Kapitel 85
Kapitel 85
~ May's Sicht ~
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Während Marco sich in die Arbeit mit dem BVB stürzte, um sich abzulenken, musste ich den Mitarbeitern in der Werkstatt erklären, dass Marcel weg ist. Marco und ich hatten uns auf die Geschichte geeinigt, dass Marcel eine Weltreise mache - die wollte er immer schon mal machen - und erstmal weg bleiben würde. Das hatten wir auch schon Mina erklärt und diese nahm das gelassen hin. Für mich heißt es, dass ich den Laden alleine führen darf, oder mir einen der Mitarbeiter als CO-Chef aneignen darf- aber die sind alle so unerfahren.
"Chefin", hörte ich einer der Männer brüllen, als ich den Laden betrat. "Wo ist denn der Chefe?"
"Ja, darüber wollte ich mal mit euch reden. Trommel mal bitte alle zusammen!", rief ich und ging erstmal ins Büro. Ich ließ die Tür zuknallen und atmete tief durch- einen Blick durch das kleine Fenster und ich sah, dass sich bereits die sämtlichen Mitarbeiter an den Autos versammelt hatten und sich fragend anblickten.
Noch einmal tief durchatmen und dann trat ich vor die Leute.
"Was gibt es denn Milchfabrik?", wurde ich gefragt.
"Und zwar Folgendes", sagte ich. "Marcel hat sich dafür entschieden, dass er für eine unbestimmte Zeit eine Weltreise machen will. Er hat nun das ganze Geld zusammen und wollte das durchziehen und bevor ihr mich fragt, wieso er euch das nicht selber sagt. Ich habe es auch erst heute erfahren. Da er schwer zu erreichen ist, lasst ihn einfach in Ruhe, auch wenn ihr ziemlich an ihn hängt. Ich muss da auch durch. Auf jeden Fall, uhm, wo war ich, werde ich hier erstmal das hunderprozentige Sagen haben."
"Packst du das alles? Ich meine mit deinen vier Kindern?"
Die Männer lachten und ich schmunzelte. "Ja, dass werde ich schaffen. Meine Schwester ist ja auch noch da und ich bleibe ja nicht den ganze Tag hier. Ich bin auch immer für euch, WÄHREND der Arbeitszeiten erreichbar."
"Willst du nicht einen Zweiten Boss einstellen. Ich will nur nicht, dass dir das alles zu viel wird."
"Da bin ich noch am überlegen", sagte ich und kratzte mir die Stirn. "Also mehr wollte ich nicht und ich wünschte, ich hätte noch mehr Informationen darüber, aber damit kann ich nicht dienen. Ich kann nur das Wiedergeben, was er gesagt hat."
"Hat er auch gesagt, wieso er uns das nicht persönlich gesagt hat?"
"Ja, er hat euch alle im Herzen und wollte euch das nicht sagen, weil ihr ihn wieder überredet hättet."
Die Jungs lachten leise. "Das klingt nach Forni."
"Okay, dann ran an die Arbeit. Macht, was ihr gerade gemacht habt. An Autos herumschrauben, Eier kraulen, über Titten und Anusbleaching reden."
"Gruselig, dass du über unsere Gespräche bescheid weißt."
"Ich bin CO-Chefin, ich weiß alles."
"Nee, du bist jetzt unsere Chefin. CO-Chefin war einmal, May."
"Joah", nickte ich und ging wieder ins Büro. Die Jungs waren bereits wieder an ihrer Arbeitet, als ich an dem Fenster spähte. Ich ließ mich in den Schreibtischstuhl fallen und seufzte. "Ja, dass ist doch einfach alles zum kotzen. Scheiß ungerechte Welt." Ich hielt inne. "Ich vermisse dich."
Nachdem ich ein bisschen arbeit im Büro hinter mir hatte, war ich ein bisschen überrascht, als mein Mann im Büro stand. Er schloss die Tür hinter sich und blickte mich an.
"Was machst du denn hier?"
"Ich weiß, du hast dafür sicherlich keinen Kopf, aber die Buchung kann ich nicht Rückgängig machen. Kane ist bis Sonntag noch im Disneyland und ich dachte mir, dass wir beide nach Paris fahren. Wir beide alleine. Wird uns doch auch gut tun, mal von allem irgendwie Abstand zu haben. Das sollte eigentlich eine Überraschung werden, aber..."
