Kapitel 81

Kapitel 81

~ Marco's Sicht ~

"Was hast du denn?", fragte ich Janu, die nervös in der Küche saß und vor sich auf das Handy starrte.

"Ach, alles okay. Ich warte nur auf einen wichtigen Anruf", antwortete sie und versuchte zu lächeln. Das klappte aber nicht so wirklich.

"Janu?", hakte ich nach und setzte die Stirn in Falten. "Hau raus."

"Hab den Typen den ich Date eine Ansage gemacht. Nun warte ich auf die Reaktion."

"Wieso machst du eine Ansage? Was hat er gemacht?"

"Darüber will ich jetzt nicht so reden. Ich mach das erstmal unter uns aus, bevor ich mir eine andere Meinung einhole."

"Okay, du musst nicht mit mir reden. Dafür hast du ja deine Schwester", sagte ich und ging zum Kühlschrank. "Hast du was von deiner Schwester gehört?"

"Nein, ich denke mal sie ist sich heftig mit Alysha am Streiten, sodass sie das vergessen hat, sich irgendwie zu melden", sagte Janu und fuhr zusammen, als das Handy vor ihr klingelte. Sie schnappte sich das Handy und war in Eile aus der Küche verschwunden. Keine Sekunden später, hörte ich eine Tür zufallen. Man, die Flanagans haben irgendwie alle ihre Geheimnisse.

Eine halbe Stunde später, saß ich mit Aleyna im Wohnzimmer. Während die Kleine neben mir auf der Couch am Schlafen war, schaute ich Fernsehen und schaute zwischendurch immer auf meinem Handy nach, weil ich Angst hatte, dass ich eine Nachricht oder einen Anruf von meiner Frau verpasste. Aber bisher war da nichts. Ach.

"Mensch, hat deine Mutter vergessen wie man telefoniert?", fragte ich und blickte zu Aleyna. Diese blickte mich mit ihren großen blauen Augen an und streckte mir die Zunge aus.

"Das weißt du auch nicht, Mäuschen. Was frage ich dich überhaupt. Du kannst nur Furzen, Schlafen, Saufen und Meckern. Ganz wie Opa Reus. Wo wir heute auch noch hin wollen. Oma und Opa besuchen, wenn May wieder zu Hause ist. Dann verwechseln wir dich wieder schön mit dem Opa, nech?"

Ich streichelte Aleyna über den kleinen runden Babyspeckbauch und als Antwort bekam ich einen lauten Furzer von der Kleinen ab.

"Ganz der Opa", bemerkte ich und rümpfte die Nase. "Ja, definitiv. Ein Reus."

„Ich bin mal eben kurz weg", hörte ich Janu sagen, als sie ins Wohnzimmer kam. Ich blickte zu ihr und sie rümpfte ebenfalls die Nase. „Jesus, hast du gefurzt, Marco?"

„Nein", sagte ich und deutete auf Aleyna. „Sie war's."

„Richtig asozial sowas auf seine Tochter zu schieben. Aber richtig asozial. Schämen solltest du dich."

„Ist doch alles in Ordnung", sagte ich und blickte meine Schwägerin leicht erstaunt an, da sie mich gerade aus dem heiteren Himmel einfach angemeckert hatte. Dann verdrehte sie die Augen und verschwand aus dem Wohnzimmer und ich blieb irritiert zurück. Was machte ich mir darüber gerade den Kopf. May war nämlich genauso drauf. Aber nur, wenn sie ihre Periode hatte. Na da haben wir die Erklärung.

Ich blickte wieder zu meine kleine Tochter. „Werde mir aber nicht genauso, wie Mama und Tante Janu." Als Antwort kam wieder nur ein kleiner Furzer meiner Tochter.

Um 12 Uhr kam dann auch schon Mina nach Hause. Als hätte sie einen Geist gesehen, schmiss sie ihren Rucksack auf den Boden, vor der Treppe und blickte mich an.

„Was hast du denn?", fragte ich sie.

„Ist deiner Klassenkameradin beim Sport wieder eine Titte aus dem BH gehüpft?", fragte ich sie.

„Nein, alles gut."

„Mina!"

„Ich weiß nicht, ob ich einfach nur blöd bin, aber als ich an dem Wohnhaus von Onkel Marcel vorbeigekommen bin- also da wo er seine Zweitwohnung hat, da habe ich die alte Näbelkrähe von Nachbarin gehört, wie sie darüber geredet hat, dass Marcel einfach so abgehauen ist und sich irgendwo sein neues Leben aufgebaut hat."

