Kapitel 29

KAPITEL 29

~ Marco's Sicht ~

Da waren wir- direkt auf dem Campingplatz, hinter einen riesigen Düne, war dann auch schon mal die Nordsee. Ich fuhr auf ein Stück Wiese, wo unser Platz sein sollte. Kane schaute neugierig aus dem Autofenster und nahm schon mal unsere neuen Campingnachbarn unter die Lupe, während ich an den Steckdosen, die aus dem Boden herausschauten, nach unserer Nummer schaute. Nummer fünf. Da war unser Platz, direkt zwischen zwei Wohnwagen. Ich hielt an und stellte mein Auto zum parken ab. Kane schnallte sich sofort ab und streckte sich. "Endlich", murmelte er und gähnte. "Was machen wir jetzt? Zelt oder Strand?"

"Erst die Arbeit und dann das Vergnügen", sagte ich und schnallte mich ab. Ich stieg aus dem Geländewagen aus und musste mich auch erstmal strecken. Man tat mir der Hintern von der Fahrt weh.

"Hast du überhaupt eine Ahnung, wie wir das Zelt aufbauen müssen?", fragte Kane mich.

"Ähm, nein. Deine Mutter hat es bisher immer alleine hinbekommen", antwortete ich unsicher und kratzte mich am Hinterkopf.

"Prima, Papa. Das kann ja echt was werden", murmelte Kane und ging zum Kofferraum. Gemeinsam mit Kane räumte ich das noch verpackte Zelt aus dem Kofferraum. "Hat Mama wenigstens eine Anleitung dabei gepackt?"

"Anleitung? Weißt du woher wir das Zelt haben?", hakte ich nach.

"Aus einem Camping-Fachgeschäft?"

"Nee, Ikea. Wer braucht denn schon eine Anleitung, um Ikea-Dinge aufzubauen", meinte ich sarkastisch und ging auf unser freies Plätzchen. "Wenn wir beiden, dass nicht hinbekommen", ich machte eine Pause. "Ich glaube, wir kriegen das hin-"

"Glaubst du das wirklich Papa? Ich glaub das nämlich nicht", sagte Kane. 

"Okay, hast recht", sagte ich und klatschte in die Hände. Bereit, dieses Ungetüm von Zelt aufzubauen, bereit wegen einer nicht existierenden Anleitung, mal wieder einen kompletten Nervenzusammenbruch zu bekommen. Und das alles nur, wegen Ikea.

"Hm", meinte Kane nachdenklich und blickte auf das eingepackte Zelt runter. Genau wie ich. 

"Hm", kam es von mir.

"Hm."

"Hm. Und nun?"

"Hotel", nickte Kane fest entschlossen und schnappte sich das Zelt vom Boden.

"Nein, wir gehen nicht ins Hotel", sagte ich streng. "Wir haben hier auch WLAN."

"Und? Aber ich kann nicht in Ruhe Scheißen, weil hier mehrere Kabinen nebeneinander sind", maulte er wieder herum. Ich blickte jedoch zu den einem Wohnwagen und konnte meinen Augen kaum trauen. "Wir fahren doch ins Hotel!", rief ich und ging meinen Sohn hinter her, der das Zelt mittlerweile wieder in den Kofferraum verfrachtet hatte.

"Hast du ein Geist gesehen, oder warum bist du so blass?", fragte Kane mich und musterte mich skeptisch.

"Nein, nein."

"Musst du kacken? Ich muss kacken. Deshalb wollte ich nämlich ins Hotel", fing er wieder sein Thema an.

"Ach, da ist nur-"

"Deine Großmutter", hörte ich die nervige Stimme hinter mir sagen. Jaaaaaaa, die Mutter meiner Frau stand hinter mir. Man, die mochte ich ja von Anfang an. Ich sollte May anrufen, vielleicht hatte sie wieder Lust, Seitenspiegel abzutreten.

"Ach was", meinte Kane nur. "Du bist aber alt geworden."

