Louis Pov
Es war dunkel, nur Schemenhaft konnte ich meine Umgebung wahrnehmen. Wegen der Kälte, aber auch vor Angst zitterte ich am ganzen Körper. Jeder einzelne Muskel hatte sich angespannt. Mein Körper war überseht mit blauen Flecken und Wunden, von denen die meisten zumindest aufgehört hatten zu Bluten. Ich lag irgendwo im Wald im Schnee und wollte nichts lieber tun, als einfach einzuschlafen. Doch das durfte ich nicht. Ich würde erfrieren oder als Tierfutter enden.
Genau aus diesem Grund schien ich hier zu sein. Man wollte mich verfüttern.
Jahrelang hatte ich in Gefangenschaft gelebt, wurde gefoltert und misshandelt. Man hatte mir mein normales Leben genommen und aus mir einen Katzen-Hybriden gemacht. Die Organisation war aufgeflogen. Mein Peiniger saß inzwischen seit zwei Jahren im Gefängnis, während ich versucht hatte das Erlebte zu verarbeiten und mir ein neues Leben aufzubauen. Gerade als ich es so halbwegs geschafft hatte, wurde ein neuer Wahnsinniger auf mich aufmerksam. Er entführte mich und sperrte mich ein, um mir immer wieder Schmerzen hinzuzufügen. Ich flehte ihn an, mich freizulassen, doch weigerte er sich, da er mich noch brauchte. Scheinbar sollte ich das neue Spielzeug von seinem Liebling werden oder alternativ die nächste Mahlzeit. Er hatte mir nie verraten, was genau er damit meinte. Vor einigen Stunden hieß es dann, dass ich soweit wäre. Ich "dürfte" nun seinen wertvollsten Besitz kennenlernen. Grob hatte man mir irgendwas gespritzt, weswegen ich das Bewusstsein verloren hatte. Aufgewacht war ich mitten im Wald.
Mühevoll brachte ich mich in eine aufrechte Position. Meine Sinne waren noch völlig benebelt von dem Zeug aus der Spritze. Ich sah mich etwas um, konnte in der Dunkelheit aber lediglich Umrisse von unzähligen Bäumen erkennen. Es verging noch einige Zeit, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, bis ich es schaffte auf die Beine zu kommen. Für einen Moment stützte ich mich noch an einen Baum ab, dann begann ich mich voran zu schleppen. Meinen Katzenschwanz hatte ich fest um meine Hüfte geschlungen, während meine Ohren unruhig hin und her zuckten, um kein Geräusch zu verpassen. Doch außer meinem schweren Atem und meine Schritte im Schnee war nichts zu hören.
Ich wusste nicht, wie lange ich schon gelaufen war, aber ich konnte nicht mehr. Am liebsten hätte ich eine Pause gemacht, doch hatte ich die Befürchtung, dass ich dann nicht mehr aufstehen würde, also lief ich weiter. Schritt für Schritt quälte ich mich durch den Wald und schien nicht voran zu kommen. Lief ich überhaupt in die richtige Richtung?
Das Heulen eines Wolfes durchbrach plötzlich die Stille. Wie versteinert blieb ich stehen und lauschte ganz genau. Schnelle Schritte kamen näher. Ich zwang mich in die entgegengesetzte Richtung zu rennen. Auf die Begegnung mit einen Wolf konnte ich durchaus verzichten. Trotz der panischen Angst, machte mein Körper schließlich Schlapp. Ich geriet ins straucheln, konnte mich nicht mehr halten und knallte in den Schnee, wo ich einfach liegen blieb. Mir fehlte die Kraft, um wieder aufzustehen. Und was hätte es gebracht? Der Wolf hatte mit Sicherheit längst meine Fährte aufgenommen und könnte mich ohne Probleme finden, egal wie weit ich rennen würde. Ich gab auf, ergab mich meinem Schicksal. Meine Augen schloss ich, während ich hoffte, dass es zumindest schnell ging.
