27

Sam
Das Opfer heißt Griffin Killian, neun Jahre alt, wuchs in Canaryville auf. Seine Eltern übernahmen vor einigen Jahren einen Imbiss in dem Viertel, namens TNT Pizza & Beef und wohnten über dem Imbiss. Die Mutter sitzt gerade eine Haftstrafe wegen Körperverletzung ab. Im März diesen Jahres, attackierte sie einen Stammgast namens Lonnie Rodiger, mit einem Pfannenwender aus Metall, der angeblich Griffin, eine Woche vorher unsittlich angefasst haben soll. Griffin wurde, wie erwartet keinen Glauben geschenkt, da er, trotz seines jungen Alters, schon einiges auf dem Kerbholz hat. Gutachter und der Richter hielten Griffin für unglaubwürdig..."
Ich blickte Voight an und seufzte. „Und jetzt ist Griffin tot, vergewaltigt, stranguliert und im Canal Origins Park, am Ufer des Bubbly Creeks abgelegt wurden. Dieselben Strangulationsmerkmale wie bei Tristan, Alexej und Little John Doe, vermutlich mit einem Kabel."
Das erste Opfer, war immer noch nicht identifiziert- es meldete sich auch keiner, der sein Kind vermisste. In was einer Welt lebten wir eigentlich?
„Dieser Typ, Lonnie Rodiger, was wissen wir über den?", wollte Al wissen.
Ich räusperte mich. „Rodiger ist Erzieher im Jones Academy Child Care, in Fuller Park, keine einzige Vorstrafe, wohnt an der Grenze Fuller Park, Canaryville, Baujahr 1986."
Voight schnalzte mit der Zunge und schaute von der jungen Frau zu mir. „Sam, du schnappst dir Officer Lindsay und stattet Rodiger einen Besuch ab. Man weiß ja nie."
Die zierliche Frau, in der Officer Uniform musterte mich kurz und ich nickte.

„Samuel McGowan", bemerkte sie, während ich mich auf die Straßen vor mich konzentrierte. „Der Sohn vom Sonnenschein McGowan höchstpersönlich."
Ich schnaubte belustigt. „Schön, dass du Beweise zusammenzählen kannst, ist in diesem Beruf, ziemlich wichtig", neckte ich und warf einen kurzen Blick auf die attraktive kleine Frau mit dem Grübchen und den braunen, schmalen Augen, dann wich mein Blick wieder auf die Straße.
„Stimmt. Hat man dich nicht von diesen Fällen abgezogen?", fragte Lindsay dann. „Wegen..."
„...meinem Sohn", unterbrach ich. „Meinen Dad auch. Du wirst Hank Voight noch richtig kennenlernen. Er scheißt auf Regeln."
„Ich kenne Voight, bin schon länger dabei", antwortete sie knapp. „Ich kann's verstehen, dass dein Vater und du, trotzdem weiter an diesem Fall arbeiten wollt. Ich hätte das gleiche getan."
„Jeder der Eier in der Hose hat, hätte das Gleiche getan." Dann wechselte ich das Thema. „Wie lange bist du beim CPD?"
„2001 bin ich auf die Academy und seit 2002 bin ich im Streifendienst tätig."
„Hättest auch einfach nur acht Jahre sagen können", bemerkte ich und schnitt eine Grimasse.
Lindsay schnaubte belustigt. „Und du, McGowan?"
„2002 auf die Academy und im selben Jahr mit Bestleistung abgeschlossen und seitdem Officer."
Lindsay schnaubte abermals. „Hättest auch einfach nur acht Jahre sagen können", ahmte sie mich nach.
Ich lachte leise. Lindsay stimmte mit ein.
„Hab viel Gutes von dir gehört... deshalb frage ich dich nicht, ob man dir vertrauen kann. Das ist wichtig, weißt du ja bestimmt."
„Ja, man sollte seinem Partner vertrauen können, auch wenn's nur vorübergehend ist. Und ich bin mir sicher, dass ich auch dir vertrauen kann. Sonst kriegst du es mit Voight zu tun- versteh mich gut mit ihm."
Lindsay lachte komisch. „Klar."
„Ich meine das nicht auf Arschkriecherbasis, mein Dad und er verstehen sich, Hank und ich verstehen uns, man hilft sich gegenseitig wo man kann."
Lindsay musterte mich kurz und presste die dünnen Lippen zu einer noch dünneren Linie zusammen. „Ich weiß, wozu Voight alles in der Lage sein kann und er lässt oft genug, andere die Drecksarbeit erledigen."
„Ich weiß, wie er tickt. Das ist eben ein Geben und Nehmen, aber davon verstehst du nichts."
„Weil ich eine Frau bin?"
„Weil ich oft genug mit Voight zusammengearbeitet habe und du nie da warst, sonst würde ich dich kennen, also, kannst du ihn schlecht einschätzen und Dinge die man über eine Person hört, sollte man niemals glauben schenken."
„Vielleicht habe ich ja mit Voight zusammen an dem ein oder anderen Fall gearbeitet, nur weißt du das nicht, weil du kein so guter Officer bist, wie..."
„Wie wer? Du?", lachte ich spöttisch. „Okay, wenn wir zurück auf der Wache sind, fordere ich deine Festnahmen-Statistik an und dann können wir uns mal vergleichen."
„Tu dir keinen Zwang an, McGowan."
„Genau das werde ich machen", bemerkte ich und tippte auf dem Lenkrad herum.
Wieder eine rote Ampel, an der ich halten musste- immerhin waren wir nicht mehr weit entfernt vom Wohnhaus in dem Lonnie Rodiger mit seinem Vater gemeldet war.
„Du bist in Canaryville aufgewachsen?", fragte Lindsay mich.
„Ja, aber im normalen Teil des Viertels, noch bevor Canaryville den Untergang geweiht war. Ist echt schlimm geworden."
„Ich hab die Statistik gelesen. Englewood ist weitaus schlimmer, und ja, im Gegensatz zu damals, ist die Kriminalität in Canaryville gestiegen."
„Sag ich doch. Meine Eltern wollen trotzdem nicht wegziehen, wenn es nach denen geht, würden beide in dem Haus sterben- egal wie."
„Verständlich", sagte sie. „An so einem Haus hängen sehr viele Erinnerungen, die man nicht so einfach los lassen kann."
„Genau." Ich bog in die Straße ab, in dem Rodiger wohnte und hielt wenig später vor dem etwas älteren Haus. „Dann machen wir mal unsere Arbeit."
„Das wäre vielleicht eine Idee", bemerkte Lindsay und stieg als erste aus. Ich folgte ihr.

