Kapitel 65

Kapitel 65

~ May's Sicht ~

"Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich nächste Woche im Disneyland Paris bin", bemerkte Kane freudig und kam stolzierend die Treppen herunter.

"Ja, für deinen Tripp mit deiner Freundin freust du dich wie Fritz Bolle, aber wenn du mal daran bedenkst, dass du heute deinen aller letzten Schultag hast", bemerkte Mina.

"Das interessiert mich wenig. Hauptsache ich bin von der Schule weg."

"Richtig so. Hauptsache du bist dem Eichelsack endlich los", stimmte mein Mann zu.

"Jetzt genug von meiner schulischen Karriere geredet. Wie sehe ich aus?"

"Du siehst gut aus", bemerkte ich stolz.

"Steht dir", stimmte Janu zu.

"Du siehst zum Kotzen aus", fügte Mina hinzu.

"So, wir beide gehen ins Auto", sagte Marco und schob seine Tochter in Richtung Tür, während Janu sich noch mal im Spiegel checkte.

"Ja, du siehst zum kotzen aus, Schwesterherz. Geht ihr schon mal zum Auto und ich hole nur noch schnell die Kamera."

"Yvonne ist auch schon da", bemerkte Kane nachdem er aus dem Fenster geschaut hatte. "Soll ich dir helfen, Mom?"

"Nee, ich weiß ja, wo ich das Ding finde. Geht schon mal zum Auto und dann wird ein Familienfoto gemacht."

"Okidoki, Mom", sagte Kane fröhlich und verschwand aus dem Haus. Ich ging ins Wohnzimmer, über den Teppich zum Schrank, um dort Marcos Kamera herauszuholen. Als ich diese hatte, ging ich wieder aus dem Zimmer in Richtung Flur, um mir meine Handtasche zu schnappen, doch es kam anders.

"WUAAAAH!", schrie Nico mich an und wollte mich gerade noch mit einer Packung Mehl nach mir werfen. Aber er hielt Inne und schien genauso erschrocken wie ich. "Ey, haste dich eingepinkelt vor 'Erschrockenheit'?" Ich blickte schockiert auf meine Füße, die in Fruchtwasser getränkt worden waren. Och nö. Bitte nicht heute. Bitte nicht jetzt.

"Er-schro-cken-heit, Nico ist kein Wort", bemerkte ich knurrend und hielt mir die Kugel. "Du wischst das jetzt auf und ich gehe mich umziehen. Und kein Wort zu niemanden."

"Ja, ok", meinte er und stellte die Mehltüte neben sich auf die Kommode. "Ja, du kannst dich ja mit Mama darüber unterhalten, wieso man im Alter so undicht wird. Weißt du."

"Noah, Nico. Mir ist gerade die gottverdammte Fruchtblase geplatzt", knurrte ich sauer und packte meinen Neffen an dem Kargen seines Anzugs.

"Das heißt, dass du gleich da Erdbeeren oder so rausbekommst? Ich meine, wenn die Fruchtblase platzt? Ähm. Du weißt?"

"Es ist schon eine verdammt gute Leistung von dir, dass du überhaupt weißt, wie man atmet. Noah, kein Wort zu niemanden. Wirklich niemanden. Und jetzt bring die Kamera nach draußen. Sag meinen Mann, wenn er fragt, wo ich bleibe, dass ich mich umziehen will, da mir die Jeans doch nicht mehr so zusagt, ok?"

"Hm, ok."

"Und wenn du singst, dann schwöre ich dir, schenk ich dir zu Weihnachten einen Freiflug in den Phönixsee."

"Aber, wieso?"

"Ich will den Abschluss meines Sohnes miterleben."

"Ja, wäre auch blöd, wenn du den nicht erleben würdest, da die Fruchtblase der Erdbeeren geplatzt ist."

"Halt einfach dein Maul", bemerkte ich genervt und drückte Nico die Handtasche und die Kamera in die Hand, ehe ich noch oben ging.

"Hä. Ich dachte ich soll sauber machen?"

"Mach ich auch gleich. Mit deinem Gesicht."

