Die Stunde des Wolfs

Zwischen 3 und vier Uhr nachts...

...werden sowohl die meisten Kinder geboren, sterben die meisten Menschen und es ist die Stunde, in der die meisten aus schrecklichen Albträumen erwachen. Ich will Euch nichts über Ingmar Bergman erzählen. Im Gegensatz zu David Lynch, den Coen-Brüdern oder Jim Jarmusch gestehe ich hiermit: "Die Stunde des Wolfs" ist mein erster Film des renommierten und viel zitierten schwedischen Regisseurs. Ob es ein guter Einstieg in dessen filmisches Werk war?

Der Film beginnt mit einem kleinen Interview mit Alma, die über das hinterlassene Tagebuch ihres verschwundenen Mannes, dem Maler Johann berichtet. Die schwangere Alma ist sich sicher, dass ein Paar sich zunehmend ähnlicher wird, je länger und intensiver sie zusammenleben. Und wie man anschliessend in Rückblenden erfährt, hat sie mit ihrem Johann nach 7 Jahren in einem Landhaus auf Baltrum den Gleichklang erreicht. Doch gerade das verflixte siebte Jahr wird besonders anstrengend für die treuherzige Alma. Johann leidet zunehmend an Albträumen in der titelgebenden "Stunde des Wolfs".

Sei es die alte Dame, die gemeinsam mit dem Hut auch ihr Gesicht abnimmt oder der geheimnisvolle Mann mit dem langen Schnabel, halb Mensch halb Vogel, Johann hat die Schreckgestalten und Dämonen, die ihn in seinen Träumen heimsuchen alle in Bildern verewigt. Als Alma eines Tages das geheime Tagebuch Johanns liest und darin von seiner ersten großen Liebe, Veronika Vogler erfährt, beginnt sie zunehmend den Leidensdruck ihres Mannes zu verstehen. Dieser hatte vor ihrer Ehe eine geheime Liebschaft mit der Adligen, deren Beziehung ungewollt unterbrochen wurde.

Nach dem Lesen der Lektüre werden der Künstler und seine Frau auf ein ansässiges Schloss eingeladen, in dem sie deren seltsame Bewohner und Gäste kennenlernen. Zunehmend erhärtet sich bei Alma der Verdacht, dass diese seltsamen Schlossbewohner mehr sind, als oberflächlich zu vernehmen ist. Hat das alles wohlmöglich mit dem seelischen Gleichklang zu ihren Mann Johann zu tun?

"Die Stunde des Wolfs" ist heute der erste Film gewesen, den ich von Regisseur Ingmar Bergmann gesehen habe. Der Name ist mir ein Begriff. David Lynch nennt ihn als einen seiner liebsten Regisseure und Vorbilder und auch der Halb-Indianer Ed Chigliak in "Ausgerechnet Alaska" verehrt dessen Filme.

Man kann nicht alles gesehen haben. Es gibt immer Bildungslücken. Ingmar Bergmans Werk ist eine davon in meiner filmischen Leidenschaft. Eine Lücke, die ich schliessen möchte. "Die Stunde des Wolfs" hat mich schwer beeindruckt. Der unberührbare Max von Sydow und die natürlich schöne Liv Ullman brillieren im 1968 gedrehten Meisterwerk wie selten zwei Schauspieler. Sie gehören zusammen wie Pech und Schwefel und sind sich einander andererseits auf einer seltsamen Ebene äusserst fremd. Die Traum-Ebene des Films ist allgegenwärtig; so sehr, dass ich mir als Zuschauernie sicher sein konnte, welche Szene geträumt und welche real war. Ja, ich habe nicht einmal eine Aufklärung darüber bekommen.

Um was für einen Film handelt es sich aber. Im Grunde ist "Die Stunde des Wolfs" das Abbild einer traumatisierten Psyche. Eben Johanns Psyche. Ein künstlerisch veranlagter und hochsensibler Mensch, der keine leichte Kindheit hatte, einerseits vor vollendeten Tatsachen flieht, andererseits unter seiner persönlichen Distanziertheit leidet. Es gibt in seiner Biografie nicht zu Ende gedachte Stränge, die ihn in eben jenen Träumen heimsuchen personifiziert durch vermenschlichte Schreckgestalten und Dämonen voller Symbolik und Bedeutungsschwangerschaft.

"Die Stunde des Wolfs" ist zwar der erste, aber nicht der letzte Film Ingmar Bergmans, den ich genossen habe. Selten erlebe ich es, dass die Handschrift eines Regisseurs mich spontan so verzaubert, wie die Bergmans. Die Konnektivität zum Unterbewussten und der Welt der Träume ist ein Aspekt, den ich gerne in anderer Form wiedererleben möchte und ich bin froh, dass ich diesen wunderbaren Künstler noch für mich weiter entdecken können darf...

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