Blood Tea and Red String
Eier, Herzen, Puppen, zunähen, auftrennen, wieder aufscheiden, einführen, Krähen, Raben, Mäuse, Sonnenblumen, Totenschädel, rotes Garn, Spinne, Gesichter und BLUT! - Ergeben diese Worte im Zusammenhang einen Sinn? Das sind die Elemente, aus denen sich die wortlose Handlung des Stop-Motion-Animationsfilms "Blood Tea and Red String" zusammensetzt. Ich kann mir nicht erklären, was in der Biografie der Amerikanerin Christiane Cegavske passiert ist. Fakt ist, die Frau ist ein absolutes Unikat. Mit ihren Fotos, Modedesigns, Zeichnungen und einer kleinen Hand voll Filmen polarisiert die Künstlerin so stark in Richtung Surrealismus, dass Salvador Dalíseine Freude mit ihrem Werk gehabt hätte. All jene Elemente, die ich eingangs aufzählte sind maßgeblich in ihrem Werk wiederzufinden. Selten hat man eine derart gekonnte Mischung aus zuckersüß-verspielt und düster-ekelhaft gesehen. Ich hätte mir Cegavskes abendfüllenden Film "Blood Tea and Red String" wahrscheinlich nie angesehen, wenn ich nicht vorher von seiner schier unglaublichen Entwicklungsgeschichte gehört hätte.
Denn der Fim ist nicht nur über einen Zeitraum von 13 Jahren in mühevoller Handarbeit entstanden, nein, Cegavske hat das Werk vollkommen alleine animiert, produziert, Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und das alles ohne Budget oder Unterstützung von Hollywood. Alles ganz allein in ihrer kleinen Hütte in den Wäldern Oregons. Entstanden ist dabei eine beeindruckende traumwandlerische Komposition, die ihresgleichen sucht.
Der Film spielt in einer Landschaft, bei der man fast den Eindruck hat, dass jeden Moment Pittiplatsch um die Ecke kommen könnte. In einer großen Eiche leben seltsame Bewohner, die aussehen wie eine Mischung aus Fuchs undKrähe. Eines Tages kommen drei Albino-Mäuse vorbei, die den Eichenbewohnern Geld anbieten, damit diese ihnen eine Puppe anfertigen. Die emsigen Gesellen machen sich an die Arbeit, verlieben sich jedoch so sehr in ihr Werk, dass sie beschliessen, den Mäusen das Geld zurückzugeben und die Puppe zu behalten. Neben der Eiche läuft ein Fluß entlang, an den kurz darauf ein Ei angespült wird. Die Eichebewohner trennen den Bauch der Puppe auf, legen das Ei in den Unterbauch der Puppe und vernähen ihn mit rotem Garn.
Anschliessend wird die Puppe über dem Hauseingang der Eiche angebracht. Dies könnte bereits das Happy-End des Films sein, aber die drei Albino-Mäuse geben nicht auf. Des Nachts stehlen sie die Puppe und nehmen sie nach Hause mit. Eine der drei Mäuse befestigt sich die Puppe an ihrem Körper, so dass sie sie steuern kann wie einen Avatar. Und so setzen sich die Mäuse zu Tisch, trinken blutigen Tee und spielen Karten. Die Eichenbewohner hingegen geben nicht auf und begeben sich auf eine Odyssee um die Puppe zurückzubeschaffen.
Doch das wird gar nicht so einfach, denn zwischendrin lauern viele Gefahren auf die Eichenbewohner. Etwa eine fleischfressende Pfanze, die insbesondere Herzen bevorzugt. Ein Birnbaum mit halluzinogenen Früchten und eine Spinne mit Frauengesicht, die eine Vorliebe für Vögel entwickelt hat. Unterdessen kommt es zu einer Auseinandersetzung unter den Mäusen um die Gunst der Puppe, angestachelt von einem skelletierten Raben. Da passiert das Unglaubliche: Das Ei im Inneren der Puppe zerplatzt und die drei Mäuse müssen einen Kaiserschnitt vornehmen um die schlüpfende Baby-Harpie zu entbinden.... Doch das ist noch nicht das Ende, denn was passiert jetzt mit der Puppe?
"Blood Tea and Red String" ist, wie man an der Inhaltsangabe merkt, ein sehr eigenwilliger und seltsamer Film, dessen Handlung allein nicht aufschlußreich genug ist um ihn zu begreifen. Man muss ihn gesehen haben, zwischendurch pausieren und über die traumartige Symbolik staunen und nachsinnen. Trotz der FSK-Freigabe ab 6 Jahren handelt es sich auch hier wieder um einen Film, der keinesfalls irrtümlich in die Hände von Kindern gelangen sollte. Das was mit der Puppe ab dem zweiten Drittel des Films geschieht, ist harter Tobak. Sie wird aufgeschnitten, vernäht, wieder aufgeschnitten, mit Federn gefüllt, aufgeschnitten und mit einem Schweineherz bestickt. Während der Teeparty der Mäuse wird sie ein ums andere Mal mit blutigem Tee beschmiert und sieht hinterher aus wie eine Leiche mit der herumgefleddert wird. Bis hin zum tragischen Ende wo sie im Streit gevierteilt wird.
Die Puppe ist zu keiner Zeit lebendig, aber ihr kommt eine Aufmerksamkeit zuteil, als wäre sie es. Aber egal was in sie gefüllt wird, sie ist und bleibt tote Materie. Da ich den Film erst ein einziges Mal gesehen habe, verstehe ich ihn als Apell an die Objektophilie der Gegenwart. Aber ich bin sicher, dass der Film weit mehr Interpretationsspielraum enthält, umso öfter man ihn schaut. 13 Jahre hat Cegavske an dem Film gearbeitet und diese Arbeit und ihre im Laufe der Jahre ausgefeilteren Animationstechniken fallen auf. Wird Wasser zu Anfang des Films noch mit Plastikfolie animiert, so nutzt sie im späteren Verlauf Haargel.
Entstanden ist ein Film, der unbestritten wirkt, als wäre er nicht von dieser Welt. Neben einigen Kurzfilmen mit ähnlichem Thema hat Christiane Cegavske bereits angekündigt, dies wäre erst der erste Teil einer Trilogie. Der zweite Film "Seed in the Sand" wird ein paar Jahrzehnte nach "Blood Tea and Red String" spielen und von einer weiterentwickelten Spezies der Eichenbewohner handeln. Cegavske versucht den Film derzeit über eine Kickstarter-Kampagne zu finanzieren, damit es nicht weitere 26 Jahre dauert um die Trilogie fertigzustellen.
Eine klare Empfehlung ist der Film an Freunde des surrealistischen Animationsfilms, wie etwa den Werken von Jan Svankmajr oder den Brüdern Quay.
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