17

Jay
Ein weiterer anstrengender Arbeitstag, mit den typischen Überstunden, war hinter mich gebracht und ich konnte mich endlich auf den Weg nach Hause machen. Ich hatte schon ein ungutes Gefühl, als ich die Tür aufschloss und als ich das Wohnzimmer betrat, sah ich meinen Dad an der Wodkaflasche hängen- das Wohnzimmer sah auch wieder aus, als wären die Russen durchgeritten.
Damit hatten Dad und ich uns abermals in den Haaren, es kochte so hoch, dass er mir die leere Wodkaflasche entgegen schmiss, die neben mir an der Wand zerschellte.
Ich hielt das da nicht mehr aus, soll er doch das machen, wie er will. Ich hatte genug, brauchte eine Wohnung, nur für mich allein, um auf Abstand zu ihm zu gehen.
Ich schloss meine Zimmertür ab und machte mich auf den Weg zu Kelly's Tavern, um den blöden Tag in Vergessenheit rücken zu lassen.
Ein kleiner Lichtblick, ließ die bescheuerten Gedanken in den Hintergrund rücken, als ich Holly an der Bar sitzen sah. Sie unterhielt sich gerade mit Kellys Nichte Lauren und trank aus dem Glas, in dem vermutlich Cola gefüllt war. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass von Kelly, den Feuerwehrmann, nicht zu sehen war, steuerte ich direkt Holly an. „Du schon wieder", sagte ich und setzte mich neben ihr.
Sie wandte sich von Lauren ab, die ihrer Arbeit nach ging. „Ich schon wieder", antwortete Holly lächelnd, während Lauren von mir wissen wollte, was ich trinken möchte. „Guiness, danke."
Damit wandte ich mich wieder zu Holly. „Bist du wieder allein hier?"
„Ja, Kelly ist auf Schicht und kommt erst morgen früh wieder. Ich hab eh frei, also, kann ich mir wieder was genehmigen."
„Cola?"
„Ein bisschen Cola mit Jägermeister."
„Wow."
„Hier bitte schön, Jay." Lauren stellte mir das Glas mit dem frischgezapften Guiness hin, ich bedankte mich abermals.
„Wie war die Arbeit?", wollte Holly wissen. „Weißt du, ob die schon etwas Neues haben?"
Hoffnungsvoll ruhten ihre leicht geschminkten Augen auf meinem Gesicht.
„Sie gleichen immer noch die ganzen eingesammelten DNA-Spuren der Vorbestraften, mit den an den Kindern gefundenen Sper...Spuren ab. Das dauert und bisher haben die nichts. Sagt dein Dad nichts darüber?"
„Ich hab ihn seit der Beerdigung nicht mehr gesehen. Er ist ziemlich aufgebracht, weil sie ihm von dem Fall abgezogen haben. Kann beide Parteien verstehen. Jetzt hat wohl dieser Voight übernommen."
„Der ist eigentlich für die Gang Unit zuständig."
Holly zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Voight und Olinsky verstehen sich gut und Olinsky ist der Partner meines Vaters. Erklärt dann wohl einiges."
„Vermutlich. Themenwechsel?"
„Ich bitte dich darum." Holly nickte und griff nach ihrem Glas. Dann trank sie einen kräftigten Schluck. „Deine Blackhawks spielen heute."
„Haben auch einiges gekostet, als ich die aufgekauft habe. War nicht billig der Spaß", bemerkte ich spöttisch. Ich konnte es mir auch nie verkneifen, Holly zu necken, und das meinte ich nie böse.
Sie verstand es wenigstens. „Hm, dann kannst du Kelly einen neuen Fernseher schenken. Der Alte", sie deutete auf dem Fernseher hinter der Bar, „hat nämlich das zeitliche gesegnet."
„Das lässt sich ganz leicht von den Steuern absetzen", sagte ich und kratzte mir das Kinn. „Kennst du die Hawks-Bar im Süden von The Loop?"
„Die hat zufälligerweise einen funktionierenden Fernseher, hm?", lachte Holly leise.
„Mehrere Flatscreens, wird ja auch desöfteren von Stammspielern besucht und nicht jeder darf rein."
„Aber du, oder was?"
