Gutscheine und James Bond
James Bond ist neben Godzilla sicherlich eine der längsten Reihen der Filmgeschichte. In nunmehr 24 offiziellen und einigen wenigen inoffiziellen Beiträgen der Reihe wird die Geschichte eines Agenten des britischen Geheimdienstes erzählt. Von 1962 bis heute. Mittlerweile 6 offizielle Darsteller verkörperten den smarten Supermann. Und während die Welt um JB herum sich verändert, der eiserne Vorhang fällt, die technischen Möglichkeiten wachsen und seine Kollegen immer älter werden, bleibt er der ewig junge, attraktive und potente Mann zwischen 30 und 50. Wie geht das aber von Statten? Durch meine erste Sichtung der Filme habe ich eine Theorie über die Geschichte hinter der Geschichte für mich erkannt. Vielleicht nicht neu für eingefleischte Bond-Fans, für mich jedoch offenbarend.
Zuallererst muss ich gestehen, dass ich kein langjähriger James Bond-Fan bin. Im Allgemeinen ist die Geheimagenten-Thematik nichts, was mich im Bereich der fiktiven Unterhaltung auch nur annähernd interessiert. Damit verbunden sind für mich dröge politische Hintergründe, undurchschaubare Storylines und langweilige Herren, die durch irgendwelche Gassen stolpern. Tatsächlich wusste ich immer von der Existenz der James Bond-Reihe, habe aber stets in Gesprächen damit kokettiert, noch nie einen Teil der Reihe vollständig gesehen zu haben. Und das war bis vor wenigen Wochen noch tatsächlich so. Wie kommt es aber, dass ich eine Filmreihe schaue, die man zweifelsohne zum Filmkultur-Erbe zählen könnte, die mir bislang scheinbar am Gesäß vorbeiging?
Der einfache Grund dafür sind Gutscheine. Ja, Gutscheine. Wer bitte traut sich heute noch, jemandem Medien zu schenken? Bücher, Filme, Videospiele, Hörspiele, Comics…all das kaufen wir uns heutzutage doch am liebsten selbst, weil die anderen den eigenen Geschmack keinesfalls einschätzen können. Und nachdem jeder von uns aus unterschiedlichen Gründen schon mal etwas umgetauscht oder weiter verschenkt hat, sind wir uns heute viel bewusster: Ja, wir können den medialen Geschmack unseres Gegenübers keinesfalls zu 100% so einschätzen, dass wir uns noch trauen können auf gut Glück ein Geschenk zu machen, dass demjenigen dann auch noch garantiert gefällt oder das er nicht schon selbst besitzt. Also kommt der güldene Gutschein ins Bild. Wer medial orientierte Menschen kennt, weiß dass sie sich selbst am liebsten selbst zurecht stöbern, was sie gerne konsumieren möchten. Also schenkt man einen Gutschein, damit sich derjenige selbst etwas schenkt, was ihm zusagt und mundet. Und so wurde ich auch in den letzten anderthalb Jahren bei jedweder Gelegenheit mit diesen Gutscheinen zugeballert. Abschiedsfeier – Gutschein – Geburtstag – Gutschein – Dienstjubiläum – Gutschein – Ostern – Gutschein – Weihnachten – Gutschein – Valentinstag – Ein Berg von Gutscheinen….
So, da hast Du dann Deinen Kaffeeschaum und Gutscheine, als wären es Deine Visitenkarten. Und dennoch! Bei jedem Kauf auf Amazon vergisst man stetig, dass man doch Gutscheine hat. Nachdem ich aber schon anfing auf Gutscheinen in der Wohnung auszurutschen, musste eine Lösung gefunden werden. Und dann fiel mir die Lösung wie Schuppen von den Augen: Ich musste die ganzen Gutscheine einfach einlösen, dann wäre das Problem gelöst. Also sammelte ich alle zusammen und stand nun vor der Möglichkeit einer größeren Investition im medialen Bereich. Was sollte es sein? Square Enix hat viele attraktive Spiele veröffentlich oder wiederveröffentlicht. So ein Final Fantasy XV zum Vollpreis wäre schon nicht verkehrt. Ebenfalls stand Nintendo Switch ins Haus, wobei ich mich noch nie an einen echten Konsolen-Launch herangewagt habe. Und da kam ich dann auf die glorreiche Idee, mir doch einfach mal sämtliche JB-Filme auf BluRay zu holen. Denn schließlich hatte ich noch keinen Teil der Reihe gesehen, wie ich erinnern möchte. Das wäre jedenfalls ein Geschenk gewesen, über das ich mich gefreut hätte, es von meinen Mitmenschen geschenkt zu bekommen…hätten sie sich denn getraut und wäre es ihnen die Investition wert gewesen. Für mich wäre es unter Umständen zu riskant gewesen, mein eigenes Konto um den Preis zu erleichtern, um am Ende festzustellen, dass es nichts für mich ist, als die guten alten Gutscheine zu bemühen.
