Alter Schwede! - 11 Filmklassiker, die heute noch sehenswert sind

Schaut man in einschlägigen Filmforen, bilden sich bezüglich des Kinos oftmals zwei Fronten. Gerade bei Filmempfehlungen wird das besonders für mich spürbar, wenn Filme von meist jüngeren Zuschauern als „alt“ entwertet werden. Und nicht selten findet man auch jene, denen das Popcorn-Kino der heutigen Zeit zu bunt, zu schrill und zu laut ist. Recht haben sicherlich beide Gruppen gewissermaßen, reflektiert ist diese Meinung jedoch nicht. Denn damals wie heute gab es Filme, die ein Produkt ihrer Zeit waren und gewisse Verfallserscheinungen mit sich bringen. Es gibt aber auch Werke, die ihre Zeit gut überdauern und überdauern werden, zeitlose Klassiker also, die den Zuschauer auch nach 50 Jahren noch zu unterhalten wissen. Alle heute vorgestellten Filme sind nämlich MINDESTENS so alt, aber auch mindestens so gut!

1) Things to Come – Was kommen wird

Ein unglaublich visionärer Beitrag und sicherlich einmalig in seiner Vorhersage der Zukunft ist „Things to Come“, dessen Produktion im Jahre 1936 von Herbert George Wells betreut wurde. Richtig, gemeint ist jener H.G.Wells, der die Welt des Science Fiction maßgeblich mit seiner Zeitmaschine und dem Krieg der Welten prägte. „Things to Come“ ist vor allem deshalb so interessant, weil Wells zeigen konnte, dass er nicht nur ein hervorragender Autor, sondern ein ebenso guter Drehbuchautor und Filmschaffender war. Gemeinsam mit Lajos Biró und William Cameron Menzies schuf er einen Film, der von 1936 bis ins Jahr 2036 die möglichen Ereignisse der kommenden 100 Jahre fabulierte. Dabei nahm er Themen vorweg, wie den zweiten Weltkrieg, Seuchen, Aufstieg und Fall von kommenden Staatssystemen, Raumfahrt, Fernsehen, Massenmedien. Und obwohl der Film so bedeutsam ist, mutet es schon fast als Schande an, dass viele Szenen als verschollen gelten und der Film seine deutsche Übersetzung erst im Jahr 2011 spendiert bekommen hat.

2) Branded to Kill

Hätte ich nicht mal auf Kultur-Sender Arte reingeschaltet, wäre ich wahrscheinlich nie über dieses Kleinod des japanischen Films gestolpert. Ein später japanischer Beitrag zum Film Noir mit typisch japanischem Overacting und sogar viel Humor. Es geht um Hanada, einen Killer der Yakuza, der als drittgefährlichster Killer Japans gilt. Er hat zudem einen ausgeprägten Schnüffel-Fetisch, was gegarten Reis angeht. Als er eines Tages einen Auftrag versaubeutelt, wird der Jäger zum Gejagten, denn nun hat der gefährlichste Killer Japans es auf Hanada abgesehen. Und natürlich darf die Genre-typische Femme Fatale nicht fehlen. Obwohl Regisseur Seijun Suzuki 1967 aufgrund dieses Films praktisch seinen Job im Filmstudio Nikkatsu verloren hat, schuf er mit „Branded to Kill“ einen zeitlosen Klassiker, dem man seine 50 Jahre keinesfalls ansieht. Ein Film, dessen Einfluß auf die Filmwelt der Gegenwart noch heute spürbar ist.