"Hast du deinen Kindern kein Benehmen beigebracht?", wurde ich gefragt. Ich drehte mich zu Elena, die erblondet war. Anscheinend färbt sie ihre grauen Haare jetzt blond. Von der ehemaligen Brünette war nichts mehr zu sehen. Dazu noch ein eine Menge Botox in der Fresse, das sind genau die richtigen. Sie blieb hundertprozentig der High-Society und so treu.

"Hat man dir nicht beigebracht in Würde zu Altern?", konterte ich und lächelte nett. Elena versuchte eine Augenbraue hochzuziehen, doch daraus wurde nichts. 

"Wie geht's meiner Tochter?", wechselte sie das Thema.

"Wieso fragst du sie nicht selber? Ahjaaa, liegt daran, dass du nicht anrufst."

"Klar, rufe ich an. Aber, wenn mich May die ganze Zeit wegdrückt?", meinte Elena.

"Ach Quatsch", sagte ich.

"Doch. Ich versuche es schon seit Jahren wieder im Kontakt mit meiner Tochter zu kommen, weil mich das interessiert, wie es meinen Enkelkindern geht und meiner Tochter allgemein, aber sie ist sich anscheinend zu fein, wieder in Kontakt mit mir zu treten. Ich habe ihr sogar einen Brief geschickt, in dem ich mich ausgiebig für alles entschuldigt habe und das ich gerne wieder Kontakt mit ihr haben möchte. Okay, was heißt ein Brief. Es waren hunderte. Es kam nie was zurück. Ich hab sogar Geschenke an Weihnachten und Geburtstagen zu euch geschickt. Die kamen immer alle zurück, mit einer Beleidigung meiner Tochter."

Okay, ich kannte meine Frau ja in und auswendig. Und ich wusste, wie sie gegenüber Personen sein kann, die sie nicht mehr sehen will. Sagen wir mal es so, ich konnte mir das schon vorstellen, dass May das alles gemacht hat. Ich konnte sie ein bisschen verstehen, dass dieser Sturkopf, wegen der ganzen Geschichten in der Vergangenheit,  mit ihrer Mutter, nichts mehr mit dieser zu tun haben will. Aber das ist Jahre her. Kann man da nicht einfach mal über sein Stolz hüpfen und einen Verzeihen. Natürlich kann man das alles nicht vergessen. Aber wenn man mal in Ruhe und ohne Streit miteinander redet, hat man doch einen Schritt nach vorne gemacht.

"Ich verstehe, dass man Zeit für sich braucht, aber das ist doch jetzt viel zu lange her", meinte Elena weiter. "Ist sie nicht mit?"

"Nein, sie bleibt mit Mina zu Hause."

"Ich glaube", fing Kane an und stand plötzlich mit dem Zelt in der Hand neben mir. "Wir bleiben hier, Papa. Oma und ich haben sicherlich eine Menge zu erzählen, oder?"

Er blickte zu Elena und diese nickte nur. "Ich hole nur meinen Mann. Der wird euch schnell dabei helfen."

"Du bist wieder verheiratet?", fragte ich neugierig nach.

"Ja, seit zwei Jahren. Ich hatte euch ja eingeladen, die Einladung kam wieder zurück."

"Oh, May", seufzte ich.

"Ich hole ihn nur kurz." Damit ließ uns Elena alleine und ging zurück zum Wohnwagen.

"Oma sieht zwar so aus, als ob sie mit ihrem Gesicht im Gruselkabinett arbeitet, aber sie ist trotzdem immer noch meine Oma."

"Ja, sag ihr das aber nichts ins Gesicht."

"Welches Gesicht?", lachte Kane. Ich warf ihn einen strengen Blick zu und sofort hörte er auf zu lachen. Er hustete und kratzte sich an der Stirn. "Willst du ein alkoholfreies Bier, Papa?"

"Wer trinkt schon alkoholfreies Bier", sagte ich angewidert und rümpfte die Nase. "Wenn ich 1,5 prozentige Milch will, muss ich jetzt an den Nippeln deiner Mutter saugen, oder was?"

"Was?", meinte Kane irritiert.

"Was?" Ich war genauso irritiert, was mir gerade rausgerutscht war.

