Fünfundzwanzig

Ja, die Nacht war noch jung.

Wir strichen über das Gelände, lauschten der leisen säuselnden Musik, die im Hintergrund spielte und genossen die laute Musik, die an anderen Stellen aus großen Boxen brach. Wir tanzten die ganze Nacht, hatten Spaß und ließen keinen Gedanken an zu Hause übrig. Und immer zu, suchte ich Gabes Nähe und er meine. Wir tanzten zusammen, küssten uns immer wieder.

Und irgendwann standen wir unter einer riesigen, leuchtenden Discokugel und alles und jeder um uns herum leuchtete. Und ich drehte und drehte mich im Kreis, bis mir schwindelig wurde und mich Gabe lachend auffing. Er schlang seine starken Arme um meine Taille und hielt mich. Zum Takt der Musik wiegten wir uns hin und her. Ich blickte hinauf in seine dunklen Augen, die im Licht der Discokugel leuchteten und konnte es kaum fassen. Ich hatte es nie anders gewollt. Wünschte mir, dass dieser Moment nie enden würde.

Und dann, als die Nacht wieder klarer wurde, gingen wir langsam zurück zum Camp, auf dem Gabes Bus auf uns wartete. Die Müdigkeit, die ich die ganze Zeit nicht gespürt hatte, brach nun über mich herein.

Ich machte mir gar keine Mühe, sondern streifte mir nur die dunklen Stiefel von den Füßen, zog mir ein lockeres T- Shirt für die Nacht über und legte mich auf die große Matratze im Bus. Gabe legte sich wenig später zu mir. Keine fünf Minuten später schlief ich ein.

Am nächsten Tag weckte mich am frühen Morgen ein greller Sonnenstrahl, der mir direkt ins Gesicht schien. Ich streckte mich und drehte mich wieder auf die andere Seite. Gabe war nicht mehr da. Woher er nur dieses Frühaufstehen hatte?

Ich zog mich an und steckte mir flüchtig die Haare hoch. Etwas verschlafen sprang ich aus dem Bus und gesellte mich zu Gabe, der mit einer dunklen Sonnenbrille in einem grünen Campingstuhl saß, die Beine weit von sich gestreckt.

Mein Herz machte einen kleinen Satz, als er mich bemerkte und mir zu grinste.

„So früh schon?", fragte er gespielt erstaunt und schob sich die Sonnenbrille hinauf ins Haar. Er stand auf und lief auf mich zu.

„Natürlich." Ich grinste zurück, wenn auch etwas verschlafen. „Das bin ich doch immer, oder nicht?"

Ein breites Lächeln zog sich über seine Lippen. Dann gab er mir zur Antwort einen langen Kuss.

Wir frühstückten unsere zerdrückten Supermarktbrötchen und ließen uns nebenbei die warme Morgensonne ins Gesicht scheinen, die sich einen Weg unter den Pavillon, unter dem wir saßen, bahnte.

Später machten wir uns auf und liefen dem Strom nach, der aufs Festivalgelände zog. Wir liefen zu den großen Gerüsten, von denen Sara erzählt hatte und die man vom Riesenrad aus gesehen hatte.

Sie standen in nicht gerade kleinen Abständen auf dem plattgetrampelten Gras und ragten in die Luft wie Türme.

Einer war sogar wirklich ein Turm. Eine kleinere Nachbildung des schiefen Turms von Piesa, der ebenso schief in die Luft ragte. Einige abenteuerlustige Leute in verrückten Kostümen kletterten den Turm hinauf und machten Schnappschüsse.

Weiter links stand ein großer Würfel aus bunt bemaltem Gitter, der aussah, als würde er nur auf einer Spitze balancieren. Gabe und ich kletterten hinauf und ließen die Beine vom Rand baumeln.

Das Gelände füllte sich langsam immer weiter, doch es wirkte, als wäre es hier nie ruhig. Als würde sich hier immer die Masse tummeln und als würden die Menschen hier nie schlafen gehen.

Weiter hinten stand eine große Statue aus Holz, die einen alten Mann ab dem Oberkörper darstellte. Er hatte die Hände nach vorne gestreckt und zu einer Schale geformt, als würde er gleich We are the World singen oder von Jesus ein Stück Brot geschenkt bekommen.

Einige kletterten hinauf und setzten sich in die breiten Hände, des Mannes. Das Bild war fantastisch.

Und noch ein Stück weiter, standen zwei simple Türme mit Plattformen, von welchen man mit einem Seil zur anderen schwingen konnte.

Wir kletterten hinauf.

Die Türme waren nicht hoch, doch zum Abstürzen reichte es alle mal. Doch ich überwand mich, schnappte mir das Seil, welches einer dicken Kordel ähnelte, nahm Anlauf und schwang mich auf die andere Seite.

Ich stieß einen Freudenschrei aus, als ich mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft rauschte, den warmen Wind in meinem Gesicht spürte und schließlich stolpernd auf der anderen Seite ankam.

„Das ist genial!", schrie ich den Personen auf der anderen Seite zu und schwang die Liane zurück.

