Kapitel 80
Kapitel 80
~ Robin's Sicht ~
May und ich hatten es aus dem Badezimmer geschafft und saßen mittlerweile im Wohnzimmer. Also ich saß im Sessel. May hatte zuvor wütend die Bettwäsche von der Couch geschmissen und sich auf die Couch gelegt- konnte aber immer noch nicht aufhören zu weinen, während ich es unterdrückte. Ich schluckte und blickte zu May. „Geht's wieder? Ich meine, irgend-irgendwie?", stammelte ich. May blickte zu mir. Ich hätte eigentlich damit gerechnet, dass sie aufsprang und mich verprügelt, aber sie blieb einfach nur liegen und blickte mich an. Für drei Sekunden hatte sie aufgehört zu weinen und dann, als sie wieder von mir wegblickte, fing sie wieder an zu wimmern.
Ich seufzte. „Ich weiß, du weißt gerade nicht, wo dir dein Kopf steht. Und ich weiß, dass dieser Tag einer deiner absoluten Hasstage sein wird, aber magst du nicht mal langsam mit mir reden? Oder soll ich einfach meine Fresse halten?"
May blickte mich wieder an und der Blick sagte mehr als tausend Worte. Ja, ich sollte meine Fresse halten. Vermutlich war ich wegen der Aktion, meinen Tod vorgetäuscht zu haben, einfach bei allen durch, wenn die das mitbekommen hätten. Aber ich habe meinen Grund dazu gehabt. Man sollte sich nämlich nicht mit irgendwelchen Drecksbikern anlegen. Ich blickte auf mein Handy, wo ich gerade eine Nachricht von einen meiner Kumpels erreicht hatte. Sie standen vor der Tür und warteten nur auf mich, dass sie reingelassen werden. Ich stand vom Sessel auf und verließ das Wohnzimmer. Die Küchentür und die Badezimmertür hatte ich zugezogen gehabt, weil ich mich jedes Mal erschreckte, wenn ich dort vorbei lief. Jedes Mal, wenn ich die beiden leblosen Körper auf den Boden sah. Alysha lag zwar in ihrer eigenen Blutlache, aber Marcel, war bereits nicht mehr am Bluten, da das ganze Blut in der Badewanne war.
Ich hatte bei beiden noch mal den Puls gefühlt und bei beiden keinen mehr gemerkt. Bei Alysha war es mir klar, dass sie tot war, dass sah ich an den sämtlichen Einstichen in ihrem Hinterkopf, aber bei Marcel hatte ich immer wieder diese eine Hoffnung, dass er nur für einen Augenblick bewusstlos war. Die Hoffnung zerpuffte aber wie eine Seifenblase. Er war noch nicht lange tot gewesen, denn als May ihn in den Armen hielt, hatten sich seine Arme noch bewegt und von der Totenstarre war nichts zu sehen. Mittlerweile war er starr und hatte schon die ersten Leichenflecke an sich gehabt.
Was geht schon wieder in meinem Hirn ab? Ich muss trauern, anstatt hier einen auf Möchtegern-Gerichtsmediziner zu machen. Aber irgendwie war ich blockiert. Ich wollte das alles nicht wahr haben. Ich öffnete die Tür und blickte in die altbekannten Gesichter meiner Freunde, mit denen ich in London für ziemlichen Unfug gesorgt hatte.
„Hi", sagte ich und trat bei Seite, damit die reinkommen konnten. Sie hatten etliche Sachen mit. Darunter Tüten, Putzzeug und Lappen. Ich hatte gebeten, dass das hier nicht mehr wie eine Wohnung aussah, wo zwei Morde passiert waren. Ich hatte für alles gesorgt. Wir nehmen die Wohnung auseinander, auch unter dem Laminat, damit keine weitere Blutspur zu finden ist, die beiden Leichen werden wir auch verschwinden lassen. Alysha kann meinetwegen irgendwo in einem Wald verschachert werden, aber um Gottes Willen nicht Marcel. Mein Cousin war Bestatter und da er oft mit den Hells Angels herumhing, hatte er da auch seinen Job ein paar Leichen verschwinden zu lassen. Ich hoffte May würde das alles für sich behalten. Das ich da bin, dass Marcel tot ist. Sie sollte sich eine Lügengeschichte gegenüber ihren Mann und ihren Kindern ausdenken. Und dann würden wir beide klammheimlich Abschied von Marcel nehmen, wenn mein Cousin dafür sorgt, dass er verbrannt wird. Ich hatte Angst, dass dies alles nicht so klappen würde, wie ich gedacht habe.
