Falling free |Larry

Falling free |Larry

Brit Awards 2020.
Das würde heute mein Tag werden. Unser Tag. Es war zwar erst kurz nach zehn, aber ich war jetzt schon nervös. Heute Abend würde Liam mich abholen. Um kurz nach neun, wie er mir vor zwei Minuten per WhatsApp mitteilte. Aber bis dahin würde ich noch viel zu tun haben. Die größte Herausforderung würde wohl werden, meine Nerven zu beruhigen. Diese lagen nämlich blank, seit Harry vor einer halben Stunde unser gemeinsames Appartement in London verlassen hatte, da er noch ein Treffen mit seinem Stylisten hatte und bereits um halb vier an der Location sein musste.

Im Gegensatz zu mir, würde mein Freund den Brit Awards als geladener Gast beiwohnen und sogar auftreten. Immerhin war er nominiert. Auch Niall hatte eine Einladung erhalten, was er mir vor knapp zwei Wochen bei unserem letzten Treffen mitgeteilt hatte. Liam und ich hingegen würden uns irgendwie auf die Veranstaltung schmuggeln müssen.

Trotz unserer Pause trafen wir uns zu viert noch immer. Wobei "noch" traf da nicht ganz zu. Nachdem wir 2015 vorerst getrennte Wege gegangen waren, war unser Verhältnis deutlich abgekühlt. Zu Zayn hatte ich schon keinen Kontakt mehr, seit er die Band verlassen hatte. Harry und Niall hatten es noch eine Weile versucht, aber offenbar hatte Zayn ihre Bemühungen völlig abgeblockt, sodass sie es auch schließlich aufgegeben hatten. Seitdem wussten wir alle genauso viel, wie die Presse. Zu Niall und Liam war der Kontakt zunächst auch weniger geworden. Wir brauchten alle Zeit für uns. Mussten unsere Gefühle wieder sortieren und uns überlegen, wie wir unser Berufsleben weiterführen wollten. Doch als die Beziehung zwischen mir und Harry nach der Geburt von Freddie zu krieseln anfing, war Liam lange meine einzige Bezugsperson gewesen und Niall, der sich selbst seit geraumer Zeit als "Captain Niall" bezeichnete,wenn es um Harrys und meine Beziehung ging, hatte sich um Harry gekümmert und dafür gesorgt, dass wir unser Beziehungsleben wieder in den Griff bekamen.

Seitdem trafen wir uns wieder regelmäßig, insofern Albumproduktionen und das Tourleben es zuließen. Und meine Beziehung mit Harry hatte sich nochmals gefestigt. Uns war wohl beiden bewusst geworden, wie wichtig uns der jeweils andere war. Selbst die Zeit, in der Harry auf Tour und ich nicht mitgereist war, hatte uns lediglich nochmal vor Augen geführt, was für eine starke Beziehung wir führten. Und mit Freddie hatte mein Freund sich inzwischen auch arrangieren können. Mit Brianna hatte er bisher nur einmal gesprochen und wollte auch weiterhin kein erneutes Treffen mit ihr, aber Freddie behandelte er wie sein eigenes Kind, wenn er bei uns war.

Seufzend fuhr ich mir übers Gesicht. Ich stand bestimmt seit zehn Minuten in unserem Flur und hing meinen Gedanken nach, obwohl ich noch verdammt viel zu tun hatte. Harry wusste nicht, was heute Abend passieren würde, geschweige denn, dass ich heute Abend bei den Brits auftauchen würde. Und das sollte auch vorerst so bleiben. Ein weiterer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich jetzt wirklich anfangen musste. Also sprang ich unter die Dusche und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Danach wickelte ich mir ein Handtuch um die Hüften und ging langsam zu unserem Ankleidezimmer.

