Der wilde Planet
Es gibt Filme, deren visuellen Stil man nie vergisst, wenn man sie einmal gesehen hat. Heute möchte ich Euch einen Vertreter dieser Art vorstellen. "La Planète sauvage", zu deutsch "Der wilde Planet" oder im Boxoffice als "Der phantastische Planet" bekannt. Ein Legetrickfilm, den man nie vergessen wird, weil er buchstäblich nicht von dieser Welt ist....
Es gibt nicht nur auf unsere Erde Menschen, nein, auch auf dem Planeten Ygam gibt es Menschen, "Om" genannt. Doch sind sie keinesfalls die dominierende Rasse des Planeten, denn es gibt noch die "Draag", übergroße blauhäutige Riesen, die sich selbst für die höchste Form der Schöpfung erachten und die Om lediglich als Wesen auf dem Status des hiesigen Insekts sehen. Als einige Draag-Kinder ein Om-Weibchen töten, beschliesst Tiwa, ein Mädchen der Draag-Rasse deren Baby als Haustier großzuziehen. Sie gibt ihm den Namen "Terrè", in der französischen Fassung bezugnehmend auf die Erde, auf der sie ihn fand und in der deutschen Fassung im Vergleich an die Termite. Terrè wird mit einem ferngesteuerten Halsband gebändigt.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Draag eine hochentwickelte Kultur darstellen, die sich auf einer höheren Bewusstseinsstufe befinden. Gelernt wird mittels eines Kopfhörers, der als Neurotransmitter dient. Tiwa nutzt so ein Gerät zur täglichen Bildung. In der Umlaufbahn von Ygam befindet sich ein Trabanten-Mond, von den Draag als "wilder Planet" eingestuft. Um ihre geistige und körperliche Gesundheit zu sichern, meditieren sie sie sich transzendental auf den wilden Planeten. Vor Ort regenerieren sie sich, aber sie pflanzen sich dort auch fort, indem sie als steinerne Figuren miteinander tanzen.
Terrè verschafft sich in seiner Kindheit Zugang zu Tiwas Lernkopfhörer und beginnt eine neue Form der Intelligenz zu entwickeln und zu verstehen, dass sein Volk der Oms lediglich als nicht lernfähige Insekten gesehen wird. Doch gerade sein Lernfortschritt beweist das Gegenteil. Also beschliesst er einen tollkühnen Plan umzusetzen. Er stiehlt das Lerngerät und flieht damit in die Wildnis um auch andere Oms an der ihnen vorenthaltenen Intelligenz teilhaben zu lassen. Doch der Plan erfordert viel Fingerspitzengefühl. In der Wildnis lernt er eine Gruppe von Oms kennen, die auf vollkommen primitivem Niveau miteinander verkehren und sich auf einer Entwicklungsstufe vergleichbar mit Steinzeitmenschen befinden.
In einem brutalen Duell muss Terrè sich die Anerkennung des Stammes verdienen um ihnen in den folgenden Monaten dank des Kopfhörers das Wissen der Draag zu vermitteln. Und durch diesen Entwicklungssprung entwickeln die Oms den Plan, die Draag zu stürzen. Als einer der blauhäutigen Buben erlegt wird, beginnen die Draag die Oms in einem Genozid auszurotten. Terrè und einige andere fliehen auf einen Schrottplatz, wo sie zwei Raketen fitmachen um zum "wilden Planeten" zu fliegen und die steinernen Paare, Quelle der Draagschen Fortpflanzung und Existenz zu zerstören. Das erst führt zu ersten Friedensverhandlungen auf Augenhöhe zwischen Om und Draag...
"Der wilde Planet" ist einer der grandiosesten Science Fiction-Filme Europas. Die Handlung allein ist ein Abgesang an totalitäre Staatssysteme, ohne dabei klassische dystopische Elemente aufzugreifen. Stattdessen wird mit Ygam eine vollkommen eigene Welt kreirt, mit nichts vergleichbar, was man ansonsten in Filmen dieses Genres gesehen hat. Flora und Fauna sind von gleichzeitig magischer wie bedrohlicher Schönheit. Das Design des Films geht auf den polnisch-jüdisch-französischen Querdenker und Künstler Roland Topor zurück, der mit Regisseur René Laloux 1973 den Roman von Stefan Wul als surrealistisches Meisterwerk in Form eines einzigartigen Legetrickfilms umsetzte.
Es sollte die erste von zwei Verfilmungen von Wuls Büchern unter der Regie von Laloux werden, der später mit (ebenfalls bei Flimmervielfalt vorgestellt) "Herrscher der Zeit" ein ebenso faszinierendes Werk als Zeichentrickfilm umsetzen sollte. Bei "Der wilde Planet" hingegen handelt es sich um einen Legetrickfilm, einer Animationstechnik, bei der mit statischen Hampelmann-artigen Figuren die Geschichte umgesetzt wird. Dabei ist ein unglaublich intensives und geheimnisvolles Werk entstanden, das so wirkt, als wäre es als Botschaft aus dem All zu uns auf die Erde geschickt worden. Den Menschen darüber zu belehren, sich nicht als Krone der Schöpfung anzusehen.
Obwohl der Film in Frankreich animiert wurde, entstanden sämtliche Hintergründe und Figuren in der ehemaligen Tschechoslowakei. Die frühen 70er sind stilprägend im Bereich des psychedelischen Animationsfilms einzustufen und das beweist "Le Planète Sauvage" ein ums andere Mal. Erwähnenswert ist noch die geheimnisvolle Musik des Films, deren Instrumente für den Hörer nicht klar definierbar sind. Wir haben es also, in seiner Gesamtkomposition mit einem insgesamt sehr ungewöhnlichen Animationsfilm zu tun, der Science Fiction-Fans und deren Nachwuchs zum Sinnieren und Diskutieren anregen wird. Nach einem frühen VHS-Release von Atlas Video ist "Der wilde Planet" seit einigen Jahren auf DVD erhätlich. Wen dieses Rezension angesprochen hat, dem sei dieser Film wärmstens an Herz gelegt.
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