Der normal wirkende und ruhige Lonnie Rodiger, dreiundzwanzig Jahre alt, saß genau in der Mitte der Doppelcouch und schien fast, so dürr und mager war er, zwischen den Sitzkissen in die Lücke zu rutschen.
Rodiger war schockiert, dass es ein nächstes Opfer gab und es ausgerechnet Griffin Killian war.
„Wo waren Sie den gestern Abend zwischen 20 und 22 Uhr gewesen?", fragte Lindsay.
„Sie beschuldigen doch nicht mich?", fragte Rodiger entrüstet. „Ich bin Erzieher, sowas würde ich niemals tun."
„Nun, es sind routinemäßige Fragen. Die müssen wir stellen", warf ich ein. „Und außerdem, war da dieser Vorfall im Imbiss der Killians..."
„Wenn Sie darüber informiert wären, wüssten Sie, dass ich nichts getan habe und sich Griffin alles aus seiner Kinderfantasie zog. Der Apfel fällt in dieser Familie ja nicht weit vom Stamm."
„Schön und wo waren Sie gestern zwischen 20 und 22 Uhr?", bohrte ich weiter nach. „Zu der Zeit, verschwand Griffin nämlich aus seinem elterlichen Zuhause und wurde gegen vier Uhr von suchenden Polizisten gefunden. Ermordet."
Lonnie saß immer noch steif da und runzelte die Stirn. „Ich war gestern Abend hier."
„Kann das jemand bezeugen?"
„Mein Vater", antwortete Lonnie auf Lindsay's Frage. „Wir schauten uns eine Serie an."
„Welche Serie?"
„Two And A Half Men. Gestern liefen die neuen Folgen. Mein Vater und ich kochten Gulasch, setzten uns um acht Uhr vor dem Fernseher und schauten die letzten Folgen der vorherigen Staffel. Gegen neun Uhr kamen die neuen Folgen, dass ging bis kurz nach zehn. Danach schauten wir weiter Fernsehen und um zwei Uhr gingen wir ins Bett."
„Können wir mit Ihrem Vater reden? Ist er hier?"
„Küche. Wenn Sie ihn fragen wollen, fragen Sie ihn- er wird Ihnen dieselben Antworten geben, wie ich."

