Kapitel 95
Kapitel 95
~ Kanes Sicht ~
Heute stand mein zweites Training an und ich wartete vor dem Wohnhaus auf meine Mitfahrgelegenheit – wer auch immer das sein sollte. Ich tippte gelangweilt auf meinem Handy herum. Mit Soso hatte ich heute schon geschrieben, aber sie fährt heute mit ihrem Vater für ein paar Tage an die Nordsee, weshalb sie nicht durchgehend schreiben kann.
Ich: Du darfst in zwei Wochen auch malochen gehen. Schon nervös?
Soso: Kommt noch. Hast du nicht Training?
Ich: In einer Stunde. Warte nur auf meine Mitfahrgelegenheit. Aber die lässt auf sich warten.
Soso: Wer nimmt dich denn mit?
Ich: Das weiß ich selber nicht.
Soso: Das musst du doch wissen.
Ich: In dem Fall, weiß ich das nicht, Schatz. Cristiano hat da wieder seine Finger in Spiel. Ich bin der einzige in der Mannschaft, der keinen Führerschein hat, also kann das irgendwie jeder sein.
Soso: Aha. Ich hoffe mal nicht, irgendeine billige Spielerfrau...
Ich: Wenn es irgendeine billige Spielerfrau sein sollte, laufe ich hinter her.
Soso: Schon nervös mit Cristiano Ronaldo Junior und Neymar's Sohn zu spielen?
Ich: Hey, mein Vater ist genauso eine Wucht. Ich denke mal, dass wird schon werden. J
Soso: Hoffentlich. Ich muss aufhören zu schreiben. Papa verlangt, dass ich schreibe.
Ich: Okay, telefonieren wir nachher nochmal?
Denkste, da kam noch einmal eine Antwort? Nein, kam da nicht. Und bevor ich mich wieder aufregen konnte, hörte ich schon einen bösen brummenden Motor. Als ich aufschaute, sah ich einen matt dunkelroten Ford Mustang Cabrio neben mir halten.
„Halloooooo", wurde ich mit einem dicken Grinsen begrüßt.
„Das ist doch wohl ein Scherz?", fragte ich und steckte mein Handy in die Hosentasche, nachdem ich in das Gesicht von Joshua Bürki schaute.
Sein Grinsen verschwand. „Was guckst'n so behindert?", fragte er mich. „Hast du nicht den Kader durchgeforstet?"
„Nein."
„Ich bin ein bisschen spät dran. Kam gerade aus dem Urlaub mit meinem Vater in Las Vegas. Steig ein, oder wir beide müssen Strafrunden laufen", er klatschte in die Hände und blickte mich ungeduldig an. Nachdem ich meine Trainingstasche in den Kofferraum gepfeffert hatte, setzte ich mich auf dem Beifahrersitz. „Hier, damit dir keine Fliegen in die Fresse fliegen." Er gab mir allen erstens eine hässliche Pilotenbrille aus den Vierzigern, die ich mir aufsetzen musste. Dann noch eine noch hässlichere Fliegerkappe und einen weißen Schal.
„Joshua, nein, so etwas ziehe ich nicht an."
„Na gut, ein Versuch war es Wert", sagte er und nahm mir die Sachen wieder ab, die er in den Fußraum schmiss.
„Ja, dein Versuch ist gescheitert", nickte ich und schnallte mich an.
„Ich dachte du bist genauso behindert wie ich."
„Nee, nicht jeder kann genauso behindert wie du sein. Jeder ist auf seiner eigenen Weise behindert. Und ich auf meine. Ich mach zwar so ein Scheiß mit, aber nicht so was."
„Aaaah, gut zu wissen. Ich werde darauf zurückkommen, Herr Reus."
„Aaaah, gut zu wissen", ahmte ich Joshua nach. „Ich wusste dass das kommt. Na komm, fahr los. Ich will beim zweiten Training keine Strafrunden laufen."
„Im Handschuhfach sind Kotztüten- nur für den Fall."
Ich blickte Joshua an. „Ich bin mit meiner Mutter gefahren. Ich bin abgehärtet."
„Ja, Papa hat erwähnt, dass deine Mutter die Bremse nicht kennt."
„Woher weißt du das?"
„Erstens unsere Alten, haben zusammen in ein und derselben Mannschaft Fußball gespielt und zweitens, als meine Mutter mit meiner Schwester in den Wehen lag, hat deine Mutter sie ins Krankenhaus gefahren- ergo, meine Mutter fährt nur noch Fahrrad."
„Heiliger Bimbam."
„Ja, heiliger Bimbam. Aber ich muss sagen, dass deine Mutter immer noch ziemlich scharf ist."
„Halt bloß deine Klappe", seufzte ich genervt. „Und jetzt Fahr!"
„Fahren wir noch nicht?"
„Nein!"
