Kapitel 39

KAPITEL 39

~ Kane's Sicht ~

"Mama, wir müssen los!", rief ich und lief mit meiner Trainingstasche nach unten in die Küche, wo Mama sich gerade ein Nutellabrot schmierte.

"Wohin?", wollte sie wissen.

"Nach Brackel? Ich habe vielleicht Training, du Flitzpiepe?"

"Kannst du nicht mit den Bus fahren? Die Anwältin taucht hier gleich auf. Sie hat irgendwelche Neuigkeiten."

Ich rümpfte die Nase. "Wenn ich jetzt mit dem Bus fahre, bin ich viel zu spät dran, da ich zig mal umsteigen muss."

"Okay, dann frag doch Papa. Der ist in der Garage und schraubt Minas Fahrrad heile?"

"Wann glaubt er, fährt Mina in naher Zukunft mit dem Fahrrad, wenn sie mit Joe zocken kann?"

Mama atmete entnervt aus und blickte zu mir. "Ist die etwa schon wieder an der Konsole?"

"Immer, wenn Joe online ist."

"Und wann ist er mal offline?"

"Wenn er in der Schule ist, falls er diese nicht schwänzt. Hoffentlich kommt Mina nicht auch auf die Idee."

"Dann kann sie sich von ihrer Konsole verabschieden", sagte Mama drohend und räumte alles, was sie für ihr Nutellabrot brauchte weg, ehe sie die Fläche mit einem Küchentuch abwischte. "Frag doch den Papa. Der muss dich fahren."

"Wieso fährst du mich nicht und Papa redet mit der Anwältin?", fragte ich.

"Weil die Anwältin mit mir Reden will."

"Also hat das nichts mit Jason zu tun?", hakte ich nach und schnappte mir eine Banane.

"Genau. Nichts mit Jason. Sondern mit meiner Entführungssache. Sie habe irgendwas gehört, dass sich Alysha in Russland aufhält. Oder Kasachstan, oder Usbekistan- weiß der Geier wo. Halt dort drüben irgendwo."

"Krass, hoffentlich finden die die mal, damit sie auch ihre Aussage machen kann. Gut, dann frage ich mal Papa."

"Ja, mach das. Ich setze mal Kaffee für diese Ricarda auf."

"Ich sehe es schon vor mir. Ihr werdet noch gute Freunde."

"Vorher erschieße ich mich", grummelte Mama. Ich verließ mit meiner Tragetasche die Küche und machte mich auf dem Weg in die Garage, wo Papa stand und das Fahrrad von Mina reparierte. Er hatte es extra auf die Werkbank gestellt, damit er da besser ran kam.

"Was is'n kaputt?", fragte ich und stellte mich neben Papa.

"Eigentlich nichts. Ich schraube das Ding nur auseinander und lackiere das gleich um. Mina will mal wieder eine andere Farbe", antwortete Papa und legte wieder irgendwelche Schrauben in eine kleine Schachtel.

"Ist das Neonpink nicht mehr In?", fragte ich belustigt.

"Ja, jetzt soll es schwarz werden. Sie hat mir vorhin die Spraydosen in die Hand gedrückt und meinte, dass ich mich an die Arbeit machen solle." Papa deutete auf die Spraydosen, die neben den Fahrrad standen. Montana Black 88. 

Ich schnaubte belustigt. "Du, die hat die doch von Joe?"

"Ja, mag sein, dass sie das erwähnt hat. Das sind Limited Edition, oder so. Sind mal vor etlichen Jahren, wegen einem YouTuber rausgekommen. Die haben wohl etliche Dosen davon im Keller rumstehen."

"Ja, der YouTuber ist Montana Black und so wie ich von Mina gehört habe, ist dieser YouTuber Joes Papa."

Papa blickte skeptisch zu mir. "Ach, ist das so?", fragte er und schürzte die Lippen.

"Ja, das ist so", nickte ich und haute Papa aufmunternd auf die Schulter. "Aber solange sie nicht noch LED im Fahrrad verbaut haben will, hast du Glück."

Papa gab irgendwelche komischen Geräusche von sich, dass meinen Witz vermutlich wahr machte. "Nee, oder?"

"Doch. Deshalb muss ich nachher in den Baumarkt und eine LED-Leiste holen. Die versuche ich dann mit dem Dynamo zu koppeln und dann hat sie da ihr neues Fahrrad. Was hältst du davon, wenn ich noch in Graffiti-Schrift ihren Namen da drauf mache?"

"Du und Graffiti-Schrift? Überlass' das mal lieber der Mama."

"Ja gut. Lass mich raten, ich soll dich zum Training fahren?"

"Wäre gut. Mama bekommt ja gleich von der Anwältin Besuch."

"Ja, die beiden zukünftigen besten Freundinnen", murmelte Papa ironisch und wischte sich die dreckigen Hände in einem alten Küchentuch ab. "Ich hol nur kurz die Schlüssel vom Auto und dann fahre ich dich."

