Kapitel 92
Kapitel 92
~ May's Sicht ~
„Hoffentlich steht Spanien noch. Du kennst ja die beiden Tornados Stufe MRXI", lachte Tugba leise und futterte von ihrem Erdbeerbecher. Ja, drei Wochen sind ziemlich schnell vergangen und meine beiden Männer waren schon seit gestern in Spanien, um alles für Kane's Leben in Spanien fertig zu machen.
„Ja, ich dachte ich hätte Ruhe von furzenden und rülpsenden Menschen in meiner Umgebung. Aber dann fiel mir wieder Aleyna ein", sagte ich und blickte auf den Kinderwagen neben mir.
Wir beide hatten uns heute mal verabredet und belagerten nun die Eisdiele mit zwei Kinderwagen. Mina war zu Hause und feierte, dass ihr Bruder endlich weg war mit Käsekuchen und Kakao. Darauf freute ich mich schon, wenn ich zwei kotzende Töchter zu Hause hatte.
„Du kannst froh sein, dass deine Tochter nur am herumfurzen ist. Meine will gar nicht in der Nacht schlafen. Jede zwei Stunden holt sie Nuri und mich aus dem Schlaf."
„Was ist mit Ömer?"
„Neben ihn kann die türkische Armee Döner in die Luft jagen. Der kriegt das gar nicht mit."
„Ja, du kannst laut sein wie du willst bei Kane, aber wenn einer ganz sacht mit dem kleinen Zeh an Möbeln in Buxtehude anstößt, das hört der."
„Männer."
„Genau, Männer."
„Ey, überall die behinderten Kinderwagen. Das ihr Ausländer-Tussen immer so viele Kinder werfen müsst."
Tugba und ich schauten zu einer Blondine mit ihrem Anhang.
„Ja, guck mal wie die uns angucken, die verstehen uns sicherlich nicht."
„Hattet ihr schon mal abgepumpte Milch in der Fresse?", fragte ich höflich.
„Eh, nein", meinte die junge Tusse und war doch erstaunt darüber, dass wir deutsch konnten.
„Willst du mal abgepumpte Milch in die Fresse bekommen?", fragte nun Tugba.
„Nein, will ich nisch. Oh Em Geh. Ihr seid voll unfair, weißte? Ihr kommt in unser Land und klaut uns Geld und wir arbeitslosen bekommen so wenig."
„Ach, Adolfine. Bevor du mal urteilst, woher wir kommen, einfach mal die Fresse halten, ja?"
„Wie haste mich genannt?"
„Du sollst die Fresse zu machen und nicht deine Ohren, biste schwer vom Begriff, oder was?", fragte Tugba genervt.
„Du hast gleich meine Chai-Latte in der Gesicht, du Teppichflieger."
„An deiner Stelle würde ich mal den Ball flach halten", sagte Tugba ruhig.
„Wieso holst du deine Cousins und Onkels?"
„Nein, ich hole nicht meine Cousins und Onkel. Ich wollte hiermit nur erwähnen, dass mein Teppich mit einem Raketenwerfer bestückt ist."
„Könnt ihr Türken ja gut, ihr ganzen Muslime uns Europäer umbringen."
Tugba haute mit der flachen Hand auf den Tisch. „Erstens, sind nicht alle Moslems gleich und wir halten uns gaaaaanz weit entfernt von diesen Menschen, die meinen müssen einen umbringen zu müssen, damit sie in ihrem Himmel von vollbusigen Jungfrauen erwartet wären. Am besten solltest du einfach mal nicht so viel Nagellack schnüffeln, sonst fällt dir, im Schlaf irgendwann dein Hirn raus."
„Mein Hirn ist groß, Kanaken-Schlampe."
„Stimmt, das heißt doch nichts Tugba. Kann sein, dass ihr Hirn groß ist, aber nur mit Luft gefüllt ist."
Tugba haute sich auf die Stirn. „Aber natürlich, May. Das könnte auch so sein."
