46.
Hoseok's PoV.:
Ich konnte noch nie sonderlich gut an Montagen aufstehen. Aber an diesem Montag fiel es mir besonders schwer. Das lag vor allem daran, dass Yoongi in meinen Armen angekuschelt lag und friedlich vor sich hin schnurrte. Seine schwarzen Katzenohren kitzelten mich dabei an der Wange, aber das war mir in diesem Moment absolut egal. Ich betrachtete ihn einfach nur. Diese aufgeplusterten Wangen, seine langen Wimpern und seine rosaroten Lippen, die zum Küssen gemacht aussahen. Ich konnte nicht anders, als ihm einen sanften Kuss auf die Stirn zu drücken. Daraufhin wurde der Katzenhybrid augenblicklich wach. Er gähnte einmal herzhaft, ehe er sich streckte und zu mir hoch blinzelte.
„Du bist schon wach?", krächzte er mit rauer Stimme. „Ja", kicherte ich und stupste einmal gegen seine Nase, „Und ich habe die Zeit sinnvoll genutzt, um dich anzustarren".
„Na super", jammernd vergrub er seinen Kopf zurück in meine Brust. Ich streichelte ihm beschwichtigend durch die dunklen Haare: „Du siehst süß aus, wenn du schläfst. Am liebsten würde ich dich den ganzen Tag lang anstarren".
„Das könntest du, wenn du zu Hause bleiben würdest. Kannst du heute nicht hierbleiben? Du kannst sagen, dass du krank bist", schlug Yoongi vor und sah hoffnungsvoll zu mir hoch. Normalerweise hätte ich dem sofort widersprochen. Es lag nicht in meiner Moral einfach so einen faulen Tag zu Hause zu verbringen, nur weil ich keine Lust auf Arbeit hatte. Zumal wir im Life Companionship Center immer noch in den Vorbereitungen für das Herbstfest steckten. Es würde in zwei Tagen stattfinden und es gab dafür noch eine Menge zu erledigen. Aber zu Yoongi's glänzenden Augen konnte ich einfach nicht Nein sagen.
Also rief ich kurz nach dem Aufstehen bei Namjoon an und meldete mich krank. Dieser war davon natürlich gar nicht begeistert. Sein Perfektionismus verleitete ihn dazu mich über die Leitung anzuschimpfen. Ich entschuldigte mich sicherlich ganze zehn Mal bei ihm, bis ich ein gegrummeltes: „Wie dem auch sei, gute Besserung", hörte und auflegen konnte. Yoongi quickte nach unserem Erfolg fröhlich und zog mich gleich zurück ins Bett, damit wir noch ein bisschen Kuscheln konnten. Ich schlief sogar wieder ein. Hätte er mich um 12 Uhr nicht aufgeweckt, hätte ich vermutlich den ganzen Tag durchgeschlafen.
„Und was machen wir heute?", fragte er neugierig nach, während er neben mir saß. Ich rieb mir einmal über meine müden Augen, bevor ich mich hochraffte und an dem Kopfende des Bettes anlehnte. „Keine Ahnung. Wir könnten ein paar Spiele spielen, oder einen Film schauen", antwortete ich. Mein Gegenüber zog die Nase kraus und schüttelte schmollend den Kopf: „Nein, das haben wir schon gestern und vorgestern und den Tag davor gemacht... Gibt es nicht irgendetwas anderes, dass wir machen können?".
In einer kleinen Wohnung wie meiner, bei der wir nicht von Nachbarn gehört werden durften, gab es dahingehend ziemlich wenig Auswahl. Wir hatten schon alles einmal ausprobiert. Ich konnte es ihm also nicht übelnehmen, dass ihm Spiele spielen und Filme gucken zu langweilig wurde. Ein Hybrid seiner Art brauchte mehr, um beschäftigt zu werden. Einen Spaziergang zum Beispiel. Aber dafür mussten wir zuerst unbemerkt an den Security Kameras entlang. Das war zwar riskant, dennoch nicht unmöglich.
