Szene XII
Genüsslich schiebt sich Mascha einen Löffel voll mit Frozen Yogurt in den Mund, während wir die Straße überqueren. Die Ampel wechselt bereits auf Rot zurück, weshalb ich meinen Schritt ein wenig beschleunige. "Das ist so gut", murmelt meine Arbeitskollegin hingegen vollkommen unbekümmert, bevor die nächste Portion in ihrem Mund verschwindet. Erst als wir an der Bushaltestelle anhalten, kann ich über ihr Benehmen lachen. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, das ein Frozen Yogurt sie so glücklich machen würde.
Den ganzen Tag habe ich etwas gesucht, dass ihre Laune heben könnte. Unsere Shoppingtour ist eher mager ausgefallen. Weder sie noch ich haben viele neue Anziehsachen ergattern können – was auch verständlich ist. Wenn man nicht sonderlich gut drauf ist, dann sieht sowieso alles scheiße aus. Dafür haben ein paar Accessoires neue Besitzer gefunden. Das Armband, das Mascha am schönsten fand, versauert allerdings weiterhin am Schmuckstand. Der Preis war ihr zu hoch und sie hat sich auch nicht darauf eingelassen, dass ich es ihr kaufe.
Also habe ich danach direkt die nächste Möglichkeit gesucht, ihr ein Lachen aufs Gesicht zu zaubern. Aber wirklich erfolgreich war ich nicht. Dabei habe ich mich sogar zum Affen gemacht, indem ich einen wildfremden Jungen mitten in der Mall angesprochen und ihn nach seiner Handynummer gefragt habe. Normalerweise hätte ich mich in Grund und Boden geschämt, wenn ich ernsthaft Interesse gehabt hätte. Da ich es aber nur zur Bespaßung von Mascha gemacht habe, war es sogar viel lustiger als gedacht.
Auch meine anderen Vorschläge, wie ins Café zu gehen oder ins Kino – natürlich hat sie das sofort abgelehnt – haben keinen wirklich großen Anklang gefunden. Mascha wollte nicht einmal bei Lush reinschauen. Normalerweise liebt sie es in diesem Geschäft herumzustöbern. Währenddessen habe ich immer mit Atemnot zu kämpfen. Handgemachte Kosmetik hin oder her, die Duftstoffe sind einfach viel zu überdosiert. Heute hätte ich es jedoch sogar freiwillig auf mich genommen, wenn es dazu geführt hätte, dass sie meinem Cousin gegenüber wieder besser gestimmt ist. Und schließlich ist es ein einfacher Frozen Yogurt, der ihre Welt wieder geradebiegt.
"Was wirst du später machen?", erkundige ich mich bei Mascha, als wir in den Bus eingestiegen sind. Ich möchte sichergehen, dass sie unser Gespräch von vorhin nicht wieder vergessen hat. "Mich bei Sam entschuldigen", verdreht das Mädchen neben mir etwas genervt die Augen. "Und?", hake ich nach. "Ihm erklären, weshalb er nicht mit zu dem Geburtstag meiner Oma kommen kann", faltet sie die benutze Serviette betont langsam zusammen. "Und?", gebe ich erneut von mir. "Ihm damit die Angst nehmen, dass es an ihm oder meinen Gefühlen für ihn liegt", beherrscht sich Mascha wahrscheinlich gerade so, mir nicht eine reinzuhauen. "Und?", frage ich ein letztes Mal und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Ihm versichern, dass ich mich nicht von ihm trenne werde, nur, weil er Zeit mit mir verbringen möchte", stöhnt sie nun vollkommen genervt auf. "Gut", lehne ich meinen Kopf zufrieden zurück.
