47
Sam
Du und deine Freundin", keuchte ich unter den bestialischsten Rippenschmerzen, die ich jemals hatte. "macht einen großen Fehler. Ich bin ein Polizist und weißt du, was passiert, wenn du einen Cop umlegen wirst? Wenn sie dich kriegen, du verhaftet wirst und in den Knast kommst?"
Ich musste nach jedem zweiten Wort eine Pause machen, um Luft zu holen.
Lonnie stand sichtlich unbeeindruckt und mit der Schrotflinte in der einen Hand vor uns, während Holly und ich auf den Boden des Wohnmobils hockten, die Hände auf dem Rücken mit Kabelbinder befestigt. Unsere Fußknöchel wurden ebenfalls gefesselt.
Nach meiner kleinen Zugegenwehr, gegen den schlaksigen Lonnie Rodiger, in der ich dachte, dass ich diesen Typen aufs Kreuz legen konnte, hatte er mir unerwartet die Waffe in die Rippen gehauen und mir dann gegen die Stirn getreten.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich neben meiner Schwester auf dem Boden vor dem Wohnmobil und wurde von Lonnie und seiner schweigenden Freundin hineingezerrt und gefesselt.
Neben den Rippenschmerzen, bei denen ich sicher war, dass ich mindestens eine gebrochen haben musste, dröhnte mir der Schädel, als hätte ich tagelang durchgesoffen.
So beschissen ging es mir nicht mal nach dem Tod meines Sohnes.
Immerhin hatten die beiden meine Schwester nicht grob angefasst und behandelten sie, als sie ein zerbrechlicher Gegenstand- vermutlich, weil sie sichtbar schwanger war.
Lonnie fragte Holly sogar, ob die Kabel um ihren Handgelenken nicht so festgezogen seien, als Holly mit: "Geht so", antwortete, versuchte Lonnie weiter Smalltalk zu betreiben. Er fragte sie nach ihrer Schwangerschaft aus. Holly antwortete netterweise, aber zähneknirschend zugleich.
Aber seit Stunden, in denen wir im hinteren Teil des Wohnmobils durch die Gegend gefahren wurden, verließ absolut kein Mucks ihre Lippen. Sie starrte einfach nur vor sich hin, schien mich irgendwie zu ignorieren. Ja, meine Schwester gab eindeutig mir die ganze Schuld an diese Misere. Aber, hätte sie sofort die Polizei gerufen, anstatt mich...
Ich sollte jetzt nicht so anfangen. Beim besten Willen nicht. Das war absolut der beschissenste Zeitpunkt, eine Diskussion mit meiner Schwester anzufangen. Da diskutierte ich lieber mit Lonnie, auf der Hoffnung, ihn nicht weitaus schlimm zu provozieren.
Lonnie selbst, antwortete auf meine Fragen nicht, sondern zuckte nur gleichgültig mit den dürren Schultern. Das Auto kam abermals zum stehen. Vermutlich standen wir schon wieder an einer roten Ampel, mitten in der Pampa. Keine Ahnung, wo sie uns überhaupt hinbringen wollten. Was sie vor hatten. Das schlauste von denen wäre, uns mitten im Nirgendwo rauszulassen und abzuhauen.
Holly neben mir rutschte genervt auf ihrem Hintern hin und her und wandte sich dann zu Lonnie. "Könnte ich mich wenigstens in einen der Sitze setzen, oder wenigstens aufs Bett?", fragte sie und deutete auf das gemachte Bett im hinteren Teil des Wohnmobils.
Das Wohnmobil fuhr wieder an und beschleunigte. Die Brünette saß konzentriert auf dem Fahrersitz und warf zwischendurch mal einen prüfenden Blick zu uns in den Wohnraum.
Lonnie blickte sie entgeistert an. "Wieso?", fragte er dumm.
"Das ist nicht sonderlich gut fürs Baby und ich habe Probleme mit dem Ischias."
Der sichtlich genervte Lonnie nickte nur, löste die Kabelbinder von denen, um ihr Handgelenk und von dem im Boden festgebohrtem Tischbein, dann zog er sie sogar auf die Beine.
Holly streckte sich. "Gott, dass tut gut", bemerkte sie und ging unter den strengen Blicken von Lonnie Rodiger zum gemachten Bett. Dort stellte sie sich vor, wandte sich dann aber wieder zu ihm. "Apropro Schwangerschaft. Meine Blase die drückt gerade ein wenig. Ich müsste aufs Klo."
"Dann geh doch einfach", bemerkte dieser.
"Ich würde ja gerne, aber..." Holly deutete auf die gefesselten Hände auf ihrem Rücken. Lonnie wandte sich von ihr ab, legte die Schrotflinte auf den leeren Esstisch ab und ging zur Küchenzeile. Er öffnete eine Schublade und schien etwas zu suchen.
