Zouis - Der geheime Prinz (Teil 1)
Zayns Pov
Möglichst leise schlich ich durch das riesige Schloss. Meine Eltern hatten mir verboten in der Nacht das Schlafgemach zu verlassen, aber dieses Schloss schien viel zu viele Geheimnisse zu verbergen, um die Nächte mit schlafen zu verbringen.
Wie jeden Sommer verbrachten meine Familie und ich einige Tage im benachbarten Königreich. Der König und mein Vater, welcher ebenfalls König war, waren gut befreundet und hielten engen Kontakt zueinander. Schon häufig hatte ich die Erwachsenen darüber reden gehört, dass ich eines Tages vielleicht beide Königreiche regieren sollte, da die Freunde meiner Eltern keinen eigenen Sohn hatten. Schlussendlich war mir aber egal, was sie redeten. Zum einen war ich gerade mal zehn Jahre alt und noch lange nicht soweit, dass ich regieren könnte und zum anderen, hatte ich eigentlich gar kein Interesse daran, mein komplettes Leben im Schloss zu verbringen. Ich wollte viel lieber die Welt erkunden und Abenteuer erleben. Meine Eltern nahmen meinen Wunsch allerdings nicht ernst.
Ich stoppte vor einer Steintreppe, die ein Stockwerk tiefer führte. Die verbotene Treppe. Unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Es gab viele Regeln an die ich mich bei unseren Besuchen halten musste, doch die oberste Regel war, niemals diese Treppe hinab zu gehen. Doch gerade weil es verboten war, schien es um so verlockender zu sein. Ich sah mich im Gang um. Noch immer war ich allein. Nach einem tiefen Atemzug setzte ich den Fuß auf die oberste Stufe. Was sollte dort unten schon gefährliches sein? Vielleicht versteckte die Königsfamilie einfach ihr Gold dort oder sie machten sich einen Spaß daraus, mir Angst einzujagen. Ein letztes mal sah ich mich um, ehe ich langsam die Treppe hinab lief. Ich umklammerte die Laterne, welche ich bei mir trug, fester. Alles was das Licht der Laterne nicht erreichen konnte, lag in völliger Finsternis.
Die Treppe endete vor einer schweren Holztür. Ich lauschte, doch es war nichts zu hören. Durchs Schlüsselloch konnte ich nichts als Dunkelheit sehen. Vielleicht sollte ich einfach zurück ins Bett gehen.Ich schnaubte. Mein Wunsch war es, die ganze Welt zu sehen und jetzt scheiterte ich schon einer ganz normalen Tür? Was sich hinter der Tür verbarg, würde ich nur erfahren indem ich sie öffnete. Langsam und möglichst leise schob ich die Tür auf. Zum Vorschein kam ein Schlafgemach, welches völlig normal aussah. Auf den ersten Blick schien es unbewohnt zu sein, doch lagen in einem Regal einige Kleidungsstücke. Ich trat näher ans Regal. Die Sachen könnten mir fast passen und waren eindeutig für einen Jungen gedacht. Warum besaß die Familie diese Kleidung, wenn sie nur Töchter zur Welt gebracht hatten? Skeptisch legte ich die Sachen zurück ins Regal und ließ meinen Blick durchs Zimmer gleiten. Ich wurde auf einen Teppich aufmerksam. Am Teppich schien nichts besonderes zu sein, aber er war an einer Ecke hochgeklappt und gab somit den Blick auf den Boden dadrunter frei. Feine Rillen waren im Holz zu erkennen. Unter dem Teppich musste sich eine Luke befinden. Ich stellte die Laterne auf dem Boden ab und schob den Teppich zur Seite. Tatsächlich kam eine Holzluke zum Vorschein. Ich schien dem Geheimnis der Königsfamilie immer näher zu kommen und so kurz vorm Ziel konnte ich unmöglich aufhören, also öffnete ich die Bodenluke, griff wieder nach meiner Laterne und stieg achtsam die Leiter herunter. Mitten auf der Leiter stoppte ich, als das Rascheln einer Kette zu hören war.
"H-hallo?", fragte ich leise. Es blieb Still. Mit der Laterne probierte ich mir einen Überblick über den Raum zu mache, aber konnte ich keinerlei Gegenstände erkennen. Zögerlich brachte ich noch die letzten Sprossen der Leiter hinter mich, um anschließend den Raum weiter erkunden zu können. Auf dem Boden entdeckte ich einen Metallring an welchem sich eine schwere Eisenkette befand. Schritt für Schritt folgte ich der Kette. Innerlich bereitete ich mich bereits auf eine Flucht vor. Ein Wimmern ertönte. Genau in diesem Moment tauchte eine Person im Bereich meines Lichtes auf. Ein Junge, der etwa mein Alter haben musste, saß zusammengekauert in der Ecke. An seinem Fußknöchel befand sich das andere Ende der Kette. Schockiert starrte ich ihn an. Mit vielen hätte ich gerechnet, doch sicher nicht mit einem Kind.
