Immortel Ad Vitam - Filmerlebnis nach Enki Bilal

2095 - Ein nach 30 Jahren aufgetauter Freiheitskämpfer mit metallenem Klumpfuß, eine blauhäutige Mutantin und ein ägyptischer Gott zusammen in einer unfreiwilligen Wohngemeinschaft. Klingt abgefahren? Ist es auch! Doch in der Zukunftsvision des Künstlers Enki Bilal scheint alles seinen Platz und seine Daseinsberechtigung zu haben. Mit der Betonung auf "Alles"! Ihr wollt mehr erfahren?

Wo fängt es an, wo hört es auf? Diese Frage ist bezüglich der Science-Fiction eine äusserst interessante, denn ihre Antwort verschiebt sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt kontinuierlich. Vor 130 Jahren noch war ein Jules Verne mit seinen progressiven Ideen eindeutig als Science-Fiction-Autor klassifizierbar. Heute jedoch sind viele seiner Ideen umgesetzt worden, wodurch er seinem Status als Science-Fiction-Autor nicht mehr gerecht wird. Da kategorisiert man seine Literatur heute in Fantastik, Abenteuer oder zum seltsam klingenden Begriff Steampunk.

Ein Enki Bilal hingegen, prophezeihe ich, wird sich nach der selben Zeitspanne nach wie vor nicht einordnen oder kategorisieren lassen.Geboren im serbischen Belgrad, aber bereits 1960 nach Paris eingewandert wird er einen höchst objektiven Blick auf gesellschaftliche und politische Ereignisse im damaligen Jugoslawien gewonnen haben. Genau das und vieles mehr spiegelt sich dabei inhaltlich und visuell in seinen Comics wieder. Somit vereint er gekonnt die vielfältige Erzählweise und Visualisierung des frankobelgischen Comics gepaart mit Spiegelbildern unserer tatsächlichen Welt.Über den Zeitraum von 1981 bis 1992 erschuf Bilal die Comic-Trilogie um Alexander Nikopol.

Wer einen Blick auf dieses monumentale Werk wirft, stellt schnell fest, wieviele Science-Fiction-Filme sich visuell und inhaltlich an ihm orientieren. Sei es ein Bladerunner von Ridley Scott, ein fünftes Element von Luc Besson oder ein Stargate von Roland Emmerich. Sie alle haben Enki Bilals Werk gelesen. Genau wie Jules Verne einen maßgeblichen Einfluß auf die Science-Fiction-Filme von gestern geübt hat, tut es Bilal und speziell "Alexander Nikopol" auf die Science-Fiction der Gegenwart.

Galt "Alexander Nikopol" trotz seiner inspirativen Energie als unverfilmbar, hat Enki Bilal es im Jahr 2004 selbst in die Hand genommen und selbst Regie im Film "Immortel (ad vitam)" zu deutsch "Immortal - Rückkehr der Götter" geführt.

Der Film beginnt im Jahr 2095. Über der Stadt New York taucht plötzlich eine fliegende Pyramide auf. An Bord befinden sich die Götter der ägyptischen Mythologie. Der Gott Horus soll seine Unsterblichkeit abgeben, hat aber vorher nochmal Gelegenheit für 7 Tage auf Erden zu wandeln. Diese hat sich seit der ersten Einmischung der Götter signifikant verändert. Kaum ein Mensch hat noch etwas humanoides an sich, da alle dem Wahn verfallen sind, ihren Körper zu synthetisieren. Und in dieser Welt hat Horus sich selbst für seine letzten 7 Tage eine schwere Aufgabe gesetzt. Er will sich selbst fortpflanzen. Doch Kompatibilität ist offensichtlich durch die Vercyberung des Körpers nicht mehr gegeben. Dabei braucht er doch nur eine genetisch unveränderte Frau und als Wirt einen genetisch unveränderten Mann.

Da es die nicht mehr zu geben scheint, überfällt Horus einen Transportwagen, in dem sich Schwerverbrecher im Kälteschlaf befinden. Seine Wahl fällt auf den seit 30 Jahren eingefrorenen Alexander Nikopol, der einst gegen die Apartheid kämpfte.

Jetzt noch eine Frau zum Fortpflanzen! Die Wahl fällt kurzerhand auf Jill, eine aus dem Nichts aufgetauchte Mutantin mit schuppigem Kopf und blauer Haut. Trotz ihrem Mischwesen-artigen Aussehen fällt die Wahl von Horus auf sie. Doch wird alles nach Plan gelingen?

Zugegeben, es fällt schwer, den Film auf die eigentliche Handlung zu reduzieren, denn es passiert im Hintergrund soviel mehr, das nicht in Worte zu fassen ist, sondern einfach gesehen werden muss. Wie aus einem vorigen Artikel von mir ersichtlich, bin ich alles andere als ein Freund des übertriebenen Einsatzes von CGI. Und dennoch ist der Film im Grunde genommen ein CGI-Film, in dem lediglich eine Handvoll realer Schauspieler agieren. Und genau diese Machart bei dem Film passt wie die Faust aufs Auge. Man hätte sich natürlich auch dafür entscheiden können, einen Zeichentrickfilm zu produzieren, was gemäß einer Comic-Vorlage danach geschrien hätte. Und dennoch hat man es nicht getan und dadurch die Wirkung der artifiziellen Umgebung verstärkt. Nichts in der Welt des Jahres 2095 wirkt mehr so, wie es mal war.Selbst die Wohnung Jills als letzter Bastion der Fortpflanzung wirkt künstlich, kalt und dreckig. 95% aller auftauchenden Nebenfiguren sind durch CGI-Grafik entfremdet und wirken wie Charaktere aus einem Videospiel. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Film wirkt fremdartig und die Darsteller in dieser Welt umso mehr wie Fremdkörper. Der Film hat eine langsame Erzählweise, ist alles andere als ein Action-Kracher wie die Filme, zu denen seine Comic-Vorlage inspiriert hat. Man hat gar das Gefühl, dass dieser Film prinzipiell zu spät dran gewesen sein muss und dennoch in den 80ern niemals realisierbar gewesen wäre.

Dadurch ist es nicht verwunderlich, dass dem Film von 2004 weder ein großer Erfolg beschieden wurde, noch ein großes Publikum erreicht worden ist. Aber man bekommt das Gefühl, dass genau das der Film nicht gewollt hat. Es ist definitiv kein Film für die Masse, sondern wirklich nur etwas für Liebhaber von Filmen mit besonderer Visualisierung und einem Drang nach Filmen, deren Inhalt man sich erarbeiten wollen muss. Der Film berieselt nicht, er schenkt dem Zuschauer nur soviel, wie er selbst geschenkt bekommen möchte. Wer diesen Anspruch an einem Science Fiction-Film hat, sollte jedenfalls einen Blick darauf werfen

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