Ja, wir besaßen tatsächlich eins. Mir persönlich hätte ein großer Kleiderschrank gereicht, aber Harrys Vorliebe für ausgefallene Klamotten und unser Job, der dafür sorgte, dass wir sowohl genug Geld, als auch genug Anlässe für ausgefallene Outfits hatten, trugen nicht gerade dazu bei, dass Harry sich mit dem Kauf von Klamotten zurückhielt. Deshalb hatte ich schließlich zugestimmt, das zweite Gästezimmer in ein Ankleidezimmer umzufunktionieren. Zimmer hatten wir genug und Harry hatte sich gefreut, wie ein kleines Kind, sodass ich ihm den Wunsch nicht hatte abschlagen können.

Aber genau dieses Ankleidezimmer wurde jetzt zu meinem Verhängnis. Was sollte ich denn anziehen? Ich wühlte mich durch meinen Schrank, der etwa ein Viertel des Raumes einnahm. Harrys war doppelt so groß und die restliche Fläche hatte, sehr zu Harrys Verdruss, frei bleiben müssen, damit man das Zimmer noch betreten konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ ich mich gegen die Wand fallen, bevor ich schließlich wieder aufsprang, mein Handy holte und Liam's Nummer wählte. Nervös wartete ich, das er ran ging und atmete erleichtert auf, als ich die vertraute Stimme meines besten Freundes durch die Leitung wahrnahm.
„Was gibt's Tommo? Schon nervös?" grüßte er mich und ich unterdrückte ein Schnauben. „Nervös ist gut. Ich sterbe vor Aufregung.“ Liam lachte und ich schnitt eine Grimasse, obwohl mir bewusst war, dass er dies nicht sehen konnte. Als er sich wieder beruhigt hatte, fragte Liam schließlich „Das schaffst du schon. Aber jetzt ehrlich... Was ist der eigentliche Grund, dass du mich jetzt schon anrufst? Du hast dich doch nicht nur bei mir gemeldet, um mir zu erzählen, wie nervös du bist.“ Ich musste unwillkürlich lächeln. Liam wusste, wie er mich aufheitern konnte. „Ich weiß nicht, was ich anziehen soll.“ murmelte ich schließlich. Erst jetzt, als ich es aussprach, merkte ich, wie bescheuert das klang. Liam unterdrückte anscheinend ein Lachen, antwortete mir dann aber schließlich seufzend. „Ich bin in ner Viertelstunde da. Mach mir nen Kaffee und sorg dafür, dass du irgendwas anhast, wenn ich da bin, dann werde ich gucken, was sich machen lässt." Ich atmete erleichtert aus. „Danke Li."
„Kein Ding, Tommo. Bis gleich und denk an den Kaffee.“ antwortete mir Liam und legte auf.  Schnell kramte ich eine Jogginghose und ein T-Shirt aus meinem Schrank und zog dies über, bevor ich tatsächlich Liam's gewünschten Kaffee kochte, mir selbst eine Tasse Tee einschüttete und dann anschließend nervös auf dem Sofa rumhibbelte, bis ich schließlich die Klingel hörte. Ich sprang auf, riss die Tür auf und stand meinen zwei besten Freunden gegenüber, die mich breit angrinsten. „Ich hab ein bisschen Unterstützung mitgebracht." erklärte mir Liam, während er und Niall sich an mir vorbei schoben. „ Äh... Aber musst du nicht... Ich meine... Harry ist seit halb zehn unterwegs und du musst ja auch..."  stammelte ich völlig verwirrt an Niall gerichtet.

Dieser grinste breit und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Dich hat's ja wirklich erwischt, Lou. Zu nervös, um vernünftige Widerworte zu geben. Dass ich das nochmal erleben darf." Ich blickte in böse an und boxte ihm gegen die Schulter, während sowohl er, als auch Liam kicherten. „Naja... Und zu dem, was ich aus deinem Gestottere entnehmen konnte... Ersten trete ich nicht auf und muss deswegen erst später als Harry da sein und zweitens steht mein Outfits seit Ewigkeiten und ich ändere nicht noch kurz vor knapp alles, wie der werte Herr Styles.“  fuhr Niall dann fort. Ich schüttelte nur den Kopf, atmete dann einmal tief durch und sagte dann schließlich „Dann freu ich mich mal einfach, dass ihr gekommen seid, übergehe eure blöden Kommentare und hoffe, dass ihr mir jetzt helfen könnt. Kaffee ist in der Küche. Mit Niall hab ich jetzt nicht gerechnet, aber es sollte genug da sein. Ich bin bei den Klamotten und würde es begrüßen, wenn ihr mir gleich Gesellschaft leisten würdet."

