Kapitel 35

KAPITEL 35

~ Kane's Sicht ~

"Sind wir der Meinung, dass wir dezent high sind?", fragte ich Papa, als wir auf dem Rückweg nach Petten waren. Papa warf mir einen warnenden Blick zu.

"Der wird nicht witziger, so oft du den erwähnst", sagte er.

"Du bist doch nur sauer, weil irgendeine Tusse vorne eine Delle reingefahren hat."

"Ja, bin ich. Die kann nicht einparken. Da war eine zwei Meter lange Parklücke und die fährt mit ihren Scheiß Smart noch in mir rein. Dann wollte sie mir ehrlich Geld anbieten, bevor ich die Versicherung anrufe."

"Ja, du hast die Versicherung angerufen und da einen Terz gemacht", nickte ich und musste mir ein Lachen verkneifen. Wie Papa da eine Szene gemacht hat, ist mal wieder so unvergesslich. "Die Versicherung wird das jetzt alles klären."

"Ich hasse Smartfahrer. Die sind so Scheiße, dass ich die hasse."

"Macht Sinn", murmelte ich. "Du kannst das Lenkrad, als riesigen Beißring missbrauchen."

"Nein, ich tue meinem Auto nicht noch mehr weh", murmelte Papa und blickte sauer auf die Straße vor sich.

"Papa?"

"Was?"

"Lass dir deine Laune deswegen nicht kaputt machen, okay? Das zieht mich auch runter. Wir wollen einen chilligen Urlaub verbringen, ohne Streit. Das war doch die Hauptsache vom Urlaub. Ohne Streit."

"Ja, aber-"

"Kein aber, Papa. Die Versicherung klärt das. Es ist nur eine Delle in der Stoßstange. Mama oder Marcel kriegen das da schon wieder raus. Denk nicht weiter darüber nach und wir machen weiter unseren Urlaub. Ich bin dir da ganz ehrlich, ich will einen ruhigen Trip und kein bisschen Streit."

Papa atmetet laut aus. "Ja gut. Hast recht. Ruhiger Urlaub. Kein Streit. Kein Aufregen."

"Genau. So und nicht anders. Weiter zum ruhigen Urlaub."

Papa nickte nur und konzentrierte sich weiter auf die Straße. Eine halbe Stunde später, waren wir wieder am Campingplatz angekommen. Papa stellte sich in eine Parklücke. "Ich geh noch mal aufs Klo. Kannst ja schon mal zum Zelt gehen."

"Mach ich", nickte ich und stand auf. Während Papa in Richtung Sanitäranlagen verschwand, machte ich mich auf dem Weg zum Zelt. Ich hatte schon mal mein Handy in der Hand, um Oma schnell die Nummer von Mama zu geben. Mitten auf dem Weg blieb ich stehen und blickte auf die leere Stelle, neben unserem Zelt. Der Wohnwagen, von Oma und Theo war weg. Einfach weg. Nicht mehr da. Sie waren einfach abgehauen. Ich dachte, sie reisen erst am Montag oder so ab. Von Samstag war nicht die Rede. Oder die sind einfach nur weg gefahren, in die Stadt oder so. Kann ja auch sein. "Entschuldigung", fragte ich die alte Dame, die auf dem Campingstuhl saß und einen Roman las. Sie blickte auf und musterte mich kurz. "Was kann ich für dich tun?", fragte sie mich.

"Der Wohnwagen? Die beiden Personen? Wo sind die hin?"

"Du meinst die Elena?", fragte die alte Dame und legte den Roman weg, nachdem sie in aller Ruhe ein Eselsohr in die Seite geknickt hatte. "Sie und Theo sind abgereist."

"Wissen Sie wieso?", hakte ich weiter nach.

Die Frau zuckte mit den Schultern. "Kann viele Gründe haben", sagte sie genervt. Sie wusste was, aber wollte es mir nicht sagen.

"Ich bin der Enkel von Elena."

"Das hat mir Theo bereits erzählt. Und bevor du mich weiter nervst, die hatten keine Lust mehr. Und jetzt lass du mich bitte in Ruhe meinen Roman weiter lesen, du kleine Nervensäge."