Ich schnitt eine Grimasse. „Die Cop-Karte hilft. Und ich denke, wenn du dein schönstes Lächeln aufsetzt, dann schenken die uns sogar den Eintritt."
„Dann fahren wir dort hin."
Ich bezahlte die offene Rechnung, bestellte uns ein Taxi und fuhr mit Holly etwas weiter in den Norden, direkt an der Grenze zu The Loop, Chicagos Downtown.
Der Türsteher erkannte mich, ließ mich mit Holly durch.
Die Hawks-Bar, war wie erwartet voll, und wir konnten gerade noch an einem vollen Tisch, mit angetrunkenen Fans, Platz nehmen.
Wir kamen mit denen ziemlich schnell ins Gespräch, ich unterhielt mich mit Garret, der mir gegenüber saß und mir seinen Schal überließ, über die aktuelle Aufstellung. Holly saß neben mir, hörte zu, obwohl ich wusste, dass sie absolut keine Ahnung, von den aktuellen Spielern hatte, Hauptsache sie musste nicht mit den anderen Frauen am Tisch reden, die über Jimmy Shoes und anderen most redeten.
Holly schnaubte belustigt auf, als ein Gegner in einer alten Berichterstattung gegen die Bande geschleudert wurde. Damals, kurz bevor sie mich abservierte, schenkte sie mir sogar Tickets zum Derby gegen St Louis. Eigentlich, wollte ich Dad mitnehmen, aber der ließ mich vor dem Stadion warten. Holly musste das geahnt haben. Sie stand damals neben mir und leistete mir Gesellschaft.
Als das Spiel endlich los ging, wandte ich mich zu Holly, die von den Frauen in typisches Weibergelaber gezogen wurde und merkte, dass Holly ziemlich abwesend war. Manchmal waren ihr Menschen einfach zu viel und dann reagierte sie gar nicht, war wie in Trance, schaltete auf Durchzug.
Automatisch, ich war's damals nicht anders gewohnt, griff ich nach ihrer Hand, die auf ihrem Bein lag, und konnte sogar meine Finger in ihren verschränken. Sie duldete das, weshalb ich schmunzelnd auf den riesigen Flachbildfernseher blickte.
„Willst du noch etwas?", fragte Holly plötzlich. Sie hatte die Hand weggezogen und war von dem Stuhl aufgestanden.
„Setz dich hin. Ich hol schon", winkte ich ab und zog sie zurück auf den Stuhl. Die Bar war rappelvoll und ich glaubte nicht, dass Holly Bock auf noch mehr Menschen hatte.
Ich holte uns beiden eine Flasche Guiness und jubelte mit den anderen mit, als die Blackhawks in Führung gingen.
„Bitte schön." Ich stellte Holly die Bierflasche auf den Tisch und setzte mich wieder neben ihr.
„Danke."
Nicht mal zehn Minuten später, lagen die Blackhawks zurück und miese Stimmung, machte sich in der Bar breit. Das verstand ich nicht- es war doch noch genügend Zeit, dass Spiel zu drehen und wenn Swift von seinem Timeout zurück aufs Eis durfte, würde sich, hoffentlich, alles zum Guten wenden. Holly hatte ihren Kopf an meine Schulter gelegt, weshalb ich verdutzt vom Bildschirm zu ihr blickte. „Bist du müde?", fragte ich, über das Gemotze der Gäste hinaus.
„Nein."
Ich griff nach Hollys Stuhl und zog sie näher zu mir, um dann einen Arm um ihre Schulter zu legen. Sie lehnte ihren Kopf wieder an und ich fragte mich, was hier gerade los war.
Mouse Worte hallten mir durch den Kopf, weshalb ich meinen Oberkörper ganz zu Holly drehte.
Sie setzte sich gerade hin und blickte mich irritiert an. Ohne auch nur noch eine weitere Sekunde zu zögern, legte ich meine rechte Hand auf Hollys linke Wange und kam ihr mit meinem Gesicht näher. Innerlich betete ich, dass ich keine Ohrfeige, oder das Bier ins Gesicht geschüttet bekam.
Als plötzlich meine Lippen ihre berührten, wäre ich fast vom Stuhl geknallt. Nicht weil wir uns küssten, sondern weil sie die weitere Initiative ergriff, sie ihre leicht geöffneten Lippen auf meine drückte.