3) Augen der Angst

„Augen der Angst“ von 1960 ist der beste Film von Alfred Hitchcock…wäre mir beinahme rausgerutscht. Doch dieser Film ist NICHT von Alfred Hitchcock. Michael Powell interpretierte mit Karlheinz Böhm dessen Image neu und löste mit diesem Film einen Skandal sondergleichen aus. Böhm spielt in diesem zeitlosen Klassiker einen unscheinbaren Kameramann, der allerdings ein dunkles Geheimnis mit sich trägt. Als Kind wurde er von seinem Vater grausamen psychologischen Experimenten unterzogen, bei denen er regellmäßig geweckt und in Todesangst versetzt wurde. Die Experimente führten dazu, dass der von Böhm gespielte Mark Lewis nun als Erwachsener selbst ein Doppelleben führt, bei dem er die Arbeit seines Vaters fortsetzt. Er filmt dabei ahnungslose Frauen, die er ebenfalls in Todesangst versetzt, indem er ihnen ein Messer an den Hals hält. Als er seine Nachbarin Helen kennenlernt beginnt sich das Blatt möglicherweise für den krankhaften Psychopathen zu wenden. Durch seine erzählerische Dichte und der Dreidimensionalität der Hauptfigur Mark Lewis gilt „Augen der Angst“ heute noch als zeitloser Klassiker, den man sich jedenfalls einmal im Leben zu Gemüte geführt haben sollte. In diesem Film wurde zweifelsohne der Grundstein für den modernen Horror-Thriller gelegt, der heutige Filme des Genres so krankhaft interessant macht.

4) Ein andalusischer Hund

Nüchtern guckend lässt sich eine Frau bereitwillig mit einem Rasiermesser ins Auge schneiden, als wäre es das normalste der Welt. Mit Sicherheit eine der widerlichsten Szenen der Filmgeschichte wurde von niemand anderem inszeniert, als den legendären Surrealisten Salvador Dalí und Luis Bunuel. Der Film sollte den Auftakt einer jahrzehntelange währenden Zusammenarbeit und immer wahnwitziger werdenden Filmen werden, die mit „Ein andalusischer Hund“ im Jahr 1929 ihren Anfang nahm. Der nur 16-minütige Kurzfilm besteht aus einer Aneinanderreihung von traumwandlerischen Szenen von alptraumhafter Qualität. Brüste, die sich in einen Hintern verwandeln, Zwillinge durch Raum und Zeit voneinander getrennt, ein Piano in dem ein toter Esel liegt, eine eingeklemmte Hand aus der Ameisen kriechen….macht das Ganze einen Sinn? Den darf jeder wagemutige Zuschauer noch heute zu enträtseln versuchen. Und sie werden allesamt daran scheitern. Denn das Bestreben Dalís und Bunuels lag darin, einen Film zu kreiren, der komplett keinen Sinn ergibt, ja nicht mal der titelgebende „Andalusische Hund“ nicht. Nichts in dem Film ist rational, logisch oder psychologisch analysierbar, wobei nicht wenige sich daran versucht haben.

5) Letztes Jahr in Marienbad

Alain Resnais ist für alles andere bekannt, aber nicht dafür, leicht zugängliches Kino zu präsentieren. Und das hat er auch bereits 1961 mit „Letztes Jahr in Marienbad“ bewiesen. Er legt dem Zuschauer gleich zu Beginn die größte Prüfung auf, sich 10 Minuten einen von Orgelmusik untermalten Monolog anzuhören und einer langsamen Kamerafahrt durch die barocken Räumlichkeiten eines Grand Hotels zu folgen. Wie erstarrte Schaufensterpuppen wird das Ensemble des Films dem Zuschauer präsentiert, ohne dass sie ein Wort miteinander sprechen. 20 Minuten sind bereits vergangen, ohne dass das Ganze einen Sinn zu haben scheint. Als endlich die Handlung beginnt, entblättert sich die Handlung langsam mit einem hypnotischen Sog wie eine Zwiebel, die sich allein zu schälen beginnt. Einer der allesamt namenlosen Darsteller ist fest davon überzeugt, dass eine der anwesenden Damen sich ein Jahr zuvor mit ihm verabredet hat, sich am heutigen Tag wiederzusehen und eine Trennung mit ihrem derzeitigen Partner anzustreben. Nach einem Spiel der beiden Kontrahenten beginnen sich Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Realität und Fantasie zu vermischen, so dass man als Zuschauer auch hier nur den Schlüssel zur Interpretation suchen und vorfinden darf. In jedem Fall ein beeindruckendes Filmgeschichte, das den Weg zum Arthouse-Kino ebnen sollte für Filme, die man sich als Zuschauer erarbeiten wollen muss.

