Kapitel 24

KAPITEL 24

~ May's Sicht ~

Ich war alleine zu Hause. Meine Kinder waren in der Schule, mein Mann beim Training und normalerweise hätte ich jetzt den ganzen Haushalt machen müssen, da unsere Putzfrau krank war. Aber ich hatte einfach keine Lust, dass ganze Haus aufzuräumen, Wäsche zu waschen und was alles so anfällt. Ich fand es wunderbar, einfach mal auf der Couch zu sitzen und mir Schokoladeneis zu gönnen. Normale Menschen nehmen ja einen Esslöffel, aber da die alle dreckig in der Spülmaschine lagen und ich nicht normal war, aß ich es eben mit dem Pfannenwender. Das war eines der größten Küchenutensilien, was ich gefunden habe und in den Eisbecher passte.

Während ich hier das Eis auffraß, schaute ich Sons Of Anarchy weiter. Wie Jung mein Vater da mit seinen Ü-40 noch aussah. Oh hey und da war ich. Dad hat damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich zwischendurch mal ab der 5. Staffel als Juice Freundin auftauchte. Ich will hier jetzt nicht Spoilern, aber wer die Serie guckt und weiß, was in Staffel 7 passiert, der kann sich auch denken, wie meine Figur damals darauf klar kommen musste.

Wie auch immer, man sah ich da jung aus. Ja ich war gealtert, aber zu meinem Glück hatte ich noch kein graues Haar an mir entdeckt, noch nicht. Meine Mutter hatte mit 47 das erste graue Haar bekommen. Ich hab zwischendurch mitbekommen, dass meine Mutter mal, wie soll ich sagen, zum anderen Ufer übergeschwommen ist. Aber das hielt nur fünf Monate, dann bekam ich den Anruf von ihr, dass "Fabienne", oder so, ihr Yoga-Lehrer, ihr beigebracht hat, dass Vagina-Aneinanderreiben, nicht so prickelnd und Orgasmusbringend ist wie eine Fleischwurst im Dipp. Ja, das hat mir meine Mutter allen erstens am Telefon gesagt. Ich hätte damit gerechnet, dass sie mich nach ihren Enkeln fragt, wie es mir geht und meinem Mann. Aber da kam nichts von, nur eben dieser eine Satz. Ich wäre mir nicht so sicher, ob sie das noch gefragt hätte- ich hab einfach aufgelegt, weil ich verstört war. Teilweise bin ich deswegen immer noch verstört wegen dieser Aussage. Es wird mich sicherlich immer noch verstören, wenn ich die Radieschen von unten wachsen sehe und sämtliche Krabbeltiere mein Fleisch von meiner Haut knabbern werden.

Ich sehe es schon kommen. Ich begegne Hades oder Gott und das erste was sie meinten, wäre sicherlich, dass ich doch eine Therapie wegen dieser verstörenden Frau namens Mama machen sollte.

Ich hörte auf, über sinnloses Zeug nachzudenken und wandte mich wieder dem Fernseher zu, um die gute alte Zeit zu genießen. Ich kam gerade zu der Szene, wo meine Figur "Jenna", eine nicht in Charming wohnende Frau, in der Werkstatt darauf wartete, dass ihr heißgeliebtes Auto wieder auf Fordermann gebracht wird. Juice lief dann eben in Jenna rein- ich hätte am liebsten weiter erzählt, aber es klingelte unerwartet an der Tür.

Schnell stellte ich den Fernseher leiser und versuchte keinen Mucks von mir zu geben, damit die Person an der Tür verschwinden konnte. So wie es hier aussah, wollte ich keinen reinlassen, außer diejenigen die ihr wohnten. Es flogen überall Klamotten von uns im Flur und Wohnzimmer herum. Ich wollte ja runter gehen und die Wäsche machen, hab den Wäschekorb aber fallen lassen und war zu faul den wieder aufzuheben. Als ich zwischendurch zum Klo, oder in die Küche gerannt bin, hab ich eben die ganze Wäsche weiter verteilt, da ich diese hin und her geschossen habe.

"Du machst deine Mutter ganz schön faul, Böhnchen", sagte ich und schaute auf meine kleine Kugel herunter. Sie war schon ein wenig gewachsen. Das Kind konnte auch nur wachsen, es blieb ihm oder ihr nichts anderes übrig, weil ich so viel am Essen war, dass ich vermutlich im neuten Monat, eine hochexplosive Ware bin.

Es klingelte wieder und es klopfte auch gegen die Tür. "Mein Gott, wer penetriert jetzt schon wieder mein Alleinsein?", murmelte ich und schmiss das Eis auf den Tisch. Natürlich kleckerte ich dabei auf die ganzen Ruhrnachrichten von Marco und dem anderen Geschirr, was vom Frühstück der Kinder noch übrig geblieben war.

