35
Holly
Als ich am nächsten Tag vor dem Krankenhaus hielt und dieses betrat, ging ich automatisch zur Notaufnahme, betrat den Mitarbeiter-Pausen-Raum, suchte meinen Spind auf und wollte diesen gerade öffnen, als ich Natalie lachen hörte.
„Holly!?"
Ich schloss meinen Spind auf. „Ja?"
„Was machst du hier?", hakte sie weiter nach, zog die Tür zu den Toiletten zu und kam auf mich zu.
„Arbeiten. Was soll ich sonst hier machen?", fragte ich und regte mich innerlich über diese dumme Frage auf.
„Du bist doch im Beschäftigungsverbot!", erinnerte sie mich daran und fing lauthals an zu lachen. Erschrocken hielt ich inne.
Ach du Scheiße! Stimmt ja.
Ich zog grummelnd die Handtasche zurück aus dem Spind und schlug die Tür zu. „Matsch, meine Birne ist einfach nur noch Matsch."
Natalie musste immer noch lachen und schien sich gar nicht mehr einzukriegen.
Ebenfalls lachend schloss ich meinen Spind wieder ab und schulterte meine Handtasche. „Gut, mir fällt gerade ein, ich war eigentlich hier, um meinem Freund abzuholen."
„Das kommt eher hin." Natalie seufzte und musterte mich. „Und wie hat Jay reagiert?"
„Er hat geweint, ich hab geweint. Glaube, der braucht noch ein paar Tage, um das alles zu realisieren."
„Verständlich, man ist fünf Monate nicht da, darf keinen Kontakt zu seiner Bindungsperson haben und dann erfährt man nach Monaten das Nachwuchs unterwegs ist..."
„Danke für die Zusammenfassung, Dr. Manning", scherzte ich und setzte mich auf die Bank. „Ich hab Angst, Nat." Ich seufzte und blickte zu ihr. Natalie setzte sich neben mich.
„Ihr beiden werdet das schon schaffen. Wir sind auch noch da. Deine Familie, Sam. Maggie und ich freuen uns schon wahnsinnig."
„Und wie!"
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Maggie ebenfalls in den Raum kam, bis diese neben mir stand und sich vor mich kniete.
„Wir sind da, wenn euch das Baby zur Weißglut treibt. Ein Anruf genügt, bei Tag oder Nacht und Tante Maggie und Tante Natalie sind sofort zur Stelle."
„Oder, wenn ihr mal für euch beiden sein wollt", warf Natalie ein. „Denkt daran, ihr seid beide trotzdem noch ein Paar und nicht nur Eltern... wir passen auch auf den zukünftigen Polizisten auf..."
„Oder die zukünftige Krankenschwester", verbesserte Maggie. „Immer noch keine Ahnung, was es wird?"
Ich schüttelte meinen Kopf. „Nee, zeigt sich nicht richtig, als würde das Baby sich schämen." Ich kam aber wieder auf das andere Thema zu sprechen. „Ich weiß, dass ich mich auf euch beiden verlassen kann. Ich weiß auch, dass es ein schwieriger Start für Jay und mich werden wird... es wird nicht einfach, klar... aber, die meiste Angst die ich habe, ist, dass ihm irgendwas auf der Arbeit passiert."
„Mal jetzt nicht den Teufel an die Wand, Süße!", mahnte Maggie.
„Er ist im Krankenhaus, weil er fast in die Luft gejagt wurde!"
„Das wird nicht noch einmal passieren."
„Aber was ist, wenn er erschossen wird, oder sonst was?"
„Holly, denk nicht an sowas. Keine negativen Gedanken, dass tut dir und dem Baby nicht gut. Jay ist hartnäckig, wie eine Scheißhausfliege." Natalie und ich mussten nur lachen. Maggie's Wortwahl war wieder einmal sonderbar, aber trotzdem steckte etwas dahinter. „Den kriegt kein Kleinkrimineller klein, sonst fress' ich einen Besen."
