Kapitel 66

Kapitel 66

~ May's Sicht ~

"Was willst du hier?", fragte ich meine Mutter unbeeindruckt.

"Ich wollte meinen Enkel eigentlich überraschen. Was machst du hier?"

"Siehste doch. Ich versuche hier gerade selber eine Satans-Austreibung", spieh ich sauer und ironisch aus, und hielt mir wieder fluchend und quietschend den Bauch, als mich die nächste Wehe heimsuchte.

"Sieht mir eher so aus, als ob du ein Kind bekommst", bemerkte meine Mutter.

"Nein, nein", brummte ich.

"Lass mich mal gucken", sagte Elena und wollte mein Kleid hoch nehmen.

"Geh weg da. Nein", sagte ich und schlug ihr auf die Hand. "Unterstehe dich. Ich glaub ich Spinne!" Warnend blickte ich meine Mutter an, und richtete mein Kleid. Sie wich zurück und hob unschuldig die Hände.

"Dann fahre ich dich ins Krankenhaus. Wo sind die Schlüssel?"

"Das kannst du auch gleich mal vergessen, Elena. Das ist nicht dein Auto."

"Mädchen", bemerkte sie und knallte die Beifahrertür zu. Ich fuhr zusammen und streichelte mir über den harten Bauch, um wenige Sekunden mit Erschrecken festzustellen, dass sich meine Mutter auf dem Fahrersitz gesetzt hatte. Sie schob den Sitz soweit es ging nach hinten und blickte mich streng an. "Du bekommst hier gerade ein Kind und laut Doktor Google weiß ich, dass die Geburten immer schneller verlaufen. Das ist dein drittes Kind und da kann es schnell gehen."

"Das du weißt, wie viele Kinder ich habe, Glückwunsch dazu. Willst du jetzt einen Orden haben?"

"Nein, will ich nicht. Und ich weiß, dass ich nicht gerade die beste Mutter auf den Planeten bin."

Ich nickte zustimmend und biss mir auf die Lippen, da mich wieder eine Wehe durchzuckte. Vor Schreck schrie ich auf und krallte mich im Ledersitz fest.

"Ich weiß, ich war nie für dich da. Hab dir nie zur Seite gestanden."

"Schlechter Zeitpunkt", quietschte ich.

"Nein, dass ist gerade ein richtiger Zeitpunkt. Du bist gerade mit dem Kopf woanders und kannst nicht vor mir abhauen, dass nutze ich gerade bewusst aus."

"Merke ich." Ich machte eine Pause und schrie wieder auf. "Oh, verdammt!"

"Jetzt lass mich mal gucken. Ich kenne mich damit aus."

"Als ob."

"Ich musste vor zwei Monaten schon mal bei einer Geburt helfen, May."

"Wer lässt denn den Teufel an sich ran?", fragte ich und versuchte gleichmäßig zu atmen.

"Was soll ich sagen. Die Hundesitterin meines Mannes hat ganz unfreiwillig eine Hausgeburt bei uns im Haus gehabt."

"Mann? Der hat ein Hundesitter?"

"Ja. Für seinen Shiba Inu, ja. Das ist ein kleines Biest."

"Der Hund?"

"Die Hundesitterin. Hat sich herausgestellt, dass ich bei der Geburt des Sohnes meines Mannes geholfen habe. Ex-Mannes."

"Na das ist doof."

"Ja, hab die Scheidung eingereicht und was soll ich sagen? Ich werde den richtig bluten lassen."

"War mir klar, dass du wieder nur an das Geld heran willst, Elena."

"Musst du gerade sagen."

"Ich habe meine eigene Autowerkstatt und die gehört mir zu 50 Prozent."

"Und die anderen 50 Prozent?"

"Die sind Marcels Anteil." Wieder machte ich eine Pause, um tief ein und auszuatmen. "Wieso reden wir über so was?"

"Damit ich dich ablenken kann, May", sagte Mom. "Sieht so aus, als ob das momentan ganz gut klappt. Darf ich jetzt schauen und dir dann helfen, oder willst du das auch alleine machen."

"Jetzt auf einmal willst du mir helfen, ja? Wo du mich all die Jahre mehrfach ins Gesicht gesagt hast, dass ich dir nichts wert bin und ich dir egal sei. Nur weil ich nicht nach deinen Regeln getanzt habe. Nur weil ich damals nicht zum Ballett wollte, Kleider tragen wollte, zum Schauspielunterricht wollte. Nur weil ich nicht nach deinem Willen getanzt habe."

"Besser jetzt eine Einsicht, als gar nicht", sagte Elena und zuckte nur mit den Schultern. "Und mir ist klar, dass das alles falsch war. Ich hätte dich damals zu nichts zwingen dürfen. Und ja, ich wollte dich so haben, wie ich es wollte. Eine kleine Primaballerina, die später mal als Schauspielerin in der Öffentlichkeit steht. Aber du bist eben nur die hübsche Dekoration eines nicht gerade hübschen Fußballers."