Als ich mich in Richtung Tür begab, trat ich einen BH von mir weg, welcher sich im Kronleuchter verfing. Ich schaute nach oben. Da komm ich nicht dran. Muss wohl Marco machen. Schulterzuckend ging ich zu Tür und öffnete diese. Eine Frau in einem beigen langen Mantel und Aktenköfferchen, wandte sich gerade zum Gehen zu. Blieb dann aber stehen und drehte sich zu mir. "Frau Reus?", fragte diese und musterte mich mit einem strengen Blick. Boah, ich merkte schon, dass wir beste Freundinnen werden können. Ihr kennt doch sicherlich die Monster-AG? Die nette Empfangsdame, diese Schnecke?

Ladies und Gentlemen, dieses Etwas, ein Mensch war es nicht, und auch kein Tier, also dieses Etwas, steht genau vor mir. Bloß etwas kleiner und mit einem Kreuz wie Kollegah.

"Kommt drauf an, wer das wissen will", sagte ich skeptisch und stellte mich vor die Haustür, diese zog ich ein wenig zu und stellte mein Fuß sicherheitshalber dazwischen, damit sie nicht zu viel und ich mich aussperrte.

"Roswitha Kleinstein, Jugendamt Dortmund", sagte sie und hielt mir die Hand hin.

"Sie heißen Kleinstein? Wie das Pokémon?", fragte ich belustigt und musste mir ein Grinsen unterdrücken. Kleinstein, war nicht nur witzig, weil es eben dieser Pokémon war, sondern weil diese Kleinstein eben klein, aber ein Kreuz wie Kollegah höchstpersönlich hatte.

"Bitte?", fragte sie verwirrt.

"Dann bin ich May Pummeluff, das mit dem Pummelig kommt noch."

"Haben Sie mich nicht verstanden, ich bin eine Mitarbeiterin vom Jugendamt."

"Ich bin die Ehefrau von Marco Reus. Normalerweise gebe ich nicht damit an, aber ich hab in diesem Fall gewonnen. Hör'n se' mal, Schucki, Sie können sagen was Sie wollen. Ich glaube nicht, dass Sie Mitarbeiterin des Dortmunder Jugendamtes sind. Sie sehen zwar aus wie eine strenge 'Kinderwegnehmerin', aber Ihr Reporter-Schweine lasst euch doch immer etwas Neues einfallen, um ein Interview, wegen der Sache, die passiert ist, zu bekommen. Ich sage da nur da nur eins: wiederschaun und reingehaun."

Ich drückte die Tür auf und ging rein- warf ihr noch einen Blick zu, als ich die Tür laaaangsam zu drückte, bis sie mir einen Ausweis unter die Nase hielt, der angeblich bestätigen sollte, dass sie ehrlich vom Jugendamt war.

"Kann man sich auch ausdrucken, oder ausdrucken lassen, wenn man die richtigen Kontakte hat", sagte ich und runzelte skeptisch die Stirn.

"Glauben Sie was Sie wollen. Ich bin wirklich eine Mitarbeiterin vom Dortmunder Jugendamt. Ich habe einen Hinweis erhalten, dass Sie illegalen Waffenbesitz betreiben, was mir nicht so wichtig ist. Und Sie vernachlässigen Ihre Kinder."

"Und was betreiben Sie?", stellte ich die Gegenfrage. "Nett gucken, ja wohl nicht."

"Hören Sie, es geht mir um das Wohl Ihrer Kinder. Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, Sie vernachlässigen Ihre Kinder und wegen der Meldung des illegalen Waffenbesitzes, geht es mir auch um die Sicherheit und das Leben Ihrer Kinder."

"Cool, natürlich bin ich so eine Mutter, die ihren Kindern eine Pistole in die Hand drückt, damit sie auf leeren Whiskyflaschen schießen können, die ich zuvor weggeext habe. Ist klar."

"Frau Reus, ich mache darüber keine Späße und Sie sollten das auch nicht tun."

"Wieso, nehmen Sie mir dann die Kinder weg oder was?", fragte ich spöttisch.

"Könnte ich vielleicht reinkommen und mir ein Bild Ihres Hauses machen?"

"Sie könnten sich wieder umdrehen, in Ihre Sushibox von Auto setzen, die unsere Einfahrt blockiert und Ihren Kopf auf die Tastatur ihres alten Computers hauen. Genau das tun die Mitarbeiter vom Jugendamt", knurrte ich und knallte der Kleinstein die Tür vor der Nase zu.

"Frau Reus, ich melde mich telefonisch und schriftlich bei Ihnen. So was unverschämtes!"

