Kapitel 36
KAPITEL 36
~ May's Sicht ~
"Mama!", rief Mina durchs Haus und kam wenig später ins Wohnzimmer gestürmt. Ich saß dort und legte die Wäsche zusammen und blickte zu ihr. Hibbelig stand sie an der Tür und blickte mich lächelnd an.
"Mina?", fragte ich. "Was kann ich für dich tun?"
"Ich hab dich ja mal, wegen der neuen Xbox gefragt. Verkaufsoffener Sonntag, könnten wir die holen?"
Ich blickte sie verdutzt an. "Ich hab dir doch erst die Wii geholt und seit wann bist du so vertieft ins Zocken? Du bist doch immer draußen und wolltest einen Hund haben?"
"Ja, den kann ich mir auch noch später holen, Mama."
"Ja und? Wieso jetzt die Kehrtwende mit der Xbox?"
"Ach, Mama, kann ich dir das nicht auf dem Weg erklären?"
Sie hielt mir in der einen Hand die Autoschlüssel entgegen und in der anderen mein Portmonee.
"Ja, ehm, ich hab eigentlich noch den Haufen Wäsche vor mir."
"Den kannst du auch noch nachher machen, Mama. Bitte", schmollte sie herum und setzte ihren Dackelblick auf.
"Wie viel kostet die?"
"Das ist die Neue, die kostet eben Geld."
"Eigentlich sollt ihr euch diese Sachen von eurem Taschengeld kaufen. Eigentlich. Wenn Kane die ganzen teuren Fußballsachen von Papa kriegt, kauf ich dir auch was. Und wir können ja schon mal nach Babysachen gucken."
"Also kriege ich die Xbox?"
"Ja", sagte ich und schmiss die gebügelte Hose von Kane zurück auf den Wäschehaufen. "Dann fahren wir in die Innenstadt. Kann mich nicht erinnern, dass wir heute VOS haben."
"Naja, eigentlich nicht hier in Dortmund. Eher in Gelsenkirchen."
"Bah."
"Ich weiß, können wir nicht darüber stehen, Mama?", fragte Mina und folgte mir in den Flur. Sie zog sich ihre Schuhe an und ich in meine.
"Ja gut. Solange ich mit keiner allergischen Reaktion nach Hause komme, geht das wohl."
Mina lachte zufrieden und hüpfte leicht auf und ab.
"Brauchst du noch neue Unterwäsche und BH's?", fragte ich Mina. Sie blickte mich entsetzt an.
"Mama!"
"Was? Sieht so aus, als ob die gewachsen sind."
"Die BH's zwicken schon ein wenig", gab sie zu und runzelte die Stirn.
"Holen wir. Na komm. Los geht's", ich klatschte in die Hände und schnappte mir meine Handtasche. Mina lief voran zum Mercedes AMG. Ich schaute schnell noch mal nach, ob die Fenster zu waren. Alarmanlage an und dann ging ich raus. Ich schloss die Tür ab und ging zu Mina, die mich ungeduldig anschaute.
"Neben der Xbox, was brauchst du da noch alles?"
"Ich hole mir die Elite. Da ist voll der coole Kontroller drinnen. Dann nur noch ein paar Spiele und ein Headset."
Ich schloss das Auto auf und Mina sprang rein. Ich setzte mich auf den Fahrersitz und schmiss meine Handtasche zwischen Mina's Füßen.
"Okay, dann kannst du mir mal erklären, wieso genau du auf einmal die Xbox haben möchtest. Das muss doch einen Grund haben, oder?"
"Natürlich gibt es einen Grund", sagte Mina. "Da gibt es diesen Jungen, der zockt halt voll gerne. Ganz wie sein Vater. Und da er nicht immer gemeinsam mit seinen Vater zocken will, zockt er eben auf der Xbox. Und ich mag den voll und wollte so mit ihm weiter Kontakt aufbauen."
Ich blickte Mina verdattert an. "Wie? Inwiefern magst du den? Von ner Skala von 1 bis 10? 1 ist wenig, 10 viel."
