Kapitel 45
KAPITEL 45
~ Kane's Sicht ~
"Viel zu viele Menschen, da kriege ich einen halben Herzinfarkt", murmelte Mina und klammerte sich an meinem Arm fest. Ich blickte zu meiner kleinen Schwester hinab und seufzte. Mina war nicht gerade der Fan von Menschenmengen, da bekam sie immer ziemlich Schiss. Seit dieser Terror auf der Welt nicht aufgehört hat, und selbst in Deutschland Anschläge passierten, war Mina noch skeptischer gegenüber Menschen gewesen und versuchte so gut es ging, Mengen an Menschen zu vermeiden. Daher ging sie auch nicht mehr so gerne ins Stadion, oder auf den Weihnachtsmarkt. Zur Beruhigung drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn, was natürlich wieder nach hinten los ging. Sie riss sich von mir los und blickte mich völlig entsetzt an. "Bist du - äh, bah, ih, Kane!", stammelte sie und rieb sich wie wild die Stirn. Ja, Hauptsache erstmal die hochätzenden Keime des großen Bruders wegmachen.
"Soll ich dir noch Desinfektionsgel draufklatschen?", fragte ich ironisch.
"Nee", sagte Mina und kriegte sich wieder ein. "Wieso machst du sowas?"
"Hallo? Du warst blass, da du riesigen Schiss hast, ich wollte dich nur beruhigen. Das hat früher auch immer geklappt, wenn du traurig oder am Schreien warst."
"Früher. Jetzt nicht mehr - außer von Mom, da geht es immer noch", murmelte sie.
"Ja, gewöhne dich dran. Ich bin dein Bruder, irgendwie hab ich dich auch lieb und das muss ich dir nicht nur durch Beleidigungen oder Streiche zeigen. Ein kleines Küsschen gehört dazu", sagte ich und winkelte meinen Arm an, damit Mina sich einhaken konnte. Sie schnitt eine Grimasse und hakte sich dann doch ohne große Widerrede ein.
"Kannst du mir mal verraten, was du hier kaufen wolltest?", fragte Mina mich, als wir weiter durch die Thier-Galarie gingen.
"Gut, dass du da bist. Ich denke, du kannst mir da ein wenig weiter helfen."
"Wobei denn?"
"Solin hat bald Geburtstag und ich wollte ihr nur ein kleines Geschenk kaufen. Weißt du, was man ihr kaufen kann?", fragte ich meine Schwester hoffnungsvoll.
"Parfüm?"
"Nee, dann denkt sie noch, dass ich denke, dass sie stinkt. Daran denke ich gar nicht und ich will auch nicht, dass sie denkt, dass ich denke, dass sie stinkt, was sie nicht tut."
"Wäre ich blond, würde ich dir nicht mehr folgen können, in dem was du da von dir gibst", sagte Mina. "Schminke?"
"Nee, dann denkt sie noch, dass ich denke, dass sie hässlich ist. Daran denke ich gar nicht und ich will auch nicht, dass sie denkt, dass ich denke, dass hässlich isst, was sie nicht ist."
"Klamotten?"
"Kann sie sich selber kaufen."
"Einen Gutschein für was auch immer?"
"Nee, dann denkt sie noch, dass ich denke, was auch immer. Daran denke ich gar nicht und ich will auch nicht, dass sie denkt, dass ich denke, was auch immer, was nicht so ist."
"Hör auf damit!", motzte Mina mich an und schlug mir auf der flachen Hand auf den Hinterkopf. "Okay, weißt du, was sie gerne macht? Ihre Hobbys?"
"Sie tanzt Hip-Hop."
"Falsch! Jeder an der Schule weiß, das Solin Ballett tanzt, du Volldepp."
"Haben wir hier irgendwo ein Ballett-Fachgeschäft?"
"Ja, Amazon", meinte Mina genervt und verdrehte die Augen. "Ich habe ein paar Mädels, mal wegen Solin ausgequetscht und habe einige interessante Dinge über sie erfahren."
"Und wieso in alles in der Welt, machst du einen auf Profiler des FBI's?"
"Du bist mein Bruder. Ich muss auch gucken, ob das Mädchen, was dir gefällt, auch mir gefällt. Und sie gefällt mir. Besser als Chantal, oder Jacky."
"Achso okay, und was hat Agent Mina Reus herausgefunden?"
"Ihre Lieblingsfarbe ist babyblau, sie hat Schuhgröße 38, sie tanzt Ballett, sie hört gerne Musik- The Weeknd, ihr Lieblingsparfüm ist Our Moment von One Direction, Scheiß Band, guter Duft, und sie liebt Huskys."