„Wie wäre es, wenn wir ein bisschen raus gehen?", fragte ich nach und warf dabei einen Blick durch die Fensterfront nach draußen. Graue Wolken bedeckten den Himmel und es sah aus, als würde es jeden Moment zu regnen anfangen. Von Sonnenschein fehlte jegliche Spur. „Nach draußen gehen? Einkaufen, oder was?", hakte Yoongi nach, legte verwirrt den Kopf schief. „Nein, ich meine einen Spaziergang durch den Park. An einem See entlang, oder so", erklärte ich ihm. Daraufhin wurden seine Augen ganz groß und ihm fiel überrascht der Mund auf. „Das ist möglich? Wirklich? Können wir wirklich einen Spaziergang machen?", wollte er aufgeregt wissen, „Werden wir nicht gesehen?".
„Wir müssen vorsichtig sein", merkte ich an. „Natürlich!", stimmte er zu. „Und wir sollten wieder nacheinander die Wohnung verlassen. Ich gehe vor und du kommst nach. Wenn dich jemand fragt, was du in dem Wohnblock tust, dann gehst du einfach weiter, okay?", zählte ich unsere Regeln auf. Der Katzenhybrid nickte wild, drauf und dran hochzuspringen und sich vernünftige Klamotten anzuziehen. Er sah wirklich niedlich aus. Allein dafür, hatte es sich gelohnt diesen Vorschlag zu machen.
Und der Anblick lohnte sich noch viel mehr, als es dann endlich losging. Wir beide waren in Mütze und Maske eingemummt, sodass man uns selbst im Fall der Fälle nicht sofort erkennen konnte. Yoongi hüpfte von einem Bein aufs andere. Ich mochte ihn kaum allein zurücklassen, weil ich das Gefühl hatte das er wie ein wild gewordenes Tier durch meine Wohnung rennen würde, sobald die Haustür hinter mir ins Schloss fiel.
„Keinen Mucks", erinnerte ich ihn und ging schließlich die Treppenstufen nach unten vor. Mein Herz raste, als ich mit gesenktem Kopf an den Kameras vorbeilief. Ich fühlte mich unheimlich beobachtet. Es war, als würden die Augen meiner Vermieterin auf mich herabschauen. Das ungemütliche Wetter draußen trug deutlich zu der gruseligen Stimmung bei. Aber so sehr ich mich auch vor den möglichen Konsequenzen fürchtete, freute ich mich Yoongi glücklich zu sehen. Ich glaubte ihn noch nie so glücklich gesehen zu haben, wie in dem Moment wo er durch die Haustür zu mir nach draußen rannte. Mit ausgebreiteten Armen fiel er mir um den Hals: „Wir haben es geschafft! Mich hat niemand gesehen!", grinste er. „Das ist gut. Na dann los, lass uns von hier verschwinden", ich nahm seine Hand in meine und ließ beide in meiner Jackentasche verschwinden. Yoongi nickte wieder wild, ehe er loshüpfte und mich automatisch mit sich zog.
Dadurch, dass wir zu einer ungewöhnlichen Zeit rausgegangen waren, herrschte auf den Straßen nicht sonderlich viel Verkehr. Es war angenehm, vor allem für Yoongi. So wurde er nicht durch das Motorengeräusch, oder lautes Hupen erschreckt. Lediglich einige Passanten bereiteten ihm etwas Angst. Er klammerte sich jedes Mal an mir fest, wenn einer von ihnen an uns vorbeilief. Auch das konnte ich ihm nicht übelnehmen. Er war so viele Menschen einfach nicht mehr gewöhnt. Schließlich gab es in meiner Wohnung nur mich und sonst keinen. Ob er dadurch wohl soziale Ängste entwickelt hatte? Wahrscheinlich...
Verdammt, wie sehr ich mir ein ganz normales Leben für ihn wünschte. Ich hätte ihn sofort adoptiert, wenn das alles so einfach gewesen wäre. Aber das war es eben nicht. Ich wohnte in der falschen Wohnung und Yoongi war immer noch an das Life Companionship Center gebunden.