Mit etwas Gewalt stößt Mascha die Wohnungstür auf und schmeißt ihre Sachen achtlos in die Diele. Wirklich oft war ich noch nicht bei ihr Zuhause. Ehrlich gesagt reiße ich mich auch nicht darum, sie hier zu besuchen. Ihre Mutter ist zwar sehr herzlich. Aber dafür macht mir ihr Vater etwas Angst. Den grimmigen Blick hat er nämlich höchstpersönlich erfunden. Ich habe ihn noch kein einziges Mal lächeln gesehen. Seine Abneigung gegenüber mir versucht er nicht einmal zu verheimlichen. Und meiner Meinung nach ist er viel zu patriotisch. Zum Glück sind ihre Eltern aber gerade nicht da. Vorsichtig lege ich meine Sachen neben ihre und folge Mascha unsicher. Ich bin nicht der Typ Mensch, der sich direkt überall Zuhause fühlt.
Zu zweit quetschen wir uns in das Badezimmer. Es ist definitiv der kleinste Raum in dieser Wohnung – sehr viel größer sind die übrigen Zimmer allerdings auch nicht. Bis vor einem Jahr musste sich Mascha noch mit ihrem Bruder ein Zimmer teilen. Mittlerweile ist er jedoch wieder zurück nach Russland gezogen und meine Freundin hat etwas Ruhe, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt.
Matt hat mich schon den ganzen Tag mit Nachrichten zugeschüttet, damit ich endlich zu der Party heute Abend zusage. Während wir uns also dafür fertigmachen, sage ich ihm kurz Bescheid, dass wir dabei sind. Meine schwarze Hose und Sneakers lasse ich an. Nur das ausgeleierte Shirt, das ich heute Morgen in Eile übergeworfen habe, tausche ich gegen eine dunkelgrüne ärmellose Bluse, die ich mir eben gekauft habe.
Da ich nichts Eigenes dabeihabe, muss ich Maschas Kosmetik benutzen. Jedoch beschränke ich mich darauf, meine Wimpern zu tuschen und ein bisschen Rouge zu verwenden. Dabei fällt mir auf, dass sich meine Sommersprossen bereits wieder vermehrt haben – ein Vorteil vom Frühling. Mithilfe von Gel und einer Bürste kämme ich meine Haare zu einem strengen hohen Zopf zurück. Grinsend stelle ich fest, dass sich Matt darüber ärgern wird, weil er somit nicht durch meine Haare fahren kann.
Zum Schluss lege ich noch meinen neu errungenen Schmuck an. Goldene Ohrringe und einen schwarzen Choker mit einem goldenen Anhänger. Mascha hat mich davor gewarnt, dass diese Dinger nicht mehr in sind, aber das ist mir ziemlich egal. Wir werfen uns beide noch schnell einen Kaugummi in den Mund. Dann sind wir auch schon wieder unterwegs.
Laute Musik schlägt uns direkt entgegen, als wir im Hinterhof einer Wohnsiedlung ankommen. So ziemlich jede Wohnung hier wird von Studenten bewohnt. Daher hat sich noch nie jemand beschwert, dass die Partys öfter mal draußen geschmissen werden. Die Feier ist bereits im vollen Gang und ich weiß gar nicht, in welcher Ecke ich zuerst nach Matt suchen soll.
"Sieh mal, wer da ist", flöte ich, nachdem ich mich zu Mascha hinübergelehnt habe, "da können sich zwei Streithähne sogleich versöhnen." Für diese Bemerkung kassiere ich sofort einen Schlag gegen meinen Oberarm. Aber meine Freundin macht immerhin keine Anstalten abzuhauen, als ich auf Samuel und Matt zusteure. Ein weiterer Fortschritt in dieser Sache. "Sammy", rufe ich freudig, bevor ich meine Arme um seinen Hals schmeiße. Das 'Fanny' erspare ich ihm heute. Schließlich hat er diese Woche schon genug hinter sich.
Als ich mir sicher bin, dass sich die beiden nicht an die Gurgel springen und Mascha meinen Cousin in einer vernünftigen Tonlage zu einem Gespräch aufgefordert hat, begrüße ich Matt mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange und einer etwas längeren Umarmung. Eigentlich hört sie gar nicht richtig auf, weil der Blondhaarige einen Arm auf meiner Schulter liegen lässt und mich so dreht, dass mein Rücken gegen seine Brust lehnt. "Du hast mich ziemlich lange warten lassen", raunt er mir zu. "Aber du hast nicht auf mich mit dem Trinken gewartet", lache ich, als ich seine leichte Fahne rieche.
