Kapitel 54

KAPITEL 54

~ Kane's Sicht ~

"Wieso so adrett angezogen?", wurde ich sofort von meiner Schwester gefragt, als ich die Küche am frühen Abend betrat. Sie war kurz vor mir in die Küche gegangen, wo sich meine Eltern gerade am Unterhalten waren. Kaum waren wir Kinder in der Küche, versteckte Papa irgendwelche Papiere in einer Mappe und das Gespräch zwischen den beiden war sofort beendet.

Ich blieb irritiert stehen und blickte zu Papa, der mit den Papieren unter den Armen die Küche verließ. 

"Wieso so aufgebrezelt?", wollte jetzt auch noch Mama wissen, nachdem ich mich nachdenklich an den Küchentisch gesetzt hatte. Mina hatte sich wieder einen Stück vom Käsekuchen geschnappt und setzte sich neben Mom. Sie musterte mich kurz und riss dann die Augen auf. So, als wäre sie endlich auf die Idee des Jahrhunderts gekommen.

"Mom, er hat ein Date mit Solin. Mehr kann man dazu nicht sagen", bemerkte Mina mit vollem Mund.

"Kane, hast du ein Date mit Solin?", fragte Mom mich.

"Nö", sagte ich. "Curtys feiert heute nur eine Abschlussparty 1.0. Für VIP-Leute. Als Kumpel bin ich natürlich eingeladen."

"Klingst ja nicht gerade begeistert", seufzte Mama und trank aus einer Tasse. So wie es roch, war da wieder Kakao drinnen. Man hatte sie eine Sucht danach entwickelt.

"Ach, habe gerade meinem Kopf wo anders", seufzte ich.

"Wieso, was ist los?", fragte Mama sofort.

"Ach, ist gerade egal."

"Warte, du willst doch etwa heute nicht mit Solin, du weißt schon was?", fragte Mina mich. "Und du denkst, du bringst es nicht."

"So ein Bullshit!", polterte ich sofort los. "Und wenn, was geht es dich an, Zimtzicke."

"Ich hasse Zimt! Und ich bin keine Zicke!"

"Die ganze Familie hier im Haus hasst Zimt!", sagte Mama und haute auf dem Tisch. "Und Mina, darüber redest du ganz sicherlich nicht mit deinem Bruder."

"Du ganz sicherlich auch nicht, Mom."

"Freundchen, mich geht das schon was an. Ich hab keinen Bock, dass du in ein paar Wochen ankommst und mir die Ohren voll heulst. Mama, ich habe das Weib geschwängert. Mama meine Eier jucken. Mama, ich habe Filzläuse. Mama, wieso habe ich da unten so einen Ausschlag? Mama, wieso brennt mein Penis? Nein, nein, nein, nein, nein. Nein! So nicht, Kane. Mama, ich habe echt keine Ahnung, was mich da geritten hat- und wir wissen alle, wenn es so sein sollte, was dich denn da geritten hat."

"Mom?", fragte Mina. "Brauchst du Kakao-Nachschub?"

"Ja, bitte", sagte Mama, blickte mich immer noch an, aber schob Mina ihre Tasse rüber. "Mit Sahne." Dann holte sie wieder tief Luft. "Ich kann dich zwar nicht dazu zwingen, aber ich will halt nicht, dass du da durch musst."

"Mom. Wie oft noch, ich bin immer noch, du weißt schon was."

"Die heilige Jungfrau Maria", fügte Mina hinzu.

"Ja, ich bin noch Jungfrau. Ich heiße nicht Nico, Mia oder Curtys, die über alles rüberrutschen, was nicht Niet und Nagelfest ist!"

"Darauf sind Marco und ich, als Eltern auch stolz. Und zwar auf euch beide, dass ihr die reuserischen Nonnen seid. Aber irgendwann seit ihr alt genug und dann passiert es einfach. Papa und ich wollen nur, dass da nichts Negatives bei raus kommt. Es sei denn ist ein positiver Schwangerschaftstest. Das wäre negativ, auch wenn dieser positiv ausfallen würde. Wir sind einfach froh, dass ihr nicht wie die anderen Jugendlichen seid."