"Ich hab's Mina! Ich denke an einem Husky, der Our Moment trägt und in babyblauen Ballettschuhen Ballett zu Angel von The Weeknd tanzt!"
Wieder bekam ich eine flache Hand über den Hinterkopf gezogen. "Wir holen ihr ein Album von The Weeknd, das Parfüm und einen Kuscheltier Husky, Kane. Ich weiß schon, wo wir das alles finden werden. Das packst du dann ein und dann brauchst du dir keinen Kopf mehr machen. Ach und eine Geburtstagskarte ist auch schön. Danach gibbes Döner beim Dönermann des Vertrauens in der Thier-Galarie für uns, okay?"
Noch bevor ich irgendwas anderes sagen konnte, hatte Mina mich am Kragen meiner Jacke gepackt und zerrte mich in Richtung Geschäfte.
Nachdem wir das alles hatten, lief Mina in Rossmann rein, um noch Geschenkpapier und eine kleine Schachtel zu holen, da sie nicht wusste, ob wir das zu Hause haben. Irritiert blickte ich zu den Rettern in den roten Jacken, die an mir vorbei liefen. "Platz da, Notfall!", rief einer der Sannis und schubste einen Türken bei Seite.
"Ömer!", rief ich entsetzt und blickte den Typen an. Dieser reagierte auf meinen Namen und blickte mich komisch an.
"Wer will das wissen?", fragte er und blickte mich böse an. Jetzt nur noch die Bomberjacke und der Pferdeschwanz und hier hätten wir eine hübschere und jüngere Version von Hakan.
"Ömer Sahin?", fragte ich verwirrt und kniff die Augen zusammen.
"Wer will das wissen?", fragte er mich wieder.
"Musst du dich wieder mit Leuten anlegen", sagte Mina hinter mir und haute mir mit der Rolle Geschenkpapier einen über.
"Alter, macht dir das Spaß?", fragte ich sie.
"Was willst du und was willst du von mir?", fragte Ömer mich und kam auf mich zu.
"Du bist Nuri's Sohn?", fragte ich ihn.
Er nickte nur und blieb vor mir stehen. "Und was willst du von mir?"
"Nur mal 'Hallo' sagen, Ömer. Wir haben immer als Kinder zusammen gespielt. Ich bin Marco's Sohn. K-Kane?" Ich hielt ihm die Hand hin, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte.
"Wie Deutsch bist du? Das einzige was ich Schüttel, ist meine Morgenlatte, Alter", sagte er und umarmte mich. Irritiert schielte ich zu Mina, die sich kein Grinsen verkneifen konnte. "Ist voll lange her, dass wir uns gesehen haben. Hab vorhin deine Mutter beim Dönerladen getroffen." Ömer ging einen Schritt zurück und haute mir freundschaftlich auf die Wange. "Wie geht's dir?"
"Gut und dir?", fragte ich irritiert.
"Deine Freundin?"
Mina lachte nervös, dann blickte sie sauer. "Ich bin seine Schwester. Wir sehen uns ähnlich!"
Ömer schaute zwischen uns hin und her. "Nö", meinte er nur. "Sorry, hätte ja sein können, dass du seine Freundin bist."
"Gott sei dank bin ich nicht seine Freundin, leider seine Schwester."
"Hey!", sagte ich gespielt beleidigt.
"Manchmal leider", verbesserte Mina sich und rollte mit den Augen.
"Du hast meinen Alten nicht zufällig nicht gesehen?", fragte Ömer mich.
"Nee, ist er dir abhanden gekommen?"
"Im Alter wird's schlimmer", seufzte Ömer. "Entweder pflanze ich denen bald einen Peilsender in den Nacken oder liefere die im Altenheim ab."
"So schlimm, ist das bei unseren Eltern noch nicht", sagte ich. "Also, treibt sich meine Mutter hier noch irgendwo herum?"
"Ja, kann sein, dass sie auch schon weg ist. Ist es eineinhalb Stunden her."
"Hast du deine Freundin geschwängert?", fragte Mina Ömer. Sie zeigte auf die Plastiktüte, wo das Emblem eines Babyladens drauf war.
Ömer lachte. "Nein, meine Mutter ist schwanger. Hab nur ein paar Geschenke für meine kleine Schwester gekauft."
"Herzlichen Glückwunsch", sagte ich freudig. "Bei unserer Mama ist auch ein Kind unterwegs."
"Weiß ich schon, auch dafür herzlichen Glückwunsch. Was hast du eingekauft?"
"Für seine angehende Freundin ein Geburtstagsgeschenk, um ihr weiter in den Arsch zu kriechen", murmelte Mina. Ömer lachte leise. "Genau so ein Mundwerk wie deine Mom."