"Unverschämt war es, dass dein Vater dich in deine Mutter gespritzt hat, anstatt ins Klo", grummelte ich und kickte Minas Lieblingskleid durch den Flur, ehe ich mich zurück auf die Couch fallen ließ. Ich schnappte mir mein Eis und schaute meine Serie weiter. Ich seufzte, als mein Smartphone aufbimmelte.

Ich schnappte es mir von der Rückenlehne der Couch und schaute auf den Bildschirm. Eine Erinnerung für einen Termin. "Elternabend", murmelte ich. "Oder wie es nenne, Todesurteil meiner Kinder." Ich legte das Ding wieder weg und blickte wieder zum Fernseher.

~ Kane's Sicht ~

"Keine Panik, weil ich gleich wieder da bin. Auch wenn ich Fall, lass ich dich nicht fallen", sang ich vor mich hin, als Kontra K, durch meine Kopfhörer lief, während ich auf dem Weg nach Hause war. Ich wollte eigentlich mit dem Bus fahren, eigentlich. Hab aber dann die ganzen herumschreienden Grundschulkinder gesehen und hatte auf diese keine besondere Lust.

Okay, es mag sein, dass das Album "Labyrinth" aus dem Jahr 2016 ist, und das meine Eltern immer gerne gehört haben. Ich hatte das damals auf dem iPod meiner Mutter gefunden und konnte momentan einfach nicht ohne das Album. Mittlerweile lief "Paradies" und ich schaute mich weiter um. An einem Haus, stand ein Krankenwagen, wo gerade eine kleines Kind, was an Beatmungsgeräten hing, herausgetragen wurde. Ein Polizist schleppte gerade den Vater in Handschellen zum Polizeiauto, während die Mutter schreiend aus dem Haus nach ihrem Kind rief. Ich schauderte und wäre ja stehen geblieben, aber Mama hatte mir gesagt, dass es sich nicht gehört, bei sowas zu zuschauen. Dafür kann man mittlerweile eine Hohe Strafe bekommen und noch mehr Ärger wollte ich meinen Eltern nicht machen. Vor allen nicht meiner Mom. Ich ging gerade den Weg zu einer Unterführung herunter und schaute auf meinem iPod, um ein anderes Lied anzumachen. "Labyrinth".

Ich steckte das Dingen wieder in meine Jackentasche, im gleichen Moment, wurde ich nach vorne geschubst. Erschrocken drehte ich mich um und bevor ich realisiert habe, wer da vor stand, wurde mir gegen mein Schienbein getreten. Ich stand auf und wollte weglaufen, da bekam ich einen Schlag auf meinem Hinterkopf- taumelte zwar, aber konnte mich auf den Beinen halten. Ich drehte mich um und sah Jason stehen. Er riss mir die Kopfhörer aus die Ohren raus und blickte mich sauer an.

"Ich hab gesagt, dass du das zurück kriegst, du Pisser", knurrte er mich an und schubste mich zurück.

"Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen? Was ist bei dir Falsch gelaufen? Lass mich in Ruhe, oder du bekommst noch richtig Ärger." Ich riss ihn meine Kopfhörer aus den Händen und machte auf dem Absatz kehrt, um aus der Unterführung herauszukommen. Mit schnellen Schritten ging nich zum anderen Ende, ich drehte mich noch mal um, zu Jason, der stehen geblieben war. Einer seiner Freunde, die ich jetzt erst wahrnahm, packte sein Handy weg. "Hab's aufgenommen. Wird ein Renner auf YouTube. Reus' Sohn bekommt Schelle", lachte der eine. Jason und sein andere Kumpel fingen ebenfalls an zu lachen.

"Ihr werdet von meinem Anwalt hören!", rief ich zurück und machte mich mit schnellen Schritten auf den Weg nach Hause.

    Zuhause angekommen, war Mina dabei die Wäsche auf einem Haufen zu schieben, Mama half ihr dabei. Ich nahm die Kopfhörer aus den Ohren und zog meine Schuhe aus. "Hi", sagte ich und schmiss meinen Rucksack auf die unterste Treppe. "Ist der Wäschekorb explodiert?" Ich schaute auf die ganzen Wäscheteile, selbst ein BH hing in dem Kronleuchter. 

"Hi, und nein", meinte Mina.

"Hallöle, und nope. Ich hatte nur wieder meinen Faulheitsanfall", sagte Mama und schmiss eine Jeans in den Wäschekorb. Ich sprang hoch und schnappte mir den BH vom Kronleuchter. "Ih, hier ist deiner", sagte ich und warf Mama den BH zu. Gekonnt fing sie ihn auf, auch wenn sie mit dem Rücken zu mir stand.

"Heul nicht. Irgendwann freust du dich so was in der Hand zu haben", sagte sie und schmiss den BH in den Wäschekorb.

