Verloren|Larry


Wenn Louis ehrlich mit sich selbst war, hätte er es kommen sehen müssen. In den kleinen Gesten und kürzer werdenden Worten. In den Momenten des unbehaglichen Schweigens und vor allem an der kalten Bettseite neben sich. Doch er hatte es nicht wahr haben wollen. Hatte es auf den Stress geschoben. Auf den stetigen Druck, der auf ihnen lastete und sie langsam aber sicher zerquetscht hatte. Wie ein kleines Insekt an einem heißen Sommertag waren sie zertrümmert worden, und nichts war geglieben als ein hässlicher dunkler Fleck. Ein toter Abdruck ihrer Selbst. Ja, wahrscheinlich lag es zu einem gewissen Teil tatsächlich daran. An den Regeln und Vorschriften, an der ständigen Überwachung. Vielleicht auch an dem Zwang lächeln zu müssen, selbst wenn er am liebsten zusammengebrochen wäre, wenn ihm alles zu viel wurde und die Welt um ihn herum wie ein Kartenhaus zusammenzubrechen drohte.
Sie hatten sich zu sehr an das falsche Lächeln gewöhnt. So sehr, dass sie es selbst wenn sie unter sich waren aufbehielten. Es war wie eine Mauer, die sie schützen sollte und gleichzeitig den einzigen Trost aussperrte. Sie hörten auf über die Dinge zu sprechen. Ihre Unterhaltungen wurden oberflächlicher, die Augenblicke des Verständnisses kürzer. Die Mauer um sie herum war irgendwann zu dick geworden. Sie hatten sie nicht mehr durchbrechen können, selbst wenn sie es gewollt hätten. Es war zu viel zwischen ihnen. Zu viele ungesagte Worte, zu viele stille Momente.
Im Nachhinein schalt er sich für seine eigene Dummheit. Wie hatte er es jemals so weit kommen lassen können? Warum hatte er seine einzige Hilfe weggestoßen? Tief im Inneren musste er zugeben, dass er die Antwort kannte. Er hatte sich schon längst selbst aufgegeben. Verloren in einem Strudel aus Selbsthass und Taubheit. Er hatte nicht daran geglaubt gerettet werden zu können. Also hatte er jeden Anker ignoriert, jeden Rettungsring hinter sich gelassen. Wozu hätte er zupacken sollen? Für eine trügerische Hoffnung nur um danach noch tiefer in den Strudel zu fallen? Nein, hatte er sich gesagt. Keine weiteren Enttäuschungen mehr.
Erst als es bereits zu spät war, als ihr Bett kalt und ihre Wohnung leer vor ihm lag. Als das Türschloss ein letztes Mal klickte, war ihm bewusst geworden, dass er zu früh aufgegeben hatte. Dass er hätte kämpfen können, sollen, müssen. Für ihn. Er hätte für sie, für das was sie hatten, stark sein müssen. Stattdessen war er in Selbstmitleid und endlosen Gläsern voller Alkohol ertrunken. Hatte die Welt für ihre Ungerechtigkeit verflucht und versucht das Gefühl der Schuld abzuschütteln, dass ihn automatisch überkam, wenn er statt bei ihm in einer versifften Bar saß und einen teuren Whisky nach dem anderen trank. Wer hätte es ihm auch verbieten sollen? Die Grenzen hatten schon viel früher begonnen zu verschwimmen. Nun existierten sie quasi nicht mehr. Nicht für ihn. Dabei war er von ihnen umzingelt, von Fesseln die ihn hielten und in alle Richtungen gleichzeitig zu zerren schienen.
Erst als er den traurigen Ausdruck in den grünen Augen bemerkte, die er so sehr liebte, wurde ihm klar, dass die Grenzen nie weg gewesen waren. Er hatte sie nur ein paar Mal zu oft überschritten, um sie überhaupt noch als solche erkennen zu können.
Er war taub geworden für die stummen Hilfeschreie um ihn herum. Sie vermischten sich mit dem Kreischen der Fans und dem Brüllen der Manager. Alles war ein einziger bunter Nebel, doch er war nicht mehr in der Lage gewesen die Farben auseinanderzuhalten. Er war dahingetrieben. Ohne Sinn, ohne Ziel. Dabei hatten sie sich geschworen sich niemals aus den Augen zu verlieren. Hatten es sogar mit Tinte in ihre Haut gebrannt. So viele Male. Bis es irgendwann nicht mehr reichte. Bis alles, was ihn gehalten hatte, riss und er keine Richtungen mehr kannte. Kein richtig, kein falsch.
Er hatte geglaubt nichts mehr verlieren zu können. Er hatte sich geirrt. Denn mit ihm war auch ein Teil seiner Selbst verschwunden, einfach mit über die Türschwelle geweht. Für immer verloren. Erst als er den Schmerz in seinem Herzen nach so langer Zeit wieder spürte, erst als der Rausch in seinem Kopf mit einem Mal verstummte, wurde ihm bewusst, wie viel mehr er besessen hatte. Wie viel mehr es zu beschützen gegolten hätte. Und er hatte nichts getan.