Liam und Niall grinsten, nickten mir dann aber zu, bevor sie in die Küche gingen. Ich rieb mir über die Stirn und lief dann langsam zurück zum Ankleidezimmer. Worauf hatte ich mich hier nur eingelassen?
Es stellte sich heraus, dass sowohl Niall, als auch Liam tatsächlich eine relativ große Hilfe waren, nachdem sie sich ausreichend über das Ankleidezimmer, meine Klamottenauswahl im Vergleich zu Harrys, die Blumenhemden meines Freundes und meine Nervosität lustig gemacht hatten. Ich überging die meisten Kommentaren einfach. Mir fehlten echt die Nerven mich jetzt auch noch mit den zwei Idioten, die ich meine besten Freunde nannte, auseinander zu setzen. Nach weiteren drei Stunden voll blöder Sprüche, Outfits, die alle mehr oder weniger bescheuert waren und einer Ansage von mir, nachdem mein Geduldfaden entgültig gerissen war, stand ich schließlich vor dem Spiegel, Niall und Liam hinter mir und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. „Und?“ fragte Niall „Wie ist das?“. Ich nickte langsam und betrachte mich genau.

Wir waren uns relativ schnell einig gewesen, dass es nichts bringen würde, mich in einen dieser schreckliche Anzüge zu stecken. Ich fühlte mich darin nie besonders wohl und Niall meinte, dass ich so dann auch nicht richtig Ich wäre. Letztendlich hatten wir uns für eine schwarze Skinnyjeans, ein dunkelrotes Shirt und ein Jackett entschieden. Dazu würde ich vermutlich meine Vans anziehen. Ich war zwar gegen das Jackett gewesen, aber Liam meinte, dass das immerhin die Brits waren und ich da nicht einfach in Hose und Shirt auftauchen konnte. Schließlich hatte ich ihm Recht geben müssen. Mehr oder weniger zufrieden mit meinem Outfit ließ ich mich von den Jungs überreden zumindest eine Scheibe Brot zu essen, während sich die anderen beiden großzügig an unserem Kühlschrank bedienten. Mir sollte es Recht sein...

„Also, Lou... Jetzt mach dir mal keine Sorgen. Es ist alles abgesprochen. Und das weißt du. Harrys Performance wird passend nach hinten verschoben werden, du hast einen super Text geschrieben und letztendlich wird er eh ja sagen. Harry liebt dich nämlich."  erklärte mir Niall, als er sich von uns verabschiedete. Liam blieb, da er meinte, dass es sich eh nicht lohnen würde nochmal nach Hause zu fahren und außerdem wollte es nicht riskieren, dass ich jetzt noch irgendwann umkippte oder sowas. Ich lächelte Niall schwach zu. „Danke Nialler... Für alles! Das wird bestimmt schon irgendwie." Niall grinste sein typisches Niall-Grinsen und umarmte mich nochmal fest, bevor er sich mit einem „Wir sehen uns dann nachher." entgültig von Liam und mir verabschiedete.

Inzwischen waren wir auf dem Weg zu den Brit Awards. Die letzten vier Stunden waren der Horror gewesen und ich war Liam dermaßen auf die Nerven gegangen, dass es mir jetzt im Nachhinein doch schon leid tat. Mir war kotzübel und ich war froh, dass ich nicht mehr, als die eine Scheibe Brot gegessen hatte. Bei der Location angekommen, parkten wir direkt an einem der Hintereingänge. Die Show lief schon knapp zwei Stunden, weshalb nur ein Security-Mann vor der Tür stand. Dieser beäugte uns kritisch, aber als wir näher kamen, nickte er verstehend und ließ uns rein. Er war wohl über unser Kommen informiert worden. Liam und ich sahen uns erstaunt an, als wir im Gebäude waren. „Das ging ja leicht." murmelte Liam und zog mich dann an einem Arm hinter sich her. Meine Hände waren schweißnass und ich griff immer wieder an meine Hosentasche, in der ich das kleine Kästchen spüren konnte.