"Wer bist du?", erkundigte ich mich, während ich weiter auf ihn zu ging. Aufmerksam musterte der Junge mich, aber eine Antwort erhielt ich nicht. Ich ging langsam vor ihm in die Hocke, damit wir auf der selben Höhe waren. "Ich bin Zayn und du?", versuchte ich es noch einmal.
"Louis.", wisperte er.
"Was machst du hier? Warum bist du angekettet?", stellte ich direkt die nächsten Fragen.
"Der König sagt, es darf mich nicht geben. Er will nicht, dass ich lebe, aber meine Mommy lässt nicht zu, dass er mich tötet."
"Warum sollte es dich nicht geben dürfen?", hakte ich nach.
"Weil der König nicht mein Daddy ist, aber das soll das Volk nicht wissen. Doch wenn sie wüssten, dass es mich gibt und denken, ich sei der Sohn des Königs, dann müsste er mir sein Königreich überlassen. Er sagt, Abschaum wie ich darf keine Macht haben, also sollte ich sterben. Meine Mommy rettete mich vor ihm. Doch um leben zu dürfen, wurde ich hier vom König eingesperrt. Außer ihm und meiner Mommy sollte niemals Jemand erfahren, dass ich existiere."
"Wer ist deine Mommy?"
"Die Königin." Mit großen Augen starrte ich den viel zu dünnen Jungen an.
"Dann bist du ein Prinz."
"Nein, ich bin kein Prinz. Ich bin Abschaum."
"Für mich nicht.", entschloss ich, obwohl ich Louis kaum kannte. Ich setzte mich neben ihn und schlang meine Arme fest um ihn. "Ich werde dich beschützen.", versprach ich, wodurch ich Louis ein kleines Lächeln entlocken konnte.
Leider war das Versprechen gar nicht so leicht zu halten, da ich jedes Jahr nur wenige Tage bei ihm im Schloss war. In jeder Nacht, die wir im benachbarten Königreich verbrachten, schlich ich mich runter zu Louis. Ich brachte ihm Essen und Trinken. Wir redeten viel oder kuschelten einfach. Mit jedem Treffen wurde der geheime Prinz mir wichtiger. Jedesmal wenn ich sein Versteck verließ, hatte ich Angst, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Die Angst wuchs mit jedem Jahr. Ich musste etwas unternehmen, doch wollte ich nicht sein Leben beim Versuch ihn zu retten riskieren.
Inzwischen war ich zwanzig Jahre alt und hatte mir eingestanden, dass ich mich gegen all die Regeln in Louis verliebt hatte. Der Kleinere ging mir nicht mehr aus dem Kopf und meine Besuche bei ihm schienen jedesmal viel zu schnell zu enden.
Vor einem Jahr war ich das letzte Mal bei ihm gewesen. Wir hatten uns geküsst und es hatte sich einfach nur unglaublich angefühlt. Es war verboten, doch mein Herz verlangte nach mehr.
In den letzten Monaten war viel passiert. Mein Vater hatte begonnen meine Trauung zu planen. Sobald ich verheiratete wäre, sollte ich dann auch den Thron besteigen. Nach einigen Jahren sollte ich dann das benachbarte Land ebenfalls regieren. Überraschenderweise hielt meine Mutter sich aus der ganzen Planung raus. Sie schien etwas zu ahnen.
Meine Vermutung bestätigte sich am Tag der Anreise im benachbarten Königreich. Kurz bevor wir uns alle zum Schlafen zurückzogen, schloss sie mich in eine feste Umarmung.
"Ich weiß nicht, was du vor hast, aber solange du auf dein Herz hörst, wird es das Richtige sein. Pass auf dich auf , Schatz und lass von dir hören. Ich bin stolz auf dich und werde dich immer lieben, ganz egal was passiert, vergiss das bitte niemals." Sie küsste meine Wange, drückte mich noch einmal fest an sich und ließ mich dann völlig überrumpelt im Flur stehen. Noch eine gefühlte Ewigkeit stand ich einfach dort und sah ihr nach, obwohl sie schon längst aus meinem Blickfeld verschwunden war. Ich riss mich zusammen und begab mich ins Schlafgemach, wo ich mich aufs Bett setzte. Ungeduldig wartete ich darauf, dass die Zeit verging, damit möglichst viele Bewohner schliefen. Bereits vor dem Abendessen hatte ich heimlich eins unserer Pferde gesattelt und die Satteltasche mit den nötigsten Dingen befühlt. Den großen Lederbeutel, indem sich mein Gepäck und noch einige andere Dinge befanden, warf ich mir über die Schulter.