Er hatte eine Schere hervor gezogen und ging damit auf meine Schwester zu. Grob, aber gleichzeitig sachte, drehte er sie mit dem Rücken zu sich und schnitt ihr Kurzerhand die Kabelbinder durch. Als sich Hollys Hände endlich aus den engen Fesseln befreiten, drückte Lonnie ihr auch schon die Scherenspitze an den Hals. Holly verkrampfte sich. "Keine Faxen, oder ich steche dich ab", drohte er ihr und drückte sie dann unsanft zur kleinen Toilette. Er riss die schmale Tür auf und schubste sie hinein. Dann schlug er die Tür zu und lehnte sich mit all seiner Kraft dagegen.
"Du weißt schon, dass sie bereits nach uns suchen?", fing ich wieder an und starrte Rodiger in das blasse und eingefallene Gesicht.
"Und?", schnaubte er unbeeindruckt. "Ich weiß, dass ich ein toter Mann bin."
"Hast du überhaupt eine Ahnung, wer ich bin?"
Wütend schüttelte er seinen Kopf. "Sehe ich aus, als wäre ich bescheuert, oder so? Natürlich, weiß ich, wer du bist, Samuel. Wer sie ist." Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Toilette. "Holly und ich gingen damals auf dieselbe Highschool. Nicht wahr, Holly?"
"Ich hörte davon", entgegnete ich, während Holly stimmte diesen mit einem "Jepp", zu.
"Ich weiß, dass du der Vater von dem kleinen Tristan bist", hauchte Rodiger mit einem abartigen Unterton. "Ein wirklich hübscher Junge. Die Sommersprossen liegen bei euch in der Familie, oder?"
Wütend stierte ich meinen Widersacher an und wäre ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen, aber ich war gefesselt und unbewaffnet, und Rodiger selbst war echt stark. "Er hatte dieses Funkeln in den Augen... ja und dieses erlosch, als er bemerkte, dass ich nichts Gutes im Schilde führte. Seine Haut war weich... regelrecht zart, fühlte sich so wundervoll zwischen meinen Fingern an. Bitterlich geweint, hat er. Geschrien... nach Hilfe, nach seinem Papa, nach seinem Großpaps Abel. Ich hab ihn dann einfach das Kabel um den Hals gelegt... habe daran gezogen und gezerrt, zog es regelrecht fest... dann herrschte plötzlich diese Stille und der kleine verschwitzte Körper bewegte sich unter mir nicht mehr."
Mir schossen Tränen in die Augen- vor Wut und vor Trauer. Und am liebsten, hätte ich Lonnie Rodiger sein Gesicht weggepustet. Aber ich war dazu nicht in der Lage, obwohl ich es so sehr wollte.
Lonnie Rodiger hatte sich nur wenige Augenblicke später, nachdem er sein Geständnis, mehr oder weniger, ablegte, neben mich gekniet und blickte mich mit dem widerlichsten Grinsen an, was ein Mensch nur aufziehen konnte. Da drinnen ließ sich blanker Hohn und Spott und die tiefste Freunde ablesen. Am liebsten hätte ich Rodiger, der mir zu Nahe war, eine kräftige Kopfnuss verpasst, aber ich befürchtete, dass ich mich selber ausknocken würde. Und wer weiß, was dann passieren würde. Mit mir, mit Holly, weil ich meinen musste, wieder Benzin in das offene Feuer zu kippen.
"Tristan wird mir immer in meinen Erinnerungen bleiben. Immer", fügte Lonnie schlussendlich hinzu. Er öffnete abermals seinen Mund, um wieder irgendwas loswerden zu wollen, was bei mir vermutlich zum Überkochen geführt hätte, da schwang etwas Schwarzes, über seinen Kopf umher. Mit einem gewaltigen Knall, sackte Lonnie regungslos auf meine im Schneidersitz gefalteten Beine hinauf. Sofort sickerte Blut aus der Platzwunde am Hinterkopf hervor.
Meine Schwester, atmete tief durch und hielt immer noch die Teigrolle mit dem Blutfleck in der Hand. Als sie in die Fahrerkabine blickte, ließ sie die Teigrolle fallen und griff nach der Schrotflinte vom Esstisch. Zielend auf die Fahrerin des Wohnmobils, steuerte Holly die Fahrerkabine an. Sie wusste, dass die Brünette am Steuer unbewaffnet war. Meine Pistole und die von Holly, hatte Rodiger irgendwo entsorgt. Holly drückte der unbekannten Frau den Lauf an den Hinterkopf. "Du fährst die nächste Ausfahrt ab", bemerkte Holly streng und ließ sich dann auf dem Beifahrersitz nieder. Den Lauf immer noch auf die Fahrerin gerichtet.
Ängstlich nickte die Frau und schien ohne Lonnie viel zu zerbrechlich zu sein. Von der starken Brünetten, die ihrem Partner zur Seite stand, war nichts mehr übrig geblieben. Angewidert schob ich Rodiger von meinen Beinen runter und trat dann die Schere, die er fallengelassen hatte unter die Küchenzeile. Lonnie blieb immer noch regungslos auf dem Boden liegen, dass Blut sickerte weiter aus der tiefen Platzwunde am fast haarlosem Hinterkopf.
Hoffentlich würde dieser eine ganze Weile bewusstlos bleiben.