Eine Weile liefen wir schweigend durch die verlassenen Gänge. Gelegentlich hörten wir Bruchstücke der Performances von drinnen und immer wieder waren einzelne Wortfetzen der Moderatoren zu vernehmen. Mein Puls war so hoch, dass ich meinen eigenen Herzschlag hören konnte und meine Atmung ging stoßweise. Liam blieb abrupt stehen, drehte sich zu mir um und legte mir beide Hände auf die Schultern. „Louis. Atme jetzt erstmal durch. Sonst machst du hier gleich nen Abgang und der ganze Aufwand war umsonst.“ Liam sah mir direkt in die Augen und ich versuchte krampfhaft meine Atmung unter Kontrolle zu kriegen. „Es wird alles gut gehen. Wir sind jetzt schon hier drinnen. Harrys Auftritt ist in ner halben Stunde und danach werde ich dafür sogen, dass du auf der Bühne bist. Du schaffst das auf jeden Fall.“ Ich nickte langsam und merkte wie meine Atmung ruhiger wurde.

„Und was, wenn er nein sagt?“ flüsterte ich schließlich kaum hörbar. Die Chance bestand ja immerhin. Doch Liam schüttelte nur den Kopf und lächelte mich liebevoll an. „Das ist bescheuert, Lou. Und das weißt du auch. Natürlich wird er ja sagen.“ Ich nickte nochmals. Meine Hände zitterten zwar immer noch, aber immerhin hatte ich meine Atmung jetzt halbwegs unter Kontrolle. Liam lächelte mir nochmal aufmunternd zu, bevor wir unseren Weg fortsetzten. Schließlich kamen wir an eine Tür, die sich seitlich neben der Bühne befand. Von hier aus konnte ich alle Performances gut verfolgen, aber mein Weg zur Bühne, auf der Harry performen würde, war nicht zu weit. Ich sah auf die Uhr. Es war zehn vor zwölf. In sieben Minuten war Harry dran und dann... Ich merkte, wie meine Nervosität nochmals zunahm, wobei ich eigentlich davon ausgegangen war, dass das nicht möglich wäre. Liam legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und ließ sie dort liegen, während erst Niall zu uns stieß und kurz darauf, zwei Minuten, bevor Harry dran war, ein Techniker, der mir ein Mikro in die Hand drückte.

Der Raum wurde dunkler, Harry betrat die Bühne, die bereits mit Wasser überflutet wurde. Er sah gut aus. Wäre ich nicht so nervös, hätte ich etwas über sein Outfit schmunzeln müssen, aber das ging jetzt gerade nicht. Liam und Niall hatten sich inzwischen neben mich gestellt und Liam beäugte mich kritisch von der Seite, bevor er mir ein „Du schaffst das, Lou!“ ins Ohr wisperte. Die ersten Akkorde von "Falling" wurden gespielt und für einen Moment konnte ich meine Aufregung vergessen. Ich versank in dem Anblick meines Freundes, meines unbeschreiblich wundervollen Freundes, wie er auf der Bühne stand, die Hände um sein Mikro gelegt, die Augen geschlossen. Seine Stimme zog mich wie jedes Mal in seinen Bann und obwohl ich das Lied schon so oft gehört hatte, konnte ich nicht genug davon bekommen. Mir kamen jedes Mal die Tränen, wenn ich es hörte, einfach, weil ich immer wieder den Schmerz in Harrys Stimme, die Verletztheit in seinen Worten hören und spüren konnte. Ich wusste, dass ich damals einer der Gründe oder Inspirationen für dieses Lied gewesen war und das tat weh.