„Tzz, ihr beleidigt."
„Nein, dich müssen wir nicht beleidigen, dass machst du schon selber, Liebes", stellte Tugba fest. „Und jetzt würde ich mit meiner besten Freundin das Eis in Ruhe aufessen wollen, ohne das uns irgendeine kleine Rassisten-Schlampe weiter auf die Eierstöcke geht."
„Du hast es gehört."
„Eh, nee."
„Eh, doch."
„Ich würde gehen, sonst hast du neben Milch frischgezapft aus der Brust noch, warte", ich schnupperte in der Luft, da ich es schon erahnt hatte, das einer der beiden kleinen Mädels eine neue Windel brauchen. „eine vollgeschissene Windel in deinem nicht gerade naturschönem Gesicht."
„Was soll das heißen? Bin ich hässlich."
„Nervig, du bist nervig. Jetzt verpiss dich, bevor ich meine Geduld endgültig verliere."
„Ist ja gut, Weib."
Sie ließen uns endlich mal in Ruhe. Die Mädels gingen weg und setzten sich irgendwo auf einen freien Platz. Tugba stand noch mal auf. „Ey, Adolfine."
„Wat is?", rief das Mädchen.
„Tu uns bitte einen Gefallen und pflanze dich niemals fort. Danke."
Dann setzte sie sich wieder hin und fiel über ihr Eis her, als wäre gerade nichts passiert.
„Mensch, ich glaube einer unserer Töchter hat sich eingeschissen", bemerkte Tugba, nach dem dritten Löffel.
„Ja, ich denke das ist Familie Reus' verschulden", sagte ich. Ich nahm noch mal ein paar Löffel vom Spaghetti-Eis, weil es eh klar war, dass mir nach dem Windeln wechseln der Appetit eh immer verging.
Tugba lachte nur leise und blickte in Louise's Kinderwagen. „Na, bist du wach?", fragte sie die Kleine, während ich mir meine Tochter schnappte und mit der Windeltasche aufs Klo ging.
~ Marcos Sicht ~
„Mensch, du hast dir echt eine schöne Wohnung ausgesucht", bemerkte ich, nachdem ich mit Kane die letzten Klamotten in den Kleiderschrank räumte. Naja, die Möbel brauchten wir zur Wohnung nicht kaufen- die gab es schon zur Wohnung hinzu. Die Wohnung war perfekt für meinen Sohn. Nicht zu klein und nicht zu groß – eine Vierzimmerwohnung im vierten Stock eines Neubaus gelegen, nur fünfzehn Minuten Fußmarsch bis zum Trainingsgelände entfernt.
„Die wird mir doch reichen", sagte Kane schulterzuckend. „Und die Aussicht ist auch nicht schlecht. Direkter Blick auf das Stadion."
„Wann ist die Vorstellung mit Presse und allem?"
„Übermorgen. Morgen muss ich zum Boss höchstpersönlich. Da bekomme ich schon ein paar Sachen."
„Ja, ich fliege morgen früh schon. Ich muss mich mit Sebastian treffen. Der will irgendwas von mir."
„Bestimmt dir wieder ein Einlauf geben, da es mit den Jungs momentan nicht läuft", sagte Kane und schmiss sich auf seine schwarze Ledercouch.
„Mehr als den Jungs in den Arsch treten kann ich auch nicht." Ich schmiss mich ebenfalls auf die Couch. „Und wenn die auf mich nicht hören, was soll ich da machen. Bei Mario ist das derselbe Scheiß. Wir haben uns auch immer wieder in den Haaren. Ich will eine neue Aufstellung haben, weil es mit der alten Aufstellung nicht klappt, aber er will das alles so lassen, weil er der Meinung ist, die fangen sich wieder. Weißt du, wie froh ich bin, dass die Saison zu Ende ist. Aber es graut mir schon mit denen ins Trainingslager fahren zu müssen."
„Schon wieder in die Schweiz?", fragte Kane mich.