Ich wusste gerade gar nicht, wie mir geschah und war nur noch weiter verwirrt, als Holly von mir nach dem kleinen Kuss, zurückwich und sich ihrer Flasche Bier zuwandte, als wäre nichts gewesen.
„Alter", murmelte ich nur für mich hörbar und wandte mich wieder dem Spiel zu.

Ich war immer noch in Schockstarre, als wir nach einer enttäuschenden Niederlage die Bar verließen, schweigend, als hätten wir uns nichts zu sagen. Während wir auf das Taxi warteten, ging Holly, in Gedanken versunken, auf und ab, vermutlich weil ihr noch kalt war.
Ich richtete die Mütze auf meinem Kopf und ließ Holly nicht aus den Augen. Mein Hirn ratterte, mein Herz polterte wie verrückt, als sie stehen blieb und mich anblickte. Dann deutete sie auf die Straße. „Ich glaub unser Taxi ist da", sagte sie und ging voran. Dann versuchte ich es eben im Taxi.
„Adresse", sagte der Taxifahrer.
Zu meinem Erstaunen, nannte Holly meine Adresse. „Warum?", flüsterte ich ihr zu, nachdem der Fahrer die Adresse ins Navigationsgerät eingab und los fuhr. Die einzige Antwort die Holly mir auf meine Frage gab, war ein Zucken mit den Schultern.
Dann lachte sie und blickte aus dem Fenster hinaus.
Stirnrunzelnd rutschte ich ein Stück zu ihr rüber, lehnte mich zu ihr, wollte noch mal nach Fragen, was los sei. Sie hatte sich ebenfalls zu mir gewandt und wollte mich tatsächlich küssen.
Unsere Lippen berührten sich ganz leicht, da fluchte der Taxifahrer auf und ging gleichzeitig in die Eisen. Ich stützte mich reflexartig an die Sitze vor mir, sonst wäre ich nach vorne geflogen.
„Alles in Ordnung?", wollte Holly wissen.
Ihren ausgestreckten rechten Arm, hatte sie vor meinem Bauch gehalten.
Der Taxifahrer schlug auf die Hupe, als vor ihm jemand aufstand und weglief. „Haben Sie die Person getroffen?", fragte ich.
„Nein, konnte gerade noch in die Eisen gehen. Kam einfach auf die Straße gerannt. Alles gut da hinten?"
Auch der Taxifahrer musste tief durchatmen. Er wandte sich zu uns, nachdem Holly und ich nickten, setzte er motzend seine Fahrt fort.
Ich bezahlte den Taxifahrer, gab Trinkgeld und wünschte den noch einen schönen Abend. Holly, die bereits ausgestiegen war, blickte zum Haus.
In der Küche brannte noch Licht, anscheinend war mein Dad da.
„Dann frag ich noch mal. Warum willst du mit zu mir?", fragte ich, als ich mich Holly näherte, die bereits auf der Veranda stand. Ich stellte mich neben ihr, während sie nach einer Antwort überlegte.
Ich musste lachen. „Ich seh's, ich seh's", kommentierte ich, als Holly näher und näher kam, bis sie ihre Hände auf meine Wange legen konnte. Gleichzeitig hatte mein Gesicht sich ihres genähert und ganz sachte, presste sie ihre nach Erdbeeren schmeckenden Lippen auf meine.
Schon regelrecht ungeduldig und gierig, zog ich ihre Hände von meinem Gesicht, um nach ihrem zu greifen und sie sanft und gleichzeitig fest zu küssen.
Sie verfiel dem Kuss genauso wie ich es gerade tat.
Ich keuchte, als sie mir leicht auf die Unterlippe biss, drückte sie weg, legte meine Stirn an ihre, während ich die Haustürschlüssel heraussuchte.
Während ich wie ein Vollidiot, versuchte die Haustür aufzuschließen, stand Holly neben mir und musste belustigt lachen.
„Das Blut muss erstmal zurück in meinen Schädel", lachte ich.
„Offensichtlich."
„Tada", endlich hatte ich die Tür aufbekommen und stolperte in den Hausflur hinein, der vom Licht in der Küche leicht erhellt wurde. Ich ließ sie rein, drückte die Haustür zu und schmiss den Schlüssel auf die Kommode. Sofort  verschwand ich nach oben und Holly folgte mir.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top