Kapitel 41

KAPITEL 41

~ Marco's Sicht ~

Seufzend drehte ich mich im Bett wieder in Richtung Fenster und blickte zu May, die seelenruhig am schlafen war. Ich bekam einfach kein Auge zu, lag vermutlich daran, dass Vollmond war. Eigentlich konnte May bei Vollmond auch nie schlafen, aber seitdem sie wieder schwanger ist, schlief sie tief und fest. Selbst Atomtests würden sie nicht aus dem Schlaf reißen. Ich hatte schon das Rollo runtergezogen, aber trotzdem kämpfte sich das Licht vom Mond durch die kleinen Ritzen des dunkelgrauen Rollos. 

"Nein, dass ist meine Pizza", murmelte May im Schlaf und zuckte, ehe sie sich mit dem Rücken zu mir drehte. Ich musste dringend schlafen, da ich einen vollen Terminkalender morgen hatte. Da brauchte ich jede Sekunde vom Schlaf. Es war Mitternacht, Geisterstunde. Vielleicht sollte ich nach unten, ein bisschen TV gucken. Oder ich nehme einfach eine Schlaftablette, die ich mir extra für den Vollmond geholt habe, aber noch nie genommen habe. Ja gut, dann wird heute eben das erste Mal sein. Ich drehte mich zu meinem Nachtschrank und zog leise die Schublade auf. Natürlich, dass ich die Schachtel nicht im Dunkeln fand. Doch bevor ich irgendein Licht anmachte, schnappte ich mir mein Handy und leuchtete mit dem Bildschirm in die Schublade rein. Neben Knöpfen, von meinen Pyjamas und anderem Zeug, fand ich endlich die Packung mit den Schlaftabletten. Da ich keine Lust hatte mir die Packungsbeilage durchzulesen, nahm ich eben eine und schluckte diese nur mit meiner Spucke runter, da mein Wasser alle war. Ich schmiss mich wieder ins Bett und schaute auf mein Handy. Ich hatte ein paar Nachrichten bekommen. Vom Team, von Mario, von meinen Schwestern. Letzteres schickten mir wie immer irgendwelche sinnlosen Kettenbriefe, die ich immer ignorierte. Die BBC-App, die ich auf dem Handy hatte, informierte mich wieder über Nachrichten in England, Europa und die ganze Welt.

In London waren in letzter Zeit immer vermehrt illegale Autorennen und Überfälle und die haben einfach keinen Anhaltspunkt, wer das denn sein kann. Seufzend machte ich die Tastensperre rein und legte das Handy wieder auf dem Nachttisch und schon langsam merkte ich die Wirkung der Tablette. Ich wurde solangsam müde. Und es dauerte nicht lange, da war ich auch schon im Land der Träume verschwunden.


Am nächsten Morgen, brachte meine Frau unsere Kinder in die Schule und ich machte mich auf den Weg zur BVB-Geschäftsstelle. Wie bereits hatte ich heute einen langen Tag vor mich. Ich hatte etliches mit Mario zu besprechen und etliches mit der Geschäftsführung. Wir mussten Termine machen und die nächsten Spiele und Veranstaltungen organisieren und abklären. 

Gemeinsam mit Mario, saß ich in einen der Büros und wir besprachen noch alleine alles, was wir zu besprechen hatten. Nach ein paar Stunden gingen wir nach draußen in den Garten und setzten uns auf eine Bank. 

"Hast du auch schon von den ganzen illegalen Autorennen und den ganzen Überfällen  in London gehört?", fragte ich Mario und blickte ihn an.

"Ja, ist ja nicht zu überhören. Das ist schon krass", nickte Mario und blickte auf seine Schuhe. "Ich hab mir jeden erdenklichen Zeitungsartikel durchgelesen. Keine Ahnung, wieso. Ich hab erst gedacht, dass mich das an etwas erinnert. Dann hab ich nachgedacht, bis ich auf dem Kieker gekommen bin. Einer der Täter hat einen Satz gesagt, den ich aus einem Spiel kenne."