Schritte kamen näher, die sich verlangsamten. Ein tiefes Knurren ertönte. Ängstlich öffnete ich die Augen etwas und blickte in die Richtung meines Verfolgers, wo ich die Umrisse eines Menschen erkannte. Die Person kam weiter auf mich zu. Erst als er nur noch wenige Meter von mir entfernt war, erkannte ich, dass es sich um einen Wolfs-Hybriden handelte. Das musste der Liebling meines Entführers sein. Zwischen langen Locken lugten zwei Wolfsohren hervor. Sein Körper war, soweit ich es in der Dunkelheit erkennen konnte, komplett unbekleidet. Er war in Kampfhaltung und schien nur auf den richtigen Moment zu warten, um sich auf mich zu stürzen. Ich schloss die Augen, in der Hoffnung einfach bewusstlos zu werden, doch natürlich hatte ich dieses Glück nicht. Stattdessen spürte ich im nächsten Moment etwas schweres auf mir. Zähne rammten sich in meine Schulter. Ich schrie schmerzverzerrt auf, dann wurde endlich alles schwarz.
Nur mühsam gelang es mir die Augen zu öffnen. Mein Körper war von einer angenehmen Wärme umhüllt und der Schmerz in der Schulter war nicht mehr vorhanden. Ich fühlte mich ziemlich benebelt, doch das war okay, denn ich schien in Sicherheit zu sein. Langsam nahm ich meine Umgebung genauer wahr und stellte fest, dass ich in einem mir unbekannten Zimmer lag. Es war recht schlicht und steril eingerichtet, vermutlich ein Krankenhauszimmer oder ähnliches.
Das aufgehen der Zimmertür zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Mann um die vierzig betrat das Zimmer. Er lächelte mich freundlich an. Vor mir stand Dr. Miller, der mich bereits nach meiner ersten Entführung psychologisch betreut hatte. Wir standen die zwei Jahre über in engen Kontakt und ich wusste, dass ich mit ihm über alles reden konnte, weswegen ich unheimlich froh war, dass er nun hier war. Aus meinem Leben vor der Entführung gab es kaum noch Kontakte, da ich immer Angst gehabt hatte, ihnen alles erzählen zu müssen oder dass sie die Tatsache, dass ich nun ein Hybrid war, nicht akzeptieren würden. Selbst zu meiner Familie hatte ich kaum Kontakt. Hin und wieder telefonierten wir, doch Treffen sagte ich jedesmal ab. Sie sollten nicht erfahren, was aus mir geworden war.
"Wie fühlst du dich?", riss Dr. Miller mich aus meinen Gedanken. Ich musste mich einigemal räuspern, ehe ich antworten konnte.
"Kaputt, aber sonst ganz okay."
"Das wundert mich nicht. Man hat dir starkes Schmerz- und Schlafmittel gegeben, damit dein Körper sich etwas erholen kann. Die Wunde an deiner Schulter musste genäht werden", erklärte mir der Psychologe, während er neben dem Bett auf einem Stuhl Platz nahm.
"Was ist passiert?", wollte ich wissen.
"An was kannst du dich noch erinnern?"
"Ich war im Wald und wurde gejagt, deswegen bin ich weg gerannt, bin dann aber gestürzt. Da war ein anderer Hybrid. Ein Wolfs-Hybrid. Er hat sich auf mich gestürzt und mir in die Schulter gebissen, danach wurde alles schwarz."
"Erinnerst du dich noch an Harry? Deinen Freund?" Verwundert sah ich den älteren Mann an. Natürlich erinnerte ich mich noch an Harry. Er war mein erster und bisher einziger fester Freund. Das mit uns schien die perfekte Beziehung zu sein, die drei Jahre hielt und nur aufgrund meiner Entführung endete. Nach meiner Befreiung hatte ich versucht ihn zu finden, um ihn noch ein letztes mal zu sehen. Dass wir unsere Beziehung fortsetzen könnten, hatte ich, weil aus mir ein Hybrid gemacht wurde, ausgeschlossen. Zum letzten Treffen war es nie gekommen, da Harry wie vom Erdboden verschwunden war. Ich erfuhr, dass er zwei Monate lang nichts anderes getan hatte, als nach mir zu suchen, dann hatte niemand mehr etwas von ihm gehört.
"Was hat Harry damit zu tun?", stellte ich eine Gegenfrage.
"Er hat dich damals überall gesucht und war schließlich auf deinen Entführer gestoßen. Dieser gab an, dass er dich tatsächlich gesehen hätte, bat Harry ins Haus und schlug ihn nieder. So wie du, wurde auch Harry zum Hybriden, doch der Kerl behielt ihn anders als dich nicht bei sich, sondern gab ihn weiter an seinen Bruder. Sein Bruder ist der Typ, der dich vor einigen Wochen entführt hat. Er wollte scheinbar raus finden, wie viel Menschlichkeit man einem Hybriden rauben kann und nutzte Harry für sein Experiment. Er sperrte ihn im Wald in einem riesigen Gehege ein, wo er unterschiedliche Taktiken verwendete, um, wie er es nannte, Harry auszuwildern."