"Woher willst du das wissen, wenn du ein Kind warst?"
"Baba und Mamas Geschichten-", Ömer blickte irritiert, als sein Handy am klingeln war. Der hatte jetzt nicht ehrlich, dieses bescheuerte Lied als Klingelton. "Wooooooooooooo bischt du mein Sooooonnenlischt, isch liebe disch, isch vermisse disch!" Ömer wurde knallrot und ging sauer an sein Handy. "Boah, Baba, hast du wieder mein Klingelton geändert? Ja, das eine mal dieses Lied über Hackfleisch und jetzt dieser Scheiß? Was kommt als nächstes? Ein Liebeslied über Erdogan?" Ömers Gesichtsausdruck änderte sich augenblicklich und er wurde blass. "Wie? Wo? Ja, dahinten bei Saturn? Ich bin gleich da. Ja, Baba. Bin gleich da. Geht's Mama und dem Baby gut? Im Fahrstuhl? Mit wem? Wie keine Ahnung, musst du doch wissen. Alter. Bin gleich da, ja ich mach ja schon yallah." Ömer legte auf und redete wirres Zeug, ehe er sich umdrehte und von uns verschwand. Mina und ich blickten uns irritiert an und zuckten gleichzeitig mit den Schultern.
"Döner?"
"Döner!", nickte sie zustimmend.
~ May's Sicht ~
"Ich hab fast vergessen, wie nervig Babys sein können, wenn sie schreien", sagte ich leise und blickte zu Tugba, die ihre Tochter in meiner Strickjacke eingewickelt hatte und in ihren Armen hin und her wiegte, damit sie endlich Ruhe gab.
"Ich hab fast vergessen, dass wir immer noch im Fahrstuhl stecken", entgegnete Tugba und konnte ihren Blick nicht von ihrer kleinen Tochter lassen.
"Mit wem hat sie Ähnlichkeit?", fragte ich sie.
"Ähnlichkeit? May, ich bitte dich. Die sieht aus wie eine schrumpelige Kartoffel, der man einen schwarzen Hamster auf den Kopf gesetzt hat."
Ich lachte leise. "Ja, stimmt."
"Boah, deine Hände sind voller Blut."
"Ja, erinnere mich nicht daran", meinte ich. "Ich hoffe wir kommen hier gleich raus und du kannst mit der kleinen ins Krankenhaus. Hast du schon 'nen Namen für sie?"
"Ich dachte ich hätte noch eine Woche. Noch nicht", sagte Tugba. "Willst du sie mal halten?"
Ich schüttelte meinen Kopf. "Ich bin noch am zittern. Sonst kommt aus dem kleinen Mund ein Brustmilchshake raus. Das Desaster will ich nicht miterleben."
Tugba blickte zu mir. "Danke dir, Kleine." Sie lächelte mich an und ich grinste nur. "Ich lade dich zum Döner ein, wenn ich wieder aus dem Krankenhaus bin."
"Boah, da kann ich nicht nein sagen."
"Gut", nickte Tugba und ich merkte ihr an, dass sie noch etwas auf den Herzen hatte. "Du, May?"
"Hm?", fragte ich und streichelte dem neuen Erdbewohner über die leicht blutige Hand.
"Vergessen wir den Scheiß, okay?"
"Was für einen Scheiß?", stellte ich mich gespielt dumm.
Sie wollte mich gerade daran erinnern, bis es bei ihr 'Klick' machte. "Okay", nickte sie nur und blickte ihre Tochter wieder an. Ich blickte erleichtert zu Tugba, als sich endlich dieser gottverdammte Fahrstuhl in Bewegung setzte. Die Türen gehen auf und bevor der Notarzt den Fahrstuhl betreten konnte, zerrte Nuri diesen zurück. "Heeey!", rief dieser verwundert.
"Tugba!", sagte Nuri und kniete sich gleich neben seiner Frau. Ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als er seine kleine Tochter anblickte. "Wieso kommen alle meine Kinder ohne mich auf die Welt?"
"Weil sie eine Memme nicht ertragen können", hörte ich Ömer rufen, der hinter den Sannis stand. Einer der Sannis half mir hoch und versuchte sich an Nuri vorbei zu quetschen.
"Kann mir jemand das ganze Blut von meinen Händen machen?", fragte ich einen der Ärzte. Der eine war so nett und gab mir Desinfektionstücher, mit denen ich meine Hände von den Blut befreien konnte.
Gerade als ich diese in den Mülleimer werfen wollte, wurde ich von Nuri umarmt. "Danke, dafür, dass ihr euch endlich ausgesprochen habt. Danke dafür, dass du neben Spielerfrau und Mutter zur Geburtshelferin wurdest." Er drückte mich noch einmal fest, ehe er dann wieder im Fahrstuhl zu seiner Frau verschwand. Ich blickte zu den beiden Sannis, die sich in den Haaren hatten.
