1. Kapitel - Diamant

Mit einem Sideflip lande ich vor dem Bahnhofsgebäude. Das riesige Gebäude erstreckt sich vor mir, wie ein riesiger Irrgarten. Schon als ich früher mit meinen Eltern mit der Bahn gefahren bin hatte ich mich nie im Bahnhof zurechtgefunden. Wie denn auch? Alle paar Meter geht ein Gang nach links und rechts ab. Wenn man Glück hat führt er zum richtigen Gleis, doch hat man Pech, so wie es bei mir oft ist, landet man auf der Damentoilette.

Für viele ist es bestimmt normal sich in einem so riesigen Bahnhof nicht zurechtzufinden zu können, doch ich bin schon seitdem ich 3 bin alle paar Monate in diesem Bahnhof gewesen und irgendwohin gefahren.

Meine Eltern sind beide Journalisten und somit so gut wie immer unterwegs. Seitdem ich 3 bin haben sie mich immer mitgenommen, bis dass ich mit 17 zu einem Kumpel in eine WG gezogen bin.

In meinen Gedanken versunken starre ich auf den Eingang und auf die Menschen, welche dort ein- und ausgehen. Ein paar Mal werde ich von irgendwelchen Leuten angerempelt. Meistens sind es Männer in Anzügen, die nur auf ihr Telefon achten.

Erst als mich ein kleiner Junge anrempelt blicke ich vom Eingang weg und schaue zu dem kleinen blonden Wuschelkopf hinunter. „Jan! Pass doch auf, wo du hinläufst.", sagt eine Frau, welche sofort nach der Hand des Jungen greift. „Es tut mir wirklich leid, dass er gegen Sie gelaufen ist. Ich sage ihm immer, dass er auf seine Umgebung und nicht auf den Boden achten soll.", richtet sie sich nun an mich.

Die Stimme der Frau wirkt ein wenig beschämt, was mir in ihrer Situation wahrscheinlich genauso gehen würde. Um sie zu beruhigen, fing ich an zu lächeln und sage daraufhin: „Alles gut. Hier ist so viel Los, da kann das passieren. Außerdem hat er es nicht mit Absicht gemacht."

Sichtlich war es der Frau nun nicht mehr so peinlich, sodass sie mir noch einen schönen Tag wünschte und dann mit ihrem Sohn weiterging.

Ich zückte mein Handy aus meiner Hosentasche und las eine neue Nachricht in WhatsApp. ‚Bin in ca. fünf Minuten am Bahnhof. BL-Gleis 7 Abschnitt C. Ich freue mich schon dich wiederzusehen!'. Genau das meine ich nicht zuzuordnende Buchstaben mit Gleiszahlen und Abschnitten. Wie soll man da durchblicken?

Trotz meiner jetzt schon verzweifelten Lage trat ich in das Gebäude ein und versuchte irgendwie durch die Menschenmenge zum richtigen Gleis zu finden.

Zum Glück hatte mir eine nette ältere Dame erklärt, dass BL die Abkürzung für die Tief -Ferngleise sind, wodurch ich zumindest wusste, dass ich nicht nach unten muss.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich dann endlich unten auf Gleis 7 an. Das einzige Problem, welches ich nun nur erkannte war, dass ich soeben eine Treppe im Falschen gang erwischt hatte und somit in Abschnitt F war. Mit ein wenig Enttäuschung joggte ich somit in Richtung Abschnitt C.

Gerade, als ich angekommen war, fuhr der Zug ein und blieb vor mir stehen. Die Türen öffneten sich und eine Menschenmenge stürmte hervor. Diese betrachtete ich jedoch nicht. Meine Augen wanderten über diese Menschenmenge und suchten nach etwas bestimmten.

Nach nur zwei oder drei Sekunden, fand ich, was ich suchte. Diese blonden Haare würde ich überall wiedererkennen, genauso, wie die glänzenden blauen Augen, welche überall herausstechen. Das Menschen Getümmel lichtete sich so schnell, wie es auch gekommen war, sodass ich nun einen freien Weg hatte. „Jara!", rief ich, doch darauf kam keine Reaktion. Ein weiteres Mal rief ich den Namen, dieses Mal etwas lauter. Wieder kam keine Reaktion.

Erst als ich neben ihr stand und meine Hand auf ihre Schulter legte drehte Jara um und fiel mir in die Arme. „Liam!", rief sie kurz davor. Liebevoll drückte ich sie an mich und atmete immer wieder ihrem süßen Parfumduft ein.

Jara und ich kennen uns schon lange. Um genau zu sein schon immer. Wir waren, bis dass ich ausgezogen bin, Nachbarn und haben uns so gut wie immer getroffen. Jara war im Gegensatz zu mir 18 Jahre alt und hatte gerade ihr Abi hinter sich. Mein Abi jedoch lag schon 2 Jahre zurück.

Seit der 10. Klasse mag ich Jara wirklich, wirklich gern, doch während der zeit war sie in der 8. und ich wollte nicht, naja, uncool rüberkommen. Als sie dann in der 10. War wollte ich ihr es endlich sagen, doch wer hätte es gedacht, natürlich hatte sie genau in der Zeit einen Freund. Seit ungefähr einem Jahr sind die beiden jetzt wieder getrennt und ich, ich mag Jara immer noch sehr.