Als die Box dann eintraf, machte ich mich umgehend daran, mir die Teile in richtiger Reihenfolge anzuschauen. Dr.No, Liebesgrüße aus Moskau, Goldfinger, Feuerball, Man lebt nur zweimal, Im Geheimdienst ihrer Majestät und Diamantenfieber. In allen genannten Filmen spielte Sean Connery die Rolle des tapferen Geheimdienstlers MIT AUSNAHME von „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ wo er vom Australier George Lazenby verkörpert wurde, bis Sean Connery in „Diamantenfieber“ wieder übernehmen konnte. Natürlich hat der Austausch und Wiedereinstieg von Darstellern produktionstechnische Hintergründe, in denen es um Forderungen nach höheren Gagen geht oder nicht auf eine einzige Rolle festgelegt werden zu wollen. Und all das ist sicherlich legitim. Gerade in britischen Produktionen kennt man es öfter mal, dass Darsteller nur einen begrenzten Zeitraum bei einer Film- oder Serienproduktion bleiben, die Film- oder Serienreihe am Leben gehalten wird.
Bestes Beispiel ist sicherlich die Serie „Doctor Who“, zu deren Konzept es dazugehört, dass Haupt- und Nebendarsteller stetig wechseln. Im Fall des Doctors als Hauptfigur gibt es seit dem ersten Darstellerwechsel die Idee der Regeneration, die dem Doctor bei tödlichen Verletzungen erlaubt, sein Äusseres und bestimmte Charaktereigenheiten zu wechseln. Doch bei James Bond? Kommen wir zur Film-Theorie. Ich bin der Überzeugung, dass James Bond 007 lediglich der Deckname für eine Reihe von mehreren Männern ist, die je nach Verfügbarkeit und Bedarf die Position des „James Bond“ übernehmen können. Nun zu meinen Beweisen. Allgemein kann man sagen, dass „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ ein fantastischer Streifen ist. Doch er ist konzeptionell anders erzählt, als die vorigen Bond-Filme und wartet nicht mit einem entspannten Happy End auf, bei dem man weiss: „Ah, jetzt kriegt James Bond auf seinem Boot wieder einen Blowjob und die Welt ist gerettet.“.
Auch George Lazenby als Bond spielt die Rolle wesentlich freundlicher und sexuell beherrschter, als der vormals ruppige Sean Connery-Bond, der alles Weibliche ableckt, was nicht bis 3 auf den Bäumen ist. Könnte es sich um eine andere Person handeln? Hinweise darauf habe ich einige entdecken können. Bereits zu Anfang von „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ sagt Lazenby-Bond nach seiner Schlägerei am Strand „Ihm wäre das sicher nicht passiert“ wobei nicht eindeutig zu verstehen ist, wen er damit konkret meint. Ich sage, er meint damit seinen Vorgänger Connery-Bond den Lazenby-Bond wahrscheinlich kennt und mit dem er über den Job Rücksprache gehalten haben wird. Man kann also davon ausgehen, dass Lazenby-Bond nicht nur als Schauspieler zum ersten und letzten Mal in der Rolle steckt, sondern auch in der Rolle als Ausnahme-Bond interpretierbar bleibt. Lazenby-Bond möchte den Dienst umgehend quittieren, schaut im Schreibtisch seines Vorgängers DESSEN Erinnerungsstücke aus den vorigen Aufträgen durch und flirtet mit Moneypenny, eben weil das sein Vorgänger auch schon gemacht hat und weil die ewige Moneypenny offenbar ein dankbarer Gegenpart ist.