"Bäh, nee, ich mag keine Erdbeeren", sagte er und rümpfte angewidert die Nase, ehe er aus dem Haus verschwand. Toll, da ich in den letzten Tagen keine Lust auf Wäsche hatte, musste ich eben ein Blumenkleid anziehen. Nachdem ich mich noch mal frisch gemacht hatte, schmiss ich Handbücher auf die Pfütze und ging dann auch mal nach draußen.

"Wo bleibst du denn?", fragte Marco mich, nachdem ich die Tür zugemacht hatte. Ich drehte mich zu ihm und ließ mir nichts anmerken, dass mir gerade, dank Nico, die Fruchtblase um die Ohren geflogen ist.

"Wollte doch ein Kleid", antwortete ich nur. "Habt ihr schon ein paar Fotos gemacht?"

"Ja,  und jetzt machen wir welche mit dir", bemerkte Kane. "Meine Mom darf ja da nicht fehlen."

"Wann kommen eigentlich Emy, Noah, Melanie, Mama und Papa?", fragte Marco Yvonne.

"Die wollten zur Schule hinkommen."

"Warte, kommt Moritz nicht auch?", fragte Kane und legte nachdenklich die Stirn in Falten.

"Nanu, dass kann ja was werden", kicherte Yvonne leise. Dann klatschte sie in die Hände. "Fotos."

"Yeih", quietschte Kane und zog mich zu sich.

Nachdem wir dann auch ein paar Fotos hinter uns hatten, staunten wir nicht schlecht, als plötzlich eine weiße Limousine vor unserem Haus hielt.

"Alter, was?", fragte Kane grinsend.

Als die Tür aufging, staunte er nicht schlecht, als Auba und Curtys aussteigen.

"Nico Binner und Kane Reus, bitte anstellen. Ihr Wagen ist da", bemerkte Auba.

"Eine kleine Überraschung für euch beiden", grinste Curt. "Na kommt. Wir haben nicht lange Zeit. Wir haben einen Abschluss zu feiern."

"Den du letztes Jahr schon machen..."

"Ich weiß, dass ich sitzen geblieben bin, Nico. Besser in der Schule sitzen bleiben, als wie im Hirn", Curt stieg wieder ein und alle anderen mussten Lachen.

"Ich fahre bei euch mit", bemerkte Auba. "Ist in Ordnung?"

"Ausnahmsweise", scherzte ich.

"Ich weiß du liebst mich, Süße. Ich nehme das nicht mehr als Beleidigung." Er zwinkerte mir zu und ich hielt ihm nur den Daumen entgegen.

Als die Limousine weg war, machten auch wir uns auf dem Weg. Auba und Marco vorne im Auto. Janu, Mina und ich hinten.

"Kommt Moritz dahin?", fragte ich, als wir auf dem Parkplatz der Schule hielten.

"Er weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht kommt er auch gar nicht", antwortete mein Mann. "Der hilft bestimmt Saskia und Leo im Club,  um alles für die Abschlussfeier vorzubereiten."

"Leo und Saskia sind?", fragte Janus.

"Leo hatte mal beim BVB gespielt und ist ein ziemlich guter Kumpel von mir."

"Und Saskia eine ziemlich gute Kumpeline von mir", fügte ich hinzu. "Die beiden haben mehrere Clubs im Ruhrgebiet, Leipzig und Cottbus. Auch hier in Dortmund. Ich hab das arrangiert, dass die bei denen feiern können, da die besten Locations schon weg waren, oder einfach zu teuer."

"Hoffentlich entspricht die Deko auch meinen Erwartungen", bemerkte Janu.

"Wieso dir? Das ist eine Party für Schüler. Nicht für Eltern", lachte Marco.

"Ach Mensch. Achso."

"Ja", meinte ich. "Ich hab genau mit Saskia alles abgeklärt, wie die Deko sein soll. Hauptsache Amerikanisch. Die haben alle für einen 'American Dream' abgestimmt."

"Wenn nicht, brennt der Laden", bemerkte Mina. "Das war Solins Traum. Was glaubst du wieso alle dafür abgestimmt haben. Kane hat für jeden in den drei Abschlussklassen Döner und Getränk ausgegeben."

Marco und ich lachten nur. Ich hörte jedoch abrupt auf und hielt mir den Bauch, der vor Schreck am Stechen war. Aua und Nö!

