Sieben

Ich hatte definitiv zu schnell gehandelt.

Innerlich ohrfeigte ich mich selbst dafür. Ich hatte den Job noch nicht mal fest und wurde ihn gleich wieder los, weil ich mich nicht beherrschen konnte! Gut, dieser Typ war wirklich zu weit gegangen, aber ich hätte ihm trotzdem nicht das Bier über den Kopf kippen dürfen.

Der Blonde schaute mich nur verdutzt an. Offenbar konnte er nicht ganz glauben, was ich soeben getan hatte. Sein klatschnasses Haar triefte auf seine Kleidung.

Doch dann grinste er, zu meiner Überraschung. „Nicht dein Ernst." Er lachte.

Dann hörte ich auf schallendes Gelächter vom hinteren Tisch. Seine Kumpanen hatten es mitbekommen.

Einen Moment wusste ich nicht was ich tun sollte.

Scheiße.

„Hör zu, ich mach dir ein Neues." Ich drehte mich um und zog schwungvoll ein Glas aus dem Regal. Entschuldigen kam trotzdem nicht in Frage.

„Weißt du, Bierduschen gibt man sich normalerweise nur nach einem gelungenen Footballspiel, Schätzchen."

Ich achtete nicht darauf, sondern füllte das Glas. Dann drehte ich mich um und stellte vor ihm das Bier ab.

„Ich glaube, du solltest mal mit mir ausgehen.", sagte er schließlich. Mein Kopf fuhr hoch und ich schaute in sein grinsendes Gesicht.

„Unbedingt." Lässig lehnte er sich gegen den Tresen.

„Was?" Das war doch nicht sein Ernst!?

„Ja, wir treffen uns am Montag Abend am Cross- Café."

Ich lachte auf. „Das kannst du vergessen."

Er wollte sich mit mir treffen? Nachdem ich ihm sein Bier über den Kopf geleert hatte? Das konnte nicht sein Ernst sein.

Ich griff in eine Schublade und holte ein trockenes Geschirrhandtuch heraus. Schnell warf ich es ihm zu.

„Hier." Ich nickte. „Damit kannst du dich abtrocknen."

Noch immer hoffte ich inständig, dass nicht genau jetzt Jules oder Fred herrauskommen würden. Wie sollte ich ihnen das bitte erklären? Doch zu meinem Glück taten sie das auch nicht.

„Und ob du das wirst." Kam er wieder auf das Date zu sprechen, nahm das Geschirrhandtuch an und rieb sich damit flüchtig ab. „Als Wiedergutmachung für das." Er deutete auf seine nassen Schultern.

Ich schüttelte den Kopf und drehte mich wieder zurück zum Spülbecken. Abwesend machte ich mich wieder daran, die benutzten Gläser zu spülen und in das Regal über mir zu stellen.

„Wir treffen uns am Montag um acht im Cross- Café, die Straße runter."

„Ich freu mich schon", fügte er noch  mit interessantem Tonfall hinzu, schnappte sich dann sein Bier, wie ich aus dem Augenwinkel wahr nahm und gesellte sich nach hinten, zu seinen immer noch grölenden Freunden.

Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Als ob ich mich mit einem fremden, unhöflichen, Megamacho treffen würde. Ich hatte sichtlich besseres zu tun. Da konnte er lange warten.

Um zwei schließlich, kam Fred aus seinem Büro und bedeutete mir, dass ich gehen dürfte.

„Möchtest du bar oder per Überweisung bezahlt werden?", fragte er mich.

Ich überlegte einen Moment. Auch wenn ich nicht wirklich davon ausging, dass meine Mutter mir einen Job besorgte und mir anschließend das Geld von der Bank klaute, war ich mir doch nicht ganz sicher und nahm das Geld doch bar an.

„Dankeschön.", sagte ich und schob das Geld schnell in meinen Geldbeutel.

„Du kannst deine Arbeitskleidung gerne mitnehmen und immer vor deiner Schicht anziehen, wenn du möchtest." Er kritzelte etwas auf ein bedrucktes Papier.

„Könntest du hier vielleicht noch eine Telefon- oder Handynummer eintragen, dass wir dich erreichen können?", fragte er und schob mir das Papier zu.

„Klar." Ich griff nach dem Kugelschreiber, der neben dem Dokument lag und schrieb meine Handynummer auf.