„Ist das der Park, von dem du erzählt hast?", fragte der Jüngere plötzlich nach und deutete auf den eingezäunten Wald, an dem wir gerade entlangliefen. „Ja, das ist er. Der Eingang müsste hier gleich kommen", erwiderte ich. „Und da gibt es wirklich einen See? Mit Enten und Fröschen?", hakte er nach. Ein amüsiertes Schmunzeln brach auf meinen Lippen aus: „Ja, aber du wirst sie nicht jagen, oder?".
„Nein, um Gottes Willen! Ich will sie mir nur ein bisschen angucken", erklärte er. „Verstehe... Aber gehe bloß nicht zu nah ans Wasser ran. Wenn du reinfällst, müssen wir sofort zurückgehen. In nassen Klamotten wird man nämlich sehr schnell krank. Vor allem bei dem Wetter", ich schaute in den grauen Himmel herauf. Er folgte mir mit seinem Blick und summte zustimmend.
Es dauerte nicht mehr lange und wir erreichten den Eingang des Parkes. Bereits von hier konnte man den trüben See sehen. Einige alte Damen liefen in schnellen Schritten um ihn herum, machten wohl Sport. Andere führten ihre Hunde aus. Erst glaubte ich, dass es Yoongi zu viel sein würde. Doch der Anblick des Sees ließ ihn die Menschen ausblenden. Er hatte nur noch Augen für das Wasser und schleifte mich hinter sich her, während er fröhlich darauf zu hopste.
„Sieh dir das an! Da sind Enten! Und da sind Seerosen! Und da sind Algen!", rief er aus und deutete auf alles, das ihm auffiel. Die Enten erschraken bei seinem Geschrei so sehr, dass sie schnatternd wegflogen. Yoongi gab daraufhin ein erschrockenes Quicken von sich und lachte belustigt. „Ich dachte gerade die wollen mich angreifen", fügte er dem hinzu. „Das werden sie nicht, solange du sie in Ruhe lässt", grinste ich und ließ von seiner Hand ab, „Schau dich ruhig ein bisschen um. Aber bleib in meiner Nähe, ja?".
„Okay!", er drehte sich nicht einmal zu mir um, als er das Ufer des Sees erkundete. Seine Ängste schienen wie weggeblasen.
Erst hockte er bloß vor dem Wasser herum und starrte stumm herab. Dann fing er an los zu schlendern, fasste dabei jeden beliebigen Strauch, Busch und Baum an. Ab und zu rupfte er sogar Blätter heraus und roch an ihnen. Natürlich fing er sich dafür ein paar merkwürdige Blicke ein, aber das hätte ihn in diesem Moment nicht weniger interessieren können. Stattdessen genoss er einfach nur die Natur hier draußen und ich gönnte ihm jede Minute davon. Es war so schön zu sehen, wie glücklich es ihn machte. Wie er jeder Ente zuwinkte und sie begrüßte, oder verabschiedete. Wie er Stöcker und Steine ins Wasser warf. Oder wie er in dem Dreck herumstocherte, bis er einen Wurm entdeckte.
Er sah aus wie ein kleines Kind, dass eine große Freude daran hatte neue Dinge kennen zu lernen. Mir wurde schnell bewusst, dass Yoongi diesen Ausflug wirklich nötig gehabt und in kommender Zukunft immer noch nötig haben würde. Um Erfahrungen zu sammeln, zu lernen und zu wachsen. Vor allem Hybriden in seinem Alter waren sehr Wissbegierig. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie er sich eingesperrt in meiner Wohnung fühlte, mit dem Drang einfach nur rauszugehen. Im Life Companionship Center hätte er das alles haben können. Und dennoch zog er mich dem Ganzen vor. Er wollte lieber bei mir bleiben, als in einer für ihn angemessenen Umgebung groß zu werden. Das war schmeichelhaft, aber auch gleichzeitig traurig.
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Das hier ist die Ruhe vor dem Sturm~
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