"Alles ok?", fragte Janu mich.

"Ja, das Kind bewegt sich nur wieder", log ich und versuchte die anstehende Wehe gerade zu unterdrücken. Bitte nicht heute. Bitte nicht.

"Ist ne Duracell", nickte Auba. "Oder einfach Speedy Gonzales. Oder Woody Woodpacker Junior."

"Dein Wort in Gottes Gehörgang", nickte Marco nur und blickte zu mir, nachdem er endlich einen Parkplatz gefunden hatte. "Wirklich alles gut. Du bist so blass?"

"Alles okay."

"Ja, ich erinnere dich daran, dass wir 4 Tage über errechneten Geburtstermin sind, ne?"

"Ja, weiß ich. Aber das Kind bewegt sich echt nur."

"Okay, aber sobald es nur ein bisschen zwickt, sagst du mir bescheid."

"Ja, Mama", sagte ich genervt und stieg aus dem Auto aus.


   Und da saß ich also in der Turnhalle. Während die Abschlussfeier am Laufen war, saß ich da mit dicken Schweißperlen auf der Stirn und versuchte mir nichts, wegen den leichten Wehen anmerken zu lassen. Ich saß zwar verkrampft da, aber mein Mann schien mit der Kamera lieber das ganze Prozedere auf der Bühne zu filmen. Mehrmals war ich sogar auf dem Klo, um die Binden zu wechseln, die mit Fruchtwasser vollgelaufen waren. Kennt ihr dieses ekelhafte Gefühl, wenn ihr ganz normalen Ausfluss im Schlüpper habt, wegen Eisprung und kurz vor der Periode? Ja. Oder allgemein dieses Gefühl bei der Periode, wenn das raustropft und man keinen Tampon drinnen hat? Ja, dieses Gefühl habe ich! Nur schlimmer.

"Wirklich alles okay, bei dir?", fragte Mina mich, die neben mir saß.

"Ja, alles okay", sagte ich und wischte mir mit den Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. "Es ist nur höllisch warm hier drinnen. Müssten heutzutage nicht alle Turnhallen mit Klimaanlagen ausgestattet sein?"

"Die ist auf volle Pulle an, da die Hütte voll ist, Mom."

"Merke ich aber nichts von", sagte ich und seufzte. Dann war es auch mal soweit, dass da endlich die Abgänger aufgerufen wurden.

"Curtys Aubameyang- endlich sind wir dich los!", bemerkte seine Klassenlehrerin erleichtert. Curtys kam mit seinen dicken Grinsen auf die Bühne und plötzlich war das Gelächter groß, als er seine Hose runterließ und seinen blanken Hinterm präsentierte. Dann nahm er sich schnell sein Zeugnis und verließ ich die Bühne, während die Lehrer alle irritiert stehen blieben.

"Unsere Klassensprecherin!", bemerkte Frau Tegtmeyer stolz. Solin kam in einem wundervollen Pastell-gelbem Kleid auf die Bühne und nahm erleichtert ihr Zeugnis entgegen.

Als Solin die Bühne verließ, war sie sichtlich erleichtert, endlich aus dem Rampenlicht weg zu sein.

"Nico Binner!", rief die Lehrerin von meinem Neffen. Nico kam völlig angespannt auf die Bühne und hatte ein ziemlich merkwürdiges Grinsen drauf.

"Ich muss hiermit erwähnen, dass Nico Binner, Abschlussbester ist. Er hat mit Abstand das beste Zeugnis in diesem Jahrgang erreicht", lobte der Eichelsack und klatschte in die Hände. Als Nico sein Zeugnis hatte, blickte er zu mir, mit weit aufgerissenen Augen. Dann lief er kreischend von der Bühne und riss dabei die Tegtmeyer mit, die von der Bühne krachte.

Auba hinter mir schrie vor Lachen auf. "HAHAHA. HOOOOOOMERUUUUUUUN!"

Sämtliche Eltern lachten. Selbst der Direktor.

"Sie ist geflieeeegt!", hörte ich Solin kreischen.

"Wir heben dich gleich auf, Petra", sprach er ruhig ins Mikro, während eine weitere Lehrerin die Zeugnisse auf den Boden aufsammelte. "Ich mach dann mal weiter." Er blickte auf die Zeugnisse. "Na gut. Die sind durcheinander. Machen wir mal so weiter. Okay. Kane Reus."