„Mein Sohn würde sowas nicht tun", bemerkte Mr Rodiger wenig später und wusch das Geschirr in dem Spülbecken ab. Kopfschüttelnd stand der dickliche und kleine Typ vor der Küchenzeile und ließ die Bürste über die Pfanne reiben. „Er war die ganze Nacht zuhause. Wir schauten fern. Erst schauten wir die alten Folgen von Two And A Half Man, danach die neuen aus der neusten Staffel, ging bis kurz nach zehn", erklärte er. „Danach schauten wir noch Little Britain, britischer Humor, dass ging bis um zwei. Danach sind wir beide ins Bett."
„Sie haben gestern Abend gemeinsam gekocht?", fragte Lindsay. „Was gabs denn?"
„Gulasch, nach dem Rezept meiner deutschen Großmutter, wenn Sie mir nicht glauben, in dem Topf ist noch was."
Ich stand neben dem Herd und hob ohne großartig darüber nachzudenken den Topfdeckel an. Dort war wirklich eine dickflüssig, bräunliche Suppe mit Gemüse und Fleischstückchen drinnen.
Das roch lecker, aber sah aus wie Hundefutter. Ich legte naserümpfend den Deckel zurück und nickte. „Dann war's das."
„Wie gesagt, Lonnie würde sowas niemals machen. Er liebt seine Arbeit, die Kinder, hat sich nie auch nur eine Kleinigkeit zu schulden kommen lassen."
Am liebsten hätte ich Mr Rodiger gefragt, wie es bei ihm aussah, aber ich fiel nicht mit der Tür ins Haus, wenn ich seine Strafakte nicht mal kannte- falls er überhaupt eine besaß.
„Kann eine weitere Person das bestätigen. Ihre Frau, zum Beispiel?", fragte Lindsay plötzlich.
Mr Rodiger kniff kurz die Augen zu und atmete schmerzlich durch. Dann sagte er: „Meine Frau starb recht früh und seitdem sind Lonnie und ich auf uns allein gestellt. Er macht sich sehr gut. Ich bin stolz auf ihn und ich weiß, dass meine Frau, Erika, es ebenfalls wäre." Er seufzte. „Nur noch Lonnie und ich. Wenn ihm was passieren würde, wäre ich verloren."

„Ich hab Rodigers Nummer", bemerkte ich, als wir auf dem Weg zurück zur Wache waren. „Ich leuchte die mal durch. Vielleicht, war Lonnie weg und sein Vater deckt ihn."
„Warum, sollte sein Vater so etwas tun?"
„Du hast ihn gehört. Es sind nur noch Lonnie und er, keine weitere Person, die für ihn da sein würde. Er hat Angst vorm Alleinsein."
Lindsay schnaubte. „Das ist ziemlich weit hergeholt, McGowan, ich bitte dich."
„Wer weiß. Ich check die Handynummer, du schaust nach, ob Papa Rodiger Dreck am Stecken hat."
„Hatte ich eh vor", nickte sie und blickte aus dem Fenster heraus.

Das Ende vom Lied war: Lonnie's Handysignal, war wirklich die ganze Zeit an Ort und Stelle, es liefen wirklich die Folgen von der und der Sendung, zu der und der Uhrzeit, und Papa Rodiger hatte ebenfalls eine Weiße Weste- noch nicht mal ein Ticket fürs Falschparken.
Nichts.
Nada.
Njet.
Wir standen genau da, wo wir schon immer standen: im Nichts.
Die Chicagoer Polizei stand absolut schlecht dar, wurde in den Medien und auf Facebook und Twitter regelrecht zerrissen, weil sie absolut zu dumm dazu waren, den Mörder von vier unschuldigen Jungen zu finden.
  Griffin Killian, starb genau wie die anderen drei und musste dasselbe durchwachen: Vergewaltigt, mit einem Kabel stranguliert, leichte Schnitt und Stichverletzungen am ganzen Körper, abgetrennte Hoden (naheliegenste Tatwaffe war ein geriffeltes Gemüsemesser). Aber dieses Mal, fanden sich am und im nackten und lieblos abgelegten Körper, von Griffin Killian keine Fremd-DNA in Form von Ejakulat.
Es fanden sich Fasern eines Waschlappens und die Bestandteile einer gängigen Handseife, mit dem der Täter die Fingerabdrücke von Griffins Körper wischte und vermutlich wurde kein Ejakulat gefunden, weil der Täter ein Kondom benutzte. Vermutlich wurde er vorsichtiger.