„Ein Nachbar hat mich gefragt, was ich hier mache. Habe gesagt, dass ich hier neu einziehe und dass der Eigentümer der Wohnung, mir die Wohnung verkauft hätte, da er ohne Grund abgehauen ist. Er wollte sich irgendwo ein neues Leben aufbauen. Mehr weiß ich auch nicht weiter", klärte mich Josh schnell auf.
Ich nickte nur. „Okay", sagte ich.
Der Älteste von uns, blieb vor mir stehen und schaute mich mit seinen stahlblauen Augen an. „Mein Beileid, Robin."
„Danke Paul", nickte ich.
„Wie hat sie reagiert?", fragte er mich und blickte ins Wohnzimmer zu May, die immer noch auf der Couch lag.
„Sie hat ihn, davon gehe ich mal fest aus, gefunden. Die beiden kannten sich schon, da waren die noch im Bauch von Mama. Sie sind wie Bruder und Schwester. Mehr als beschissen, kann es ihr wohl nicht gehen."
Paul machte die Tür zu und seufzte nur. „Ja, ich glaube, dass ist ihr einfach alles zu viel. Dein Kumpel stirbt und du tauchst auf. Du, der als tot gilt."
Ich schnaubte belustigt. „Komm, du hast deinen tot auch vorgetäuscht, weil du ziemliche Probleme hattest."
„Ja, und ich bereue es jeden Tag", nickte Paul. „Ich habe meine Tochter, Meadow alleine gelassen. Sie hatte die Schnauze voll von ihrer Mutter und deren neuen Freund und wollte zu mir. Aber ich hang bereits Stirntief in der Scheiße von Problemen. Mir blieb nichts anderes übrig."
„Uns blieb nichts anderes übrig. Als Freund und Berater hänge ich da auch mit drinnen", hörte ich Rod sagen, der aus der Küche kam. „Rufst du deinen Cousin an? Kat und ich würden dann schon mal die beiden zu ihm bringen. Opa und Josh können ja mit dir putzen."
„Ich weiß, dass ich alt bin. Reib mir das nicht immer unter die Nase", sagte Paul beleidigt.
„Hey, am besten Josh und Rod fahren. Ich denke mal, dass ich mal mit ihr von Frau zu Frau rede. Ich habe meine ganze Familie abgeschlachtet im Haus gefunden. Ich denke, wir sind auf einer Wellenlänge", hörte ich Kat sagen. Ich blickte sie an.
„Nimm es mir nicht böse, aber sie ist immerhin noch einer meiner besten Freunde von früher."
„Und sobald die das alles realisiert, haut sie denjenigen der vor ihr sitzt einen auf die Fresse. Lass das ruhig mal den Robin machen", sagte Paul und versuchte ein bisschen zu Scherzen.
„Ja, die Geschichten, die wir von ihr gehört haben. Ich würde mich nicht mit ihr anlegen wollen", nickte Rod.
„Hast du Angst vor ihr?", fragte ich Rod.
„Wir alle", antwortete Paul und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
„Ich mach hier die ganze Arbeit nicht alleine. Würdet ihr so reizend sein und mir helfen?", hörte ich Josh herummeckern.
„Geht ihm helfen. Ich rufe Blödian an."
„Blödian? Die Deutschen seit verrückt. Wir haben alle wegen dir Deutsch gelernt und wieso nennen Menschen ihr Kind Blödian?", fragte Paul und schnitt eine Grimasse.
„Er heißt eigentlich Julian."
„Weiß er, dass du, naja, irgendwie lebendig bist?", fragte Rod.
„Was glaubst du denn? Er ist Bestatter?", kopfschüttelnd zog ich mein Handy aus der Hosentasche und rief meinen Cousin an.
„Kaul Bestattungen – Ihre Schwiegermutter, die ihre Nerven und Geduld aus Ihnen herausgesaugt hat, ist endlich tot? Na dann, willkommen bei Kauls Bestattungen, hier saugen wir jetzt die restlichen vergifteten Flüssigkeiten des Schwiegermonsters aus ihr heraus, bevor wir sie ins Fegefeuer werfen. Was kann ich für Sie tun?", hörte ich Julian am anderen Ende fragen.