"Noch ist es acht einhalb", schmunzelte Mina verträumt.
"Oha, meine kleine Tochter ist fast verliebt", murmelte ich.
"Ja, fahr los. Dann erzähl ich dir, wer es ist."
"Okidoki", nickte ich. Da waren wir also. Mina erzählte mir, dass es sich um Marcels und Annas Sohn Joe handelt, in dem sie sich leicht verguckt hat, weshalb sie jetzt mit dieser Xbox cool sein wollte. "Habt ihr schon mal miteinander geredet?"
"Hi, wie geht's dir. Kleiner Smalltalk eben. Aber er ist so süß."
"Die Ampeln heute auch. Immer wenn die mich sehen, werden die rot", sagte ich und hielt erneut an einer roten Ampel.
"Die mögen dich halt", lachte Mina. "Darf ich auch den Remake von Call Of Duty Black Ops 2 und das neue GTA haben?"
"Such dir aus, was immer du willst. Läuft alles von Papas American Express", murmelte ich und gähnte.
"Schon müde?"
"Ich bin schwanger. Das ist normal. Bei Kane und dir, ging das nicht anders."
"Okay."
Dann schwiegen Mina und ich eine Weile. Während ich über die Autobahn in Richtung Gelsenkirchen fuhr, meldete sich Marco zurück, dass sie gegen Mittag wieder zu Hause sein werden. Sie wollten noch mal in die Stadt und genügend Kakao und Frikandelln einkaufen.
"Was machst du?", fragte ich Mina, als sie Fotos von sich machte.
"Fotos für Facebook. Schöner Ausflug mit Mama", sagte sie und machte weiter Fotos von sich.
"Bitte nicht von mir. Will ich jetzt nicht."
"Ist okay."
"Wann hast du dir die Haare geflochten? Die waren doch gerade offen?"
"Gerade eben. Ich hab doch nach einem Haargummi gefragt und du hast mir sogar eins gegeben", lachte sie und haute mir leicht auf die Schulter. "Entweder ist es das Alter, oder die Schwangerschaft."
"Kann auch beides sein", schmunzelte ich. Ich war sau froh, dass wir endlich ankamen und ich mich endlich wieder bewegen konnte. Lange sitzen, konnte ich irgendwie nicht mehr. Ich will gar nicht wissen, wie es ist, wenn ich Hochschwanger bin. Noch grauenvoller.
Das erste, was wir in der vollen Innenstadt aufsuchten, war Saturn. Ich wollte eigentlich in einem Babygeschäft, schon mal nach ein paar Möbeln gucken, aber Mina hatte unglaubliche Kräfte und mich in Richtung Saturn gezerrt. Mina steuerte direkt die Ecke mit den Xbox-Sachen an und ich versuchte, hinter her zu kommen. Sie konnte sich durch die Menschen quetschen, während ich diese ein bisschen bei Seite schubsen musste.
"Kannst du nicht warten?", motzte ich ein wenig herum, als ich endlich bei Mina stand, die sich sie neuste Xbox schon längst unter die Finger gerissen hat.
"Sorry, das war die Letzte", sagte sie und drückte mir diese in die Hand. "Nimm mal. Ich hol den Rest und dann raus hier."
"Ja, du findest mich bei den Massagesitzen, lass dir Zeit", sagte ich. Mina nickte nur und verschwand zu den Regalen mit den ganzen Spielen. Ich suchte mit der Xbox in meinen Armen, die Massagesitze auf. Einer war noch frei und den schnappte ich mir schnell.
Die Xbox-Packung stellte ich auf meinen Boden, zwischen meinen Beinen und suchte nach der Fernbedienung.
Gefühlte fünf Minuten saß ich da, bis Mina mit drei Spielen und einem Headset vor mir stand.
"Mom?", fragte sie mich.
"Hm", seufzte ich und blickte sie verdutzt an. Sie stellte die Sachen neben mir ab und machte den Massagesitz aus. Die Fernbedienung warf sie wieder auf dem Sitz daneben.