Maggie griff nach meinen Händen. „Bitte, mal keinen Teufel an die Wand, lass deine positiven Gedanken den Vorrang. Ihr beiden werdet bald Eltern sein, ein kleines pupsendes Bündel in den Armen halten."
„Ja."
„Positive Gedanken, Holly!", mahnte Maggie.
„Du hast Maggie gehört und jetzt hol deinen Freund ab. Der wartet bestimmt schon."
„Das wäre eine Idee", lachte ich leise. „Der klebt bestimmt schon an der Fensterscheibe und wartet auf mich."
„Ich kann auch einen Anruf auf die Station durchgeben und sagen, dass der kleine Jay Halstead abgeholt wird."
„Nein, brauchst du echt nicht, Maggie", gluckste ich, verabschiedete mich von den beiden und machte mich auf den Weg nach oben.
Jay saß im Wartebereich, einem Rucksack zwischen den Beinen geklemmt und blätterte in einer Autozeitschrift herum.
„Wie lange wartest du schon?", fragte ich, und ging direkt auf ihm zu. Jay schaute auf, schmiss sofort die Zeitung neben sich auf den kleinen Tisch und lehnte sich im Stuhl nach hinten. „Viel zu lange. Hast du dich verlaufen?"
Ich drückte ihm einen Kuss auf den Mund, den er lächelnd erwiderte. Seine grünen Augen hatten wieder dieses typische Funkeln, welches ich dermaßen vermisst hatte.
Er musterte mich und fing an zu lachen, als ich ihm erzählte, dass ich mich für die Arbeit fertig machen wollte, obwohl ich eigentlich gar nicht arbeiten durfte. „Natalie und Maggie haben mich sicherlich für bescheuert gehalten."
„Das hätte ich auch." Jay kriegte sich gar nicht mehr ein, versuchte sich zusammenzureißen.
„Was macht dein Kopf?"
„Nur noch leichte Kopfschmerzen, die mit normalen Aspirin weggehen. Stirn heilt super und ansonsten bin ich fit. Ich will einfach nur nach Hause. Meine Couch, mein Bett, meine XBOX."
Er stand auf und hob den Rucksack auf, schulterte diesen und ging voran. „Du kannst auch mit den Öffentlichen fahren", murmelte ich ganz leise vor mir hin.
Da hatte Jay aber wieder gelacht und kam zu mir. „War nur ein Spaß." Sofort legte er einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich. „Hauptsache ich hab dich endlich wieder."
Zur Besänftigung drückte er mir noch mal einen Kuss auf die Stirn. Damit gab ich mich vorerst zufrieden.
„Musst du nicht noch zur Arbeit und die Sachen aus deinem Spind holen?", hakte ich nach.
„Hab alles im Rucksack. Gordon hat's mir gestern noch gebracht. Er kann's kaum erwarten, dass wir nächste Woche wieder auf Streife gehen."
„Du warst von Anfang an sein Partner, normal, dass man dich vermisst."
„Ja", nickte Jay. „Mouse war gestern auch da und hat versucht herauszufinden, was das Baby wird."
„Und hast du?"
„Ich bin standhaft geblieben, obwohl ich ihn es am liebsten gesagt hätte. Und wir wollen wirklich dabei bleiben, dass wir das Geschlecht für uns behalten? Ich kann das nicht lange aushalten."
„Versuch's einfach", sagte ich belustigt und blickte zu ihm hinauf.
„Na dann", murmelte er und verzog die Lippen zu einem Schmunzeln. „Ich werde einfach Dad."
„Ja."
Jay drückte mich näher an sich, während wir weiter durch die hellen und sterilen Gänge des Krankenhaus gingen. „Das packen wir auch noch", sagte er zuversichtlich. „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, dass sich unser beider Leben komplett umkrempelt, aber, wir werden da schon hineinwachsen, dass irgendwie meistern."
