Zwölf
Wir saßen noch eine Weile in der Bucht und genossen die heiße Sonne, die unsere Haut bräunte. Wir beschäftigten uns damit, uns über einige aus unserer Stadt und unserer Schule lustig zu machen, sprachen über die kleine Schwester von Lewis, die sich nun stylte, wie die Tussen aus ihrer Schule, und über meine Familie, die mir aber eigentlich am Arsch vorbei ging. Zwischendurch stopfen wir uns mit Süßigkeiten und Früchten voll, die Phlipp mitgebracht hatte.
Als am Abend die Sonne unterging und in wunderschönen Farben, am Himmel funkelte, machten wir uns auf, um zurück zum Auto zu laufen.
Ich stopfte meine Sachen zurück in den Rucksack und folgte anschließend Lewis, der schon vor gelaufen war.
Nach einer Weile stoppte er plötzlich und schaute über die Klippen und den Strand aufs Meer, welches noch immer in seichten Wellen auf den Strand traf.
„Stop!", rief er.
„Was denn?", fragte ich und folgte seinem Blick.
Die anderen taten es ihm gleich.
„Oh...", rief Phlipp. „Ich glaube, ich weiß was er meint.", sagte er geheimnisvoll und grinste.
„Was denn?", fragte nun auch Josh.
Lewis drehte sich zu uns um und zeigte dann auf die Klippen. „Jade, war das nicht einer deiner Punkte?"
Dann ging mir ein Licht auf.
Klar.
Von einer Klippe ins Meer springen, war ein Punkt auf meiner Liste, den ich unbedingt getan haben wollte.
„Ja, das ist es." Langsam trat ich näher an den Rand der Klippe und schaute hinunter.
Es war ganz schön hoch.
Eine Möwe kreischte und drehte ihre Kreise über dem Wasser, so als würde sie uns unbedingt springen sehen wollen.
„Das ist aber ganz schön hoch, Lewis.", meinte ich zögerlich und drehte mich wieder zu ihm um.
„Ach das geht schon."
„Augen zu und durch!", rief nun auch Bryan und zog sein T- Shirt über den Kopf.
„Und wenn da unten Steine im Wasser sind?", fragte Josh.
„Irgendjemand wird sich sicher finden, der unsere Eingeweide von den Felsen kratzt.", lachte Bryan.
Ich lief vorne bis zum Rand und schaute nochmals hinunter. Es war hoch. Ja. Aber es befanden sich keine Steine im Wasser. Es war so klar, dass man bis auf den Sand hinunter schauen konnte.
„Da sind keine im Wasser, Leute. Das sieht man.", sagte ich und zog ebenfalls mein T- Shirt über den Kopf.
Ich wollte das jetzt unbedingt machen. Unbedingt. Das Adrenalin schoss mir durch den Körper und machte mich ganz aufgeregt.
„Okay, dann los.", rief Phlipp und warf seine Schuhe von den Füßen.
Als ich nur noch im Bikini da stand, stellte ich mich neben Lewis, Bryan, Phlipp und Josh an den Rand der Klippe und schaute hinunter. Ich konnte das Grinsen auf meinen Lippen nicht unterdrücken. Das war Unabhängigkeit. Ich konnte tun und lassen was ich wollte.
„Auf drei?", fragte ich und schaute zu den Jungs.
„Auf drei!", rief Lewis neben mir zur Antwort.
„Eins!", riefen wir. Ich betrachtete einen kurzen Moment die grenzenlose Weite des Meeres und genoss den seichten Wind, der mir die Haare aus dem Gesicht wehte.
„Zwei!", riefen wir nun lauter und grinsten uns zu.
„Drei!", schrien wir, stießen uns gleichzeitig von der Klippe ab und sprangen.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Die Schwerkraft zog uns schnell hinunter und doch fühlte es sich an als würden wir schweben. Als würden wir ewig fallen. Aus dem Augenwinkel blitze die Sonne, die hinter dem Horizont verschwand auf und verlieh dem Himmel einen wunderschönen Glanz. Die Möwe kreischte noch immer, so als würde sie uns anfeuern. Drei Sekunden später platschten wir ins Wasser und tauchten tief unter. Einen Moment öffnete ich die Augen unter Wasser und konnte zu meinem Erstaunen fast scharf sehen.
Das Wasser war so unglaublich klar.
Doch wenig später brannte auch schon das Salzwasser in meinen Augen. Luftblasen stiegen neben mir auf. Ich machte zwei kräftige Züge und durchbrach sogleich wieder die Wasseroberfläche. Die Jungs lachten und ich ließ mich mitreißen. Was konnte man schon anderes tun?
„Gott war das geil!", lachte Bryan, als er aufgetaucht war.
„Na, das kannst du laut sagen.", rief Lewis zur Antwort.
„GOTT WAR DAS GEIL!", schrie Bryan nun. Wir brachen in schallendes Gelächter aus, als sein Satz als Echo von irgendwo wiederhallte.
„Das muss ein Zeichen sein!", lachte Phlipp und versuchte krampfhaft, sich trotz unseres Lachanfalls über Wasser zu halten.
„Und ob!", sagte Bryan.
„Und das haben wir alles unserer Jade zu verdanken!", antwortete Lewis.
„Dank Jade und ihrer Liste.", grinste Josh.
Circa eine Stunde später saßen wir wieder in Lewis Auto und fuhren zurück nach Hause. Lewis schob eine CD in den Player seines Autos und wir sangen die ganze Rückfahrt laut mit.
