Medienliebe - Erlernt oder vererbt?

Heute beschäftige ich mich mit einer interessanten Frage. Jeder Mensch hat einen eigenen Geschmack, eigene Hobbies und Interessen. Manche lieben aktiv oder passiv den Sport, andere die Literatur. Unter den Rollenspielern gibt es die Pen&Paper-Spieler, die Abenteuer gerne im Kopf erleben und die LARP-Anhänger, die gerne selbst ins Kostüm steigen. In der Anime-Szene gibt es den heimlichen Konsumenten, als auch die Publikums-Exhibitonisten, die jeden mit ihrem Interesse zulabern (ob es sie interessiert oder nicht) und keine Convention unverkleidet betreten. Über diese Menschen-Grüppchen kann ich nicht allzu viel erzählen. Aber über mich als Film-Liebhaber kann und möchte ich Euch heute einige interessante Fakten und Gedanken präsentieren....

Jaja, die lieben Eltern. Vorab sei gesagt, dass ich wirklich aus erwachsener Sicht sympathische Eltern habe. Aber im Bereich des Medienkonsums waren sie nicht immer die coolsten in Bezug auf mich. Als Kind hat man es nicht immer leicht mit ihnen, vor allem nicht, wenn man ein wenig aus der Art schlägt. Papa nahm einen oft mit in die Garage, damit man ihm beim Werkeln am Auto zuschaute. Interessierte es mich? Keine Spur. Wie oft zeigte mein Vater mir, wie ich einen Fahrrad-Reifen flicke. Habe ich es deswegen je erlernt? Nein, niemals. Und erst das Thema Taschengeld! Da kriegte man seine 5 Mark in der Woche, sparte sie mühevoll zusammen und kaufte sich, was einem gefiel. Gefiel es aber den Eltern? Never. Im Gegenteil musste man sich für jede Investition rechtfertigen. Fühlte man sich dadurch angenommen? Nee, im Grunde genommen war man doch ein böses, böses Kind. Wozu dann das Scheiss-Taschengeld, wenn ich mir nicht das davon kaufen darf, was mich interessiert?!? Auch im Jugendalter wurde das nicht besser. Jeglicher Medienkonsum blieb nicht kommentarlos zurück. Wie kann das denn bitte sein, dass andere Kinder lernen und man selbst nicht die gewünschten Ergebnisse erbringt und das Leben aber trotzdem aus Spiel und Spass besteht? Narretei! Was ist das nur für ein seltsamer Junge, der so aus der Art geschlagen ist? Von den Eltern hat er das sicher nicht.

Wohin hat Euer strenger, erhobener Zeigefinger geführt? Bin ich heute so wie Ihr mich haben wolltet? Habe ich mir Eure Ermahnungen zu Herzen genommen und meiner Liebe zum Medienkonsum abgeschworen? Nein, nein und nochmals nein! Und wohin hat die ständige Investitions-Kontrolle geführt? Das Taschengeld wurde offiziell investiert. Stattdessen habe ich in der Schule beim Essen gedarbt; mein Essensgeld aufgespart, um mir damit Medien zu finanzieren. Meint Ihr etwa, dass ich die dann stolz in meinem Regal aufstellen konnte? Von wegen! Ich habe meine ersten selbst gekauften Videokassetten und Computerspiele in meinen Schränken und sogar im Keller versteckt. Mein Hobby heimlich ausgeübt. Und bin ich heute ein verwahrloster Tagedieb geworden? Im Gegenteil. Ich habe einen guten Job, bin viel unter freiem Himmel, spiele in einer Theatergruppe und verschliesse mich nicht vor sozialen Kontakten ausserhalb meines Medien-Interesses.