"Klar, rummeckern, weil man halbtot ist", grummelte ich sauer und ging zurück zum Zelt. Es war mir auch irgendwie klar. Oma, oder besser gesagt Elena, oder die Erzeugerin wollte die Nummer meiner Mutter nicht haben, weil sie einfach keinen Kontakt mehr haben will. Vermutlich war das mit den Nachrichten und den Anrufen an Mama auch alles gelogen, um besser dazustehen. Vielleicht hat es die Nachrichten und die Anrufe an meine Mutter gar nicht gegeben. Vielleicht? Die hat es hunderprozentig nicht gegeben. Aber so was von. Elena hat alles nur vergeheuchelt. Mama ist ihr egal und Mina und ich ihr erst recht. Die Frau hat sich kein bisschen geändert. Kein bisschen. Überhaupt nicht. Verarschen kann die einen so was von gut. Ich könnte im Strahl kotzen und ausflippen.

Ich schmiss mich auf mein Feldbett und zog den Reißverschluss zu. Ich wollte einfach nur alleine sein. Auch für einen kurzen Moment.

"Das gibt es ja nicht. Theo und Elena sind abgereist", hörte ich Papa sagen, als er das Zelt betrat. "Kane?"

"Hm?", fragte ich und wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln. "Ist es schon halb vier?"

"Ja", sagte Papa. Also noch zehn Minuten. Wie wäre es mit Bier und Grillgut und dann den Nobby im Radio?"

"Hast du kein Sky?"

"Kenn das Passwort nicht. Dann müssen wir also über das NetRadio hören."

"Okay, kein Problem."

"Es ist echt windig draußen. Ich habe schon mit ein paar Leuten geredet, die meinten, dass diese Nacht vermutlich ein Orkan vom Norden hier runterknallt."

Ich kam aus meiner Kabine raus und krabbelte über den Boden zu Papa, der den Elektrogrill anschloss. "Zelt noch weiter befestigen, oder was?"

"Wir kriegen hier ja nichts ab. Kein Lüftchen", sagte Papa. "Also müssen wir keine Angst haben, dass das Zelt Flügel bekommt."

"Okay, gut", nickte ich. "Moment? Bier? Bier mit Alkohol?"

"Ja. Brinkhoff's", lachte Papa und deutete auf die Kühlbox. "Hab ich schön versteckt."

"Oha, Papa. Das beste Bier, enthältst du mir."

"Oh nein, was bin ich für ein Schwein."

"Das kann ja wohl nicht sein, da brech' ich mir 'nen Bein."

"Ich bin ein guter Vater, this is Sparta."

"Der war Scheiße, Dad."

"Ich weiß", lachte Papa und ich stimmte mit ein. "Elena meinte doch, dass sie nicht heute fahren oder?"

"Keine Ahnung. Ich dachte Montag oder so. Ist anscheinend etwas dazwischen gekommen."

"Bist du deswegen traurig?", hakte Papa nach.

"Nein", antwortete ich. Traurig nicht, nur enttäuscht von dieser Frau, die meine Oma ist.

"Okay. Dann machen wir mal schön Fleisch und Würstchen drauf."

"Sag das nicht nur, sondern mach das", lachte ich und schaute mich um, als ich mein Handy klingeln hörte. "Wer will denn jetzt wieder was von mir?"

"Solin, vielleicht. Also nicht nur, dass sie telefonieren will."

"Quatsch", sagte ich und wurde, wieso auch immer, rot wie eine Tomate.

"Aha", sagte Papa. Ich wich seinen Blick aus und robbte zu meiner Kabine. Mein Handy lag auf dem Feldbett. Ich schnappte mir dieses und blickte irritiert auf den Bildschirm.

Meine Wangen wurden heiß und ich konnte mir vorstellen, dass ich nun ein Feuermelder war. Aus den Augenwinkeln sah ich Papa schmunzeln. Er wusste, dass er recht hatte. "Wie wäre es, wenn du mal ran gehst. Du hast einen grauenvollen Klingelton."