Ich blickte Mario verdutzt an. "Was für ein Zitat?"

"Du vergisst jeden Tag tausend Dinge- sei dir sicher, dass ist einer von ihnen", zitierte Mario erst auf Deutsch und dann auf Englisch. "Aber der Täter, hat das ein wenig abgerundet", redete er weiter und kratzte sich kurz die Nasenspitze. "Du vergisst jeden Tag tausend Dinge - sei dir sicher, du Pissnelke, das ist einer von ihnen."

Ich wurde augenblicklich blass. Okay, dass war nur ein Zitat aus einem Videospiel, was selbst meine Frau und ich damals stundenlang gezockt hatten und diesen Spruch konnte jeder benutzen, der dieses Spiel gespielt hat und oder weiß wie Suchmaschinen im Internet funktionieren. Aber das abgerundete Zitat, welches Mario erwähnte, ließ mich erschaudern und ich bekam eine heftige Gänsehaut, sodass ich schütteln musste. Das Zitat erinnerte mich so sehr an einen meiner besten Freunde, an Robin, der mir diesen Spruch, genau wie Mario ihn als letztes gesagt hatte, immer an den Kopf warf, wenn er mich ärgerte und ich mich darüber aufregte. 

"Alles gut?", fragte Mario. "Du bist so blass. Sag mir nicht, du wirst auch noch krank und kotzt hier gleich alles voll?"

"Nein, nein. Alles gut", antwortete ich und versuchte, dass gedachte, was ja wohl unmöglich ist zu verdrängen. Robin war gestorben. Und das vor Jahren. Ich war auf seiner Beerdigung, ich habe mit Marcel und den anderen Jungs, seinen Sarg zu Grabe getragen. Robin war nicht mehr am leben und das war vermutlich einfach nur ein beschissener Zufall. Darüber sollte ich mir jetzt einfach keinen Kopf mehr machen. "Wir sollten wieder hoch. Haben noch einiges mit Sebastian und Co. zu besprechen", sagte ich nach fünf Minuten schweigen. Ich stand von der Holzbank auf und drehte mich zu Mario. 

"Jetzt schon?", fragte Mario verblüfft und schaute auf seine Armbanduhr. "Wir haben doch noch ein paar Minuten. Und außerdem wollte ich mit dir noch über etwas reden."

"Kannst du das nicht auf den Rückweg. Du weißt, ich bin hier der Überpünktliche von uns."

"Weiß ich. Ja kann ich auch machen", nickte Mario und erhob sich von der Bank. "Alter, ich werde alt."

"Mecker nicht rum. Du bist jünger, als ich."

"Nur die drei Jahre", winkte Mario ab und sprach dann das andere Thema, über welches er reden wollte. "Ich habe meine Ex-Freundin getroffen."

"Ann-Kathrin?"

"Giulia."

"Hm?"

"Sie war meine alle erste Freundin, Marco."

"Und wie war das erste Treffen nach all den Jahren?"

"Sie ist verheiratet, hat eine kleine Familie. Was glaubst du wie peinlich das war, als ich ihr erzählt habe, dass ich weder Kinder noch eine Frau, oder Freundin habe. Ihr Ehemann meinte dann, dass ich alleine sterben werde und mich die Nachbarskatzen, die ich entführt habe, um mich nicht alleine zu fühlen, auffressen werden, sodass ich niemals gefunden werde, es sei denn die Bullen untersuchen die Scheiße von den Katzen."

"Was ist denn bei den kaputt?"

"Giulia meinte der sei wohl ziemlich eifersüchtig."

"Ah und wann war das?"

"Vor drei Monaten. Giulia und ich haben uns vor einer Woche das letzte Mal getroffen."

"Hast du die weggeflankt?", fragte ich sofort schockiert.

Mario blickte mich entsetzt an und schüttelte seinen Kopf. "Nein. Wie gesagt, wir haben nur geredet, wie gute alte Freunde. Da ist nichts."