Schließlich bekommt Lazenby-Bond den Auftrag, sich als Heraldiker Sir Hilary Bray auszugeben und zu überprüfen ob sich hinter der Identität des Comte de Bleuchamp eigentlich sein Erzfeind Ernst Stavro Blofeld verbirgt. Dessen Gesicht hatte Connery-Bond im vorigen Teil „Man lebt nur zweimal“ zum ersten Mal gesehen. Ebenfalls müsste man davon ausgehen, dass Blofeld James Bond jedenfalls erkennen würde, wenn er vor ihm steht.Schließlich stehen sich beide Männer gegenüber. Trotz Glatze hat Blofeld offenbar sein Gesicht operieren lassen, denn statt einem vernarbten Donald Pleasance wird er hier lediglich von der markanten Visage von Telly „Kojak“ Savalas verkörpert. Und unabhängig davon, ob Bond an der Identität Blofelds zweifelt, kann von Seiten Blofelds keinerlei Zweifel bestehen, dass der „Heraldiker“ vor ihm James Bond persönlich sein muss. Aber offenbar erkennt Blofeld jenen Lazenby-Bond nicht, denn wenn er es täte, bin ich überzeugt davon, dass er ihn umgehend ausgeschaltet hätte, anstatt sich das zuzumuten, was anschließend im Film an Verfolgungsjagden passiert. Nach allerhand turbulenter Verfolgungsjagden macht James Bond nämlich das, was Connery-Bond niemals zuzutrauen gewesen wäre: Er heiratet seine weibliche Gegenspielerin Teresa. Doch die Freude weilt kurz, denn auf dem Weg in die Flitterwochen wird Teresa noch im Auto erschossen, worauf Lazenby-Bond auf ihrer Leiche einen Nervenzusammenbruch erleidet. Ende des Films.
Ich bin überzeugt davon, dass der Agent der James Bond verkörperte dieses Ereignis dazu nutzte, aus dem Agentendasein auszuscheiden. Ja, vielleicht hat er sogar Suizid begangen. Denn der nächste Film präsentiert uns wieder einen alten Bekannten. Connery-Bond startet zu Beginn in „Diamantenfieber“ ziemlich angepisst durch, offensichtlich Rache am Tod von Teresa Bond nehmend, vielleicht aber auch für das Brechen seines Kollegen Lazenby-Bond. Nach diesem vorerst letzten Bond-Abenteuer mit Sean Connery in der Rolle des 007 wird es langsam still um den bisherigen roten Faden der Serie und der Hinweise, dass es sich um einen Decknamen handeln könnte. Roger Moore übernimmt ab dem katastrophalen „Leben und Sterben lassen“ die Rolle und verweist bis auf den Anfang von „In tödlicher Mission“ kein einziges Mal auf die Ereignisse um den Tod von Teresa Bond, geschweige denn auf die böse Organisation „Spectre“. Und Gelegenheiten und Bösewichte hätte es genug gegeben um die Antagonisten unter dem Dachverband Spectre laufen zu lassen. 7 Filme lang stolpert Moore sehr durchwachsen durch die Rolle, bis ab 1987 Timothy Dalton für zwei Filme übernimmt. Trotz des sehr sperrig und unsympathisch erzählten „Der Hauch des Todes“, brilliert Dalton im darauf folgenden „Lizenz zum Töten“ und untermauert meine Decknamen-Theorie durch ein gewitztes Detail in der Handlung.
Denn ein weiterer Tod überschattet die Karriere Bonds. In vielen Filmen wurde Bond durch Felix Leiter vom CIA unterstützt (übrigens jedes Mal von einem anderen Schauspieler bis dato dargestellt). Nun aber wurde Leiter (oder einer der Leiters) von Drogenbaron Sanchez auf grausamste Weise getötet, worauf Bond einen spektakulären Alleingang hinlegt um den Tod seines Freundes zu rächen. Wohlgemerkt taucht ab „Casino Royale“ ein weiterer unversehrter Felix Leiter auf. Das untermauert meine Theorie, dass es sich bei Felix Leiter um das amerikanische CIA-Pendant zu den britischen 00-Agenten handelt und mehrere Männer unter diesem Decknamen eingesetzt werden. In den 8 folgenden Bond-Abenteuern (4 davon mit Brosnan und 4 weitere mit Craig) wird die Struktur des Geheimdienstes etwas durcheinandergewirbelt. Miss Moneypenny wird von mehreren Darstellerinnen verkörpert, Auftraggeber M ist plötzlich eine Frau und auch Gimmick-Ingenieur Q wird durch zwei weitere Nachfolger ersetzt. Thematisch wird sowohl von Brosnan, als auch von Craig ergänzt, dass die 00-Agenten offenbar schon als Waisenkinder vom MI5 angeworben werden, wobei die Biografie von Brosnan-Bond und Craig-Bond signifikante Paralellen aufweisen.