"Ih, Papa."

"Ich halte jetzt die Klappe."

"Sehr gute Idee. Ganz sehr gute Idee."

"Drei Haare am Sack und schon einen auf große Fresse machen, oder was?", grinste ich und boxte meinen Sohn leicht in den Magen. Kane lachte nur und schlug meine Hände weg.

"Wenn du es genau wissen willst, ich hab da viereinhalb."

"Genaugenommen, will ich es gar nicht genau wissen", sagte ich und schüttelte meinen Kopf. "Aber mit siebzehn ist das schon traurig." Ich zog mein Handy aus der Hosentasche. "Ich ruf mal eben kurz deine Mutter an, dass wir da sind."

"Von Elena erzählst du ihr aber nichts, oder?"

"Nein, ich bin zwar bescheuert, aber so bescheuert nun auch wieder nicht", sagte ich und setzte mich ins Auto, um in Ruhe mit meiner Frau zu telefonieren.


~ May's Sicht ~

"Ich weiß nicht, was die Alte für Probleme hat. Ich habe Kane nicht angerührt", verteidigte sich Jason andauernd.

"Du hast ihn nicht angerührt?", fragte ich und blickte ihn sauer an. "Willst du uns alle verarschen? Mein Sohn, hat wegen dir eine Gehirnerschütterung? Was ist, wenn was Schlimmeres passiert wäre?"

"Frau Reus, würden Sie bitte herunter kommen?", meldete sich auch nun der Direktor zu Wort. "Woher wissen Sie, dass Jason gegen Kane vorgegangen ist? Hat Ihr Sohn etwas erzählt."

"Nein, hat er nicht. In diesem Fall, musste er mir auch nichts erzählen", sagte ich und holte mein Handy heraus. Ich suchte in den Videos, nach eben diesen Video und hätte am liebsten den Jason so eine auf die Fresse gehauen, aber ich hielt mich zurück. Ich schob das Handy an den Wackeldackel auf dem Tisch zum Eichelsack. Dieser nahm das Handy in die Hand und schaute sich das Video genau an. Jason, der vorher gerade wie eine Kerze da saß, wurde nervös und seine Schultern sackten ein. 

"Ich kann nicht erkennen, dass es während des Schulunterrichts war. Also ist das nicht weiter mein Problem", sagte der Eichelsack und schob mir mein Handy wieder rüber.

Ich glaube ich hatte mich da gerade verhört. Ich lehnte mich nach vorne. "Wie? Das ist nicht Ihr Problem? Dieser Schüler, geht auf Ihre Schule? Machen Sie was gegen Ihn. Schmeißen Sie ihn von der Schule."

"Wieso melden Sie nicht einfach Ihren Sohn nicht ab?", wurde mir die Gegenfrage gestellt. Sauer schlug ich auf den Tisch, und der Wackeldackel war völlig am Headbangen gewesen. 

"Ich soll meinen Sohn abmelden? Mein Sohn ist hier das Opfer in der Geschichte und dieser Typ hier", ich zeigte auf Jason. "ist der Täter. Sie wollen mich doch gerade verarschen, oder was?"

"Schreie ich Sie an, Frau Reus? Nein, tu ich nicht. Also bitte ich Sie, dass Sie jetzt runter kommen."

"Sagen Sie noch einmal, dass ich runter kommen soll-"

"Drohen Sie mir?"

"Das war lediglich nur ein freundlicher Hinweis, dass Sie mich nicht immer daran erinnern müssen, dass ich runter kommen sollen. Ich werde schon runter kommen, wenn das hier geklärt ist."

"Dazu müsste ich jetzt erstmal den Jason befragen. Unter vier Augen. Würden Sie kurz rausgehen."

Ich wandte mich zu Jason, der sich ein Grinsen unterdrücken musste. "Grins nicht so blöd. Ich war bereits mit dem Video bei der Polizei. Anzeige ist raus und Anzeige wird bearbeitet. Besorg' dir schon mal einen neuen Anwalt, du Pissnelke." Mit Handy und Handtasche, wollte ich gerade das Direktorbüro verlassen, als die Wuchtbrumme von Jasons Mutter, das Zimmer betrat.