Ich spürte, wie mir die erste Träne über die Wange lief. Auch Harry sah ich an, wie er versuchte seine Tränen zurückzuhalten. Selbst auf die Entfernung konnte ich jede noch so kleine Regung von Harry erkennen und deuten. Am liebsten wäre ich jetzt schon auf die Bühne gestürmt, hätte Harry so gerne in den Arm genommen, ihm gesagt, wie leid mir alles tut, was ich ihm angetan habe. Auch, wenn ich das schon so oft getan hatte. Plötzlich spürte ich, wie Niall mir leicht gegen den Arm klopfte. Ich fuhr aus meine Trance und drehte mich zu ihm, nur um  breites Grinsen zu sehen. „Du hast es geschafft, Lou." wisperte er mir zu und ich warf einen schnellen Blick auf mein Handy. Eine Minute nach Zwölf.

In diesem Moment sang Harry den letzten Ton von "Falling" Und sofort pumpte mein Körper wieder Adrenalin durch meine Blutbahnen. Ich krallte meine Finger in das Mikro, was in meiner schweißnassen Hand lag, befühlte nochmals meine Hosentasche, um sicher zu gehen, dass das Kästchen wirklich dort war und sah kurz zu Niall und Liam, die mir aufmunternd zulächelten.

Der letzte Ton verklang.

Applaus.

Liam schob mich Richtung Bühne.
Harry wollte bereits wieder von der Bühne steigen, doch ich lief los. Jetzt oder nie. Das hier war so lange geplant, ich würde es jetzt nicht versauen. An der Bühne angekommen musste ich feststellen, dass es nur einen einzigen, trockenen Weg auf diese gab. Verdammt... Ich schluckte, atmete tief durch und hob das Mikro. „Harry, warte!" sagte ich leise, meine Stimme zitterte. Harry fuhr herum. Die Augen vor Schreck und Überraschung geweitet. Langsam kam er zurück auf die Bühne, sah mich dabei die ganzen Zeit an. „Was machst du hier?“ fragte er so leise, dass ich Mühe hatte ihn zu verstehen, obwohl ich direkt vor der Bühne stand. Ich zögerte noch einen Moment, trat dann aber einfach ins Wasser. Mir blieb eh keine andere Wahl. Ich spürte, wie das Wasser meine Vans durchnässt, aber das war in diesem Moment egal. Jetzt war was ganz anderes wichtig. Wieder hob ich das Mikro und begann mit deutlich festerer Stimme zu sprechen.

„Harry... Wir kennen uns jetzt schon seit 10 Jahren. Naja... Noch nicht ganz, aber fast. Aber es kommt mir vor, als hätte ich dich schon immer gekannt, als wärst du schon immer in meinem Leben gewesen. Ich habe diesen Abend seit Wochen geplant, habe mir über Tage hinweg überlegt, was ich sagen will und das dann auswendig gelernt. Und jetzt stehe ich hier und es ist alles weg. Einfach nur, weil ich hier vor dir stehe. Deshalb verzeih mir, wenn ich jetzt irgendwas wichtiges vergesse oder so. Ich geb mir wirklich Mühe.“ Ein leises Lachen ging durch das Publikum, das mir seine volle Aufmerksamkeit schenkte und selbst ich konnte mir ein zittriges Lachen nicht verkneifen.

„Ich war nicht immer ehrlich zu dir, Harry. Das wissen wir beide und ich weiß nicht, wie oft wir deshalb Streit hatten. Wie oft das, was wir haben fast daran zerbrochen ist. Und beim letzten Mal habe ich mir geschworen, dass ich es nie wieder tun würde. Naja... Offensichtlich hat das nicht ganz geklappt." Innerlich schlug ich mir vor die Stirn. Ganz toll Tomlinson! Starke Leistung.
„Oh. Es ist nicht das, was du denkst."

Angespannntes Lachen von Publikum. Dann wieder Schweigen.