"Der Hybrid, der mich angegriffen hat ..." begann ich.
"War Harry", beendete Dr. Miller meinen Satz. "Er ist auch hier, aber noch ziemlich neben der Spur. Scheinbar hat er dich aber nach dem Angriff erkannt, zumindest ruft er immer wieder deinen Namen. Jäger sind auf euch aufmerksam geworden, da Harry dich bis zum Zaun getragen hat und dort immer wieder um Hilfe gerufen hat. Der Zaun stand unter Strom, weswegen er dich alleine nicht raus bekommen konnte. Euer Entführer wurde übrigens auch gefunden und festgenommen, da das Grundstück auf seinem Namen eingetragen war."
"Darf ich zu Harry?", erkundigte ich mich ohne weiter drüber nachzudenken. Schlussendlich war es nun eh egal. Er hatte mich bereits als Hybrid gesehen und war ja selbst einer.
"Sehr gerne. Vielleicht schaffst du es, ihn zu beruhigen. Jedesmal wenn das Beruhigungsmittel nachlässt, ist er direkt wieder völlig durch den Wind. Übrigens war ich bei dir Zuhause und hab mir vom Hausmeister die Tür öffnen lassen, um ein paar Sachen zu holen. Zieh dir ruhig eben was richtiges an, dann gehen wir zu Harry." Mit diesen Worten erhob der Mann sich vom Stuhl, stellte stattdessen dort eine Reisetasche ab und verließ dann das Zimmer. Ich quälte mich aus dem warmen Bett, ehe ich die Krankenhauskleidung ablegte und in eine Jogginghose, sowie einen Pullover schlüpfte. Den Verband an meiner Schulter ignorierte ich einfach.
Vor der Zimmertür traf ich wieder auf Dr. Miller, der mich aufmunternd anlächelte und mich dann schweigend durch die Gänge führte. Aus einem Zimmer kam eine Krankenschwester, die völlig gestresst wirkte.
"Warten Sie lieber noch einen Moment. Das Beruhigungsmittel hat wieder nachgelassen, ich wollte gerade Nachschub holen", erzählte sie dem Psychologen, der jedoch den Kopf schüttelte.
"Warten Sie damit noch kurz, ich hab da vielleicht ein wirksameres Beruhigungsmittel." Bei den letzten Worten sah Dr. Miller lächelnd zu mir. "Wenn du dich soweit fühlst, geh rein. Du kannst jederzeit wieder gehen. Ich werde hier warten, falls irgendwas ist." Zögerlich nickte ich, legte die Hand auf den Türgriff, atmete noch einmal tief durch und betrat dann das Zimmer, welches völlig verwüstet war. Harry saß mitten in dem Chaos aufm Boden. Sein Blick war starr auf seine Hände gerichtet, während sein kompletter Körper angespannt war. So wie auch ich noch vor wenigen Minuten, trug er nur ein Krankenhaushemd.
"Harry", flüsterte ich leise. Sein Blick schoss sofort in meine Richtung. Mit großen Augen blickt er mich an, sagte jedoch kein Wort, weswegen ich langsam auf ihn zu ging. Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meine Brust. Seit Jahren sahen wir uns das erste mal wieder, wenn man von Angriff im Wald absah. Es war viel passiert, wir hatten beide einiges durchgemacht, hatten uns verändert und doch reagierte mein Herz direkt auf ihn. Harry streckte eine Hand nach mir aus, welche ich sofort ergriff. Mit Schwung zog der Wolfs-Hybrid mich auf seinen Schoss. Kaum saß ich, schlang ich bereits meine Arme fest um seinen Nacken, während ich das Gesicht an seiner Halsbeuge vergrub. Harrys Arme legten sich fest um meine Hüfte. Wir klammerten uns aneinander fest. In diesem Moment fühlte es sich an, als würde ich endlich nach Hause kommen.
Vor uns würde ein verdammt langer Weg liegen bis endlich ein halbwegs normales Leben möglich wäre, aber mit Harry an meiner Seite würde ich jeden Weg gehen und zu meinem Glück entschied sich auch Harry für diesen Weg mit mir.
Gemeinsam kämpften wir uns zurück ins Leben. Wir fingen noch einmal komplett von vorne an und konnten Monate später endlich wieder von uns behaupten, dass wir wirklich glücklich waren.
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