"Ich warte draußen!", rief ich Papa hinter her, als er wieder ins Haus verschwand. Ich verließ durch die kleine Tür die Garage und stellte mich an den AMG, während ich meine Banane verschlang. Die Schale schmiss ich über den Gartenzaun, in den Vorgarten unseres Nachbarn.

                          "Wie sieht es eigentlich mit dem Führerschein aus?", fragte Papa mich, als wir nur noch fünf Minuten fahrt, bis zum Trainingsgelände hatten.

"Ich warte nur darauf, bis wir uns anmelden."

"Können wir ja die Tage jetzt machen. Auf jeden Fall wird es auch mal Zeit. Dann kannst du ja alleine zum Training fahren. Ich verstehe nicht, wieso Curtys dich nicht mit nimmt?"

"Er fährt mit dem Lambo von Auba. Mehr muss ich da nicht sagen und er fährt beschissen."

"Ganz der Vater", murmelte Papa. "Wie lange hast du Training?"

"Wir haben gleich 16 Uhr. Ich glaube, ich bleibe länger. Fitnessraum und so. Hol mich um 19 Uhr ab."

"Okay."

   Papa hielt wenige Augenblicke später am Trainingsgelände. Ich bedankte und verabschiedete mich und machte mich dann auf den Weg zu Nico, der wie immer auf mich wartete, während Papa mit blubbernden Auspuff vom Gelände verschwand.

"Man, ich will auch so einen fetten AMG!", kreischte Nico. Ich fuhr vor Schreck zusammen.

"Alter, was schreist du so, du Behinderten?"

"Der Reifen vom Auto meines Vaters is'voll in die Luft geflogen. Ich stand daneben!" 

Ich ging einen Schritt zurück. "Schade, dass du nicht vom Reifen erschlagen wurdest", sagte ich.

"Hä? Was hast du gesagt?", fragte Nico verwirrt.

"Gut, dass dir nichts passiert ist!", schrie ich ihm ins Gesicht.

Nico schmunzelte. "Du machst dir Sorgen um deinen Cousin?", brüllte er und spuckte dabei herum.

"Nein", nickte ich.

"Du bist so süß, Kane."

"Weiß ich", rief ich ebenfalls.

Als ich die Kabine mit den anderen Jungs betrat, wurde ich erstmal herzlich begrüßt und hörte von einigen, dass sie mich ja so vermisst haben und weiß der Geier. Ich war schon ziemlich froh, dass ich wieder hier bin und ich endlich wieder meiner Leidenschaft nachgehen kann. Mein glückliches Grinsen verschwand jedoch, als Udo - unser Trainer - mit einem bekannten Gesicht in die Kabine.

"Bitte nicht", murmelte ich.

"Ich glaube mein Schwein pfeift aus dem letzten Loch. Was macht den der Hurensohn hier!", brüllte Nico durch die ganze Kabine. Manchmal war ein Cousin, mit derselben DNA, derjenige der das Aussprach, was ich dachte.

Udo blickte Nico fragend an und runzelte die Stirn, während ich in das grinsende Gesicht von Jason schaute. Nico hielt sich schnell das Handy, welches er in der Hand hielt, schnell ans Ohr und tat so, als würde er weiter telefonieren. "Genau! Das hat der in dem Film gerufen!"

Udo, der sich wieder gesammelt hatte, räusperte sich und blickte uns an. "Jungs! Wir haben Frischfleisch. Das ist Jason." Er deutete auf diesen größten Pisser des Universums und ich wäre am liebsten ausgerastet. Aber ich versuchte ruhig zu bleiben. Curtys setzte sich neben mich und redete auf mich ein, dass ich mich nicht weiter aufregen solle, da Jason nicht lange bei uns bleiben würde. "Willst du noch was sagen, Jason? Ein bisschen Informationen über dich?"

"Nein, nein. Ich denke, man kann mich auch zwischendurch ausfragen und mich kennen lernen und ich bin sicher, ich werde gute Freunde finden. Also ich hoffe es mal." Scheinheilig grinste er Nico, Curtys und mich nach der Reihe an.

"Nico, pack das Handy weg", sagte Udo mahnend. Nico reagierte nicht und tat immer noch so, als würde er telefonieren. Wie sollte er das auch merken, wenn er auf beiden Ohren nicht mehr so gut hörte. "Ignoriert er mich?"

"Er hatte nur einen Unfall. Die Reifen vom Auto sind explodiert und er stand daneben. Seit dem hört er ein wenig schlecht?"

"Seit dem? War das nicht schon immer?", fragte Jason und lachte.

"Ach, ihr kennt euch?", Udo schien verblüfft und blickte uns vier an. Okay, uns drei und Nicos nackter Rücken.

"Ja, wir sind auf die selbe Schule gegangen."

"Ich dachte ihr seit weggezogen oder zieht weg?", fragte Curtys.

"Ja, meine Mutter. Ich lebe jetzt in einer Jugend-WG hier in Dortmund."

"Mensch, erfreuliche Nachrichten- nicht", grummelte Curtys.