„Ach Quatsch", sagte ich. „Das ist eine Näbelkrähe und du weißt wie die Müller am Labern ist. Die kennt da kein Ende."

„Aber Papa, da war ein Lieferwagen mit der Adresse eines Umzugsunternehmen drauf und da haben welche schon Renovierungssachen hochgebracht. Das kann ich mir aber nicht einbilden, oder?"

„Dafür gibt es sicherlich eine ganz einfache Erklärung. Wieso sollte Marcel einfach abhauen, ohne sich von uns zu verabschieden. Und wieso sollte er abhauen, hm? Er hat hier doch seine Familie. Hier hat er uns. Vielleicht hat er nur seine Zweitwohnung aufgegeben, weil ihm doch sein Apartment reicht. Das wird ziemlich viele Gründe haben."

„Also weißt du nichts davon, dass Marcel wohlmöglich umgezogen, oder ausgezogen ist?", hakte Mina nach.

„Nicht, dass ich wüsste."

„Aber wieso weiß Mama das?"

„Was meinst du?", wollte ich wissen und legte die Stirn in Falten.

„Na, der AMG stand doch da."

„Wann war das gewesen?"

„Um 11:30, als ich da lang gegangen bin."

Das konnte doch nicht sein. Wieso war May immer noch da? Sie sollte doch nach Haltern fahren, um dort Alysha am Flughafen abzusetzen und dann wieder nach Hause zu kommen. Es kann aber auch sein, dass sie das getan hat, aber dann noch mal zu Marcels Wohnung gefahren ist, um dort nach Alysha alles gründlich zu desinfizieren, oder so. Ach, was laber ich denn da. Da stimmt doch etwas nicht.

„Ja, passt du mal kurz auf deine Schwester auf. Die liegt auf der Couch und ist am Schlaf-Furzen. Ich muss mal eben kurz telefonieren", sagte ich und schnappte mir das Telefon von der Station, ehe ich nach oben ins Schlafzimmer ging. Ich machte die Tür zu und wählte die Nummer von meiner Frau. Doch diese drückte mich einfach weg. Bei Marcel war einfach nur die Mailbox dran und dann als ich das zweite Mal bei ihm anrief, hieß es, dass der Nutzer zurzeit nicht erreichbar ist.

„Hi, Hubert. Hier ist Marco. Ich hab ja irgendwie doch davon Wind bekommen, dass du diese Psychobraut nach Mexiko fliegen wolltest."

„Hömma, deine Frau und diese Psychotante sind erst gar nicht aufgetaucht. Ich habe hier vergeblich gewartet. Ich hoffe dafür bekomme ich eine Entschädigung."

„Ja, das wird kein Problem sein. Danke für die Auskunft", sagte ich und legte auf. Dann rief ich Auba an. Ich wollte nicht, dass Mina alleine auf Aleyna aufpasst und da meine Schwestern arbeiten sind und ich meinen Eltern kein furzendes und pubertäres Kind an die Backe hängen wollte, musste eben er dran glauben.

„Ist im Wohnzimmer die XBOX?", fragte er mich nur.

„Ja. Fifa ist drinnen."

„Scheiß auf Fifa. Ich will den Landwirtschaftssimulator spielen. Voll cool."

„Mach was du willst. Schaffst du es in einer halben Stunde hier zu sein?"

„Ich fahre einen Lamborghini, ich bitte dich Bitch", sagte Auba und legte auf.

Nach nicht mal fünf Minuten, stand er mit Curtys vor der Tür.

„Mensch, du weißt, dass Kane in Paris ist?", fragte ich Curtys.

„Weiß ich. Aber ich habe gehört, dass es, wenn du wieder kommst, einen Döner gibt", grinste er mich an und ging durch ins Wohnzimmer.

„Wieso so eilig?", fragte Auba mich.

„Das weiß ich selber nicht mal", meinte ich. Irgendwie war es auch so, dass ich keinen Dunst und Schimmer hatte, was hier gerade abging und abgehen sollte. Ich zog meine Schuhe an und schnappte mir die Autoschlüssel vom Geländewagen, ehe ich mich auf den Weg nach Marcels Zweitwohnung machte.

~ May's Sicht ~

Lange konnte ich nicht auf der Couch sitzen und immer wieder die Schatten, der vier Freunde von Marcel an mir vorbeihuschen sehen, da hatte ich mich schon aufgerappelt und stellte mich an die Wohnzimmertür. Die Blonde blickte zu mir.