Ich musste wohl ziemlich verzweifelt ausgesehen haben, als Officer Erin Lindsay, mir eine Tasse Kaffee an meinem Schreibtisch brachte und sich dann neben mich setzte.
Ich schaute auf, murmelte ein kleines „Danke", und wandte mich dann wieder dem Bericht zu.
„Wenn's dir keine Umstände macht und dir wehtut, würde ich gerne etwas über deinen Sohn erfahren", hatte sie dann gesagt.
Abrupt hörte ich auf, frustriert auf der Tastatur zu tippen und warf ihr einen erneuten Blick zu.
Lindsay hatte bereits den Bilderrahmen mit dem Foto von Tristan und mir in die Hand genommen. „Er kommt sogar nicht nach dir."
Ich schnaubte belustigt. „Der Vaterschaftstest sagt aber was anderes."
„Hört sich so an, als hättest du Zweifel gehabt."
„Ja, die hatte ich. Meine damalige Freundin", ich setzte das Freundin mit meinen Zeigefingern in Anführungszeichen und sprach dann weiter: „neigte zu schnellen Partnerwechsel."
„Wow, gut, die Phase hatte jeder mal. Selbst ich."
„Ich auch. Aber sie macht es immer noch, soweit ich weiß", sagte ich. „Kann mir aber auch egal sein. Ich traf sie genau zu der Zeit, in dem ich ebenso diese gerade erwähnte Phase hatte."
Lindsay nickte und schaute sich im Büroabteil um.
„Hat sie Tristan wenigstens gut behandelt?"
Lindsay stellte den Bilderrahmen wieder an Ort und Stelle und musterte mich kurz.
Einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke, aber ich wich ihren neugierigen Augen wieder aus, als ich merkte, dass ich mich in ihren hellbraunen Augen verlor. Angestrengt starrte ich auf den Bildschirm und ungeduldig blinkenden Cursor vor mir und kratzte mir den Dreitagebart.
„Für sie, war Tristan nur eine Last, das fing schon in der Schwangerschaft an." Ich presste kurz die Lippen aufeinander. „Verflucht, seine eigene Mutter war noch nicht mal auf seine Beerdigung. So eine gute Mutter ist die."
Erin Lindsay starrte mich einfach nur an und an ihrem dünnen Hals, sah ich, dass sie einen ziemlichen Kloß runterschlucken musste.
Ich kämpfte gegen die Tränen an, und konnte diese erfolgreich zurückhalten.
„Das tut mir leid, Sam", sagte Erin und legte eine Hand auf meine. Ich schwieg, presste die Lippen aufeinander.
  „Haben wir irgendwas?", unterbrach Hank Voight, der mit Alvin und meinem Vater im Schlepptau war. Erin zog schreckhaft ihre Hand von meiner Weg, sprang auf und leistete sofort Bericht.
    „Wenn Rodiger wirklich unschuldig ist, würde er uns doch sicherlich freiwillig eine Speichelprobe geben..."
„Das ist nicht so einfach, Abel", warf Voight ein. „Wir können Lonnie Rodiger nicht zwingen."
„Können wir nicht, richtig, aber wir könnten ihn bitten, ihn und sämtliche andere Männer..."
Hank schüttelte seinen Kopf. „Das wird nichts bringen, dass hatten wir letztes Jahr und führte zu nichts. Sonst wären wir nicht hier."
„Es würde was bringen, wenn wir uns die Männer vorknöpfen, die keine Vorstrafen haben, wie Lonnie. Die drei Kinder sind wohnhaft in Canaryville und wurden zwischen 1,5 und 3 Meilen von ihrem Wohnort gefunden. Der Täter hat sämtliche Verkehrskameras absichtlich umfahren. Die Reifenspuren beim ersten Fundort, sprechen für einen SUV der Marke Ford, Lonnie fährt einen... ziehen wir das einfach noch mal mit einem verpflichteten Massen-Speicheltest mit den Bewohnern in Canaryville durch. Ich wüsste nicht, wieso die Staatsanwaltschaft nein sagen würde, wenn sie ebenfalls im schlechten Licht stehen und nachdem Mörder suchen."
Dad und Voight starrten mich an und dann sich. „Ein Versuch ist es wert, Hank."

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