Gabe schnappte sich als nächstes das Seil, nahm Anlauf und schwang sich zu mir herüber. Er lachte, als er auf der anderen Plattform ankam und der Staub um ihn herum aufstob.

Ich strahlte ihn breit an.

Später liefen wir rüber zur Schlittschuhbahn. Ich hatte etwas gebraucht, bis ich Gabe dazu überredet hatte, doch ich hatte es geschafft. Und so standen wir schließlich vor der Ausgabe, auf der man sich Schlittschuhe ausleihen konnte.

Wir holten uns welche in unserer Größe und zogen die Dinger, wenn auch etwas umständlich, an.

„Komm schon!", rief ich und lief auf den Kufen zur Plastikbahn.

Gabe sah nicht sonderlich begeistert aus.

Ich stieg auf die Bahn und machte den Eingang für Gabe frei. Unsicher blickte er mich an und wägte langsam den Kopf hin und her.

„Jade... Ich kann nicht Schlittschuhfahren!"

Ich konnte es nicht zurück halten. Begann zu lachen, streckte aber, als ich mich wieder beruhigt hatte, eine Hand aus, um ihm zu helfen.

„Das ist nicht witzig!", versuche Gabe zu kontern, doch auch er konnte sich das Lachen nur schwer verkneifen.

„Komm, ich zeig's dir!"

Gabe ergriff meine Hand und ließ sich von mir auf die Plastikbahn ziehen.

Es war seltsam, Schlittschuhlaufen zu gehen, wenn man kurze Hosen trug. Um uns herum trugen sogar einige Sachen, die aussahen wie Bikinis und die Sonne trieb uns den Schweiß aus den Poren.

Stolpernd kam Gabe neben mir auf die Bahn. „Ach du scheiße!", lachte er unsicher und krallte sich an meine Schultern.

„Entspann dich.", ordnete ich an. „Das ist ganz einfach."

Ich wusste es nicht zu beschreiben, also machte ich es ihm vor. „So.", sagte ich. „Versuchs mal."

Wackelig ahmte er meine Bewegungen nach, stolperte und konnte sich gerade noch so an der Bande festhalten.

Ich lachte. „Ich glaube, dabei könnte ich dir den ganzen Tag zuschauen."

Er streckte mir den Mittelfinger entgegen und unterdrückte ein Grinsen.

„Wieso musstest du auch unbedingt Schlittschuhlaufen gehen? Hier kann man tausend Dinge machen."

„Sei nicht traurig.", meinte ich gespielt bedauernd und löste seine warmen Hände von der Bande. „Versuchs nochmal."

Und er versuchte es wieder. Hielt sich an meiner Schulter fest und schlurfte wie ein alter Mann auf Krücken neben mir her. Es war zum totlachen.

Wir versuchten es weiter und irgendwann klappte es besser. Er konnte sich zwar noch immer nicht von der Bande oder meiner Schulter lösen, ohne hinzufallen, aber es ging. Und so fuhren wir langsam über die Plastikfläche, auf der Leute in allen möglichen Kostümen und Kleidern herumliefen.

Schwungvoll drehte ich vor Gabe eine kleine Pirouette und kam zum Stehen. Als er mich nur anschaute, sagte ich: „Ich hab früher Eiskunstlauf gemacht, weißt du?"

„Oh, okay. Krass. ", antwortete Gabe beeindruckt und rutschte zur Bande, an der er sich festhalten konnte.

„Das war ein Scherz, du Idiot!", lachte ich, und zog ihn an den Armen wieder ins Getümmel.

Irgendwann trafen wir wieder auf Sara, Matt, Mike und Lilith, mit denen wir uns etwas zu Essen holten und uns an einen kleinen Tisch setzten, der einfach so mitten auf dem Gras stand. Anschließend gingen wir zu zwei Konzerten von mir unbekannten Bands namens Riverblue und The Truct. Und als es dann immer später wurde gingen wir zum Camp von Matt und den anderen und machten ein Lagerfeuer, über dem wir Würstchen grillten und Stockbrot brieten. Es wurde immer später und die Nacht brach über uns herein. Um uns herum wurde die Luft kalt, doch am Feuer war es noch, als wäre es Tag.

Und dort saßen wir, im Schneidersitz um das hell brennende Lagerfeuer, erzählten uns Geschichten, Witze und Sachen die wir schon erlebt hatten.

Und so schräg sich das auch anhören mag, wurde mir in diesem Augenblick bewusst, dass dies die Momente waren, an die man sich später erinnern würde. Die man nie vergessen würde.
Das waren die Momente, die man sich sein ganzes Leben schaffen sollte.
Und meine Liste war voll von diesen Momenten. Wahrscheinlich glaubte ich deswegen, dass ich erst frei sein konnte, wenn ich diese Liste erfüllt hatte.

________________________

Hey :)

Wie findet ihr meine Geschichte? Gefällt euch das Festival auf dem sie gerade sind und welche Personen gefallen euch am besten oder gar nicht? Lasst mir gerne etwas Feedback in den Kommentaren da oder schreibt mir direkt eine Privatnachricht. Ich würde mich auch über ein Vote freuen, wenn euch die Geschichte gefällt.

LG

Crownqueen144

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top