"Was? Du Pisser solltest die Trage mitnehmen?"
"Nö, sehe ich nicht ein. Ich trage die Trage andauernd. Das sehe ich nicht mehr ein."
"Hömma, ich bin länger hier als sonst, ich hab das sagen, also hol die Trage, oder du bist gefeuert."
"Fick dich doch!"
"Tut mir leid, so elastisch bin ich auch wieder nicht. Hol die verfickte Trage."
Ömer schmiss die Tüte auf den Boden und packte beide im Nacken. "Wie wäre es, wenn ihr beiden die verfickte Trage holt und meine Mutter und Schwester ins Krankenhaus bringt, bevor ihr diejenigen seit, die die verfickte Trage benötigen." Die beiden Sannis blickten Ömer an und nahmen beide Beine in die Hand. "Frau Reus!", meinte der Notarzt und drückte mir meine Sachen in die Hand.
"Danke. Das Baby ist gesund?"
"Mehr als gesund", nickte dieser und verschwand wieder im Fahrstuhl.
"Danke, Tante May", rief Ömer mir rüber, ehe er von seinem Vater gerufen wurde. Ich denke hier war mein Dienst getan. Ich zog mir meine Jacke an und kramte in meiner Handtasche nach meinem Autoschlüssel, damit ich ich auch nach diesem anstrengenden Tag, auf dem Weg nach Hause machen konnte. Ich war auf einmal ziemlich müde und fertig und sehnte mich nur nach meinem Bett. Dann muss ich wohl wann anders, nach Klamotten und Möbel für das Baby gucken.
"Ob du behindert bist, hab ich dich gefragt?", hörte ich Kane rufen, als ich zu Hause ankam.
"Du bist der behinderte!", schrie Mina zurück. "Komm damit klar, du Scheiß Camper, dass ich ich geholt habe. Guck dir das an! Guck dir die Wiederholung an. Du bist da doch eindeutig am Campen. Wie du da wartest, du Camper!"
"Das ist taktisches Warten!"
"Hey, ist gut jetzt. Ich versuche mich mit eurem Vater zu unterhalten!", brüllte auch noch Mario herum. "Habt ihr eigentlich kein Zimmer? Wieso macht Mina dich nicht da weiter fertig?"
"Hast du hier was zu sagen? Nein, hast du nicht?"
"Mina!", mahnte mein Mann streng, während eine andere Person nur am Lachen war- Marcel. Ich verhielt mich leise und ging mit Sack und Pack sofort nach oben. Im Schlafzimmer schmiss ich Jacke und Tasche auf den Boden und schmiss mich gleich ins Bett.
"Hey, wieso hast du dich an uns vorbei geschlichen?", hörte ich Marco fragen, der ins Schlafzimmer kam.
"Ich bin gerade nur fertig und will schlafen", antwortete ich.
"Hat das damit zu tun, dass du als Geburtshelferin der Sahins so müde bist?", hakte er weiter nach und setzte sich zu mir aufs Bett. Sofort zog er mich zu sich und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
"Ja", murmelte ich und kuschelte mich an meinem Ehemann ran. "Woher weißt du das?"
"Nuri hat mich angerufen und gefragt, ob wir nicht in den nächsten zwei Tagen ins Krankenhaus kommen möchten." Ich bekam augenblicklich Gänsehaut, als Marco mir über den Rücken strich. Ich liebte das so, wenn mein Rücken gekrault wurde. Das beruhigte mich immer so.
"Machen wir", nuschelte ich.
"Okay, soll ich dich schlafen lassen?"
"Wäre sau sozial von dir, Schatz."
"Dann will ich mal nicht asozial zu dir sein." Marco legte mich ins Bett und zog mich bis auf die Unterwäsche aus. Dann vergrub er mich unter der großen Decke. Er drückte mir noch ein paar Küsse auf den Mund, wünschte mir eine gute Nacht und verließ dann das Schlafzimmer. Als er die Tür hinter sich zu zog, drehte ich mich auf den Rücken und legte meine Hände auf die Kugel. "Schlaf schön, Böhnchen", murmelte ich und schloss die Augen. Als Antwort bekam ich nur einen leichten Tritt, weshalb ich erschrocken die Augen aufriss. "Woah", seufzte ich. "Du kannst doch nur ein Junge werden. Was ein Tritt." Dann schloss ich wieder die Augen und versuchte zu schlafen, was mir dann auch wenig später erfolgreich gelang.
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Wie gesagt und auch versprochen, noch ein Kapitel. :)
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