„Ich hab dir immer erzählt, dass mein Vertrag erst im Juni enden würde. Der Vertrag, der uns beide dazu zwingt uns zu verleugnen." Jetzt wendete ich mich ans Publikum.
„Harry und ich lieben uns. Und zwar schon lange. Eigentlich seit immer. Aber wir wurden von MODEST!  in Verträge gezwungen. Wir sollten unsere Beziehung, unsere Liebe zueinander verstecken. Ein homosexuelles Paar würde dem Image unserer Band schaden. Wir würden so nicht erfolgreich sein können. Harry und ich waren damals 17 und 19 Jahre alt. Natürlich haben wir uns nicht widersetzt. Wie denn auch? Wir waren Kinder. Und so bekamen wir beide ein neues Image, Freundinnen, ja sogar ein verdammtes Kind haben sie mir aufgezwungen, nur um die Liebe zwischen mir und Harry zu verstecken und wenn möglich zu vernichten. Und da muss ich leider sagen... Das hätten sie verdammt nochmal fast geschafft. Harry hat es nach der Pause von One Direction geschafft aus den Verträgen zu kommen, doch ich steckte weiterhin in diesem Gefängnis fest. Ein Gefängnis, nichts anderes waren diese Verträge. Waren? Ja waren!“

Jetzt drehte ich mich wieder zu Harry, der mich versteinert anstarrte.

„Wir haben immer gesagt, dass wir uns outen, sobald ich auch frei bin. Seit neun Jahren sagen wir das. Und ich möchte mich erstmal bei dir entschuldigen, Harry, dass ich das jetzt einfach so ohne Vorwarnung tue. Ich hoffe, dass du mir das verzeihen kannst. Aber  das, was ich jetzt sagen will, könnte passender als heute nicht sein.
Ich habe in den letzten acht Monaten viel mit unseren Anwälten gesprochen. Und auch noch mit ein paar anderen. Und wir haben es geschafft das Vertragsende nach vorne zu verschieben. Der Vertrag, der mich an MODEST! bindet, endete vor genau vier Minuten. Seit ich diese Bühne betreten habe, bin ich frei, sind wir frei. Seit ich diese Bühne betreten habe, müssen wir uns nicht mehr verstecken, sondern können öffentlich unsere Liebe zeigen. Und deshalb wollte ich das für etwas nutzen, was mir schon sehr lange auf dem Herzen liegt. Harry..."

Jetzt musste ich schlucken und sah meinem Freund in die Augen, in denen Tränen standen. Und obwohl seine Hände in Handschuhen steckten, konnte ich das Zittern seiner Finger deutlich sehen.

„Seit du in mein Leben getreten bist, habe ich das Gefühl endlich richtig leben zu können. Du bist für mich der wichtigste Mensch auf dieser Welt und ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich machen würde. Ohne dein Lachen, deinen Blick, wenn du einen neuen Song schreibst, deine Art die Nase zu rümpfen, wenn ich mal wieder meine Klamotten überall verteilt habe, die tausend verrückten Spitznamen, die du mir gegeben hast, deine Art mir Kraft zu spenden, wenn ich es am dringendsten brauche, deine Millionen Arten zu sagen "Ich liebe dich", selbst deine Art mich in den Wahnsinn zu treiben und mich zu Sachen zu überreden, die ich nicht will. Zum Beispiel unser verdammtes Ankleidezimmer."

Inzwischen waren mir auch die Tränen gekommen und liefen unaufhörlich über meine Wangen.

„Du warst immer für mich da. Seit dem ersten Tag. Du hast immer auf meiner Seite gestanden, mir immer Halt gegeben und mir Zeit geschenkt, obwohl du wusstest, dass du sie niemals zurückbekommen wirst. Du wolltest immer nur mich, obwohl du meine ganzen Macken kennst, weißt, wie chaotisch ich bin und was für ein Arschloch ich sein kann. Und auch oft genug zu dir war... Egal, wie sehr ich dich verletzt habe, du bist immer zu mir zurückgekommen, hast mir immer eine zweite Chance gegeben. Es ist mir immer noch unbegreiflich, warum du das alles für mich tust. Aber mit jedem Tag, den ich dich "Mein" nennen darf, merke ich, dass meine Liebe zu dir nur noch stärker wird. Ich weiß, dass ich mein ganzen Leben mit dir verbringen will. Und zwar nur mit dir! Es ist keine Verpflichtung, Harry. Das war es nie und wird es nie sein. Aber es ist  das Versprechen immer da zu sein.“