„Ja", murmelte ich und lehnte mich an Jays Schulter an. „Wir haben noch eine Menge zu tun. Zimmer streichen, Möbel kaufen, Kinderwagen, und das alles..."
„Ich bin die Woche über krankgeschrieben, da können wir das alles machen." Jay seufzte. „Ich bin nur so froh, endlich bei dir zu sein... Zuhause..."
„Du wiederholst dich", lachte ich leise. Er stimmte mit ein. „Aber ich bin froh, dass du wieder da bist."
„Ich glaube, länger hätte ich das auch nicht ausgehalten", gestand er. „Gar nicht auszumalen, was wäre, wenn ich noch länger..."
„Denk nicht mal daran. Dem ist nicht so. Du bist jetzt endlich wieder Zuhause und das war's. Punkt, Ende, Aus."
Jay zog mich weiter zu sich und drückte mir einen weiteren Kuss auf die Schläfe.
Während Jay noch immer schlafend im Bett lag, war ich am nächsten Morgen gut gelaunt aufgestanden und machte uns Frühstück fertig, damit wir mit vollen Magen von Laden zu Laden fahren konnten.
Jay hatte gestern noch das Zimmer gestrichen und ich konnte es kaum erwarten, das Zimmer endlich fertig zu bekommen.
Ich drehte die krüppeligen Pfannkuchen und sang nebenbei leise die Musik aus dem Radio mit, als das laute Türklopfen mich aus meinen Gedanken riss. Genervt stellte ich die Pfanne von der angeschalteten Herdplatte, zog die Kinderzimmertür zu und eilte zur Wohnungstür.
Ich blickte durch den Spion, erkannte Sam, den ich sofort die Tür öffnete. „Äh, Guten Morgen?", fragte ich irritiert.
Normalerweise hasste ich es abgöttisch, wenn aus dem Nichts und ohne Voranmeldung Leute an der Tür standen, dass wusste Sam, aber er hielt sich nie daran.
„Morgen", murmelte er und machte eine Handbewegung, dass ich zur Seite treten sollte. „Wie geht's Jay?", fragte er, als er eintrat, mir einen Kuss auf die Wange drückte und kurz meinen Bauch kitzelte.
„Schläft, hat immer noch leicht Kopfschmerzen und ist bis nächste Woche krankgeschrieben", erklärte ich und drückte die Tür zu. „Wisst ihr schon, wer das war?"
Wer steckte hinter der Autobombe? Diese Frage stellte ich mir die ganze Zeit.
„Dad hat die Person schon gefasst, deshalb bin ich hier, spiele wieder den Botenjungen."
Erst jetzt, sah ich unter Sams Jacke sein Holster mit seiner Dienstwaffe und seiner Dienstmarke. „In Zivil?"
Er nickte und grinste dann breit. „Nenn mich ab heute Detective Samuel Dean McGowan!", verkündete er stolz.
Ich starrte ihn entsetzt an. „Wie?"
„Hab vor ein paar Monaten die Prüfung für die Detective-Sache erfolgreich und mit Sternchen abgeschlossen. Dad hat geheult, genauso, wie Weihnachten letztes Jahr." Er deutete auf meinem Bauch und ich schnitt eine Grimasse.
„Dad hat doch nicht wegen meiner Schwangerschaft geweint."
„Als Mom dich nach Hause gefahren hat, wie ein Schlosshund."
„Das sagst du mir erst jetzt?"
Sam zuckte mit der Schulter. „Hast du niemals gehört- niemals. Naja, ich bin jetzt Detective und darf mit Hank in der Gangunit arbeiten."
„Mit, oder für?", fragte ich belustigt.
Sam dachte kurz nach und sagte: „Ja."
Wir beide mussten lachen. „Herzlichen Glückwunsch, Detective."
