Kapitel 82

Kapitel 82

~ May's Sicht ~

„Sie ist ein bisschen umgekippt", hörte ich Kat sagen, als Robin wiederkam. Ich lag in Marcels Bett und hatte, nachdem ich einen kurzen Absacker gemacht hatte und wieder zu mir kam, völlig genervt das Kissen über meinem Kopf gezogen. Ich wollte mit niemandem reden. Ich wollte niemanden zu hören. Ich wollte einfach nur meine gottverdammte Ruhe haben. Aber das verstand Kat einfach nicht. Selbst als Paul sie aus dem Zimmer gezerrt hatte, stand sie keine Minute wieder im Zimmer und wollte mit mir reden. Irgendwie war ich froh, dass Robin da war und der schmiss Kat wieder raus.
"Hi", hörte ich ihn sagen und wenige Sekunden später, rappelte das Bett auf. "Was gibt es da so interessantes."
Mir wurde das Kissen vom Kopf gerissen und wenige Sekunden später wars wieder dunkel. "Mensch. Das ist ja langweilig und das ziehst du dir rein."
"Dunkelheit. Komplette Dunkelheit und Beengung der Atemwege. Es fühlt sich gleich an. Ob ein Kissen auf meinem Gesicht ist, oder nicht. Dasselbe widerliche Gefühl", murmelte ich vor mich hin.
Ich kniff die Augen zusammen, als Robin das Kissen von mir wegriss. Ich drehte meinem Kopf zu ihm. Er lag neben mir und schaute auf das Kissen, was er in seinen Händen über seinen Kopf hielt. "Ist das echt so ein komisches Gefühl?"
"Besser hätte ich es nicht beschreiben können", sagte ich und zuckte mit der Schulter. Dann starrte ich wieder die Decke an.
"Okay, ich sollte es vielleicht endlich mal los werden. Damals auf der Kirmes. Ich hab den Typen erschossen. Ich bin zwischendurch mal hier und schaue nach euch. Kane und Mina sind so groß geworden. Und übrigens herzlichen Glückwunsch zum neuen Windelsprenger."
"Danke", antworte ich. "Du wusstest, dass ich hier war, weil du mir gefolgt bist."
"Weil ich die Nachricht einer sich um dich sorgenden Person bekommen habe."
Fragend blickte ich zu Robin. "Aber nicht von Marcel?"
"Marcel sieht dir nicht so ähnlich."
"Janu? Du bist der heimliche Liebhaber?"
"Hat die gesagt, dass ich ihr Liebhaber bin? Bin ich nicht. Ich würde deine Schwester noch nicht mal mit einer Kneifzange anfassen. Nein. Sie hat mich erwischt, als ich Mina nachspioniert hatte. Was blieb mir da nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu sagen."
"Wow. Okay."
"Ja. Mein Cousin wird sich schon um Marcel kümmern. Wir sollen Morgen Mittag dorthin. Dann wird er eingeäschert. Er ist bereits da."
"Alysha?"
"Josh und Rod verbuddeln die irgendwo ganz weit weg. Paul und Kat machen hier alles Blitz und Blank. Und dann denke ich mal, dass Josh hier erstmal bleiben wird. Er ist gut in Unterlagen fälschen. Mietverträge sind einfach für ihn."
"Hm", meinte ich. "Kat und Josh haben sich nicht totgestellt, oder sind die genauso krank im Hirn wie Paul, Rod und du?"
"Alle bis auf Josh. Der war Obdachlos, weil er kurz nach der Hochzeit das Haus angezündet hat. Die Frau hat ihn rausgeschmissen und Paul hat ihn aufgenommen. Wie er Kat und mich aufgenommen hat."
"Okay", nickte ich. "Das ist alles so verdammt verwirrend."
"Ja", nickte Robin und stand vom Bett auf. "Na komm. Ich gebe dir frische Klamotten und dann gehst du deine Hände waschen. Sie wollen deine dreckige Kleidung los werden."
"Okay. Wo ist meine Python?", fragte ich und setzte mich im Bett auf.
"Kat hat die in deine Handtasche gelegt. Magst du mir gleich erzählen, wieso Alysha, naja, du weißt schon."
"Mach ich sobald ich nicht mehr das Blut von Marcel und Alysha an mir kleben habe", nickte ich. "Ich versuche es auf jeden Fall."

Nachdem ich meine Hände gewaschen und mir Klamotten von Marcel angezogen hatte, stopfte Kat meine Klamotten in eine Mülltüte.
Ich stand einfach nur da und hatte immer noch keinen klaren Kopf. Wie sollte ich auch einen klaren Kopf bekommen, wenn ich hier war. Hier, wo das Grauen stattgefunden hat.
Ich horchte auf, als ich eine bekannte Stimme hörte. Für einen Augenblick hatte ich Panik, aber als Janu ins Schlafzimmer kam und mich ohne große Worte umarmte, war ich froh, dass es nur Janu war.
"Es tut mir so leid", murmelte sie. "So unendlich leid."
Ich brachte keine einzige Träne heraus, sondern starrte nur über Janus Schulter ins gegenüberliegende Badezimmer. Schnell kniff ich die Augen zusammen, weil sich Wut in mir ausbreitete.
Janu wich zurück und blickte mich mitleidig an. "Magst du mit mir darüber reden?"
"Nicht jetzt. Ich will einfach nur nach Hause."
"Ich hab noch ein paar frische Klamotten dabei. Marco würde dich fragen, wieso du Marcels Klamotten anhat und ich denke mal nicht, dass er dir das abkaufen würde, dass du mit Kaffee gekleckert hast."
"Hast recht", nickte ich. "Lass uns in Wohnzimmer gehen."
"Vorher ziehen wir diesen Lumpen aus."
Ich blickte auf das alte Tupac Shirt was ich an hatte.
"Das ist Marcels Lieblingsshirt. Das hatte ich ihn zum 15 geschenkt."
"Und er ist nicht weiter gewachsen?"
"Nö. Das hat er immer an gehabt, wenn er krank war. Er meinte, dass machte die tödliche Männergrippe irgendwie erträglich."
"Okay, dann lass das an, wenn du magst. Aber die Jogginghose?"
"Die ziehe ich gleich aus. Ich will einfach nur ins Wohnzimmer."
Ich ging an Janu vorbei, direkt ins Wohnzimmer und schmiss mich dort wieder auf die Couch.
"Ihr fungiert also auch als Tatortreiniger?", hörte ich Janu fragen, die noch an der Küchentür stand.
Wie kann sie gerade Scherze machen? Vielleicht um mich aufzuheitern? Aber mir war nicht zum Lachen zu Mute. Ganz bestimmt nicht.

Wirklich alle erschreckten sich fürchterlich, als die Haustür aufging und mein Mann hineinstürmte. Erschrocken sprang ich von der Couch auf und blickte zu Marco, der sich verwirrt umschaute. Als er mich sah, blickte er mich fragend an.
"Was ist hier los?", fragte er mich und drückte die Haustür zu. Als ich in die Augen von meinem Mann schaute, brach meine Fassade des Unterdrückens zusammen und ich fing bitterlich an zu weinen.
"May! Was ist los?", fragte er mich und kam ins Wohnzimmer und stellte sich vor mich. "Was ist passiert?" Er wurde von Sekunde zu Sekunde ungeduldiger und drückte mein Kinn hoch, damit ich ihn gezwungenermaßen in die Augen blickten musste.

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