Woher kam aber das Interesse am Film, an Serien, an Computerspielen, wenn es aus Sicht der Eltern so derbe verpöhnt war. War es eine Form von kindlicher Rebellion? Wohl kaum, da ich jetzt seit über 10 Jahren nicht mehr zu Hause wohne und das Interesse immer noch weiter praktiziere. Es war seit jeher eine Form von Ambivalenz und Inkonsequenz von Seiten der Autoritäten spürbar. Einerseits war da diese strenge, herrische Seite, Ansprüche und Forderungen. Andererseits wurde dem Medieninteresse nachgekommen. Gemeinsame Besuche von Videotheken, die Schenkung eines C64-Computers zur Erstkommunion, ein eigener Fernseher, ein eigener Videorekorder. Ja was? Sollte ich all das ab einem bestimmten Alter haben, aber nicht benutzen dürfen? Macht Euch nicht lächerlich. Entweder man lässt den Amish konsequent raushängen oder aber gar nicht. So war ich als Kind also einer Welt ausgeliefert, die mich ständig mit Anreizen lockte, aber sobald ich diesen nachgab, dafür verurteilt wurde. Was ist das nur für ein System, dass die Schwächen eines Kindes auf diese Art entlarven wollte.

Es ist wie die Geschichte vom Daumenlutscher in Heinrich Hoffmanns Schauermär "Der Struwwelpeter". Die Mutter sagt, Konrad solle nicht am Daumen lutschen, die Daumen liegen ihm aber vor, ja er wurde gar auf ihre Existenz aufmerksam gemacht. Wird er es deswegen sein lassen? Nein, im Gegenteil steckt er sie kaum nach dem Verschwinden der Mutter direkt in seinen Schlund. Als Kind und Heranwachsender konnte ich nicht nachvollziehen, warum ich in einer Medienfeindlichen Umgebung aufwuchs. Stattdessen musste ich mich vor mir selbst als geheimer Freiheitskämpfer verstehen, mit dem festen Vorsatz, dass ich, wenn ich einmal erwachsen bin, mir meinen Möglichkeiten entsprechend eine Mediensammlung aufbauen werde, für die ich mich vor niemandem rechtfertigen werde. Es hat geklappt, aber zu welchem Preis? Den Zeitaufwand und den finanziellen Aspekt mal dahingestellt, ist es natürlich durch permanente Kritik dazu gekommen, dass der Genuss des Konsums schon gezielt geschehen muss. Konsumieren ohne das Gefühl zu haben, etwas böses zu tun, will bei dieser Biografie gelernt sein.

Aber die Umgebung war nicht ausschliesslich feindlich, was mich zu der These der Vererbung führt. Mein Großvater väterlicherseits war ein Deibel durch und durch. Und auch wenn er mir als Kind nie besonders grün erschien und ich nie sonderlich warm mit ihm wurde, gab es eine Sache, die ich rückblickend als Erwachsener mittlerweile 15 Jahre nach seinem Tod, sehr wertschätzend an ihm wahrnehme. Und das war seine Wertschätzung zum Film. Er hat sich zwar nie einen Film gekauft, aber Fernsehaufnahmen gesammelt und katalogisiert. Er hat Listen über seine Sammlungen geführt. Seien es Audio-Aufnahmen oder seine VHS-Kassetten. Alles hatte seine Ordnung und sein System und musste auf Anhieb wiedergefunden werden. Und was soll ich dazu sagen? Rückblickend habe ich diese Veranlagung in mir selbst wiedererkannt, aber mehr noch: selbst verinnerlicht im Laufe der Jahre. Und auch wenn wir sonst NICHTS gemeinsam hatten, was ich mir eingestehen wollen würde, möchte ich dem alten Deibel heute danken, dass er mir Wertschätzung zu Medien vermittelt hat.

Er sammelte Filme, analysierte sie, stellte Paralellen her und erkannte Genre-Typisierungen. Möglicherweise wäre er heute stolz auf mich, dass ich sein Erbe heute in dieser Form weitertrage und stolz darauf bin. Danke Opa, dass ich diese Eigenschaft von Dir bekommen habe!

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