"Und wieso bist du dann so komisch - so nachdenklich?"

"Wieso? Weil jeder den ich kenne mittlerweile verheiratet ist und Kinder hat. Aber ich nicht."

"Bei dir ist doch noch nicht Hoffnung und Malz verloren. Warte doch einfach mal ab. Irgendwann findest du schon den passenden Topf, du Deckel." Aufmunternd schluck ich meinen Kumpel auf die Schulter. Mario nickte nur. "Hoffentlich."

"Nicht hoffentlich. Das ist so", ich schubste ihn ein Stückchen vor, damit er kapierte, dass ich das ernst meinte. Wieder nickte er nur.

Wenig später, saßen wir mit den ganzen Vorstand und jedem der den BVB reagiert und dem Rest vom Schützenfest an dem großen Tisch und besprachen etliches Zeug. May hat mir immer gesagt, dass ich mir das aufschreiben soll, was ich auch machte, da ich alles wieder vergessen werde. Mario, der eigentlich auch immer mit schrieb, hatte darauf heute mal keine Lust und meinte zu mir nur, dass er das alles von mir kopierte. "Wenn du meine Schrift lesen kannst", flüsterte ich ihn zu.

"Dafür gibt es Menschen, die Archäologie studiert haben", konterte er nur und schmunzelte leicht. Ich ebenfalls und war plötzlich vor dem Kopf gestoßen, weil ich nicht mehr wusste, was denn jetzt das Thema war.

"Stopp!", rief ich erschrocken.

"Marco!", ermahnte mich Sebastian.

"Ja, ich kann nichts dafür. Ich gebe es zu, ich habe gerade nicht zugehört. Über was habt ihr geredet? Ich muss das aufschreiben, wenn es wichtig ist, sonst kriege ich wieder Ärger."

"Natürlich, dat wa ein sehr wichtiches Thema", meinte einer von Sebastians Kollegen mit seinem belinerrischen Dialekt. "Ick hab nur jemeint, dass ich mir jestern die Sackhaare hab entfernen lassen. So mit diesen Kaltwachssteifen, Streifen, pardon und jetze brennt mir da unten alles wie Feuer wech. Druf hin, hat mich der Spasti, pardon, Basti, gefragt, wen das interessiert. Ich meente nur, wat man dajegen machen kann."

"Kiek ma, vielleicht versuchste es damit, dass du jeine Klöten in Yogurt dippst", meinte ich.

"Willste mich rolln? Du bist keen rischtiger Berlina, also versuch nisch wie ein rischtiger Berlina zu reden, du Otto."

"Hömma, du Flitzpiepe, ich hab dir nur einen gediegenen Rat gegeben, ja?"

"Willste ne Schelle? Willste? Willste? Willste? Meene Hand die zittert schon, Alder. Kiek ma!", er hob eine Hand hoch und die war schon ziemlich am zittern.

"Die zittert nicht, weil du sauer bist. Deine Hand zittert, da dir deine Eier wegfrieren. Wäre schon ein bisschen behindert, wenn deine Eier vor Kälte zittern und du auf den Stuhl wie ein Kaninchen mit Duracell im Arsch sitzt."

"Haste Medizin studiert? Und woher willste wissen, dass een Kanickel ne Duracell im Pöppes hat? Biste Kanickel-Experte, oder wat is? Wat is'n ditte?"

"Könnten wir mit den eigentlichen Thema weiter machen?", fragte ich in die Runde. "Ich habe Frau und Kinder."

"Alda, herzlichen Glückwunsch, Gott bläss de Guin, ick hab auch Kinnas und Weib zu Hause, irjendwo in Berlin. Aba, meine Freundin, weshalb ick mir meene Eier kahl machen musste, lebt hier."

"Zurück zum eigentlichen Thema. Die nichts mit deinen kahlen Eiern, deiner 20 Jahre alten Freundin und sonst irgendwelchen Genitalien zu tun haben, sondern mit dem BVB, Leute, sonst flipp ich ein bisschen aus."