„Hi, ich bin Kat", sagte sie freundlich und zog die blutigen Handschuhe aus, damit sie mir die Hand reichen konnte. Ich hielt mir die Hand vorm Mund und drehte mich wieder weg. Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer.

„Uhm, ich sehe gerade, dass deine Klamotten voller Blut sind. Die müssen wir entsorgen", hörte ich sie sagen.

„Ich habe aber nichts anderes hier", murmelte ich. Dann drehte ich mich wieder um. „Uhm, ich muss dann nur ins Schlafzimmer an dem Kleiderschrank. Dann kann ich dir das alles geben."

Kat blickte mich an und nickte nur. „Okay, ich habe eine Python gefunden. Ist das deine?"

„Ja, ja, das ist meine. Du sprichst ganz schön gut Deutsch für eine Schottin."

„Woher weißt du, dass ich Schottin bin?", fragte sie mich.

„Das höre ich an deinem Akzent. Du sprichst die Worte genauso aus, wie mein Vater."

„Du bist auch Schottin?", Kat schlug sich auf die Stirn. „Ja, deshalb hat dich Robin immer Scotty genannt. Es macht alles Sinn."

Robin? Oh Gott. Sie musste nur Robin erwähnen und es kam gerade alles wieder hoch. Ich schaute vor mir auf den Boden und versuchte nicht wieder in Tränen auszubrechen. Das wollte ich ganz sicherlich nicht. Ich hatte schon solche Kopfschmerzen und ich sah sicherlich so verheult aus, dass mein Gegenüber am liebsten weglaufen würde.

„Ich frage jetzt nicht, ob alles in Ordnung ist. Das ist es nämlich nicht", meinte Kat. „Wenn du irgendwelche Fragen hast, oder irgendwas los ist, sag mir ruhig bescheid."

„Danke", das war das einzige, was ich aus meinem Mund heraus bekam. Ich blickte Kat hinter her, wie sie zurück in Richtung Badezimmer ging.

Ich schlich mich ins Schlafzimmer, welches gegenüber vom Badezimmer war. Ich hatte mir geschworen nicht rüberzuschauen, doch ich tat es. Man musste dort einfach hinschauen. Sie hatten Marcel bereits in eine schwarze Folie gewickelt und Kat schrubbte fleißig die Badewanne. Bevor ich auf den Boden kotzte, verschwand ich ins Schlafzimmer und machte hinter mir die Tür zu.

Ich traute mich gar nicht, an Marcels Kleiderschrank zu bedienen und saß einfach nur auf dem Bett und starrte die Fotos auf der Kommode von Marcel und mir an. Und sofort brach ich wieder in Tränen aus. Ich ließ meinen Kopf hängen und blickte auf meine blutverschmierten Hände. Es könnte Alyshas Blut sein, oder es könnte Marcels Blut sein. Ich weiß es nicht und ich wollte es auch nicht wissen.

„Das Leben hat halt seine Phasen, wo es Scheiße ist, aber macht uns das nicht für gewöhnlich stärker?", hörte ich einen Mann im brüchigen Deutsch sagen- er hatte einen ziemlichen amerikanischen Akzent.

„Es macht einen schwächer und wenn es die Chance gibt, darüber hinwegzukommen- erst dann wird man stärker", erwiderte ich und hob meinem Kopf an. Als ich das mir bekannte Gesicht sah, wich ich zurück und flog fast vom Bett. Jedoch konnte ich mich festhalten und starrte diese Person an.

Wollt ihr mich eigentlich alle verarschen? Was soll das? Robin täuscht seinen Unfall vor. Angeblich verbrannt in einem gottverdammten Auto, nach einem Unfall. Und er lebt!?

Und jetzt stand hier allen erstens auch noch Paul Walker vor meiner Fresse und blickte mich mitfühlend an. Ihr wollt mich doch verarschen? Der Typ war doch 2013 bei einem Autounfall ums Leben gekommen, wenn nicht sogar lebendig verbrannt, wie es in den meisten Zeitungsartikeln hieß.

Ich weiß auch nicht, aber vermutlich muss ich Paul wie ein Auto angeschaut haben (welch eine Ironie), denn er musste sich ein kleines Schmunzeln verkneifen und noch bevor er irgendwas sagen sollte – es war mir einfach alles zu viel -, wurde mir schwarz vor den Augen und ich rutschte am Bett vorbei und knallte volle Kanne auf den Boden.


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