Ohne auch nur einen Hauch von Widerstand zu zeigen, fuhr die schweigende Brünette die nächste Ausfahrt ab. "Wir fahren gerade von der 65 auf die 231 in Richtung Crown Point, Indiana", ließ mich meine Schwester wissen.
"Danke, für die Information", antwortete ich ironisch und ließ Lonnie nicht aus den Augen.
"Halt an der Straße an!", forderte Holly wenig später lauthals und bedrohlich ein.
Wieder nickte die Frau, tat das, was Holly von ihr verlangte. Holly stand auf und hielt die Schrotflinte ein wenig tiefer, damit die vorbeifahrenden Autos nichts sahen. "Abschnallen und ganz vorsichtig aufstehen!"
Die Frau schnallte sich ab, hielt ängstlich die Hände in die Luft und wandte das Gesicht von Hollys einschüchternden Blick ab. Wimmernd und fast weinend, ging die Frau voran, schaute entsetzt auf den ausgeknockten Lonnie und fing schlimm an zu weinen.
Irgendwie hatte meine Schwester es im Alleingang geschafft, seine Freundin mit Kabelbindern an den Tisch zu fesseln und mich von meinen Kabelbindern zu befreien.
Während Holly dabei war der Frau die Füße mit den Kabelbindern zu befestigen, checkte ich bei Lonnie nach, ob dieser noch am Leben war. Als ich meine Finger von seinem Hals nahm und zähneknirschend feststellte, dass er noch Puls hatte, stöhnte er plötzlich.
Meine Hände schnellten hervor und ich griff nach beiden Handgelenken, die ich grob auf seinem Rücken legte. Holly half mir mit den Kabelbindern und zog sie unter dem stöhnenden Meckern von Rodiger fest, der nach und nach wieder zu Bewusstsein kam. "Das was du in letzter Zeit getan hast, wirst du jetzt bitterlich bereuen", ließ ich ihn wissen und zog ihn grob auf die Knie. Die Schmerzen in meinen Rippen und in meinem Kopf, wichen meinem steigenden Adrenalinpegel.
"Nicht hier", brummte Holly, die immer noch die Schrotflinte in den Händen hielt.
Ich schaute zu ihr auf und nickte.
"So schnell kann sich der Spieß drehen, Schätzchen", flötete ich ironisch und zerrte Rodiger neben seiner uns noch unbekannten Freundin an den kleinen Esstisch. Dort festigte ich, den sichtlich benebelten Rodiger, mit weiteren Kabelbindern an dem Esstisch, fesselte seine Beine und seine Fußgelenke ebenfalls. "Wir werden gleich noch sichtlich Spaß haben."
Ich klopfte ihn auf die Schulter und wandte mich dann zu meiner Schwester, die mich mahnend anblickte. "Wir hatten darüber geredet, oder?"
Ich ging zu ihr. "Du willst wirklich die Bullen anrufen?", zischte ich sie an.
Holly seufzte genervt. "Bist du doof? Die suchen uns doch mit Sicherheit eh schon. Wir hatten das doch geklärt, Sam. Nichts, was wir bereuen werden."
"Kannst du dich mal entscheiden?"
"Ich würde am liebsten auch so handeln, wie du, okay? Ja, das gebe ich zu. Aber wie bereits erwähnt, denke ich an die Zukunft, die man damit ganz schnell kaputt machen kann."
Ich seufzte. "Das ist mir auch klar." Nachdenklich tippte ich mit dem Fingern auf meiner dreckigen Hose herum. "Aber, dass ist mein Weg damit abschließen zu können."
"Kannst du auch, wenn er im Knast sitzt und die Strafe wird nicht gering sein. Er hat fünf Menschen, oder mehr ermordet, einen Polizisten entführt und ihn verletzt. Der wird für immer einsitzen und die Insassen werden das schon regeln."
Ich starrte Holly, die Stimme der Vernunft an. "Dir passt es doch auch nicht."
"Wie bereits gesagt, wäre ich dabei, wenn ich nichts zu verlieren hätte. Aber in dem Fall, hab ich eine Menge zu verlieren. Dich eingeschlossen, Sam." Holly wandte sich zu der Fahrerkabine. "Ich fahre irgendwo hin, wo wir telefonieren können unsere Handys und die Waffen liegen ja irgendwo in diesem beschissenen See."
Holly drückte mir die Schrotflinte in die Hände und ging zur Fahrerkabine. Ich folgte ihr.
"Wollen wir den Weg wirklich gehen?"
"Der ist weitaus besser, als der andere, Sam. Wir haben unseren Soll erfüllt. Jetzt sind die anderen dran." Sie setzte sich auf dem Fahrersitz.
"Ich hab anscheinend eh nichts zu melden", bemerkte ich nachgiebig. "Dann machen wir das so."
Ich gab für diesen einen Moment nach und überlegte fieberhaft, wie ich meinen Plan in die Tat umsetzen konnte, auch wenn ich mit dieser Entscheidung, nicht nur meiner Schwester weh tun würde.
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