6) Was geschah wirklich mit Baby Jane

Ein absoluter Klassiker des unheimlichen Psychograms gepaart mit Elementen des Kammernspiels trägt den sperrigen Titel „Was geschah wirklich mit Baby Jane“ und wurde 1962 vom an sich sehr durchwachsenen Robert Aldrich verfilmt. Darin spielen die bereits betagten  Bette Davis und Joan Crawford die Schwestern Blanche und Jane. Jane, einst gefeierter Kinderstar erleidet eines Tages einen Autounfall und wird fortan von ihrer Schwester Blanche gepflegt. Zunehmend beginnt Blanche jedoch dem Wahnsinn zu verfallen und ihre hilflose Schwester mit dem servieren von toten Ratten und anderen Gemeinheiten zu quälen. Zum Ende spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu und bieten dem Zuschauer eines der fiesesten offenen Enden aller Zeiten. Der Film markierte eine Wende für Hollywood. Hatten zuvor gealterte Schauspielerinnen es nur noch schwer ernstzunehmende Hauptrollen zu ergattern, wurde hier erstmals bewiesen mit welcher Finesse sie eigentlich das am meisten beherrschen, was ihnen am wenigsten zugetraut wurde: Das erfahrene Schauspiel als solches.

7) Johnny zieht in den Krieg

Obwohl noch keine 50 Jahre alt, könnte „Johnny zieht in den Krieg“ durchaus auch ein älterer Filmbeitrag sein. Der 1971 gedrehte Antikriegs-Film basiert nämlich auf einem Buch aus dem Jahr 1939 von Dalton Trumbo, der in der Tradition von Autorenfilmen sogar Regie in diesem kleinen stillen Meisterwerk führte. Der titelgebende Johnny zieht in den ersten Weltkrieg und hat Glück im Unglück. Er wird von einer Granate schwer verwundet, überlebt jedoch. Allerdings sind seine Extremitäten, sowie seine Sinnesorgane dabei irreparabel geschädigt worden. Von den Ärzten bekommt er sein Bewusstsein abgesprochen, doch dem Zuschauer offenbart sich ein beeindruckender innerer Monolog Johnnys, der unter dem Einfluss von Schmerzmitteln gedanklich zu fantasieren beginnt. Obschon die Situation hoffnungslos erscheint, gelingt Johnny mithilfe des Morse-Alphabets der Kontakt zur Aussenwelt. Doch die Dinge entwickeln sich fortan nicht so, wie Johnny es gehofft hätte. An dieser Stelle möchte ich einem Freund (ja, Du weisst, dass Du gemeint bist) danken, dass er mich vor ein paar Jahren bei einer Party auf diesen Film aufmerksam machte, der mir sonst wahrscheinlich entgangen wäre.

8) Licht im Dunkel

Eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts ist wahrlich Helen Keller. Obwohl als gesundes Kind geboren, erkrankte mit gerade mal anderthalb Jahren an einer Hirnhautentzündung, die eine Taubblindheit nach sich zog. Erst mit sieben Jahren hilft ihr ihre Lehrerin Anne Sullivan mittels Fingerzeichen mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Dies ist der Beginn einer beispiellosen Karriere der Menschwerdung Helen Kellers, die ihre neuerworbene Fähigkeit dazu nutzen wird, Schriftstellerin zu werden und mehrere Fremdsprachen zu erlernen. Diese beachtliche Geschichte wurde 1962 von Arthur Penn mit Anne Bancroft in der Hauptrolle verfilmt und ist als Plädoyer zu verstehen, niemanden zu vorzeitig abzuschreiben.