Ein paar Wochen später lief ich abends durch die Stadt. Ich hatte im Pub früher Schluss machen dürfen, da heute nicht viele Leute dort gewesen waren und wir außerdem zu dritt hinter der Bar gestanden hatten.
Ich schlenderte eine alte Allee mit hohen Birken entlang, die hinunter zum Strand führte. Ein warmer Wind wehte von der Küste herauf. Es war der perfekte Sommerabend. Es war viel los in der Stadt. Einige wollten womöglich noch Einkäufe erledigen oder einfach, wie ich, noch etwas Zeit in der Stadt verbringen. Ich hatte keine Lust schon nach Hause zu gehen, denn ich wusste genau, was dann wieder los wäre.
Ich ließ meinen Blick die Allee hinunter wandern und beobachtete einige, junge Leute in meinem Alter, die lachend vor einem Café auf dem Boden saßen. Ich grinste, als mir bewusst wurde, dass sie ziemlich ähnlich wie die Jungs und ich waren.
Als ich unten am Strand ankam, zog ich mir meine Schuhe von den Füßen und lief den langen Sandstrand entlang. Die Wellen waren heute nur flach, doch ich genoss deren Rauschen in meinen Ohren trotzdem. Es war nicht viel los, doch einige saßen um ein Lagerfeuer herum oder spielten hinten am Volleyballfeld Beachvolleyball.
Ich lief eine Weile, bis ich mich schließlich hinten am Strand vor die Dünen in den Sand setzte. Ich warf meine Schuhe achtlos neben mich in den Sand und packte meine Kopfhörer aus. Hörte Musik.
Down by the waters where I once dreamed, beneath the silver moon there you'll find me, sang Roo Panes in meinen Ohren.
Es passte, dachte ich erstaunt.
Ich schloss die Augen und genoss das leise Zupfen der Saiten der Gitarre. Völlig vertieft in die Musik saß ich da und blendete alles um mich herum aus. Ich musste wohl eine ganze Weile so da gesessen sein. Jedenfalls öffnete ich plötzlich die Augen wieder, als mir plötzlich etwas ins Gesicht tropfte.
Es war Wasser.
Über mir stand jemand und verdeckte die Sonne. Ich blinzelte und erkannte ihn plötzlich wieder. Es war Gabe. Er bewegte seine Lippen, doch ich verstand ihn nicht. Die Musik war zu laut.
,,Was?", fragte ich und zog mir die Kopfhörer aus den Ohren.
Gabe grinste und ließ sich neben mich in den Sand sinken. Sein nasses Haar triefte. Augenblicklich musste ich an den Moment zurück denken, als ich ihm das Bier über den Kopf gekippt hatte. Im Nachhinein war es mir fast peinlich. Ich verstrich den Gedanken schnell.
Ich hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört.
,,Was machst du denn hier?", fragte er und grinste noch immer.
Ich zuckte die Schultern und musterte ihn einen Moment. Er trug lediglich eine rote Badehose und saß lessig im Sand. Ich zwang mich innerlich, nicht seine Bauchmuskeln anzustarren.
,,Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung." Ich lachte kurz. ,,Ich durfte von der Arbeit früher gehen und wollte nicht gleich nach Hause."
Er nickte und schaute hinaus aufs Meer. ,,Ja, du hast Recht. Was will man schon zu Hause? Hier ist's viel schöner."
Ich nickte ebenfalls unmerklich und betrachtete die Sonne, die nur noch wenige Stunden brauchen würde, um hinter dem Horizont zu verschwinden.
,,Und was machst du hier?", fragte ich irgendwann und wandte mich wieder zu ihm.
„Surfen!", sagte er und zeigte auf das Surfbrett, welches neben ihm im Sand steckte.
Ich bekam auch wirklich gar nichts mit.
„Du kannst surfen?", fragte ich dümmlich.
„Ja.", lachte er und musterte mich einen Moment.
„Dann zeig mir doch mal was du kannst."
„Was? Jetzt?"
„Ja.", sagte ich und grinste.
Er überlegte wohl einen Moment, stand dann aber auf und zog das weiße Surfbrett aus dem Sand.
„Okay."
Gespannt stand ich auf, warf mein Handy und die Kopfhörer in den Sand und folgte ihm zum Wasser hinunter.
Unten joggte er mit seinem Surfbrett unterm Arm ins Meer. Ich setzte mich wenige Meter vorm Wasser in den Sand und beobachtete ihn, wie er sich auf das Brett gleiten ließ und weiter hinaus paddelte.
Als sich langsam eine Welle vor ihm aufbaute, drückte er sich ab und stellte sich im sicheren Stand auf das Brett. Er schwang herum und rauschte die Welle entlang. Irgendwann drehte und wendete er, als würde er auf den Wellen tanzen. Ich grinste. Er wollte mir also beweisen.
Ich stand auf und lief vor, bis das Wasser meine Knöchel umspielte, hob die Arme und klatschte laut in die Hände.
Gabe drehte seinen Kopf zu mir. Ich sah es nicht, er war zu weit weg, doch ich konnte sein Grinsen bis zu mir spüren.
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Hey :)
Und wie gefällt euch die Geschichte? Ich würde mich riesig über euer Feedback freuen und auch über ein Vote, wenn sie euch gefällt.
LG
Crownqueen144
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