„Ich habe Glasgow angegeben."
„Glasgow? Wieso, weil da Mom's Heimat ist?"
„Ja, aber Sebastian, will sich ja an die Schweiz halten, da sind wir seit über 20 Jahren und da wurde sogar eine Straße nach ihm benannt. Zum kotzen ist so etwas." Ich hielt inne. „Die ganze Mannschaft braucht einen Neuanfang. Eine Generalüberholung, aber wenn der Vorstand und mein Co-Trainer da nicht mitspielt, kann ich das getrost vergessen."
„Was sagen die Mitspieler? Mach doch eine anonyme Umfrage, oder so?", schlug Kane vor. „Wo die ihre Verbesserungsvorschläge sehen und wo alles in Ordnung ist."
„Das wird leider nichts bringen. Die Spieler sind da um zu spielen. Deren Meinung ist egal. Es sei denn, die Drohen mit einer Gehaltserhöhung oder Wechsel. Dann wird denen noch mehr Geld in den Arsch geschoben, oder die Drohen damit, wenn er wechseln sollte, dass seine Sperre eingerichtet wird. Das habe ich alles schon erlebt und das will ich ehrlich gesagt nicht mehr."
„Willst du etwa kündigen? Du weißt schon, wenn du kündigst, wird Mario auch gefeuert."
„Das ist ja die Scheiße. Ich hab mir ein bisschen mehr Unterstützung von den anderen gewünscht, aber das ich andauernd zum Arschkriecher werde, pah, nee danke. Und was ist dann mit dem Geld? Ich hab zwar noch sämtliche Rücklagen von meiner Karriere, aber das wird auf Dauer nicht ausreichen. Die Autos, das Haus, was das meiste Geld frisst."
„Aber Mom steuert doch auch Geld bei, oder nicht? Sie hat doch jetzt die Werkstatt übernommen? Wieso kündigst du nicht einfach und trittst als Co-Chef in der Werkstatt ein."
„Ich hab keine Ahnung von Autos", winkte ich ab.
„Das erklärt auch wieso du mit einem gefälschten Lappen durch die Gegend gefahren bist."
„Ja, dass ist Jahre her", nickte ich und kaute auf der Unterlippe herum.
„Du lernst schnell."
„Hm?"
„Du lernst schnell und dann wirst du auch schnell etwas über Autos lernen. Du musst ja nicht an den Autos herumschrauben. Mama braucht nur jemanden, der die ganzen Finanzen im Auge behält und die Rechnungen und Abrechnungen schreibt. Ich hab's bei ihr gemerkt, dass die da ihre Schwierigkeiten hat. Marcel hat ja das immer gemacht. Aber der ist ja auf ‚Weltreise'."
„Mathe war noch nie ihr Fach. Sie konnte froh sein, dass ihr Mathelehrer auf der Berufsschule ein Herz für BVB-Fans hatte. Sonst hätte deine Mutter da eine fünf stehen. Und wieso hast du Weltreise in Häkchen gesetzt?"
„Wir wissen alle, dass er sich entweder zu seinem Vater nach Denver verkrochen hat, oder zu seiner Mutter nach Glasgow. Irgendwas ist nicht so prickelnd gelaufen, wie er das gerne hätte."
„Ach, ich glaube das nicht. Sonst hätten die beiden sich schon gemeldet. Marcel hat hundertprozentig seine Weltreise angetreten."
„Kommt aber schon blöd, dass er uns nicht bescheid gibt. Als ob wir dem das ausreden würden. Er hat schon immer das durchgesetzt, was er haben wollte."
Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß es nicht", sagte ich und stand wieder auf. „Ich hoffe, du hast Bier im Kühlschrank."
„Nee, der Kühlschrank ist leer. Wir müssen noch einkaufen."
„Dann darfst du Englisch sprechen. Ich kann's zwar, aber ich fange dann immer an zu lispeln."
„War mir klar, Papa", lachte Kane leise und haute mir auf die Schulter.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top