Welches Fazit ziehe ich aber aus dem akribischen Abarbeiten der 24+2 Filme an 26 Abenden des März 2017 über den kernigen Agenten? Unbestreitbar der beste James Bond-Darsteller bleibt für mich Sean Connery. Keiner verstand es, den Agenten so chauvinistisch und so inkonisch darzustellen, wie der gebürtige Schotte. Absolute Höhepunkte waren für mich „Diamantenfieber“, den ich durch seine Schrulligkeit und seinen Witz als DEN besten James Bond-Film überhaupt bezeichnen würde. Wer nur vorhat einen einzigen Bond-Film mal zu schauen und sich nicht entscheiden kann, dem würde ich guten Gewissens zu „Diamantenfieber“ raten. An zweiter Stelle steht für mich „Stirb an einem anderen Tag“, der letzte und sehr abgefahrene Film mit Pierce Brosnan. Die Brosnan-Filme gefielen mir eher weniger, weil es mich im Prinzip verwunderte, dass diese Interpretation Bonds immer noch die rote Gefahr des kalten Kriegs bekämpfte. Doch „Stirb an einem anderen Tag“ konnte mich mit einer sehr abgefahrenen Mischung aus Science Fiction und Nordkorea-Szenario vollends überzeugen. An dritter Stelle sehe ich „Sag niemals nie“. Kein offizieller Bond-Film, dennoch mit Sean Connery im Jahr 1983 erneut besetzt worden ist ein realistischerer Schwanengesang auf den gealterten Agenten, der sich hier am Ende in den verdienten Ruhestand begeben kann. Obwohl ein inhaltliches Remake zu „Feuerball“ besitzt der Film genug Eigenständigkeit, ohne dass man zu Gähnen anfängt, weil man paar Abende zuvor die erste Verfilmung gesehen hat.An viertbester Stelle verorte ich den letzten Auftritt von Roger Moore in „Im Angesicht des Todes“, in dem er meiner Meinung nach zum ersten Mal die rundeste Darbietung seiner Bond-Interpretation abliefert. Hier stimmt einfach alles, vom Wortwitz, Christopher Walken als Bösewicht und Patrick „John Steed“ Macnee als Sidekick Sir Godfrey Tibbet, bis hin zum Tempo der Handlung. Und an fünftbester Stelle steht für mich tatsächlich „Casino Royale“. Wohlgemerkt nicht das Daniel Craig-Debüt in dem er seine Hoden ausgepeitscht bekommt, sondern die James Bond-Parodie aus dem Jahr 1967. Denn trotz gewisser Unzulänglichkeiten in der Handlung und vieler experimenteller psychedelischer Momente untermauert der Film meine Decknamen-Theorie. Grandioser Höhepunkt ist für mich, wie Peter Sellers für als James Bond angeworben wird, sich mit seinen neuen Aufgaben zurechtfinden muss und sein Psychoduell mit Le Chiffre (gespielt von Orson Welles) am Casinotisch gibt. Das ist für mich mehr Bond, als ich es von einem Roger Moore in dessen ersten 6 Filmen zu sehen bekam.
Hat sich Kauf und Konsum der Reihe gelohnt? Definitiv. Trotz einiger unterdurchschnittlicher und enttäuschender Beiträge der Serie (Leben und Sterben lassen, Moonraker und Der Hauch des Todes) ist James Bond durch seine Höhepunkte eine Reihe, die sich im soliden Unterhaltungsdurchschnitt bewegt. Sie hat eine erzählerische Formel, der sie auch nach Jahrzehnten noch akribisch folgt, einen roten Faden, den sie hin und wieder verliert und wiederaufnimmt und ist durch den zeitlichen Wandel ein Stück Filmgeschichte, dass man einmal im Leben gesehen haben darf.
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