Ich beglückwünschte Sam, nahm ihn in den Arm. Er erwiderte dankend die Umarmung und es tat gut, ihn nach mehr als einem Jahr, wieder so lachen und so strahlen zu sehen, als wäre der Verlust von Tristan nie ein Teil seines Lebens gewesen.
Sam ging in Richtung Küche und ich folgte ihm. „Machst du mir ein paar fertig?", fragte er und deutete auf die Pfanne. Ich nickte nur und wandte mich den Pfannkuchen zu.
Erschrocken fuhr ich zusammen, als Sam gegen die Schlafzimmertür hämmerte. „Halstead aufstehen! Sofort!", rief er und hämmerte wieder dagegen.
Lachend blickte ich zu Sam und der geschlossenen Schlafzimmertür. Hinter der Tür, hörte ich Jay genervt motzen, bis er wenig später genervt hinaustrat.
Sam stand bereits wieder neben mir.
„Was'n los?", fragte Jay müde.
„Kannst du dir kein T-Shirt leisten?", stellte Sam die Gegenfrage.
„Hat nur für die Hose gereicht", bemerkte Jay trocken und deutete auf seine Jogginghose. Er wurde langsam munterer und steuerte direkt die Kaffeemaschine an. „Warum bist du hier und gehst uns auf die Nerven, Sam?"
Sam klärte Jay wegen dem gefassten und geständigen Autobombentypen auf.
Das Wort Triaden fiel, genau wie der Name vom Täter, ein ganz normaler amerikanischer Bürger, der von Henry Lee, dem Anführer der Chicagoer Triaden beauftragt wurde, ein paar Russen und deren Helfer auszuschalten- darunter auch fast Jay und Alvin.
Sam blickte zu mir. „Kennst du ja, hast auch nie..."
„...auch nur ein Wort gehört. Ich weiß", warf ich ein. Ich hatte Sams fertige und schon abgekühlte Pfannenkuchen zwischen zwei Küchenpapiere gelegt und ihm diese hingehalten. „Nicht, dass du noch zu spät kommst."
„Du willst mich doch nur los werden", murrte Sam.
„Richtig", antwortete Jay an meiner Stelle, weshalb ich die Lippen zu einem Grinsen verzog. Sam nahm mir die Pfannkuchen ab, drückte mir einen Kuss auf die Wange, ehe er auf dem Absatz kehrt machte und zur Wohnungstür ging. „Danke, Kleine", rief er noch. Keinen Augenblick später war die Tür zugefallen und ich wandte mich zu Jay.
„Was macht dein Kopf?"
„Tut gar nicht mehr so dolle weh", antwortete er. „Warum machst du mich nicht wach?"
„Ich habe gerne meine Ruhe, wenn ich gerade aufgestanden bin, weißt du doch."
„Ja, gut", Jay trank von seinem Kaffee. „Willst du auch einen?"
Ich winkte ab. „Kann ich immer noch nicht anrühren, sonst kotz' ich."
Ich hatte vor der Schwangerschaft gerne den ein oder anderen Kaffee, oder Cappuccino getrunken, aber seither, bekam ich absolut keinen Schluck mehr runter, obwohl der Geruch vom frisch gekochten Kaffee, viel zu verführerisch war.
Fettiges Essen war genauso eine Sache. Ich ernährte mich hauptsächlich von Nudeln, Reis, Obst und Gemüse.
Noch nicht mal den geliebten angebratenen Speck zum Frühstück, bekam ich runter, schon bei diesem Geruch und den Gedanken, drehte sich mein Magen um.
Ich musste mich ablenken, dachte an einen leckeren Haferflocken-Müsli mit frischen Äpfeln und Naturjoghurt und atmete tief durch.
„Alles gut?", wollte Jay wissen und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Ja, mir war kurz übel. Geht schon wieder."
„Ich trink eben den Kaffee aus, mach mich dann fertig und dann können wir die Liste abarbeiten?"
„Das hört sich gut an."
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