Gerade als der Eichelsack den Namen meines Sohnes erwähnte, schoss mir eine üble Wehe durch den Bauch, weshalb ich aufkreischte.

Sämtliche Leute blickten mich an. Ich reagierte schnell und sprang klatschend auf. "Wuuuu! Jaaa! Super! Yeah", schrie ich. Marco zieh mich nur runter und ich wurde immer leiser. Dann hielt Mina meine Hände fest, damit ich nicht mehr klatschend konnte. Sofort ließ ich peinlich berührt meinen Kopf hängen.

"Wuuuu! Jaaa! Super! Yeah! Danke Mom!", hörte ich Kane kreischen. Ich schaute auf und sah, dass Kane sich das Mikrofon vom Eichelsack unter die Finger gerissen hatte. Dieser versuchte es wiederzubekommen, aber Kane drückte ihn immer von sich weg. "Neeeein, neeeeeein, aus. Ich gehe es Ihnen das jetzt nicht. Nein! Aus! Herr Eichelsack. Sitz! Aus! Platz! Nee! Ich will nur was sagen!" Der Eichelsack hob unschuldig die Hände und Kane nickte zufrieden.  Dann drehte er sich wieder zu uns. "Ich fahre nach Disneyland Paris, ihr Bitches", sagte Kane nur, ließ das Mikrofon auf den Boden fallen, was dieses ekelhafte Geräusch machte und verließ mit seinem Zeugnis die Bühne.

  "Wo willst du schon wieder hin?", fragte Mina mich, als ich aufgestanden bin.

Gerade sangen die Mädchen der Abschlussklasse 'Auf uns' von Andreas Bourani. Schlimmer als Mina. Da musste ich nur flüchten. Ja, kann auch sein, dass die Schmerzen einfach nur noch schlimmer wurden.

Ich war froh, dass wir nicht direkt vor der Turnhalle geparkt hatten, sondern etwas weiter auf dem alten Sportplatz.

"Man, wieso jetzt, ey?", fragte ich in Richtung Bauch. "Kannst du dich warten?" Ich schob den Sitz nach hinten und versuchte gleichmäßig zu atmen, um diesen behinderten stechenden Schmerz wegzubekommen. Aber wieso auch? Nö, da wurde das ziehen ja immer schlimmer. Und irgendwann hielt ich es gar nicht mehr aus, sodass ich das ganze Auto zusammenschrie.

Nach zehn Minuten fasste ich mir erschrocken zwischen die Beine, als ich wieder ein Schwall Flüssigkeit war nahm. "W-w-w-w-w-was ist das?", fragte ich mit einem Zittern in der Stimme, nachdem ich etwas merkwürdiges zwischen meinen Beinen ertasten hatte. Ich schob den Rock nach hinten und versuchte mich nach vorne zu lehnen. Aber ich konnte wegen den Bauch nichts erkennen. In meiner Handtasche suchte ich in mein Handy. Dann muss ich da eben mit der Kamera gucken. Nachdem ich ein Foto gemacht hatte, musste ich erstmal ranzoomen, um das alles wirklich zu glauben.

"Nö, nein, absoult nein. Überhaupt nicht. Gar nicht gut. Oh nein. Njet. Never ever. No", zählte ich auf, nach dem ich realisiert hatte, was dort auf dem Bild zu sehen war. Ich musste dringend ins Krankenhaus. Es war höchste Eisenbahn, wenn schon der Kopf am herausgucken war. Ja, der kleine haarige Kopf meines Kindes schaute schon heraus. Dass ging mir eindeutig alles zu schnell.

"Ich schiebt dich wieder rein, wenn du mir den Tag kaputt machst, ganz einfach!", stöhnte ich benebeld und ließ mich wieder in den Ledersitze zurückfallen.

"Wow, das Kind ist noch nicht mal auf der Welt und du hasst es schon. Das kannst du ja nur von mir haben", hörte ich jemanden sagen. Ich blickte zur geöffneten Beifahrertür und sah das völlig Faltenfreie Gesicht meiner Mutter.

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