Bei meinen letzten Worten ließ ich mich auf ein Knie sinken und ignorierte dabei die Tatsache, dass ich mich somit in eiskaltes Wasser knien musste. Vorsichtig zog ich das kleine Kästchen aus meiner Hosentasche, öffnete es und hielt es Harry entgegen. Ein letztes Mal hob ich das Mikro. „Willst du, Harry Edward Styles, dein restliches Leben an meiner Seite verbringen?"
Harry sah mich lange einfach nur an. Es herrschte Totenstille. Ich sah, wie Tränen die ganze Zeit über Harrys Wangen liefen und sein ganzer Körper schien zu zittern. Langsam aber sicher bekam ich doch Angst. Doch gerade, als ich meinen Blick senken wollte, schluchzte Harry auf. „ Ja... Ja ich will verdammt. " Und dann stürzte er sich auf mich zu, ließ sich vor mir auf die Knie fallen und zog mich an sich. Ich hielt ihn fest, ließ meinen Tränen freien Lauf. Er flüsterte unablässig „Natürlich will ich dich heiraten. Natürlich..." Applaus brandete auf. Das Publikum erhob sich, jubelte uns zu und schließlich löste ich mich vorsichtig aus Harrys Umarmung. Wir weinten beide immer noch, aber ich zog ihm nun vorsichtig den Handschuh von der Hand und schob den Ring, den ich die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf seinen Finger. Einen momentan sah ich ihn liebevoll an und hauchte einen Kuss auf seine Fingerspitzen.

Harry starrte einen Moment auf den Ring. Dann sah er mich wieder an und drückte endlich seine Lippen auf meine. Das Publikum jubelte und schrie und ich spürte Harrys Lippen auf meinen. Wie er versuchte seine ganze Liebe für mich in diesen einen Kuss zu legen. Seine Hände glitten in meinen Nacken und ich spürte das kalte Metall des Rings an meinem Hals. Als wir uns schließlich von einander lösten, konnte ich nicht anders als zu lachen. Auch Harry brach in schallendes Gelächter aus, obwohl uns beiden weiterhin Tränen über die Wangen rannen. Verdammt, ich war so glücklich. Harry griff nach meiner Hand, verschränkte unsere Finger fest ineinander und führte mich so unter Jubel und Applaus von der Bühne.

Unsere Klamotten trieften, als wir schließlich von der überfluteten Bühne geklettert waren, aber in diesem Moment rannten Liam und Niall auf uns zu. „Ich bin so unfassbar stolz auf euch. Ihr habt es geschafft! Endlich!“ rief Liam und zog uns beide in eine feste Umarmung. Auch Niall schaffte es sich zwischen uns zu drängen, sodass wir uns zu viert in einer Gruppeumarmung umklammert hielten. Als wir uns schließlich lösten, blickte ich in die verheulten Gesichter meiner besten Freunde. „Weinst du etwa, Nialler?“ fragte ich lachend und schniefend zugleich. „Ich? Niemals!“ schniefte Niall und brach, genau wie die anderen, in Gelächter aus. Um uns herum hatte sich eine Traube an Menschen gebildet, die anscheinend alle Harry und mich beglückwünschen wollten. Doch Harry hatte was anderes vor, denn er drehte sich nur zu mir, küsste mich nochmals und sagte dann ganz leise „Louis Tomlinson. Du machst mich zum glücklichsten Menschen auf diesem Planeten. Und ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich dich liebe.“ Ich lächelte unter Tränen und fuhr mit einer Hand an seinem Kiefer entlang, bevor ich mit dem Daumen eine Träne aus seinem Augenwinkel wischte. „Ich dich auch, Haz. Ich dich auch...“