9) Die Handschrift von Saragossa

Das polnische Kino wird zu Unrecht immer ein bisschen unter „ferner liefen“ bezogen auf europäische Filmbeiträge gehandelt. Einen von vielen Gegenbeweisen liefert Wojciech Has in seiner 1964 entstandenen monumentalen Verfilmung der „Handschrift von Saragossa“ einem Roman von Jan Graf Potocki.  Der verschachtelte Film erzählt von dem wallonischen Offizier Alfons van Worden, der nach einer frivolen Nacht in der Sierra Morena in ein Netz zwischen Inquisition und Wahnsinn verstrickt wird. Dabei lernt er viele interessante Charaktere kennen, deren Lebensgeschichten auf wundersame Weise miteinander verbunden sind. Obwohl der wichtige Film bis heute nicht hierzulande auf DVD erschienen ist, haben ihn mehrere namhafte Regisseure als Inspirationsquell ihres Schaffens genannt. Und genau das ist es, was den 180-minütigen Film auch nach über 50 Jahren so interessant macht: Er ist bis heute enorm inspirierend.

10) Der Prozeß

Franz „Fucking“ Kafka verfilmt von und mit Orson „Citizen“ Welles in den Hauprollen Anthony „Psycho“ Perkins, Romy „Sissi“ Schneider und Orson „Kane“ Welles himself. Das sind die unzweifelhaften Zutaten die aus „Der Prozeß“ einen zeitlosen Filmklassiker aus dem Jahr 1962 machen. Die Geschichte des kleinen Angestellten Herrn K. der sich eines Tages für eine nicht näher benannte Straftat verantworten muss, und in den Sog der Gesetzes-Bürokratie gerät ist zeitlos wie gut, aber vor allem visuell mit einfachen Mitteln spektakulär in Szene gesetzt. Wer Kafkas „Prozeß“ liest, wird eigentlich zu dem Schluß kommen, dass dieses Werk unverfilmbar sein müsste. Zu alptraumhaft, zu uneindeutig, zu mysteriös sind die nicht greifbaren Vorgänge des Buchs. Und mit ebensolcher Intensität schaffte Welles, was bis dahin nicht denkbar gewesen wäre: eine adäquate hochwertige Verfilmung eines solchen Stoffs, die auch heute noch nichts von ihrer Faszination verloren hat.

11) Peyton Place – Glut unter der Asche

Erst gestern hatte ich das Glück diesen wunderbaren Filmklassiker von 1957 für mich zu entdecken. Dieser gab auch Anlass, den heutigen Artikel zu verfassen.  „Glut unter der Asche“ wird als maßgeblicher Inspirationsquell von David Lynch genannt, was seine eigene Filmografie angeht. Und das wurde für mich schon nach wenigen Minuten deutlich. Diner, weisse Gartenzäune, Fassade und dahinterliegende Geheimnisse. Die Geschichte des Ortes Peyton Place während der Jahre des zweiten Weltkriegs beleuchtet das Schicksal mehrerer interessanter Charaktere. Dem sympathischen Rektor Michael Rossi, der alleinerziehenden wohlhabenden Mutter Allison MacKenzie, deren Tochter Constance und der in ärmlichsten Verhältnissen lebenden Familie Cross, bei der mehr als nur der Haussegen schief hängt. In 2 1/2 kurzweiligen Stunden werden Freud und Leid jener Familien beleuchtet, es wird geliebt, es wird getrauert, es wird gefüchtet, es wird geweint und schliesslich spitzen sich die Ereignisse in einem längst überfälligen Gerichtsverfahren zu. Ich war überrascht, wie sehr mich der Film in seinen Bann zog und wollte mich dementsprechend heute auf andere ältere Filme besinnen, die es auf ähnliche Weise geschafft haben.

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