"Ich bin sowas von dabei. Ich sitze hier seit Stunden und muss mir immer wieder die Tränen unterdrücken. Ich kenne die alle schon seit Jahren. Ich hab zwei von denen ausgebildet, Marcel einen und ich muss die alle anlügen."
"Es ist 11 Uhr, wenn wir jetzt los fahren, sind wir um 20 Uhr in Paris. Deine Sachen sind schon gepackt und deine Mitarbeiter können jetzt auch Feierabend machen, wenn sie wollen."
"Nur, wenn sie bis heute nicht ein Auto für einen Kunden fertig haben müssen, dann ja."
"Warte", sagte Marco und riss die Tür auf. Er pfiff. "Ey!"
"Ja!?"
"Habt ihr für heute noch ein Auto fertig zu machen, weil ein Kunde den heute abholen will?"
"Nee, alles ab Mittwoch an, wieso?"
"Feierabend!"
"Aber das sind weniger Stunden für uns!?"
"Keine Panik, dass Geld bekommt ihr trotzdem."
"Feierabend, Männer und Frauen. Danke Ehemann-Arschkriecher von der Chefin."
"Kein Problem Mitarbeiter-Arschkriecher von der Chefin!", rief Marco zurück und machte dann wieder die Bürotür zu.
"Du bist verrückt."
"Weiß ich. Jetzt komm."
"Was ist mit den Kindern? Wer passt auf die beiden Nervensägen auf?"
"Janu passt auf die beiden auf. Aleyna trinkt übrigens gerne diese Pulvermilch. Ich glaube, deine Milchtüten haben ausgesorgt."
"Das ist doch gut", sagte ich und schnappte mir meine Handtasche. Ich ging den ganzen Laden noch mal durch, nachdem meine Mitarbeiter alle weg waren und schaltete die Alarmanlage an. Einen der älteren Mitarbeiter, hatte ich noch den Ersatzschlüssel in die Hand gedrückt, falls am Wochenende irgendwas sein sollte. Sonst sollten sie alle pünktlich um 8 am Montagmorgen in der Werkstatt auftauchen.
"Glaubst du, wir kriegen einen freien Kopf?", fragte Marco mich.
"Wenn du nicht weiter darüber nachdenkst, dann vermutlich ja. Ich versuche es schon zu verdrängen, aber irgendwie, funktioniert es nicht, wenn man immer etwas vor sich hat, mit dem man Marcel in Verbindung bringen kann."
"Ja, ich hasse das. Ich hätte am liebsten in die Werkstatt gekotzt und in seinem Büro hat es immer noch nach seinem Parfüm gerochen. Es stinkt hier jetzt noch nach."
"Ich habe mich mit seinen Parfüm eingedieselt", gab ich zu.
Marco seufzte nur. "Und wann können wir uns von ihm verabschieden? Dingsbums hat sich diesbezüglich ja noch kein einziges Mal gemeldet."
"Er wird Janu bescheid geben und Janu dann uns, und dann werden wir das einrichten lassen und uns von ihm verabschieden. Julian kümmert sich schon gut um ihn."
"Die Vorstellung, dass er verbrannt wird und mit einer anderen Leiche in einem Bottich unter die Erde gesteckt wird."
"Nee, das wird nicht in die Tüte kommen", warf ich sofort ein. "Der soll Marcel alleine", ich schluckte. "du weißt schon. Ich kenne Marcels letzten Wunsch. Und dafür müssten wir dann nur nach Schottland."
"Wie willst du eine Urne mit Leichenpulver über die Flughäfen schmuggeln?"
"Dann machen wir mit den Kindern einen Ausflug nach Schottland. Urlaub auf unserem Familienanwesen meiner Tante. Tante Netti fragt doch schon andauernd, wann wir dort mal wieder hinkommen, wegen Aleyna. Wir beide schleichen uns dann weg und sagen Lebewohl?", schlug ich vor.
Marco blickte mich an und nickte. "Wenn das so einfach wird."
"Lebewohl zu einer Person zu sagen, die man liebt, war noch nie einfach, Schatz. Für uns ist das der Weg in die Hölle, aber für Marcel der Weg zum Himmel."
"So kann man das auch sagen", meinte Marco nur und blickte wieder vor sich auf die Straße. "Du kannst ja schlafen und mich nachher abwechseln."
"Kann ich ruhig machen."
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