"Ja, ich will auch nicht so früh Mama werden", nickte Mina. "Ich meine, ich kann dem Kind ja gar nichts bieten. Erst wenn ich eine richtige Ausbildung in der Tasche habe und meine Rücklagen habe und natürlich den Richtigen, dann würde das schon schön sein."

"Ja, eben."

"Denkst du eigentlich immer noch, dass Papa der Richtige für dich ist, Mama?", fragte ich Mama. Sie musterte mein Gesicht und dann Minas.

"Du, dein Vater lebt noch. Dass muss ja wohl 'ja' heißen, oder etwa nicht?"

Mina lachte leise und stellte Mama die Tasse mit dem Kakao hin. "Danke, Süße."

"Bitte, Mama."

"Ich bereue es auch nicht, mit deinem Vater zusammen zu sein. Meinetwegen bis an meinem Lebensende und sogar darüber hinaus. Er ist einfach perfekt. Auch wenn ich manchmal das Verlangen habe, seinen Kopf rauszureißen, wenn er auch nur dieselbe Luft atmet wie ich. Das menstruierende Frauen-Monster."

"Das kenne ich, Mom."

"Ah, dann bist du das menstruierende Schwester-Monster?", fragte ich sie.

"Ja und? Neidisch?"

"Darauf fast zu verbluten? Ganz sicherlich nicht."

"Okay, wann musst du eigentlich los? Soll ich dich fahren, oder wie regelt ihr das?"

"Ich fahre da mit der S-Bahn hin. Solin steigt dann irgendwann ein. Ich weiß nicht, ob du mich nachher abholen musst, oder ob ich im Suff auf der Couch wegpenne."

"Und ich dich morgen früh, mit Edding-bemalten Gesicht abholen kann?"

"Nein. Keine Angst, ich halte mich von Menschen mit Ohrringen fern", fügte ich noch hinzu und grinste. Wie Mama einen immer ablenken kann, obwohl man fünf Minuten vorher noch die Befürchtung hatte, dass die Familie auseinanderbrechen könnte.

"Du weißt ja wie die Anruf-Option funktioniert. Wenn was ist, rufst du mich einfach an."

"Mach ich, Mom", nickte ich. "Ich mach mich dann mal weiter fertig und wenn Papa nichts dagegen hat, dann nehme ich mal sein Dolce und Gabanna Parfüm."

"Du bist doch schon fertig angezogen?", fragte Mina mich.

"Ja, aber ein Hemd ist doch zu blöd. Ich ziehe lieber ein schwarzes Basic-Shirt an."

"Zieh an, was du willst. Aber frag nicht, was gut aussieht oder nicht. Du scheißt doch eh auf die Meinung, wenn's um deine Klamotten geht."

"Mimimimimi", meinte ich und verschwand nach oben ins Zimmer. Ich hielt jedoch inne, als ich Papa telefonieren hörte.

"Ich weiß nicht, ob das so einfach geht?", murmelte er. "Wenn May das mitbekommt? Genau, dass will ich nicht. Das ist gerade das Letzte, was ich gebrauchen könnte, wenn sie davon Wind bekommt? Wieso? Weil wir uns dann streiten. Ganz einfach. Die würde das eh nicht verstehen."

Über was mein Vater da wohl redete? "Ricarda, ich hab's dir doch gerade erklärt", redete Papa weiter. Wieso um alles in der Welt, redete er mit unserer Anwältin? Und über was redeten die? Ich dachte eine kurze Zeit nach und dann wurde es mir klar. Papa will die Scheidung von Mama, weil er eine Affäre oder Beziehung mit unserer Anwältin hat. Ich stürmte sofort auf mein Zimmer und machte mich weiter für die Party fertig. Ich verließ das Haus so, dass es niemand mitbekam, dass ich überhaupt weg war. Wenigstens heiterte Solin mich wieder auf, als sie zu mir in die S-Bahn stieg.

"Eyjo", begrüßte sie mich.

