Kapitel 34
KAPITEL 34
~ Kane's Sicht ~
"Kann ich eigentlich am Dienstag wieder zum Training gehen?", fragte ich Papa und blickte ihn an, als wir gerade auf dem Weg zu den Duschen waren. Er trug die Kulturtasche bei sich, während ich die Handtücher schleppte.
"Wieso fragst du mich da? Ist doch immerhin deine Entscheidung", meinte Papa leicht belustigt und kratzte sich die Stirn.
"Keine Ahnung. Ich dachte, ich dürfte nicht."
"Wie kommst du darauf?"
"Weil ich in letzter Zeit nicht einfach war und wegen der ganzen Sache mit Jason. Deshalb vielleicht?", ich runzelte die Stirn und schaute Papa an.
"Du kannst ab Dienstag wieder gehen", sagte er. "Du musst halt nur wieder zu 100 Prozent finden."
"Ich hoffe mal, dass es nicht lange dauert."
"Wenn du dich rein hängst, dann ja."
"Ich muss mich noch auf meinem Abschluss konzentrieren, Papa."
"Stimmt auch wieder. Du musst halt für dich auf den Nenner kommen und gucken, ob dass alles so passt und du keinen Zusammenbruch bekommst. Ich will nicht, dass du irgendwas hinschmeißt, nur weil es mit dem anderen nicht klappt. Normalerweise ist Beides wichtig, Schule ein Tucken mehr. Du musst auf dein Herz hören, was wichtiger für dich ist. Fußball oder einen Job. Wo siehst du deinen Erfolg? Deine Zukunft?"
Ich dachte nach. Naja. Wo sehe ich mich? Ich war gut im Fußball, aber nicht so gut, wie Papa. Keine Ahnung, ob ich so gut wie Papa werden kann, wenn ich mich weiter rein hänge. Aber es kann immer was passieren. Ich könnte mich verletzen und dann war es mit der Karriere - die noch nicht mal angefangen hat. Dann würde ich ohne Abschluss da stehen und würde vermutlich irgendwelche Maßnahmen von der Arbeitsagentur machen müssen. Und bevor ich, mit drei verschiedenen Wasserfarben malen muss, oder zum Yoga gezwungen werde, mach ich erstmal meinen Realschulabschluss. Hab ja schon lange genug auf mein Gehirn gelegen- viel zu lange auf der Schule verbracht. Curtys und Nico können davon auch ein Lied singen.
"Gut, dass du solange still bist", unterbrach Papa meinen Gedankengang. "Du denkst wirklich darüber nach. Wenn du dich entschieden hast, kannst du mir ja Bescheid geben, ja?"
"Ja, kann ich machen", nickte ich. "Hoffentlich ist 'ne Dusche frei."
"Zwei, ich hoffe zwei", sagte Dad.
"Stimmt auch wieder. Du, ich muss noch mal dringend aufs Klo", sagte ich und drückte Papa die Handtücher in die Hand, bevor wir in den Duschraum verschwinden konnten. Papa blieb stehen und nickte nur.
"Wie lange dauert das jetzt?", fragte Papa und seufzte genervt.
"Ich muss Obama ins Weiße Haus seilen- das kann dauern."
"Ja gut. Ich warte. Gib Druck."
"Hetz' mich nicht", murmelte ich und verschwand auf der Toilette. Mensch, hier war mal wieder nichts los. Nur ein paar Typen, die am Pissbecken standen, von den zehn Kabinen, war nur eine verschlossen. Ich ging in eine der freien Kabinen rein und schaute erstmal in das Klo selbst rein. Kein zurückgelassener Scheißhaufen und keine Pissflecken auf dem Rand. Geht doch.
"Halleluja", murmelte ich und zog wenig später ab, dann verließ ich die Kabine und wollte mir nur noch die Hände waschen. Ich hätte gestern nicht die Frikandell essen und dann zwei Liter Chocomel trinken sollen. Das machte mein Körper gerade nicht mit. Und vorhin meine Brötchen mit Bouletten und Curryketchup. Nah, nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Ich dachte, sprenge die ganze Porzellanschüssel in die Luft und danach wäre ich dann eben explodiert.
Ich wollte hier nur noch raus. "Digga, irgendeiner verwest hier innerlich, oder was", beschwerte sich ein Türke, als er mit seinem Kumpel die Toilette betrat. Ich wusch mir hektisch die Hände und konnte im Spiegel erkennen, dass die beiden zu mir guckten.
"Kannst du laut sagen", sagte der andere.
