer nur da und hat mich die Arbeit machen. Nummer Drei, nimmt mir auch nach Jahren der Ehe noch die Arbeit ab."

„Echt jetzt? Caro lag einfach nur da?"

„Ja und immer wieder dieselbe Stellung. Hauptsache ich lag oben und die lag da, wie so'n Stock. Gepriesen sei Gott, das du meine Frau geworden bist."

„Halleluja", rief Yvonne. „Okay, das mit dem Penis ekelig finden, da kenne ich auch jemanden."

„Dich?", fragte ich.

„Nee, mein Mann", sagte Yvonne.

„Echt jetzt?"

„Ja, er hat sich mit 22 beschneiden lassen, weil er einfach nicht auf die hässliche Vorhaut klar gekommen ist. Und mal ehrlich, dass hat ihn auch nicht größer wirken lassen."

Marco lachte nur. „Meine Frau sagt immer, dass es nicht auf die Größe ankommt, sondern auf die Dicke."

„Du hast dir soeben ein Eigentor geschossen, Brüderchen."

„Ich hab noch nicht mal ausgeredet. Ich wollte noch sagen, dass sie mit beidem überfordert ist. Booojaaa."

„Wie viele hattest du eigentlich Yvonne?"

„Eine Frau und zwei Männer, plus Ehemann."

„Du hattest mal was mit einer Frau?", fragte Marco und blickte seine Schwester schockiert an.

„Wir haben nur rumgeknutscht", sagte Yvonne. „Als ob May noch nie eine Frau geküsst hat."

„Klar, hab ich das. Man will halt gucken wie das ist. Ich fand das aber nicht so toll."

„Siehste."

„Um Gottes Willen", meinte Marco.

„Ich war zwanzig und war besoffen. Mehr war da auch nicht. Nur geknutscht."

„Okay."

„Auf jeden Fall mit 16 meine Unschuld verloren, dann hatte ich noch einen, bis ich meinen Ehemann getroffen habe und du, May?"

„Zwei Typen", winkte ich ab.

„Nur?"

„Weißt heißt denn hier nur?"

„Ich dachte, du bist ein wenig mehr rumgekommen?"

„Oh Gott, nee."

„An meinem Bruder hast du deine Jungfräulichkeit nicht verloren, oder?"

„Nein, nein", meinte ich.

„An Marcel."

„Marcel? Euer bester Kumpel?"

„Ja", nickte Marco.

„Wie alt wart ihr da?"

„Fünfzehn. Dann mal immer wieder zwischendurch etwas, bis ich Marco kennengelernt habe."

„Können wir mal das Thema wechseln?", fragte Marco.

„Du bist sauer, dass dein bester Freund einfach so gegangen ist?"

Marco blickte Yvonne an, als hätte sie ein Geheimnis gelüftet und blickte panisch zu mir.

„Was bist du denn so blass?", fragte sie ihren Bruder. „Hab doch nur gefragt, ob du sauer auf ihn bist, weil er einfach so auf Weltreise gegangen ist?"

„Achsoooo", meinte Marco. „Ja, nein, irgendwie nicht. Hätte er ja so oder so gemacht. Er hat eben nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Und der war gekommen."

„Herne, wir sind da!", rief Yvonne und drückte auf die Hupe.

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