"Ach, jetzt fängt das schon wieder an?", fragte ich genervt und wurde wieder von einer Wehe durchzuckt. Wieder schrie ich das ganze Haus zusammen. Elena hielt sich die Ohren zu und bemerkte irgendwas, dass sie jetzt taub wäre. "Jetzt hör einfach zu auf zu reden, bitte. Das will und kann ich gerade nicht ertragen."

"Na gut", meinte Elena. "Aber sag mir nicht, ich hätte es niemals versucht mich mit dir normal zu unterhalten."

"Ja, nur halt bitte mal für einen kurzen Augenblick den Mund, ja?"

"Nur, wenn du dich hinten auf den Sitz setzen tust und mich dabei helfen lässt, dass Kind auf die Welt zu bringen. Es ist immer noch mein Enkelkind, was da gerade versucht sich qualvoll aus der Unterwelt zu befreien."

"Ich kann nicht. Ich will mich nicht großartig bewegen. Jede Bewegung tut höllisch weh."

"Dann lass mich doch so gucken, May. Mir gefällt es auch nicht, dass ich in deinem Intimbereich gucken muss."

"Ja, weil du mir damals noch nicht mal die Windeln gewechselt hast."

"Doch, habe ich. Nur, wenn du Pippi gemacht hast. Bei deinen größeren Geschäften musste Tommy ran. Darf ich jetzt, oder nicht? Ich komme mir schon blöd vor, dich mehrmals zu fragen."

Ich knurrte nur. "Meine Güte. Ich hab vorhin schon hingefasst und hab irgendwas haariges gemerkt."

"Deine Vagina?"

"Ich rasiere mich."

"Wie kriegst du das hin, mit dem Bauch?"

"Spiegel und Yoga", sagte ich. "Und mit Haariges meinte ich eigentlich vermutlich den Kopf des Babys."

"Okay, dass ist gut, dann könnten wir das schnell hinter uns haben. Und das ist schlecht."

"Wieso schlecht?"

"Na, schlecht, wenn es irgendwelche Komplikationen gibt, oder so. Und jetzt lass mich gucken." Ich zog das Kleid hoch und Elena lehnte sich nach vorne. "Ja, okay, dass ist ein Babykopf. Dann hau mal das Kind raus."

"Ach was", bemerkte ich nur und schnitt eine Grimasse.


~ Marco's Sicht ~

Irritiert blickte ich auf dem hellen Holzstuhl neben mir, wo eigentlich meine Frau hätte sitzen müssen. Doch da war sie nicht, außer einen kleinen verschmierten Blutfleck. Stirnrunzelnd blickte ich wieder zur Kamera, um wieder perfekt die Abschlussfeier filmen zu können. Gerade wurden ein paar Schüler dazu aufgerufen, wenn sie wollen, noch etwas zu sagen. Und wer meldete sich sofort freiwillig? Richtig, Kane.

"Ich mache es kurz", bemerkte er. "Fick dich, fick dich, du fickst dich auch, fick du dich doppelt, du bist in Ordnung, fick dich, fick du dich mehrmals, fick dich und fick dich. Ende", zählte Kane auf und zeigte auf seine Mitschüler. Bei Solin und Kane, war er not gnädig. Dann drückte er den ziemlich verstörten Direktor das Mikrofon in die Hand und verließ die Bühne.

"Hm, wer möchte noch was sagen? Wie wäre es mit dir Nico?", fragte er.

"ICH!?", kreischte mein Neffe panisch. Was hatte der denn? Hat er einen Furz quer sitzen, oder was? Hat der gekifft?

Nico ging nervös nach vorne und schnappte sich das Mikro. Dann räusperte er sich und gab irgendwelche unverständlichen und verstörenden Laute von sich, eher er anfing zu heulen wie am Spieß. "OH GOTT! ES IST MEINE SCHULD, DASS MEINE TANTE VAGINAL GEPLATZT IST! OH MEIN GOTT!", kreischte dieser und schmiss das Mikrofon auf den Boden, ehe er von der Bühne lief. Und was war? Richtig, mal wieder riss er die Tegtmeyer mit und die knallte wieder von der Bühne runter.

"Genau deshalb sollte man seine Kinder von Drogen fernhalten", bemerkte irgendeine Mutter.

"Manche Leute sollten sich gar nicht fortpflanzen, weil sie so hässlich sind und dumm sind, dass es den Mitmenschen einfach nur weh tut, diese Leute sehen zu müssen!", kam es von irgendeinem Vater.

"Der war gut", sagte ich zu ihm.

"Ja, den habe ich von ihrem Sohn", bemerkte er.

"Hä?"