"Ja, wie widerlich. Da war gerade so ein Typ", fing ich an und trocknete mir die Hände, an diesem Luftding ab. Früher waren die Dinger richtig laut, aber mit der Zeit und der Technik, hörte man nur noch ein laues Lüftchen. "Ich dachte schon, der sprengt hier gleich die ganze Kabine weg. Hat sich nicht gut angehört." Ich lachte nervös und schnitt eine kleine Grimasse, weil mir gerade ein wenig unwohl wurde. Die beiden jungen Türken blickten mich an und zogen ihre perfekt gezupften Augenbrauen zusammen.
"Es kam uns keiner entgegen", sagte der Größere und kratzte sich die Stirn. "Warst du das gewesen?"
"Was? Ich? Wie soll aus meinem Körper bitte so ein Gestank kommen."
"Das hat was würziges. So wie Curryketchup", schnupperte der eine. Der andere blickte ihn völlig entsetzt an.
"Woher willst du wissen, wie verdaute und ausgeschissener Curryketchup duftet?"
"Das frag ich mich jetzt auch."
"Der Ehemann unserer Schwester Elif, ist Deutscher."
"Ihr lasst das zu, dass eure Schwester einen Deutschen geheiratet hat?"
"Anfangs nein. Er hat sich beschneiden lassen und dann fanden wir ihn ein wenig korrekt", sagte der andere. "Die Berliner sind halt ein wenig bekloppt."
"Ihr kommt aus Berlin?"
"Ja, was geht dich das an?", wollte der andere wissen, während der andere zum Pisspott ging.
"War nur eine Frage."
"Kane, wo bleibst du denn?", hörte ich Papa fragen, wenig später stand er in der Tür und hielt sich vor Schreck die Hand vor die Nase. "Alter! Verreckt hier irgendwo ein Tier?"
"Nö", sagte ich und ging mit schnellen Schritten zu Papa. "Da war so ein Kerl gewesen, der hat glaub ich, alles ausgeschissen, was man ausscheißen kann."
"Hier sind aber kurz nachdem du rein bist, drei Leute rausgekommen. Ich hab's doch gesehen, dass die am Pissdingen standen-"
"Hm, wie auch immer", sagte ich und zerrte Papa aus dem Raum raus. Ich zog die Tür zu und warf ihn einen warnenden Blick zu.
"Das warst du doch, oder nicht?"
"Klar, war ich das", flüsterte ich. "Weißt du wie peinlich mir das ist?"
"Reg dich nicht auf. Kannst froh sein, dass du vor dem Duschen kacken musst und nicht danach. Das ist, als wenn man das Auto wäscht und es keine drei Sekunden später regnet."
"Hm", machte ich nur wieder und ging in Richtung Duschen. Papa folgte mir und sagte erstmal nichts.
Nachdem Papa und ich duschen waren, fragte er mich, was wir denn jetzt unternehmen wollen.
"Machen wir wieder was mit Oma und Theo?", fragte ich Papa und stopfte meine Sachen in meine Reisetasche, während Papa sich mit dem Handy in der Hand, auf sein Feldbett legte.
"Denke mal nicht. Es ist Samstag. Wir beide machen nur was zusammen. Morgen fahren wir ja schließlich wieder nach Hause."
"Habt ihr nicht heute ein Spiel?", fragte ich und schnappte mir den Karton Chocomel. Nö, ich hab echt nichts davon gelernt.
"Ja, halb vier. Hoffentlich bekommt das Mario alles alleine gebacken", sagte Papa. "Ich ruf ihn mal an."
"Der packt das schon. Er hat ja nicht umsonst einen Trainerschein bestanden."
"Ich ja auch."
"Naja, sei dir mal nicht so sicher", grinste ich. "Kannst du auch von dem Typen haben, von dem du damals deinen Lappen hattest."
"Trink nur weiter Chocomel, und dann flatterst du über die Nordsee."
"Analischer Düsenantrieb", murmelte ich und trank wieder einen kräftigen Schluck vom dickflüssigen holländischen Kakao. Ich drehte den Deckel auf und stellte den Kakao wieder in die Kühlbox, dann ließ ich Papa alleine, damit er in Ruhe mit Mario telefonieren konnte.
Elena putzte gerade die Fenster vom Wohnwagen. Von Theo war nichts zu sehen. Ach, dann nerve ich einfach mal Oma, solange Papa am telefonieren war.
"Darf ich dich nerven?", fragte ich, weshalb Oma vor Schrecken zusammen zuckte und die Zewarolle fallen ließ.
"Menschenskinner's", fluchte sie auf und hielt sich das Herz.
"Sorry", sagte ich und hob die Zewarolle auf. "Hier."
"Danke. Das erschrecken hast du doch von Onkel Marcel, oder?"
"Ja, er war mir da ein wahrer Lehrmeister", antwortete ich.
"Was habt ihr heute so vor?", fragte Oma und wandte sich zu mir, anstatt weiter zu putzen.