"Nope", lässt er seine Lippen genau an meinem Hals ploppen. Grinsend lege ich meinen Kopf in den Nacken. "Was kannst du mir anbieten, damit ich deinen Pegel annähernd erreiche?" Bevor ich bis drei hätte zählen können, hält mir Matt einen Klopfer unter die Nase. Zufrieden stelle ich fest, dass es sich um die Geschmackssorte Pfirsich handelt, und leere direkt darauf das kleine Fläschchen. Erwartungsvoll drehe ich mich zu meinem Kumpel, um zu sehen, ob er etwas Bestimmtes geplant hat. Schließlich will ich nicht den ganzen Abend auf einem Fleck stehen bleiben.
Doch alles, was ich im ersten Moment sehe, ist, dass sein Oberkörper von einem weißen kurzärmligen Hemd bekleidet wird. Ein absolutes No-Go – wie ich von Mascha letztens lernen musste – wenn es sich um keine Uniform handelt oder der Stoff sich nicht wie eine zweite Haut um die Oberarme spannt. Aber bei Matt braucht sich niemand um den zweiten Punkt Sorgen machen – bei seinem Bizepsumfang... Ertappt beiße ich mir auf meine Unterlippe, als Matt extra seinen Bizeps anspannt und die Sehne auf der Oberseite noch deutlicher hervortritt.
"Du brauchst mehr Alkohol. Dann geht dein Starren in dem typisch glasigen Ausdruck unter", lacht der Blondhaarige ausgelassen. "Witzig", rolle ich mit meinen Augen, ehe ich nach seiner Hand greife und ihn mit mir ziehe. Der Alkohol kommt schließlich nicht von selbst zu uns. Wenige Meter weiter bereitet eine kleine Gruppe die nächste Runde von Flip Cup vor. Ein relativ unspektakuläres Trinkspiel. Aber ich mag es, Matt darin immer wieder zu besiegen. Es gibt schließlich nicht viel, was ich besser kann. "Dürfen wir mitspielen?", frage ich daher kurzerhand. "Ich hasse dich", zischt mir der Junge zu – was mich nur breit grinsend lässt.
Nachdem viele unterschiedliche Stimmen ihre Zustimmung kundgetan haben, schiebe ich meinen Kumpel auf die gegenüberliegende Seite vom Tisch. Netterweise dürfen wir sogar beginnen, was das Ganze noch spaßiger macht. Lächelnd nehme ich den roten Becher in die Hand und stoße mit Matt an. Während wir die Becher kurz zurück auf den Tisch stellen und dann erneut anstoßen, sieht er mich genervt an. Er weiß, dass er verlieren wird. Matt kann vielleicht das Bier schneller hinunterkippen, aber dafür braucht er viel zu viele Versuche den leeren Becher auf den Kopf zu schnipsen.
Provokant zwinkere ich ihm zu, als der Typ neben mir seinen Becher austrinkt. Letztendlich verliert mein Team, weil das Mädchen am Ende der Reihe kaum noch geradestehen kann und dementsprechend den Becher auch nicht umgeschnipst bekommt. Doch mein persönlicher Sieg reicht mir vollkommen aus. Lachend entferne ich mich mit Matt wieder von der Gruppe. "Jedes Mal aufs Neue", grummelt er sofort, "hast du Spaß daran, mich bloßzustellen."
"Meinst du, ich kann es wieder gut machen?", schlinge ich meine Arme um seinen Hals. Jedes Mal auf Neue habe ich auch Spaß daran, es wieder gut zu machen. "Eventuell", fährt der Blondhaarige mit seinem Daumen über meine Unterlippe. Dann umgreift seine große Hand ein Teil meiner Wange und meines Nackens und zieht mich sanft zu sich. Eine einfache Bewegung, die mich dazu veranlasst mich auf meine Zehenspitzen zu stellen. Nur wenige Sekunden später liegen unsere Lippen aufeinander. Und erneut küsse ich auf einer Party meinen Kumpel. Und das hoffentlich nicht zum letzten Mal.
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