Die Bitternis in seinem Herzen strafte ihn jeden Tag für diese Versäumnisse. Für seine Fehler, die er nie geschafft hatte wieder gut zu machen. Er war ihm nie hinterhergelaufen. Hatte nie angerufen, es sei denn er war betrunken und eh zu voll um überhaupt einen Satz herauszubringen; um sich zu entschuldigen für die Dinge, die er nie getan hatte.
Weil er sich schuldig fühlte. Weil er sich selbst nicht vergeben konnte. Weil ihm allein der Gedanke daran vor Angst den Magen herumdrehte. Weil er sich fürchtete vor diesen grünen Augen, die ihm die Welt bedeutet hatten. Es immer noch taten. Aber er hatte Angst vor dem Ausdruck darin. Davor dem Schmerz, den er verursacht hatte, entgegen zu blicken. Oder noch schlimmer, nur Ausdruckslosigkeit in ihnen zu finden.
Also schwieg er. Schwieg und hasste sich selbst dafür. Trotzdem tat er nichts dagegen. Denn der permanente Schmerz den er spürte, fühlte sich besser an als die Gewissheit ihn schlussendlich für immer verloren zu haben.
Er wusste, dass es dumm war so zu denken. Aber es war eben seine Art mit den Dingen umzugehen. Sie alle hatten ihren Weg gefunden. Vor allem er. Er war aufgeblüht, während Louis selbst immer weiter auf den Boden zuraste und schließlich bei dem Aufprall zerbrach.
Louis hatte nicht geglaubt, dass sich jemals etwas ändern würde. Er hatte gedacht sich mit seinem Leben, so beschissen wie es war, abgefunden zu haben. Und jetzt stand er hier. Auf irgendeiner Aftershowparty, absolut nüchtern, weil er nach ihm nur noch selten getrunken hatte, und er direkt vor ihm.
Louis wusste nicht was er sagen oder machen sollte. Er konnte nur starren. Er war genauso schön wie damals. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als das. Er trug ein Flamingohemd und bunte Socken und trotzdem (oder vielleicht genau deshalb) war er perfekt für ihn. Das war er schon immer gewesen.
"Hey Lou" Seine Stimme war tiefer geworden. Etwas kratziger. Natürlich war sie das. Sie waren keine Teenager mehr. Das hatte er in den letzten Jahren oft genug feststellen müssen. Nichts war mehr wie damals und doch spürte er wie allein diese Stimme sein Innerstes viebrieren ließ. Sie floss wie Honig durch seine Adern, ließ ihn sich lebendig fühlen. Warm und geborgen. Er war ihm verfallen. Wie damals schon auf den ersten Blick.
Doch sie waren keine unbedarften Jungen mehr, mit nichts als Träumen und Liebe in den Herzen. Nein. Sie hatten eine Geschichte. Sie war nicht immer schön, vor allem das Ende nicht, aber vielleicht lohnte es sich den Stift erneut in die Hand zu nehmen, eine Seite umzublättern und ein neues Kapitel zu beginnen. Alles hinter sich zu lassen. Die Angst und den Schmerz und die Enttäuschung. Und als er in die grünen Samaragde vor ihm blickte, die weder vor Schmerz verglühten noch von Taubheit verhangen waren, sondern ihn nur hoffnungsvoll anblitzten, wie sie es schon damals getan hatten, war er sich auf einmal sicher, dass er es versuchen wollte. Dass er einmal in seinem Leben eine Chance ergreifen musste. Denn genau hier und genau jetzt blickte er in seine Zukunft. Und sie strahlte grün als er sich in seine Arme warf. "Hey Haz" flüsterte er gegen den weichen Stoff des rosanen Hemdes und konnte die Vibration des Lachens spüren, als Harry seine Arme um ihn legte und ihn fester an sich zog. Endlich war er angekommen. Endlich war er wieder zu Hause. Und so schnell würde er nicht mehr abreisen. Das schwor er sich hoch und heilig, Harrys Geruch stark und vertraut in seiner Nase. Sie hatten viel aufzuarbeiten und ganz sicher würde nicht alles perfekt werden. Doch mit Harry an seiner Seite würde er jede Hürde bezwingen und jede Schwierigkeit meistern. Denn er liebte ihn noch immer von ganzem Herzen. Und das würde sich, egal wie chaotisch sein Leben manchmal verlief, niemals ändern.

14. Juli 2020

All the Love Regulus_Black00

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