Doch wir sind so gute Freunde, dass ich das nicht zerstören möchte.

„Herzlich willkommen zurück in Berlin!", sage ich, als wir uns wieder aus der langen Umarmung lösen. „Danke Li.", sagt sie und lächelt über beide Wangen bis hin zu den Ohren. Ich hingegen höre auf zu lächeln und sage knapp: „Du weißt genau, dass ich diesen Spitznamen hasse!".

Jara lächelt schelmisch und geht dann mit ihrem beigen Koffer in Richtung Treppe.

Bei Einladen des Koffers in mein Auto reden wir über den fünfwöchigen Urlaub von Jara. Wir hatten uns zuletzt vor ungefähr sechs Wochen gesehen und in der Zeit ist nicht gerade wenig passiert.

Mit jedem einzelnen Wort, welches wir miteinander reden, merke ich immer mehr, wie sehr ich Jara vermisst hatte. Besonders die letzten Wochen waren schwer, da auch meine WG-Mitbewohner nicht da waren und ich somit komplett alleine war.

Die ganze Autofahrt spürte ich meinen Herzschlag so sehr, dass ich fast bedenken hatte in jeder Sekunde an einem Herzinfarkt zu sterben, doch dies war zum Glück nicht so.

Als wir dann nach ungefähr einer viertel Stunde fahrt bei Jara Zuhause waren, hatten wir so gut wie alles, was geschehen war erzählt.

Automatisch nahm ich ihren Koffer und zog ihn zur Haustür. Die kleine, aber sehr gemütliche Wohnung von Jaras Familie lag im 5. Stock, wodurch es nicht angenehmer wurde den Koffer zu tragen.

„Du bist heute aber Gentleman like unterwegs. Nicht nur, dass du mich von deinem meist gehassten Ort abholst, sondern du trägst auch noch meinen viel zu schweren Koffer in meine Wohnung. Woher kommt diese Höflichkeit? Hast du irgendwas verbrochen?", lachte Jara auf der letzten Treppe.

Auch ich fange an zu lachen. „Wenn du so ankommst bin ich nie wieder höflich zu dir!". Schnell verschwindet ihr lachen. „Ich habe doch gar nichts gesagt. Es ist sehr nett, dass du dir die Mühe machst.", sagt sie und lächelt.

Dieses Lächeln, welches ich schon immer liebte. Es war nicht übertrieben, doch auf nicht so, dass es kaum zu sehen war. Egal wann es kommt, es bringt mich immer zum Lächeln, konnte mich jeder Zeit aufmuntern und schenkt meinem Körper eine angenehme Wärme.

Wir traten in die Wohnung ein und gingen sofort zu Jara ins Zimmer. Ihre Eltern waren noch nicht da, das hatte sie mir schon auf der Autofahrt erklärt. Somit waren wir alleine.

Beim Auspacken des Koffers half ich Jara auch, bis dass mir eine kleine, mit Schneeflockengeschenkpapier eingewickelte Kiste in die Hände fällt. „Was ist das denn?", frage ich, schaue zu Jara und halte das Kästchen hoch.

„Oh, Mist! Die solltest du eigentlich noch nicht sehen!", antwortet sie und schlägt sich mit der Hand vor das Gesicht. „Ist die etwa für mich?", frage ich rhetorisch. Jara nickt und setzt sich neben mich auf den Boden.

Gespannt, was in dem Kästchen drinnen ist, mache ich das Geschenkband ab und hebe den Deckel hoch. Im inneren liegt eine Tafel Schokolade und ein runder Magnet. Ich fange an zu lächeln, als ich mir das Bild, welches auf dem Magnet zu sehen ist anschaue. Das Matterhorn ist dort abgebildet und darunter ist eine wunderschön beleuchtete Stadt abgebildet. Als Schrift steht dort „Zermatt Switzerland".

„Ich dachte mir, dass ich dir etwas mitbringen muss, da du das auch immer gemacht hast. Auf die Idee mit dem Magnet bin ich durch deinen Kühlschrank gekommen. Du warst noch nie in Zermatt und von Lima, Oslo, Rom und den anderen Städten wo du warst hats du ja auch Magnete. Die Schokolade fand ich so gut, dass ich dir auch eine mitbringen musste. Zartbitter und Marzipan magst du ja sowieso.", erklärt Jara, woraufhin ich nur noch mehr lächeln muss.

„Danke, beides ist wirklich schön.", bedanke ich mich und umarme Jara. Die Umarmung, dauert eine halbe Ewigkeit, da ich von Jaras Nähe nie genug bekommen konnte. Auch als wir uns wieder lösen, packen wir nicht weiter aus, sondern bleiben dort einfach sitzen.

Gelehnt an das Bett starren wir aus dem Fenster. Neben Jara fühle ich mich irgendwie anders, als sonst. Ich weiß, im Gegensatz zu den letzten Wochen, wieder, wer ich bin und wo ich hingehöre. Ich weiß wieder, wieso ich jede Sekunde, die ich mit Jara verbrachte, genieße, als wäre sie bald für immer fort.

Mit jedem Lächeln, dass sie mir gibt weiß ich immer mehr, dass sie wie ein Diamant für mich ist.

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~Blume 💮

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