"Vater-Sohn-Tag. Aber was, wissen wir noch nicht."
"Fahrt doch nach Alkmaar oder Amsterdam. Es sieht mit dem Wetter ja nicht gut aus. Siehst du selber. Graue Wolken. Theo und ich waren schon am Strand. Du sparrst dir ein Peeling für die Beine, so wie der Sand peitscht."
Ich schaute in den Himmel. Stimmt. Dicke graue Wolken. Keine Ahnung, ob es Windig war, wir waren ja hier hinter Dünen und so gesagt tiefer gelegt. Wenn müssten es die anderen Leute in ihren Zelten mitbekommen, die höher saßen, als Papa und meine Wenigkeit. Ich schaute nach oben und fand einfach kein Zelt. Nur Wohnwagen.
"Kann ich Papa ja vorschlagen", nickte ich. "Willst du Mamas Handynummer haben?"
"Und dann?", fragte Oma. "Ich glaube, dass ist keine so gute Idee. Du weißt, dass sie nicht gut auf mich zu sprechen ist. Und sie hat sich ein Leben ohne mich aufgebaut. Das bringt jetzt nichts, dass ich wieder auftauche."
"Aber du bist doch ihre Mutter. Was ist, wenn du irgendwann mal weg bist?"
"Ich denke, wenn ich irgendwann tot bin, wird es May auch egal sein."
"Sag sowas doch nicht."
"Es ist aber so. All die Jahre jetzt noch aufholen, das wird nichts bringen."
"Aber du wirst zum Dritten Mal Oma, Elena. Da hast du deine neue Chance. Ich weiß nicht wie, aber versuch es doch irgendwie."
"Ja und was ist, wenn ich enttäuscht werde? Mal wieder?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Mehr als versuchen kann man das ja auch nicht. Und wenn es am Ende nicht klappt, kannst du dir immer noch sagen, dass du es wenigstens versucht hast."
Oma sagte darauf hin, nichts mehr. "Ich kann es mir ja überlegen, ob ich mich bei ihr melde. Du kannst mir ja nachher, ihre Nummer geben, okay?"
"Okay, kann ich machen", nickte ich. "Ich gehe dann auch mal wieder zurück nach Papa. Der muss auch schon mit dem telefonieren fertig sein."
"Komm mal her", sagte Elena und streckte die Arme zu einer Umarmung aus.
"Okay", sagte ich munter und umarmte meine Oma. Sie knuddelte mich kurz und ließ dann nach fünf Sekunden von mir ab. "Bis nachher."
"Ja", sagte Oma nur und wandte sich wieder den Fenstern des Wohnwagens zu.
"Bist du fertig?", fragte ich Papa, als ich das Zelt betrat. Papa nickte und stand von seinem Feldbett auf.
"Was machen wir jetzt, Sohnemann?"
"Oma meinte, dass es am Strand viel zu windig ist. Der Sand peitscht halt richtig. Amsterdam?"
"Ist dein Kakao alle?"
"Wir wollten doch eh Kakao mitnehmen, oder nicht? Damit Mama auch davon was hat. Und ich. Vielleicht auch Mina und du."
"Du hörst mal auf zu viel Kakao zu trinken. Du bekommst davon Dünnpfiff."
"Vielleicht habe ich Laktoseintoleranz."
"Vielleicht kommt das nur davon, dass du in weniger als eine Stunde fast zwei Packungen wegsäufst."
"Kannst froh sein, dass ich süchtig nach Kakao bin und nicht nach Alkohol."
"Ja, pack das nötigste Zeug zusammen. Wir fahren nach Amsterdam. Mir müssen bis 15:30 wieder da sein. Fußball, Kleiner."
Papa klatschte hektisch in die Hände und ich stämmte die Hände in die Hüfte. "Großer. Ich werde ja bald 18."
"Das dauert noch ein paar Monate. Wir haben März oder so."
"April."
"Oh, dann hab ich ja auch bald wieder Geburtstag."
"Joah, könnte hinkommen", nickte ich. "Dann gucken wir Fußball. Wir können ja Theo und Elena auch fragen."
"Ganz bestimmt. Fragen wir den Braunschweig Fan."
"Wieso?"
"Dortmund spielt heute gegen Braunschweig."
"Seit wann sind die wieder erste Liga?"
"Seit die Saison angefangen hat, du Flitzpiepe."
"Ach jaa, stimmt ja. Voll vergessen ey." Ich haute mir mit der flachen Hand auf die Stirn, und blickte zu Papa, der nur eine Grimasse schnitt. "Dann ab nach Amsterdam."
"Das sag ich schon die ganze Zeit, Kane."
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Noch mal zur Info :)
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