„Gut." Er nickte, als ich ihm das Papier zurückschob. Ich reichte ihm den Kugelschreiber.

Er streckte mir seine Hand entgegen. „Dann bis morgen Abend."

Ich reichte ihm ebenfalls meine. „Bis morgen."

Als ich aus dem Pub trat winkte ich nochmals und lächelte ihm zu.

Ich hatte einen Job! Ich hatte es wirklich geschafft!

Begeistert sprang ich vom Bürgersteig auf die Straße. Ich lachte schallend.

Als ich schließlich im Zug saß, der mich nach Hause fuhr, lehnte ich mich in meinem Sitz zurück und zog die Liste aus meiner Hosentasche. Aus meiner Tasche zog ich einen Kugelschreiber und hakte glücklich einen Punkt ab.

Mir einen Job besorgen.

So langsam häuften sich die Häkchen auf meiner Liste. Und das war auch gut so. Denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich erst richtig gelebt hatte, wenn ich all dies erfüllte. Und genau das wollte ich. Richtig leben. Mein Leben ausnutzen.

Ich las mir einige Punkte nochmals durch. „Abhauen, spontan einen Roadtrip machen, Nachts ins Freibad einbrechen und schwimmen gehen, von einer Klippe ins Meer springen, Sterne zählen, mit einem Fremden ausgehen..." Als ich den letzten Punkt las, stutzte ich. Das hatte ich nicht wirklich aufgeschrieben, oder?

Doch, das hatte ich.

Ich ließ meinen Kopf zurück gegen den harten Sitz sinken. Das würde wohl bedeuten, dass ich mich mit dem Macho aus dem Pub treffen musste. Nein, ich musste nicht, aber ich wollte. Denn ich wollte alles tun, um die Dinge auf meiner Liste zu erfüllen.

Was hatte ich mir da nur eingebrockt. Leise lachend schüttelte ich den Kopf.

„Nächster Halt: Curing Town.", hörte ich die Durchsage durch den fast leeren Zug hallen. Dort musste ich aussteigen.

Seufzend faltete ich meine Liste wieder zusammen und stopfte sie zurück in meine Hosentasche. Dann zog ich mich an einer Stange, die für die Leute, die im Zug stehen mussten, gedacht war, hoch und drückte auf den Kopf an der Tür um sie zu öffnen, als der Zug mit quietschenden Rädern hielt.

Die Tür schwang zur Seite und ich lief aus dem Zug.

Klar, ich verstand es, wenn niemand mehr Lust hatte, mich nachts um halb drei abzuholen, aber es war trotzdem nicht gerade toll mit dem Zug zu fahren, denn ich hatte vom Bahnhof immer noch eine halbe Stunde zu laufen.

Und so lief ich nachts um drei die schmale Straße entlang und schaute einen Moment zum Himmel hinauf. Die Sterne leuchteten nur schwach, da hier unten einfach zu viele Straßenlaternen eingeschaltet waren.

Auf einmal schossen einige Motorräder um die Kurve. Erschrocken schaute ich wieder auf den Gehweg und stolperte einen Schritt zur Seite.

Was sollte das denn?

Ich schaute den Motorradfahrern nach und glaubte für einen Moment, dass es die Typen aus dem Pub gewesen waren. Aber das war sehr unwahrscheinlich. In dieser Umgebung gab es tausende Motorradfahrer.

Schnell lief ich weiter und kam auch schon bald an meinem Haus an.

Als ich vor der Tür stand, kramte ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel und schloss auf. Ich lief hinein und schmiss meine Tasche auf die Bank, die im Flur stand. Dann schmiss ich mir die Schuhe von den Füßen und nahm sie anschließend mit auf mein Zimmer.

Schnell streifte ich mir meine Klamotten ab und schmiss sie achtlos auf einen Stuhl. Dann zog ich dünne Shorts und ein Top aus meinem Schrank, zog es mir über und stieg ins Bett. Bevor ich das Licht ausmachte, schaute ich nochmals auf mein Handy. Eine Nachricht von Lewis.

Na wie wars? ;)


Schnell tippte ich die Antwort.

Ganz toll... Aber ich habe einen Job und bekomme Geld. Das heißt: Auto ich komme! :D

Ich tippte auf Senden. Dann legte ich mein Handy auf meinen Nachttisch und lies mich seufzend in die Kissen sinken.


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