"Eyjo", sagte ich und stand extra von meinem Platz auf, damit sie zum Fenster rüber rücken konnte, die S-Bahn sich eh Abends immer füllte und ich keine Lust hatte, dass sie sämtliche Rucksäcke und Ellenbogen ins Gesicht bekam. 

"Oh, okay, danke", bemerkte sie und setzte sich am Fensterplatz hin. Ich war echt froh, Solin wieder zusehen, damit ich ihr gleich erzählen konnte, was ich für eine Vermutung hatte. Bevor ich mich hinsetzte, musterte ich Solin kurz. Sie trug eine enge schwarze Jeans, ein T-Shirt und weiße Sneakers. Über dem T-Shirt trug sie eine Lederjacke. Ich setzte mich wieder neben sie und seufzte. "Siehst ja nicht gerade begeistert aus. Alles gut?"

"Ich werde mich heute einfach nur abfüllen", bemerkte ich. "Ich denke ich habe da einen guten Grund zu."

"Du weißt, ich habe immer ein offenes Ohr für dich. Es sei denn, ich schlafe. Dann schlafe ich."

"Ja, dass weiß ich", seufzte ich. "Das Problem ist, weißt du, ich... ich glaube, dass mein Vater was mit meiner Anwältin am Laufen hat und das er jetzt die Scheidung von meiner Mutter will, damit er mit der Schlampen-Anwältin durchbrennen kann."

"So ein Scheiß, als ob er sowas machen würde. Die sind glücklich."

"Die sind so anders gegenüber, seitdem Papa in London war. Du kennst die beiden ja."

"Ja, eben. Deshalb kann ich mir das nicht vorstellen."

"Die haben heute kaum ein Wort miteinander geredet. Egal, was meine Mutter gesagt hatte, fand Papa sofort blöd. Dann saßen die in der Küche, haben irgendwas besprochen, als Mina und ich dazu kamen, hat Papa die Papiere geschnappt und ist aus der Küche raus. Wenig später habe ich Papa mit der Anwältin telefonieren hören. Mama, darf das nicht mitbekommen, sonst würden sie sich streiten. Mama würde das eh nicht verstehen."

"Ok, dass ist blöd. Und was ist mit deiner Mama?", fragte Solin und schien am Grübeln zu sein.

"Ich kenne sie. Wenn es ihr nicht gut geht, dann trinkt sie nur noch Kakao. Und das macht sie in letzter Zeit immer wieder. Seit Papa aus London zurück ist."

"Och, Kane", seufzte Solin. "Wir werden da schon eine Lösung für finden."

"Hm, wenn mein Vater meine Mutter bescheißt, dann kann ich für nichts garantieren. Das sage ich dir."

"Und wenn es so sein sollte, was ich nicht hoffe, dann werden beide schon ihren Grund dafür haben. Vielleicht läuft es bei deinen Eltern gar nicht und sie sind schon getrennt. Vielleicht hat dein Vater auch die Erlaubnis, sich mit anderen Frauen zu treffen."

"Das ist doch bescheuert. Was ist mit meiner Familie? Denken die an Mina und mich? Wissen die, was die machen, wenn das so sein sollte. Ich könnte das einfach nicht glauben. Für Mina und mich wird eine Welt zusammenbrechen."

"Die Welt wird für euch Kinder immer zusammenbrechen, wenn es um eine vermutliche Trennung eurer Eltern geht. Ich kenne das Gefühl zu gut."

"Ja, aber trotzdem ist es Scheiße."

"Glaub ich dir. Aber mach jetzt nicht aus einer Mücke einen Elefanten. Vielleicht gibt es auch ganz andere Erklärungen dafür und das stimmt alles gar nicht. Vielleicht hat dein Vater gerade nur seinen Kopf woanders, weshalb es gerade komisch zu deiner Mom ist."

"Fakt ist. Er verheimlicht meiner Mutter etwas. Und ich werde herausfinden, was es ist. Und wenn Papa meine Mom betrügt, dann wird er dafür bluten. Das sag ich dir."


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