Ich ließ meinen Blick noch einmal durchs Zimmer gleiten, dann erhob ich mich vom Bett, verließ das Zimmer und machte mich auf den Weg zum Versteck von Louis. Mein Herz schlug viel zu schnell. In mir wuchs die Angst, dass er das letzte Jahr nicht überlebt hatte. Seine Mutter hatte ihn zwar täglich mit Essen und Trinken versorgt, doch der König hatte vermutlich noch immer den Plan ihn los zu werden. Ich beschleunigte meine Schritte. Zum Glück kam mir Niemand entgegen, so dass ich unbemerkt das geheime Zimmer erreichte. Den Teppich schob ich zur Seite, öffnete die Luke und stieg hinab. Mit der Laterne, die ich mitgenommen hatte, leuchtete ich den Raum ab, bis ich Louis entdeckte. Aus müden Augen sah er mich an.
"Zayn.", hauchte er. Seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Mit nur wenigen Schritten war ich bei ihm und ohne auch nur ein Wort zu sagen, presste ich meine Lippen auf seine. Er keuchte auf, erwiderte dann jedoch den Kuss. Wir klammerten uns aneinander. Ich war unendlich froh, dass Louis lebte und dass er nun wieder bei mir war. Nur zu gern hätte ich ihn weiter geküsst, aber ich hatte einen Plan und wollte keine Zeit verlieren. Widerwillig löste ich mich von ihm.
"Ich hol dich hier raus.", berichtete ich Louis, welcher daraufhin seufzte. Er wollte etwas erwidern, doch ließ ich ihn nicht zu Wort kommen indem ich ihn kurz küsste. "Keine Widerrede." Louis sah nicht überzeugt aus, aber er sagte tatsächlich kein Wort gegen mein Vorhaben. Aus dem Lederbeutel zog ich passendes Werkzeug und machte mich am Schloss, das sich an Louis Fußknöchel befand, zu schaffen. In den letzten Monaten hatte ich ausgiebig geübt, wie man ein Schloss knacken konnte. Die Übung zahlte sich aus, denn nur einen Augenblick später war das Schloss offen. Grinsend stand ich auf und zog Louis ebenfalls auf die Beine. "Und jetzt hauen wir beide ab von hier."
"Wo willst du denn hin?", erkundigte Louis sich.
"Ganz egal, Hauptsache du bist dabei ... Wir sollten uns aber beeilen. Bevor die Sonne aufgeht, sollten wir verschwunden sein." Ich schnappte mir Louis Hand, sowie die Laterne und lief zurück zur Leiter. Eilig kletterte ich hoch. Oben angekommen wäre ich vor Schreck fast die Leiter wieder herunter gefallen. Wir waren nicht allein im Raum. Louis Mutter saß mit verweinten Gesicht auf dem Bett. Ich konnte gar nicht so schnell einen neuen Plan schmieden, da waren Mutter und Sohn schon beieinander. Die Beiden umarmten sich fest. Unter Tränen flüsterte die Königin Louis noch einiges zu, ehe sie ihre Stirn gegen seine lehnte und ihm einfach in die Augen sah. Auch in Louis Augen konnte ich nun Tränen erkennen. Er küsste die Wange seiner Mutter, umarmte sie noch einmal fest und wand sich dann mir zu. Erneut ergriff ich Louis Hand, um ihn sanft mit mir zu ziehen. Die Königin ließ uns gehen. Genau wie meine Mutter für mich, wollte scheinbar auch sie nur das Beste für Louis.
Hand in Hand rannten Louis und ich durchs Schloss bis wir den Stall erreichten. Ich holte das gesattelte Pferd aus der Box, half Louis hoch und setzte mich dann hinter ihn. Ängstlich krallte er sich an meinem Arm fest.
"Vertrau mir.", bat ich ihn. Als Antwort erhielt ich ein Nicken. Gerne hätte ich mehr Rücksicht auf Louis genommen, der immerhin zum ersten mal auf einem Pferd saß, doch leider würde die Sonne bald aufgehen und bis dahin sollten wir verschwunden sein. Ich trieb das Pferd an, wobei ich Louis gut festhielt.
Wir flüchteten vor Louis Vater, vor den Plänen für meine Zukunft und vor all den Ungerechtigkeiten.
Das Abenteuer, welches ich mir als Kind immer gewünscht hatte, begann. Zusammen mit Louis würde ich die ganze Welt bereisen.
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