"Hast du die Xbox versteckt?", fragte sie mich.
"Ich hab bitte was versteckt?"
"Die Xbox!?"
Ich blickte auf den Boden. Da wo ich den grünen Karton hingestellt hatte, war nichts mehr. "Was?", fragte ich entsetzt und sprang auf. Ich schubste Mina bei Seite und suchte alles um den Massagesitz ab. Nichts.
"Mama, das war die Letzte!", rief Mina entsetzt.
"Muss nicht sein, die haben sicherlich noch welche auf Lager. Ich frage mal nach."
"Wehe wenn nicht."
Ich schnappte mir meine Handtasche, Mina sich die ganzen anderen Sachen und dann gingen wir auf die Suche nach einem Mitarbeiter.
"Entschuldigung", sagte ich höflich, als ich einen verpickelten Mitarbeiter fand. Dieser wandte sich zu mir uns blickte mich geduldig an. "Haben sie noch die neuste Xbox auf Lager?"
"Guck ich mal nach", nuschelte er und zog ein altes Handy aus der Brusttasche seines Hemdes. "Jo, Phillip, hier ist Dennis. Eine etwas ältere Dame, fragt, ob wir noch die neuste Xbox hier haben. Haha, ja hab ich mich auch gefragt, was die mit der Xbox, in ihrem Alter will. Guckst du nach? Danke."
"Die ist für meine Tochter", zischte ich grimmig.
"Ja, als ob", nickte der Typ und wandte sich dann wieder dem Handy zu. "Wat is? Ham' wa' se' noch? Kommt erst Freitag wieder. Okay. Ja. Okay." Der Typ legte auf und wandte sich zu mir.
"Sie haben die nicht hier?"
"Leider nein, leider gar nisch'", meinte der Typ. "Kann ich verstehen. Bei ihnen läuft die Zeit weg, deshalb die Eile, was?"
"Die ist für", ich drehte mich nach Mina um, doch die war gar nicht hinter mir. "Für meine Tochter", murmelte ich. "Die läuft hier sicherlich irgendwo rum. Trotzdem danke."
"Kein Ding, Omi."
"Hast du schon mal einen auf die Fresse bekommen? Willst du jetzt eine?"
"Du hast Fresse gesagt, einfach so", grunzte er und ließ mich stehen. Ich blickte mich irritiert nach meiner Tochter um. Nirgendwo war die. "Mina!", rief ich und eilte durch die Gänge. In einem Gang blieb ich irritiert stehen und blickte zu den paar Spielen und dem Headset. Die hatte sich Mina doch geholt, doch jetzt lagen die da Im Regal und von meiner Tochter war nichts zu sehen. Da die Kassen gerade teilweise leer waren, schnappte ich mir schon mal diese Sachen und ging zum bezahlen.
Als ich mit der Tüte draußen vor dem Laden stand, musste ich erstmal drei mal hinschauen. Mina hatte sich in den Haaren einer Blondine in ihrem Alter verkniffen. Und die Blondine in Mina's Haar. Mehr passierte da nichts. Man sollte das für die Ewigkeit festhalten, oder die würden später mal eine prima Statue darstellen. Wie man's nimmt.
"Ich hatte die zuerst!"
"Hattest du gar nicht, du Flittchen. Die stand bei einer Alten, die beim Massageding eingepennt ist!"
Hoppala, die Alte, bin dann wohl ich.
"Ja, ich hatte die meiner Mutter gegeben. Die saß an den Massageding und du hast ihr das Ding einfach weggenommen. Geh die umtauschen. Das ist meine!"
"Ich hab die gekauft. Die gehört mir!"
"Hast du mir nicht zugehört. Du hast die meiner Mutter weggenommen. Wenn du mir die nicht wieder gibst, dann fehlt dir eine Menge Haare."
"Kann ich dir nur zurück geben! Lass los!"