"Ich wusste noch nicht mal, dass ich den drinnen habe."

"Hört Mina nicht in letzer Zeit diese Musik?", fragte Papa verdutzt.

"Ja, sie hört momentan die 187 Strassenbande oder wie die heißen", sagte ich. "Jetzt leise." Ich stand auf und verschwand mit dem Handy in der Hand nach draußen. Gleichzeitig nahm ich das Gespräch an. "Hey, Solin", sagte ich.

"Hi", hörte ich sie vom anderen Ende sagen. "Dachte schon, du gehst gar nicht mehr ran."

"Bin ich aber. Hab das Handy in dem ganzen Chaos nicht gefunden", log ich und kratzte mich nervös im Nacken.

"Wie geht's dir?"

"Mir geht's gut und dir?"

"Sehr gut. Papa hat sich von Jasons Mutter getrennt. Die sind gerade dabei auszuziehen."

"Nein?"

"Doch!"

"Nein?"

"Doch!"

"Woooaah", sagten Solin und ich gleichzeitig. Wir lachten.

"Das ist doch schön, dass du die endlich los bist", freute ich mich.

"Ja, ich mich auch. Die ziehen jetzt nach Dorstfeld. Endlich ist die Phoenix-Region wieder befreit."

"Endlich. Warte? Geht Jason auch auf eine andere Schule?"

"Ich denke nicht, auch wenn Papa versucht auf die Olle einzureden. Aber da kannst du mit der Wand reden. Ist produktiver. Und von einer Wand, würdest du auch sicherlich eine normale Antwort erhalten."

"Mit manchen Menschen, kannst du eben reden und mit anderen nicht. Du wirst übrigens nicht glauben, wer hier gewesen ist?"

"Wer denn?"

"Die Mutter meiner Mutter."

"War da nicht irgendwas, dass ihr die nicht leiden könnt?"

"Ja, so oder so ähnlich. Ich erzählte, dir das alles später."

"Wie wäre es mit jetzt?"

"Bestehst du darauf?"

"Immer."

"Bevor du sauer auf mich bist."

"Auf dich kann man auch nicht sauer werden."

"Wenn du das sagst. Also folgendes-", ich erzählte Solin, dass alles mit Elena. Sie hätte am liebsten irgendwelche Beleidigungen rausgehauen, aber sie hielt sich zurück, was ich gut fand. Nur noch mehr Gemecker, könnte ich jetzt nicht ertragen.

"Hm, und die sind einfach abgehauen?"

"Ja, Papa und ich sind gerade aus Amsterdam wiedergekommen. Ich wollte Elena, die Nummer von Mama geben und der Wohnwagen war weg. Einfach weg."

"Tja, dann soll das wohl heißen, dass sie nichts weiter auf euch hält."

"Ja, dass ist mir auch klar geworden."

"Lass dich davon bitte nicht unterbuttern, okay?"

"Lässt sich einrichten. Ab Dienstag endlich wieder Training."

"Kann ich mitkommen?"

"Darfst du", sagte ich belustigt.

"Kane!", hörte ich Papa nach mir rufen.

"Du, Solin. Ich muss auflegen. Papa und ich wollen Grillen und Fußball hören."

"Hören? Du meinst wohl gucken?"

"Nee, hören. Sky geht nicht. Nur NetRadio."

"Das ist doof. Braunschweig gegen Dortmund. Wer gewinnt?"

"Der der besser ist", antwortete ich. "Dann legen wir mal auf. Wir können ja nachher noch mal schreiben, oder?"

"Können? Müssen!"

"Dann machen wir das so. Okay, dann bis später, Kane."

"Bis später, Solin." Ich legte auf und ging zurück zum Zelt.

"Naaaaa", sagte Papa und blickte mich grinsend an. Das Spiel war schon am Laufen und Nobby war schon am herummeckern. "Das war Solin, oder?"

"Ja", ich setzte mich zu Papa auf den Boden. "Jetzt sei leise. Wir müssen Fußball hören."

"Ist ja gut", murmelte Papa und drehte die Würstchen auf dem Grill. 



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