Tag 4

Am nächsten Morgen wachte ich tränenverschmiert auf. Anscheinend hatte ich noch weiter geweint. Schnell wischte ich die mittlerweile angetrocknet Tränen weg und betätigte die Klingel, sodass mir ein Pfleger kam. Kaugummikauend und mit einem Blick, bei dem ich wünschte, ganz weit weg zu sein, kam schließlich einer und brachte mir ein Frühstück bestehend aus einem Joghurt, einem Apfel und einem Kaffee. Ich trank keinen Kaffee, weswegen ich diesen auf die Seite stellte und mich mit dem Rest begnügte. Als ich damit fertig war, nahm ich mein Handy in die Hand und sah die letzten Nachrichten an: 

Wo bist du?  von meinem Freund

Das wars. Mehr war es nicht. Langsam machte ich mir Sorgen um meine Eltern. Erst besuchten sie mich nicht und dann schrieben sie mir nicht einmal? Ich rief meine Mutter an. "Hallo, Julian. Wie geht es dir?" meldete sich die bekannte Stimme meiner Mutter an der anderen Seite. "Besser. Wieso habt ihr mich nicht besucht oder mir geschrieben?" Sie erklärte mir, dass sie es vergessen hatte, aber sie heute Mittag anrufen wollte. Okay. Wir verabschiedeten uns und legten auf. Dann schrieb ich Lukas. Im Krankenhaus. Hatte einen Unfall, aber mir geht es gut. Hab dich lieb <3

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Oh Gott, das tut mir verdammt leid. Ich komme dich sofort besuchen, okay?  Ich lächelte. Dann kam ein Pfleger herein, diesmal aber mit einem alten Mann, der mir als mein neuer Zimmernachbar vorgestellt wurde. Ich freute mich über Gesellschaft und lächelte ihn an, was er erwiderte. Wir unterhielten uns ein wenig und er fragte mich, ob ich in einer Beziehung war. "Ja" antwortete ich. "Oh, wer ist denn das glückliche Mädchen?" fragte er. "Eigentlich ist es ein Junge" antwortete ich, und sofort änderte sich seine Miene schlagartig zu Habe-ich-das-gerade-richtig-gehört? Nervös lächelte ich und im nächsten Moment wich er keuchend zurück. Ich dachte, er hätte irgendeinen Anfall und wollte helfen, doch als er sagte "Du- bist ein Monster!" setzte ich mich wieder hin. Hektisch drückte er im Sekundentakt auf die Klingel und nach einer Minute erschien eine Pflegerin. "Ich will ein anderes Zimmer! Ich teile nicht mit so einem!" beklagte er sich und ich fühlte mich, als hätte man mich in einen kalten Fluss geworfen. Homophobie war anscheinend überall. Ohne nachzufragen wurde er in ein anderes Zimmer untergebracht. Jetzt war ich mehr wütend als traurig. Ich wollte hier weg. Das ist unter meinem Niveau dachte ich. Als mein Freund kam, sagte ich, er solle mich von hier wegbringen und sagte einem Pfleger auf dem Weg dass es mir schon deutlich besser ging und ich jetzt gehen würde. Ich erntete nur ein gedankenverlorenes Nicken. Und schon waren wir weg.

So endete der 4. Tag.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top