"Okay, haben wir irgendwo Kopfschmerztabletten?"

"Wieso?", fragte Mama und musterte mich. "Zu schwierige Aufgaben in Mathe?"

"Keine Ahnung, die haben auf einmal angefangen", antwortete ich und rieb mir den Hinterkopf, der bei jeder Berührung höllisch weh tat. Mein Schienbein schmerzte auch, aber nur wenn man dagegen kam. Würde vermutlich nur ein blauer Fleck werden.

Ich drehte mich zur Tür, die gerade auf ging und Papa kam rein. "Nimm dir dieses Wochenende nichts vor. Wir beide fahren in die Niederlande", sagte er an mir gewandt.

"Keine Sekunde drinnen und schon laberst du los. Komm doch erstmal an", sagte Mama und hob den Wäschekorb hoch.

"Wo ist unsere Putzfrau?", wollte Papa wissen.

"Krank."

"Du sollst dich ausruhen, Mama", sagte Mina und nahm ihr den Wäschekorb ab. "Ich hab zwar keine Ahnung, wie man Wäsche waschen muss, aber mehr als das Haus abfackeln kann ich nicht." Damit war sie nach unten verschwunden.

"Warte", sagte Mama und ging hinter her.

"Hast du frei?", fragte ich Papa. Er machte die Tür zu und zog seine Sneakers aus. 

Dieser nickte. "Ist keine Bundesliga. Ich denke, dass könnte uns beiden mal gut tun. Letzte Zeit war ziemlich Scheiße."

"Und wir zelten? Kein Hotel mit WLAN?"

"Der Platz hat WLAN, bleib ruhig."

"Hauptsache eine Toilette, dann bin ich schon zufrieden."

"Nee, wir nehmen eine Schaufel mit und kacken am Strand, Kane", sagte Dad ironisch und wollte mir einen Klaps auf den Hinterkopf geben. Ich zuckte zusammen und hielt mir sicherheitshalber den Hinterkopf. "Was los?"

"Hab Kopfschmerzen", sagte ich. 

"Kopfschmerztablette?"

"Wäre nicht schlecht."

"Was ist mit Training?", wollte Papa wissen.

"Wenn's besser wird, geh ich. Du weißt, ich hab nur gefehlt, wenn ich wirklich krank war", sagte ich.

"Hab ja nichts gesagt und ja ich weiß", nickte Papa. "Dann fällt für dich heute mal das Training aus."

"Okay. Ist heute nicht Elternabend?"

"Japp."

"Wer von euch beiden geht hin?"

"Beide. Oma kommt und passt auf euch auf."

"Gut, dass wir nicht das ihr müssen. Die rückt das Passwort fürs WLAN nicht raus."

"Weiß ich. Der auf dem Router steht ist übrigens auch falsch. Ich hab Papa versucht zu bestechen mit einem Grill."

"Und?", wollte ich wissen.

"Gute Neuigkeiten, Opa hat einen neuen Grill. Schlechte Nachricht, wir wissen immer noch nicht das WLAN-Passwort."

"Wir kriegen das noch raus", meinte ich. "Könnte ich jetzt was gegen meine Kopfschmerzen haben?"

"Das kommt nur vom zocken", grummelte Papa vor sich hin, während er nach oben verschwand, um mir eine Tablette zu holen. 

Ich schnappte mir meinem Rucksack und machte mich auf dem Weg in mein Zimmer. Als ich im ersten Stock ankam, drückte Papa mir die Tablette in die Hand. "Danke", murmelte ich.

"Trinken hast du?", fragte er mich.

"Sprite ist oben", antwortete ich und ging die weiteren Treppen nach oben. Als ich in mein Zimmer war, schmiss ich meinen Rucksack in die Ecke, machte die Tür zu und setzte mich auf mein Bett. Wieso kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso ausgerechnet ich? Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Nur weil ich sie geküsst habe, lässt er seine Scheißlaune an mir aus. Kennt ihr das, wenn ihr schon gerade mit einer Sache im Leben zu kämpfen habt, dann kommt was Neues dazu. Zu der Sache mit Jason, kam eben die Sache mit meiner Mutter dazu. Was, wenn es nicht ihr Oberschenkel gewesen wäre, in der sich die Kugel durchgebohrt hätte?Was, wenn es irgendein Organ gewesen wäre, ihr Herz. Was wäre, wenn er sie mit einem Kopfschuss gerichtet hätte? Ich konnte und wollte mir das alles gar nicht vorstellen. Ich schluckte die Tablette, ohne Flüssigkeit runter und ließ mich dann zurück auf mein Bett fallen.

Kaum lag ich und starrte die Decke an, liefen mir schon die ersten Tränen über die Wange.

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