Einen Moment sahen wir uns nur schweigend in die Augen. Seine Arme lagen um meine Hüften, ich hatte meine um seine Schultern gelegt. Wir lösten uns schließlich, als Liam plötzlich aufkeuchte. Erschrocken fuhren wir zu ihm herum und mein Herz setzte für einen Moment aus. Vor uns stand Zayn. Er war schmaler geworden, seine Haare waren wieder so lang, wie 2013 und er wirkte müde. Trotzdem sah er besser aus, als zu dem Zeitpunkt, an dem er die Band verlassen hatte. Harry, Liam und ich sagten alle nichts. Wir starrten Zayn einfach nur an. Einzig Niall schien nicht so überrascht, weil wir anderen. All die Jahre hatten wir kein Lebenszeichen von ihm erhalten und jetzt stand er hier. Es dauerte bestimmt zwei Minuten, bis Zayn sich schließlich räusperte. „Ich... Ich wollte euch beglückwünschen, Haz, Lou. Ihr habt all die Jahre so gekämpft und ihr habt es mehr als jeder andere verdient endlich glücklich zu sein. Ihr beide..."
Er verstummte. Eigentlich hatte ich mir geschworen, dass ich ihm eine scheuern würde, sollte ich Zayn jemals wiedersehen. Doch in diesem Moment war ich viel zu glücklich, endlich mit Harry verlobt zu sein, sodass ich Zayn einfach um den Hals fiel und ihn fest an mich drückte. Er verkrampfte sich erst, doch schließlich drückte er mich auch an sich. „Du hast mir so sehr gefehlt, Zayn. Ich hab die so sehr vermisst. Du warst nicht da, als ich dich am meisten gebraucht habe." wisperte ich und merkte, wie sich seine Hände in meinen Rücken krallten. „Ich weiß. Es tut mir so leid, Lou. So schrecklich leid." flüsterte er und ich spürte, dass er weinte. Eigentlich wollte ich ihm so viel vorwerfen, doch ich sagte nur „Aber jetzt bist du da!“ Zayn nickte kaum merklich.„Bleibst du?“ fragte ich flüsternd weiter und bekam wage mit, dass Liam, Harry und Niall unser Gespräch verfolgten. Zayn gab lange keine Antwort. Ich hielt ihn einfach nur fest, während sich sein Atem langsam beruhigte. Schließlich löste er sich von mir, trat einen Schritt zurück und sah uns alle Vier an. „Ja. Ich bleibe. Oder ich werde es zumindest versuchen." sagte er dann mit fester Stimme. Sofort warf sich Harry in seine Arme und auch Niall und ich umarmten Zayn wieder, doch Liam blieb neben uns stehen und starrte Zayn an. Dann drehte er sich ruckartig um und rannte davon. Auch Zayn schien das zu bemerken und wollte ihm, genau wie ich, hinterher, doch Harry hielt uns beide zurück. „Gebt ihm seine Zeit.“ Zayn nickte langsam, wirkte aber plötzlich abwesend. Während Niall einen Arm um unseren ehemaligen besten Freund und Bandkollegen legte, zog mich Harry ein Stück von den beiden weg. „Lou? Ist alles gut mit dir?“ fragte er mich besorgt und hob mein Kinn vorsichtig mit zwei Fingern an. Ich verlor mich für einen Moment in seinen wunderschönen, grünen Augen. „Jetzt ja! Weil ich jetzt weiß, dass du den Rest deines Lebens nur mit mir verbringen willst.“ Harry lächelte leicht und küsste mich auf die Stirn. „Wusstes du das nicht schon vorher?“  lächelte er und zog eine Braue nach oben. Ich lächelte zurück. „Natürlich. Aber jetzt bin ich ganz offiziell dein Idiot. Ganz alleine deiner.“

Diesmal drückte Harry mir einen Kuss auf die Lippen. Wir hatten beide vergessen, dass wir immer noch auf den Brit Awards waren und hatten auch die ganzen Kameras um uns herum völlig ausgeblendet. „Das stimmt. Du bist mein kleiner Teufel und ich bin dein großer Engel.“ „Ich bin nicht klein." knurrte ich böse, doch Harry lachte nur leise und verwickelte mich in einen weiteren Kuss, sodass ich alles um mich herum vergaß.

11. Juli 2020

All the Love aada2018

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