"Ich lass erst los, wenn du die Xbox umtauschen gehst!", knurrte Mina sauer und zog nur noch mehr an den Haaren von der Blondine. Diese zog ebenfalls doller in Mina's Haaren.
"Das kannst du vergessen. Das ist jetzt meine. Guck doch in einen anderen Laden!"
"Es ist Sonntag. Ich brauche diese heute und nicht morgen. Wir hatten sie schon, aber du klaust die einfach meiner Mutter, du Kuh. Gib die mir wieder, oder du bekommst eine mit."
"Lass mich los!", kreischte die Blondine.
"Erst, wenn du mir die Xbox gibst."
"Okay, okay, okay!"
"Wehe du verkackeierst mich! Ich warne dich!"
"Mach ich nicht. Ehrlich."
"Wehe!", grummelte Mina und ließ die Blondine an den Haaren los. Die Blondine ließ ebenfalls von Mina ab. Beide schauten sich an. So schnell ich gar nicht gucken konnte, schnappte sich die Blondine die Tüte mit der Xbox und nahm die Beine in die Hand. Sie lief quer über den ganzen Parkplatz und wer hinter her? Natürlich meine Tochter, die gerade stinksauer war. Ich hatte sie schon mal grimmig erlebt, aber so stinksauer eben noch nie.
"Ich werde zu alt für den Scheiß", murmelte ich und lief mehr oder weniger hinter her. Als ich jedoch an dem Mercedes ankam, nahm ich mir die Zeit und schmiss die ganzen Sachen ins Auto, ehe ich mit dem Autoschlüssel in der Hosentasche (Auto natürlich abgeschlossen), den beiden Teenagern hinter her lief.
"Mina!", rief ich und rannte hinter her. Irgendwann holte ich die beiden ein und schnappte mir meine Tochter. "Kommst du mal runter."
"Ja, hast du das nicht mitbekommen?"
"Ja, habe ich", antwortete ich und hielt das Mädchen an dem Oberarm fest, da sie wieder ausreißen wollte. "Wir gehen jetzt zurück, du tauscht die um und wir kaufen die. Ende. Oder wir kaufen dir die ab."
"Ich will 10.000 Euro."
"Die kostet 400 Euro. Mehr bekommst du auch nicht!"
"Dann gehört die mir!"
"Hör mir mal zu, du kleine Göre. Wir hatten die Xbox zu erst und wenn du die nicht gleich raus gibst, gibbes richtigen Ärger und ich denke nicht, dass du es willst."
"Ich habe keine Angst vor ihnen. Was wollen Sie tun, hm? Meine Mama anrufen und petzen? Ich bin im recht. Ich hab den Kaufvertrag abgeschlossen."
"Wenn ich die nicht bekomme, bekommst du die auch nicht!", motzte Mina herum. Bevor ich reagieren konnte, riss Mina der jungen Blondine die Tüte aus der Hand und lief weg.
"Hey, zurück, Fräulein!", rief ich hinter her.
"Nur ein Kratzer und Sie kriegen es mit meiner Mutter zu tun!", motzte mich das Mädchen an und lief Mina hinter her. Nee, ich laufe jetzt nicht wieder hinter her. Ich hab mich hier nicht für einen gottverdammten Marathon durch Gelsenkirchens Innenstadt angemeldet. Nirgends. Nein, einfach nein. Aber bevor meine Tochter noch irgendwie mit der Polizei Bekanntschaft macht, wollte ich nicht. Wir hatten schon genug Drama im Hause Reus. Mehr brauche ich jetzt nicht.
Gerade als ich los laufen wollte, fuhr eine Gruppe auf Segways an mir vorbei.
"Halt Stopp! Polizei! Das Ding ist beschlagnahmt!" Ich zog einen asiatischen Touristen von einen der Segways runter. "Woooooaaah, haiiiijaaaa", kam es erschrocken von ihm.
"You get it back, Jacky Chan!", rief ich.
"What?", rief einer.
"Oder Jet Li. Ihr seht ja eh alle gleich aus", murmelte ich.
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