"Frau Reus!", knurrte mich diese sauer an.

"Mutter dieser Ausgeburt!", sagte ich unbeeindruckt und blieb stehen. Sie sollte ja Platz machen, damit ich hier raus kam, anfassen wollte ich die nicht. Selbst nicht mal mit einer Kneifzange. "Machen Sie mir jetzt Platz, oder muss ich mit C4 Platz schaffen?"

"Frau Reus!", hörte ich den Eichselsack mahnen.

Jasons Mutter machte mir endlich Platz und ich konnte das Büro verlassen. Ich zog sauer die Tür zu und drehte mich um. Mein Neffe, meine Tochter, mein Patenkind und Solin blickten mich an.

"Das tut mir leid. Ich entschuldige mich für meinem Stiefbruder und meine Stiefmutter", sagte Solin und tat sich schwer, mir in die Augen zu schauen.

"Quatsch, du brauchst dich dafür nicht entschuldigen, Kleine. Du kannst ja schließlich nichts dafür, dass bei den beiden was schief gelaufen ist."

"Gewaltig was schief", stimmte Nico nickend hinzu.

"Weiß dein Vater hier eigentlich von?", fragte ich Solin.

Sie zuckte mit den Schultern. "Das kann sein, dass die mit ihm telefoniert und ihm eine andere Geschichte erzählt hat. Er ist ziemlich oft wegen seinem Job unterwegs."

"Als was arbeitet er denn?", wollte ich wissen.

"Er ist Immobilienhändler. Er verdient, wenn er in den andere Großstädten ist, immer noch mehr zum Bonus und eigentlichen Gehalt dazu."

"Das erklärt, weshalb die beiden bei euch sind", sagte Curtys.

"Das glaub ich langsam auch", nickte Solin. "Wo ist Kane eigentlich?"

"Eigentlich krank", murmelte ich. "Aber er ist gerade mit seinem Vater an der Nordsee. Den Kopf freibekommen." Ich schaute auf mein Handy, was am klingeln war. Auf dem Bildschirm, stand der Name meines Göttergatten. "Er riecht es immer, wenn man über ihn redet. Entschuldigt mich mal kurz." Ich ging von den dreien Weg und nahm das Telefonat an. "Was gibt es denn, Schatz?"

"Wollte nur sagen, dass wir endlich angekommen sind", meinte er. "Wie geht's dir?"

"Guuuut", sagte ich. "Ich muss dir aber was Wichtiges erzählen. Es geht um Kane."

"Was ist denn jetzt?"

Ich erklärte ihm die Sache mit Kane und das ich nebenbei gerade in der Schule war und das alles zu klären. Er meinte, ich sollte die Anwältin anrufen und er wollte früher nach Hause kommen. "Nein, ihr beiden bleibt erstmal da. Lass den Jungen einen freien Kopf bekommen. Spreche ihn jetzt nicht drauf an. Du weißt wie er ist. Ich glaube, ihm ist das peinlich, sonst wäre er schon längst zu uns gekommen und hätte es uns erzählt. Mach es wie du immer machst."

"Ganz langsam ranpirschen. Hatte ich eh vor", meinte Marco nur. "Ich leg dann auch wieder auf. Ruf mich nachher noch mal an, wie es gelaufen ist. Ruf Ricarda an. Ich helfe Kane mal weiter das Zelt aufzubauen."

"Schafft ihr das beide alleine?", fragte ich.

"Klar, wir haben sogar die Anleitung im Internet gefunden. Zwar ist diese auf Chinesisch, oder Japanisch, oder was das ist. Aber ich bin ja der Master in Bilderbuch lesen. Ich pack das schon."

"Ich hoffe es", lachte ich. "Ich liebe euch."

"Wir lieben euch auch", antwortete Marco. "Bis nachher."

"Ja, bis nachher." Damit war das Gespräch wieder beendet und ging zurück zu den dreien, die schon auf mich warteten.

"Hast du es Papa erzählt?", fragte Mina mich. Ich nickte nur.


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