„Das ist jetzt nicht der Slogan, oder?"
„Nein", meinte Julian. „Kaul Bestattungen – Sie sind tot? Kein Problem? Wir kümmern uns um Sie."
„Du bist behindert."
„Scherz", meinte er. „Kaul Bestattungen – wir verschachern nicht nur ihre Geliebten, sondern auch Ihr Geld. Kommt super an bei Nicht-Deutschen. Du verstehst ja deren Humor."
„Aha."
„Wenn darf ich jetzt für dich Verschachern."
Ich schluckte. „Ich komme vorbei. Ist doch etwas blöd mit dir am Telefon zu reden."
„Okay." Damit hatte Blödian wieder aufgelegt. Ich klappte, dass Handy zu. Ja, ich hatte ein Klapphandy. Lasst mich doch und blickte ins Wohnzimmer. May saß aufrecht auf der Couch und blickte zu mir.
„Was hast du vor?", fragte sie mich monoton und starrte mich an. „Wehe du lügst mich an."
„Ich hätte da nur eine kleine Idee, wo keiner von uns Schwierigkeiten bekommen würde. Ich nicht und ganz bestimmt nicht du, wegen kaltblütigen Mordes an Auba's Exfrau." Ich ging ins Wohnzimmer und blieb hinter dem Sessel stehen. „Hörst du mir zu, bevor du mir eins auf die Fresse..."
„Fang an und halte dich kurz. Ich habe Kopfschmerzen", sagte May.
Nickend setzte ich mich auf dem Sessel und erklärte May, was ich vor hab. Wie erwartet, pampte sie mich an, Marcel einfach verschwinden zu lassen. Das sie Marco anlügen müsse, dass ich lebe und was ihr nicht alles einfiel.
„Kleine."
„Ich bin nicht mehr deine Kleine, Robin. Du hast uns all die Jahre angelogen und wieso hast du das gemacht? Sag mir wieso?"
„Ich hatte ziemliche Probleme mit den Bandidos. Die hatten ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt und wollten mich tot sehen."
„Was hast du gemacht?"
„Ah, ich hatte ein Dreier mit der Frau vom Präsidenten und der Frau vom Vize."
May wollte zwar was sagen, aber ließ es sein. „Und du willst Marcel einfach so wegschaffen? Ohne, dass das hier aufgeklärt wird?"
„Wenn Alysha Marcel umgebracht hat, dann kann die dafür nicht mehr in den Knast..."
„Du meinst, die könnten mich verknacken, weil ich Alysha umgebracht habe, da sie Marcel umgelegt hat?"
Ich nickte.
„Was ist mit Notwehr?"
„Wir reden hier von der Staatsanwalt Dortmund. Die drehen das so, dass jemand in den Knast kommt. Und da du die einzige Zeugin bist, wirst du das sein. Du weißt wie Korrupt die in Mordfällen geworden sind. Wenn Marcel verbrannt wird, dann können wir uns auch von ihm verabschieden. Wir beide."
„Ich will aber nicht alle anlügen. Was soll ich sagen, Marcel ist abgehauen und will sich ein neues Leben aufbauen? Was soll ich denn machen? Wie soll ich mit der Lüge herumlaufen, Robin. Das sind alles viel zu viele Lügen. Und ich muss jeden anlügen. Mein Mann, meine Kinder, meine Schwester, die Mitarbeiter bei uns in der Werkstatt. Wie soll ich damit denn leben? Das wird mich doch auffressen und mich zu einem Elend von Frau machen, weißt du das?"
Ich seufzte. „Es ist das Beste für uns. Und desto weniger davon wissen, desto besser ist es."
„Aha und was ist mit den komischen Leuten hier?", fragte May mich. Sauer rümpfte sie die Nase.
„Die helfen uns nur." Ich stand vom Sessel auf und blickte zu May. „Kann ich dich alleine lassen?"
„Mit denen?"
„Die tun dir nichts. Die sind ganz lieb", sagte ich. „Ich treff mich mit Julian, damit ich ihn alles abklären kann. Er weiß auch noch nichts von Marcel." Ich schluckte, als ich sah, dass May wieder Tränen in die Augen schossen.
„Das ist also kein Traum?", fragte sie mich und blickte mich mit Tränen in den Augen an.
Ich schüttelte nur meinem Kopf. „Ich wünschte, es wäre so, Kleine."
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