"Ich bin Solins Vater."

"Oh hey, nett dich kennenzulernen", sagte ich. "Ich bin Marco."

"Thomas", sagte er und drehte sich wieder nach vorne.

Ich wandte mich zu meiner Schwester. "Hier, film weiter. Wer weiß, was noch so passiert. Ich gehe mal kurz meine Frau suchen."

"Ist die schon wieder weg?"

"Ja, siehste doch. In Luft aufgelöst, kann sie sich nicht haben."

"Sie ist Schottin. Sie kann alles."

Nachdem ich mich zwischen den anderen genervten Eltern zum Ausgang gequetscht hatte, war ich irritiert als ich die Sirenen eines Krankenwagens. Mir ahnte böses und ich lief raus. Nachdem ich dort hingelaufen war, wo ich das Auto abgestellt hatte, wäre ich am liebsten umgekippt. Ja, meine Frau wurde abgeholt. Und was hielt meine Frau in ihren Armen? Richtig. Ein Baby. Jetzt hatte sie nicht das Kind zur Welt gebracht, während ich den Abschluss unseres Erstgeborenes verfolgte.

"Schatz!", rief ich und blickte in den Krankenwagen. "Was? Wieso hast du nichts gesagt?"

"Ich wollte den Tag von Kane nicht ruinieren", antwortete sie nur.

"Da kann man wohl mal sagen, dass sie eine gute Mutter ist", hörte ich jemanden hinter mir sagen. Ich drehte mich um und blickte zu Elena. "Wie auch immer. Ich werde drinnen bescheid geben. Du fährst mit ihr ins Krankenhaus. Die Autoschlüssel vom Auto drücke ich wem in die Hand?"

"Uhm, hast du ihr geholfen?"

"Ja, ich hab das Kind aufgefangen, bevor es durch die Windschutzscheibe gekracht wäre", sagte Elena trocken und sofort erkannte ich in diesem sarkastischen Unterton meine Frau. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

"Meiner Schwester, oder so. Keine Ahnung", sagte ich nur und sprang in den Krankenwagen.

"Sie müssen sich vorne hinsetzen", bemerkte die Sanitäterin.

"Ja, gleich. Ich wollte eben nur zu meiner Frau und meinem Kind."

Ich drückte May einen Kuss auf die Stirn und blickte dann auf das kleine haarige Wesen in ihren Armen, welches in einer Rettungsdecke verpackt worden war.

"Wieso hast du mir nichts gesagt. Hast du dort echt die ganze Zeit mit Wehen gesessen?", fragte ich meine Frau und strich ihr über den Hinterkopf, während ich mit der anderen Hand über das kleine und käseschmierige Wange streichelte. "Ich meine, du quälst dich da. Und wann ist die Fruchtblase geplatzt?"

"Zu Hause. Nico hat mich erschreckt. Er dachte ich wäre Kane." May klang fertig und so sah sie auch aus.

"Ach man", bemerkte ich und blickte von meiner Frau auf das Baby. "Und wen haben wir denn da?"

"Darf ich dir vorstellen, deine Tochter Aleyna", sagte May und blickte von dem Baby zu mir.

"Aleyna? Wie deine Mom?"

"Nein. Aleyna nach Tugbas Zweitnamen. Was glaubst du, was gerade los war. Sie war erst völlig happy, da sie dachte, ich habe meine Tochter nach ihr benannt. Bis ich ihr erklärt habe, dass ich von einer Freundin rede."

Ich unterdrückte mir ein lautes Lachen. "Na dann, willkommen kleine Aleyna auf den Planeten. Deine behinderten, aber liebevollen Geschwister wirst du noch kennenlernen. Vollkotzen darfst du die auf jeden Fall."

Aleyna zuckte zwar leicht bei meinen Berührungen zusammen, schien sich aber sonst nicht stören zu lassen und schlief einfach weiter.

"Sie ist perfekt", bemerkte ich. "Auch wenn sie aussieht, wie eine schrumpelige Kartoffel, die mit diesem weißen Zeug von der Lasagne überzogen ist- und Blut."

"Aleyna, dass ist dein Papa und der ist ein bisschen behindert", flüsterte May unserer Tochter zu. Ich musste nur lachen, selbst die Sanitäter konnten sich kein Lachen verkneifen.

"Na, dann hat sie ja die richtige Familie gefunden", bemerkte der Sanitäter und schickte mich dann nach vorne in den Krankenwagen.


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Sorry, dass das Kapitel erst jetzt kommt. Ich wollte es noch am selben Tag Uploaden, als da vorherige Kapitel kam. Jedoch wurde das fertige Kapitel wieder gelöscht und ich durfte von vorne Anfangen. Habt Spaß beim Lesen. Ich freue mich wie immer über Kommentare.

Schönen Freitag Abend noch

Dia


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