„Oh!"
„Doch!"
„Oha, ich hab wieder zu viel geplappert."
„Ja!"
„Hm-mm."
„Fahr!"
„Ja, ist ja gut!"
„Mir wachsen immer mehr Fragezeichen auf der Stirn, wenn ich die anderen hier Spanisch, Portugiesisch, oder Englisch reden höre", sagte Joshua, als wir gerade dabei waren, ein paar Runden zu Laufen.
„Mir bluten auch die Ohren."
„Eigentlich wären wir ja drei deutschsprachige Kartoffel gewesen, aaaaber nein, Klein Kroos hat sich anders entschieden. So'n Depp."
„Was willst du erwarten, wenn er hier nichts geleistet hat und jetzt bei 1860 München auf der Bank schmorrt?"
„Ja, stimmt auch wieder. Du kamst aus der Dortmunder Jugend, was?"
„Ja und du?"
„Berliner Jugend. Meine Mom ist Deutsche und Papa hat es zum Karriereende in ihre Heimat gezogen."
„Ich weiß, dass Roman bei Hertha gespielt hat", nickte ich.
„Ja, du hast ja auch eine kleine Schwester. Interessiert sie sich für Fußball? Meine nicht, die ist die kleine Primaballerina und sie bekommt Ausschlag, wenn jemand Fußball in ihrer Gegenwart erwähnt. Wirklich. Sie bekommt überall roten Ausschlag. Und nein, sie hat nicht Neurodermitis. Gab es keinen einzigen Fall davon in der Verwandtschaft. Magst du Einhörner?"
„Ja, mag ich. Die sind immer so schon ruhig und labern nicht so viel", nickte ich und legte einen kurze Sprint ein, aber Joshua zog mit.
„Ja, ich hasse Leute die mich mit Sachen volllabern die mich nicht interessieren. Grauenvoll diese Leute."
„Hm-mm", nickte ich.
„Kennste Fast and Furious?"
„Ja, kenne ich."
„Was glaubst du, ist Paul Walker wirklich tot, oder tut der nur so?"
„Ich denke mal, dass er wirklich tot ist. Wieso sollte er seinen Tod vortäuschen? Und wenn, ich war zu dem Zeitpunkt 11 Monate alt, als er gestorben ist."
„Wann bist du denn geboren?", fragte Joshua mich.
„2012."
„Ich bin 2011. Also muss ich nicht nach Monat und Tag fragen. Du bist Jünger als ich."
„Ja."
„Ich bin 19."
„Ich werde noch 18."
„Und wann?"
„Dezember."
„An welchem Tag denn? Lass dir nicht immer alles aus der Nase ziehen."
„Wirst du schon herausfinden", sagte ich und klopfte ihn auf die Schulter.
„Josh!"
Meine Gebete wurden erhört und ich konnte für ein paar Minuten in Ruhe zu Ende laufen, da Joshua zum Torwarttraining musste.
„Er labert viel, was?", fragte Cristiano Junior mich, als er neben mich lief.
„Ja, aber er ist in Ordnung", sagte ich.
„Pff, in Ordnung", meinte Cristiano abfällig. „Der hat ADHS und der nervt einem so dolle. Okay, er ist ein guter Torwart, aber Mensch, der ist doch irgendwie nicht mehr ganz Reisefertig."
„Sind wir das nicht alle?"
„Du denkst ich bin Reisefertig? Weißt du überhaupt wer mein Vater ist?"
„Ist ja nicht so schwer zu erraten, Cristiano Ronaldo Junior."
„Fuck! Ich vergesse immer, dass es so einfach zu erraten ist."
„So etwas soll bekanntlich vorkommen", nickte ich.
„Nee, mal ganz im Ernst. Joshua kannst du immer schnell verarschen und er lässt sich schnell verarschen. Er denkt, er wäre beliebt, weil er die ganzen Streiche abbekommt und lacht und dann lachen wir. Aber ist er nicht."
„Und wieso nicht?"
„Er ist zu aufgedreht und irgendeiner muss doch das Opfer sein. Und außerdem hört er sich zum Schießen an, wenn er sich aufregt. Eine Mischung aus Englisch und Deutsch mit Schweizer Akzent."
„Okay. Wieso ärgert ihr nicht auch ein paar andere. Ich meine, so unter euch, anstatt immer Joshua auszuwählen. Irgendwann macht er das nicht mehr mit und dann knallt es hier gewaltig."
„Soll es doch. Dann ist er derjenige der gehen muss. Davii Luca und ich sind hier gesichert. Du auch, übrigens, denk ich mal, das meinte mein Dad. Und außerdem gibt es in der Kabine gleich etwas zu lachen." Er stupste mich mit den Ellenbogen an und grinste nur.
Ich verdrehte nur die Augen und nickte nur. „Wenn du das sagst."
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