"Mach ma, ditte will ick sehen."

"Gunna!", sagte Sebastian genervt. "Zurück zum Thema BVB jetzt. Schnauze!"

"Wie? Ick soll die Schnauze halten? Wie stellste dir dat denn vor? Ick soll die Schnauze halten. Okay, mach icke."

"Okay", sagte Sebastian zufrieden. "Folgendes Thema. Der alljährliche Besuch im Dortmunder Kinderkrankenhaus." Spasti, verdammt noch mal, Basti, wandte sich zu Mario und mir. "Habt ihr schon ein paar Spieler ausgeguckt, die da mit sollen."

"Wie immer 12 der Vollpfosten", sagte Mario und ich stimmte nickend zu.

"Dann müssen wir nur noch ein Datum ausmachen. Gunna, was sagt der Terminkalender für die Großen?"

"Du hascht jesagt, ick soll die Schnauze halten, also halte ick die Schnauze", meinte dieser beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. Er erinnerte mich gerade an Kane, als er mit 4 Jahren seine Trotzphase hatte und alles Scheiße fand und ihm nichts recht machte.

Sebastian verdrehte die Augen und ballte die Hände zu Fäuste zusammen.

"Eh, ich glaube er geht gleich an die Decke. Fünfzig Öcken, dass er ihn eine Abmahnung gibt", flüsterte Mario mir zu. "Ich sage hundert." Unter dem Tisch hielt ich Mario meine Hand hin und er schlug ein.

"Wenn du nicht gleich anfängst zu reden, dann gibbes Ärger", sagt Sebastian drohend.

"Ja? Ok. Wat soll ick denn sajen? Mir tun die Klöten weh, als ob ick irjendeine allerjische Reaktion habe. Meinen Schwanz jeht es nischt besser. Immer wenna wächst, ne, dann hab ick det Jefühl, det Ding platzt mia gleich wech."

"Aaaah, Gott schmeiß Hirn vom Himmel", rief Sebastian und ließ seinen Kopf auf den Tisch knallen. Gleichzeitig hoben Mario und ich unser Glas mit Wasser hoch, bevor es überschwappt und wie ich sah, die anderen ebenfalls. Das kannten wir nur zu gut von Sebastian.

"Ja, nee. Jott schmeeß Creme vom Himmel, damit ick keene Schmerzen mehr hab."

"Jetzt halt die Fresse, Gunna, halt einfach dein Maul. Das ist deine Abmahnung und gut ist!", Sebastian setzte sich wieder gerade hin und drohte Gunna mit dem Finger.

"Ja, gib mir den Finga, damit kann ick meene verschwitzten Klöten kratzen." Gunna stand auf und zog Sebastian am Finger. Dieser zog die Hand zurück, als Gunna sich die Anzughose vom Hintern riss.

"Alter Verwalter namens Verwalter", meinte ich erschrocken. "Du sollst deine Eier wirklich mal in Yogurt dippen."

"Das sieht ja noch schlimmer aus, als wenn ich einen Sonnenbrand habe", stimmte Mario hinzu.

"Det hab ick ja jesagt. Kiek ma, Spasti." Er drehte sich zu Sebastian und dieser wurde Augenblicklich knallrot im Gesicht. 

"Pack den Pimmel ein und hör auf damit vor meinem Gesicht zu wedeln."

"Kiek, ick bin ein Elöfaaaant, tööröööö."

"Bier? Will jemand ein Bier?", rief ich und stand sofort auf.

"Irgendwas 40 Prozentiges", sagte Sebastian flehend.

"Kommt sofort. Komm", sagte ich und schlug Mario auf die Schulter.

"Okay."

Damit verließen wir beide den Raum und machten uns auf den Weg in die Küche.


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"Kiekt ma", ein neues Kapitel am mittigen Mittwoch. Wie geht's euch denn so? (Ja, ich versuche Smalltalk mit euch Flitzpiepchen zu führen). Also mir geht's gut. :D 



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