"Wie ich sehe, versteht ihr euch ja prächtig", sagte Udo. "Kapitäno?"

Damit war meine Wenigkeit gemeint. Innerlich war ich am herummotzen wie ein Weltmeister, aber äußerlich ließ ich mir nichts anmerken. "Ja, Udo?"

"Da du ja der Kapitän bist, kannst du Jason mal ein wenig einarbeiten. Ihr kennt euch ja schon. Zeig ihm und erklär ihm, wie das hier alles abläuft."

"Hast du vorher schon irgendwo Fußball gespielt?", fragte Curtys.

"Außer in der Schule und auf dem Bolzplatz war ich noch nie in einer Mannschaft. Meine Eltern haben leider nicht das Geld dazu. Ich bin froh, dass ich das Stipendium bekommen habe und ich so meinen Traum ausleben darf."

Ich gähnte vor Langeweile und nickte nur. "Ja, wie auch immer. Wir ziehen uns dann mal zum Training um. Nico!"

"Ja, Sir!", brüllte dieser und drehte sich zu mir.

"Handy weg! Umziehen!"

"Klar!", er steckte das Handy in seine Jackentasche und riss sich - hab ich erwähnt, dass er nur in Boxershorts vor uns stand, nein, jetzt habe ich es - ehrlich die Buxe vom Hintern und steckte Udo seinen blanken Hintern ins Gesicht.

"Mensch, der Mond ist abgestürzt und in unsere Kabine geknallt", lachte Curtys und lenkte mich für ein paar Sekunden ab. Lachend warf ich einen Schuh nach Nico und traf ihm damit am nackten Hintern. Erschrocken und kreischend drehte Nico sich um und ich zwang mich an die Decke zu glotzen.

"Willkommen bei der hirnlosen vierten Mannschaft des BVB's", sagte Udo nur und schlug Jason aufmunternd auf die Schulter. Dann verließ Udo die Kabine und zog die Tür hinter sich zu.

Curtys gute Laune verschwand plötzlich, als Udo draußen war. So schnell konnte ich gar nicht gucken, da war Curtys aufgesprungen und hatte Jason am Kragen gegen die Wand gedrückt. "He!", riefen die anderen Jungs.

"Mischt euch da nicht ein. Ist eine Sache zwischen uns!", beruhigte ich die anderen Jungs, während Nico immer noch nackt da stand. "Zieh dir eine Hose an!", brüllte ich ihn an.

Er nickte nur und ich stellte mich neben Curtys. "Dein Ernst, was willst du hier? Verpiss dich. Was fällt dir überhaupt ein. Lässt meinen besten Freund durchgehen und dann tauchst du auch noch hier auf? Wie behindert bist du eigentlich?"

"Ich gehe nur meinen großen Traum nach und lass es mir von euch beiden nicht kaputt machen."

"Verschwinde, oder du bekommst von mir einen auf die Fresse."

"Ich werde das alles Udo erzählen."

"Ach, ohne deine schwanzlutschenden Nachläufer hast du ja eine ganz kleine Fresse", Curtys drückte ihn weiter an die Wand. "Ich gebe dir einen guten Rat. Du verschwindest hier, und wenn du hier bleibst, dann schwöre ich dir, wird das für dich, zu einer unvergesslichen hässlichen Zeit." Curt schubste ihn noch mal zurück und wandte sich dann von Jason ab. "Ich glaub, ich fress meinen Bart, ey." Curt trat seine Sneakers weg und setzte sich auf seinen Platz. Ich blieb noch etwas stehen und wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte, da alles Curtys übernommen hatte. Mein bester Freund schaute zu mir und ich blickte ihn nur dankend an.

"Also, Kapitäno", hörte ich Jason hinter mir sagen. Ich drehte mich zu ihm und musterte ihn abfällig. "Dann zeig mir mal alles."

"Nen' Scheißdreck muss ich."

"Ich denke du musst das machen. Sonst petze ich und du hast Ärger an der Backe."

"Du hast gleich meine Faust an deiner Backe, wenn du nicht die Fresse hältst, oder dieselbe Luft wie meine Wenigkeit atmest", knurrte Curtys und zog sich um.

"Hast ihn gehört", sagte ich nur. "Du kannst einen anderen von uns fragen. Aber ich übernehme das nicht, auch wenn ich Kapitäno bin. Ich bin das erste Mal seit langem wieder da, da muss ich mich erstmal auf mich konzentrieren. Das hab ich Udo bereits gesagt. Und bevor ich meine kostbare Zeit mit dir verschwende, fange ich lieber an die Haare an meinem Sack zu zählen. Das ist weitaus produktiver."

Einige der Jungs lachten nur und ich schmiss mich neben Curtys auf die Bank. Das kann ja noch was werden mit diesem Volldeppen.


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Ein kleines Kapitel an diesem schrecklichen Montag. Ist nicht so, dass heute was Schreckliches passiert ist. Es ist einfach nur Montag. Hoffe ihr habt einen schönen Start in die Woche :)

Liebe Grüße, Diane :)

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